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Leseprobe - Theiss-Verlag

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16 | Der römische Handwerker in seinem Umfeld<br />

Die Arbeitswelt der Handwerker |<br />

17<br />

Herrscherwechsel wieder neu bestätigen lassen mussten,<br />

erklärt sich wohl durch die Höhe der Einnahmen,<br />

auf die römische Beamte nur ungern verzichteten.<br />

Bei Handwerkern, die auf Importe angewiesen waren,<br />

verteuerten Zölle die Produkte zusätzlich. In Soknopaiuo<br />

Nesos waren am Beginn der Wüstenroute<br />

nach Alexandria in römischer Zeit an einem Zolltor<br />

drei verschiedene Zölle zu bezahlen. Andererseits<br />

wurde von staatlicher Seite darauf geachtet, Doppelbesteuerungen<br />

zu vermeiden. So blieben in Megara<br />

und Kaunos innerhalb von 20 bis 30 Tagen nicht abgesetzte<br />

Waren bei der Ausfuhr steuerfrei, und der<br />

berühmte Zolltarif von Zraïa führt für Vieh und Zugtiere<br />

keine Gebühren auf.<br />

Auch andere Nebenkosten legten städtische Behörden<br />

auf die Handwerker um. Für den Erdaushub eines<br />

2,5 km langen Wasserkanals, der die Walkereien und<br />

Färbereien von Antiocheia mit Wasser versorgen sollte,<br />

zog die städtische Verwaltung die Bewohner aller<br />

insulae heran und berechnete den Betrieben anschließend<br />

den Wasserverbrauch, was sich bei dem hohen<br />

Bedarf für die Handwerker als bedeutender Kostenfaktor<br />

erwiesen haben muss. Die ebenfalls viel Wasser<br />

benötigenden metallverarbeitenden Werkstätten in<br />

Ptolemais Euergetis hatten 13 Obolen pro Tag für die<br />

Entnahme zu bezahlen. In Rom verteidigten die fullones<br />

(Walker), die seit Augustus abgabenfrei Wasser aus<br />

einer Quelle oder einem Aquädukt entnehmen durften,<br />

ihr Recht erfolgreich in einem von 226 bis<br />

244 n.Chr. durch drei Instanzen geführten Prozess.<br />

Die in den verschiedensten Quellen überlieferten,<br />

sehr unterschiedlichen Berufsbezeichnungen galten<br />

lange als Beleg für eine große Zahl hochspezialisierter<br />

Tätigkeiten, auch wenn die Antike grundsätzlich<br />

keine Facharbeiter mit besonders qualifizierender<br />

Ausbildung im neuzeitlichen Sinne kannte. Trotzdem<br />

muss der Künstler aus Alexandria, den der Magistrat<br />

von Hermopolis 140 n.Chr. mit dem Guss einer<br />

Bronzestatue beauftragte, als weit über die Grenzen<br />

der Metropole hinaus berühmter und entsprechend<br />

befähigter Meister seines Fachs gegolten haben. Auch<br />

Steinmetze wie die Brüder Limnaios und Diomedes<br />

aus Dokimeion wollten sich mit der offenbar überall<br />

verstandenen Berufsangabe »Dokimeionschneider« als<br />

besonders qualifizierte Meister ausweisen, weil sie zumindest<br />

zeitweise in dem weit über Kleinasien hinaus<br />

bekannten Steinbruch gearbeitet haben müssen. In den<br />

Marmorbrüchen von Aphrodisias etablierte sich die<br />

sogenannte Bildhauerschule von Aphrodisias, die später<br />

erfolgreich außerhalb der Provinz Syria Coele arbeitete<br />

und nicht nur in Rom, sondern auch in Olympia,<br />

Korinth, Syrakus oder Leptis Magna nachzuweisen<br />

ist. Vor allem die Arbeiten des Bildhauers Polyneikes<br />

finden sich in Rom, Priene und Aphrodisias.<br />

Bei den rund 160 aus den östlichen Provinzen sowie<br />

den 225 aus dem Westen bekannten Berufsangaben<br />

handelt es sich nach einer neuen Untersuchung<br />

aber oft nur um veränderte und dem allgemeinen<br />

Sprachgebrauch angepasste Benennungen, die keinesfalls<br />

spezielle Tätigkeiten belegen. Vermutlich<br />

musste bei einem nur geringen Verdienst und einem<br />

sicher engen Markt mit großem Konkurrenzdruck<br />

sogar jeder Auftrag angenommen werden. Ein Maler<br />

aus Oxyrhynchos reparierte zunächst Gebäude und<br />

fertigte ein Jahr später im offiziellen Auftrag des römischen<br />

Präfekten Porträts des römischen Kaisers<br />

Pompeji, Wandmalerei aus<br />

der fullonica des Verecundus.<br />

Bevor die am rechten Bildrand<br />

angebotene Tunika<br />

fertiggestellt war, mussten<br />

verschiedene Handwerker<br />

mit Spezialkenntnissen wie<br />

Wollkämmer, Weber und Filzer<br />

tätig werden. Sie stellten<br />

den Stoff her und verdichteten<br />

ihn anschließend, bevor<br />

die Ware gebleicht oder ggf.<br />

auch eingefärbt wurde.<br />

BU #####<br />

und seiner Familie an, über deren Qualität die Quellen<br />

allerdings schweigen.<br />

Trotzdem zeichnet sich beim römischen Handwerk<br />

eine klare Aufgliederung in unterschiedliche Gewerbe<br />

und darüber hinaus innerhalb der einzelnen Sparten<br />

ab. Neben der sogenannten horizontalen Spezialisierung,<br />

die sich nach den je eigenen Erfordernissen der<br />

verarbeiteten Materialien wie Ton, Wolle, Pflanzenfasern<br />

oder Leder richtet, lässt sich auch die »vertikale<br />

Spezialisierung« innerhalb der einzelnen Gewerke fassen.<br />

Gerade bei der Textilproduktion erscheint die Arbeitsaufteilung<br />

unter verschiedenen Handwerkern<br />

sinnvoll, weil die anfallenden Tätigkeiten wie das Waschen<br />

der Wolle, das Spinnen, Weben, Färben und Nähen<br />

oft besondere Werkstatteinrichtungen erforderten.<br />

Außerdem konnten bei einzelnen Arbeiten verschiedene<br />

Materialien verwendet werden, und nicht alle<br />

Färber nutzten den teuren Purpur, sondern setzten<br />

preiswertere pflanzliche oder mineralische Farbstoffe<br />

ein. Schon Aurelius Augustinus beobachtete, dass aus<br />

arbeitsökonomischen Gründen in einem Betrieb mehrere<br />

Arbeiter mit dem Anfertigen eines Silbergefäßes<br />

beschäftigt wurden, um sie ohne vorausgehende, vielleicht<br />

längerfristige Ausbildung etwas Geld verdienen<br />

zu lassen: »In einer Silberwerkstätte geht ein kleines<br />

Gefäß, um fertig zu werden, durch die Hände vieler<br />

Arbeiter, obwohl es von einem, der seine Kunst vollkommen<br />

versteht, hergestellt werden könnte. Aber<br />

man glaubt, der Menge der Arbeiter sei am besten damit<br />

gedient, wenn jeder einzelne einen besonderen Teil<br />

der Fabrikation schnell und leicht erlerne, damit nicht<br />

alle genötigt würden, sich in langer Zeit und mit vieler<br />

Mