26.12.2013 Aufrufe

Druckversion: Spezialist für Lieblingsteile - 4-Seasons.de

Druckversion: Spezialist für Lieblingsteile - 4-Seasons.de

Druckversion: Spezialist für Lieblingsteile - 4-Seasons.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Hej,<br />

66 Hersteller<br />

Hersteller 67<br />

<strong>Spezialist</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>Lieblingsteile</strong><br />

Der Outdoor-Markt gilt als gesättigt, neue Marken haben es schwer.<br />

Ausnahme: eine erstaunliche kleine Firma aus Schwe<strong>de</strong>n, die Design<br />

und Umweltschutz als gleichberechtigt ansieht und Witze über ihre<br />

Männerquote macht. Ein Besuch bei Houdini in Stockholm.<br />

»Bei uns dominieren die Mä<strong>de</strong>ls« – das Houdini-Managementteam mit Quotenmann Ola tagt im Showroom.<br />

Text und Fotos: Stephan Glocker<br />

Außen lässig, innen öko: 80 Prozent <strong>de</strong>r Kollektion bestehen schon aus Recyclingmaterial, 100 Prozent sind das Ziel.<br />

»<br />

die Fahrscheine bitte.« Die junge Schwedin, die auf<br />

<strong>de</strong>r City-Fähre vom Strandvägen die Tickets kontrolliert,<br />

strahlt mit <strong>de</strong>r Aprilsonne um die Wette. Der Frühling hat<br />

das Eis von <strong>de</strong>n Wasserstraßen und Kanälen zurückgedrängt, und<br />

ganz Stockholm glitzert unter einem makellosen Himmel.<br />

Ein Ticket bräuchte ich bitte. Das Lächeln lässt etwas nach. »Oh,<br />

Ticket s musst du vorher lösen, auf <strong>de</strong>m Boot verkaufen wir keine.<br />

Wohin musst du <strong>de</strong>nn genau?« Ich zeige meine ausgedruckte E-Mail.<br />

»Ah, Finnboda Hamn, das sind nur zwei Stationen.« Der Blick fällt<br />

auf <strong>de</strong>n Absen<strong>de</strong>r. »Zu Houdini? Coole Firma! Weißt du was, wir<br />

nehme n dich diesmal so mit. Aber künftig kaufst du ein Ticket, ja?«<br />

Ob die Freifahrt <strong>de</strong>m Frühlingswetter o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Coolness von Houdini<br />

zu verdanken ist, bleibt offen. Während die junge Outdoor-Marke in<br />

Deutschland noch als Geheimtipp gilt, hat man in <strong>de</strong>r Heima t je<strong>de</strong>nfalls<br />

<strong>de</strong>n Durchbruch geschafft. Das belegt einerseits die wachsen<strong>de</strong><br />

Präsenz <strong>de</strong>s freundlichen Houdini-Logos in Fjäll und Fußgängerzonen,<br />

an<strong>de</strong>rerseits ein Hagel an Auszeichnungen – bemerkenswerterweise<br />

in ganz verschie<strong>de</strong>nen Disziplinen: Das CNBC-Wirtschaftsmagazi n<br />

listete Houdini als eines <strong>de</strong>r 25 kreativsten Unternehme n Europas;<br />

die Swedsbank und die Skandinavian Outdoor Group vergaben Nachhaltigkeits-Preise;<br />

<strong>für</strong>s rasante Wachstum gab es <strong>de</strong>n schwedischen<br />

»Gazelle-Award«. Von <strong>de</strong>r Sportbranche <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s wur<strong>de</strong> Houdini-<br />

Chefin Eva Karlsson eben zur »Frau <strong>de</strong>s Jahres« gewählt.<br />

Jetzt steht die »Frau <strong>de</strong>s Jahres« am Fähranleger von Finnboda Hamn<br />

und winkt mir zu: Willkommen bei Houdini!<br />

Ein »Houdini« ist ein unmöglicher Move<br />

Nur ein paar Meter vom Wasser steht ein mehrstöckiger Klinkerbau,<br />

in <strong>de</strong>m Houdini zwei Stockwerke belegt: Im Erdgeschoss, äußerst<br />

schick, ein Showroom <strong>für</strong> die Kun<strong>de</strong>n; im vierten Stock, äußerst<br />

chaotisc h, die eigentliche Firma. Es sieht aus wie in einem Film über<br />

ein Start-up-Unternehmen: Junge, gut aussehen<strong>de</strong> Menschen belagern<br />

viel zu kleine Schreibtische, dazwischen parken überlange<br />

Klei<strong>de</strong>rstän<strong>de</strong>r mit Jacken, Houdies, Hosen und Mützen. Die<br />

Stimmun g ist gut, <strong>de</strong>r Frauenanteil erstaunlich hoch.<br />

»Richtig, bei Houdini dominieren die Mä<strong>de</strong>ls«, lacht Eva, »wir sind<br />

25 Leute, davon nur fünf Männer. Vielleicht sollten wir mal über eine<br />

Männerquote nach<strong>de</strong>nken.« Ola Oredsson, <strong>de</strong>r einzige Mann im<br />

Managemen t-Team, setzt einen Dackelblick auf: »Genau, wir wer<strong>de</strong>n<br />

unterdrückt! Im Moment dürfen sich die Jungs nicht rasieren, weil<br />

die Damen uns zu einem Schnurrbart-Wettbewerb zwingen!« Kein >


68 Hersteller<br />

Hersteller 69<br />

Globetrotter-Bestseller: Bikinis und Merino-Sei<strong>de</strong>n-Shirts.<br />

Aus altem Plastik (oben) wer<strong>de</strong>n neue Klamotten (unten).<br />

Im Frühlingslicht:<br />

Eva Karlsson, hinten<br />

die Houdini-Zentrale.<br />

Evas philosophischer Überbau reicht bis in die Klei<strong>de</strong>rschränke <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n:<br />

»Unsere Produkte halten lange, aber genauso wichtig ist, dass man sie auch<br />

lange tragen möchte. Deshalb streben wir ein zeitloses Design an.«<br />

Witz, die Männer tragen tatsächlich Räuberbärte … Man glaubt <strong>de</strong>n<br />

Houdinis aufs Wort, dass sie viel Spaß bei <strong>de</strong>r Arbeit haben.<br />

Gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong> Houdini bereits 1993, von Lotta Giornofelice, einer<br />

schwedischen Bergsteigerin. Die ersten zehn Jahre war die Firma<br />

eine One-Woman-Show. Lotta wollte eigentlich gar kein Geschäft aufbauen,<br />

son<strong>de</strong>rn war das halbe Jahr unterwegs und nähte nebenher <strong>für</strong><br />

sich und ein paar Freun<strong>de</strong> Unterwäsche und Baselayer aus Strechfleece.<br />

Damals gab es nur sackartige, schwere Fleece-Klamotten, die<br />

am Berg meist zu warm waren und im Rucksack Platz wegnahmen.<br />

Lottas Teile lagen eng an, machten je<strong>de</strong> Bewegung mit, reduzierte n<br />

Wärmestaus und hatten – wenn man sie mal nicht brauchte – ein sehr<br />

kleines Packmaß. Daher auch <strong>de</strong>r Name: Die Klamotte n verschwan<strong>de</strong>n<br />

im Rucksack wie einst Harry Houdini, <strong>de</strong>r legendäre Entfesselungskünstler<br />

und Zauberer, von <strong>de</strong>r Bühne. Außer<strong>de</strong> m steht »einen<br />

Houdini machen« in <strong>de</strong>r Kletterszene <strong>für</strong> eine n vermeintlich unmöglichen<br />

Move; auch ein bekannter Boul<strong>de</strong>r felsen in Stockholm heißt<br />

Houdini. Der perfekte Name also.<br />

Zehn Jahre lang werkelte Lotta solo vor sich hin, bis 2003 Eva<br />

Karlsso n und Hanna Lindblad die Firma übernahmen, jetzt als Two-<br />

Women-Show. »Wir ergänzen uns, Hanna ist ein Business-Profi, ich<br />

komme vom Bergsteigen und hatte davor <strong>für</strong> verschie<strong>de</strong>ne Outdoorfirmen<br />

gearbeitet«, sagt Eva. »Wir hatten klare Vorstellungen, was wir<br />

machen wollten – und was nicht. Vor allem: keine Kompromisse.«<br />

Lottas Konzept wird strukturiert und systematisch ausgebaut. Nach<strong>de</strong>m<br />

Houdini schon als erste Firma überhaupt Outdoor-Produkte aus<br />

Strechfleece hergestellt hatte, widmeten sich Eva und Hannah <strong>de</strong>m<br />

Thema Unterwäsche. »Fast alle meine Freun<strong>de</strong> sagten über ihre<br />

Funktions wäsche: zwar hässlich, aber gut! Also dachten wir uns, dass<br />

Unterwäsch e ja auch schön und noch besser sein könnte.«<br />

Vier Jahre Forschung <strong>für</strong> einen Merino-Sei<strong>de</strong>-Mix<br />

Houdini bringt Farbe ins Spiel, tüftelt an neuen Schnitten und Materialien.<br />

Bald entwickelt man Teile <strong>für</strong> die zweite Lage. Bis heute sind<br />

beson<strong>de</strong>rs die Houdies, funktionelle Kapuzenjacken aus Powerstrech-Fleece,<br />

ein Vorzeigeprodukt. Von Anfang an folgen die Schwedinnen<br />

ihrer eigenen Philosophie: »Bekleidun g soll bequem sein,<br />

funktionell und vielfältig einsetzbar, gut aussehen – und die Umwelt<br />

wenig belasten. Alle diese Punkte sind gleich wichtig!«, sagt Eva.<br />

Gut, das sagen viele Hersteller. Was also macht Houdini an<strong>de</strong>rs?<br />

»Beque m heißt, dass du die Bekleidung fast nicht spürst, dich aber<br />

wohlfühlst. Es gibt viele unangenehme Tights, manche Leute mögen<br />

sie <strong>de</strong>shalb nicht. Unsere Sachen sind auch körpernah geschnitten,<br />

aber geschmeidig und nicht einengend. Umgekehrt machen wir keine<br />

weiten Baggy-Styles, nur weil das gera<strong>de</strong> in ist. Funktion und Flexibilität<br />

erreichst du über Design und das richtige Material an <strong>de</strong>r<br />

richtige n Stelle, da stecken wir viel Arbeit rein. Manche Hersteller<br />

verlustieren sich bei ihren technischen Jacken, aber die Baselayer-<br />

Kollektion wird am Schluss schnell noch dazugebastelt.«<br />

Eva erzählt von <strong>de</strong>r Airborn-Serie – Shirts aus einem superleichten<br />

Merino-Sei<strong>de</strong>-Gemisch: »Merinowäsch e ist toll, aber sie geht zu<br />

schnell kaputt. Also haben wir Alternativen gesucht, die Kombination<br />

mit Sei<strong>de</strong> entwickelt und getestet. Vier Jahre lang! Aber jetzt haben<br />

wir einen weichen, robusten Stoff mit nur 120 Gramm pro Quadratmeter.<br />

Lei<strong>de</strong>r nicht gera<strong>de</strong> billig – aber eben genau, was wir wollten.«<br />

Nicht nur <strong>de</strong>n Hintern retten, son<strong>de</strong>rn auch die Welt!<br />

Mit <strong>de</strong>rselben lei<strong>de</strong>nschaftlichen Ernsthaftigkeit geht Houdini das<br />

Thema Umweltschutz an. Von Beginn an spezialisieren sich Eva und<br />

Hanna auf Recyclingmaterial und leisten Pionierarbeit. Sie experimentieren,<br />

entwickeln sortenreine Produkte, motivieren Kun<strong>de</strong>n und<br />

Lieferanten. Der Recyclinganteil <strong>de</strong>r Houdini-Kollektion liegt bereits<br />

bei beeindrucken<strong>de</strong>n 80 Prozent – »aber wir wollen 100 Prozent, so<br />

schnell wie möglich!«, sagt Eva. Manche Spezialstoffe o<strong>de</strong>r Materialstärken<br />

gibt es noch nicht als Recycling-Variante, doch daran wird<br />

gearbeitet. Die Herstellung steht ebenfalls im Fokus. Houdini ist<br />

BlueSign-Partner, unterwirft sich also strengen Umweltschutz-<br />

Standard s. Produziert wird ausschließlich in <strong>de</strong>r EU.<br />

Evas philosophischer Überbau reicht noch weiter, bis in die Klei<strong>de</strong>rschränke<br />

<strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n: »Unsere Produkte halten lange, aber genauso<br />

wichtig ist, dass man sie auch lange tragen möchte. Deshalb streben<br />

wir ein zeitloses Design an. Typische Mo<strong>de</strong>farben, die nach einem<br />

Jahr out sind, mei<strong>de</strong>n wir. Wir sind eher ein <strong>Spezialist</strong> <strong>für</strong> <strong>Lieblingsteile</strong>«.<br />

Und wenn das Lieblingsteil doch irgendwann schlappmacht,<br />

wird es wie<strong>de</strong>rverwertet. Die meisten Houdini-Produkte sind komplett<br />

recyclebar o<strong>de</strong>r – wie die Airborn-Wäsche – biologisch abbaubar.<br />

Dennoch reiten die Schwe<strong>de</strong>n nicht mit erhobenem Zeigefinger die<br />

grüne Welle. Houdini hat einen eigenen, cleanen Look ohne je<strong>de</strong>n<br />

Öko-Touch. Die Werbeslogans sind lebensfroh statt pessimistisch:<br />

»Nicht nur <strong>de</strong>n eigenen Hintern retten, son<strong>de</strong>rn auch die Welt!«<br />

Mittlerweile haben Eva und Hanna <strong>de</strong>n nächsten Schritt gemacht.<br />

Die Two-Women-Show holte neue Leute dazu, <strong>Spezialist</strong>en <strong>für</strong><br />

Design, Nachhaltigkeit, Marketing, Verkauf. Viele von ihnen übernahmen<br />

Firmenanteile, ebenso Privatleute aus <strong>de</strong>m Freun<strong>de</strong>skreis. Einen<br />

Konzern im Hintergrund gibt es nicht. Der La<strong>de</strong>n brummt trotz<strong>de</strong>m.<br />

Am Nachmittag versammelt sich das Team zur rituellen Kaffeepause.<br />

Weil Donnerstag ist, gibt es sogar Eis dazu. Themen am Tisch: die<br />

anstehend e Firmen-Skitour ins Fjäll, <strong>de</strong>r Schnurrbart-Wettbewerb<br />

und die Frage, ob es noch schönere Farbbezeichnungen <strong>für</strong> Houdini-<br />

Klamotten gibt als »Sonnenbrand-Rot«o<strong>de</strong>r »Pow<strong>de</strong>rday-Weiß«<br />

Die Ticketverkäuferin auf <strong>de</strong>r Fähre sagte es bereits: coole Firma!

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!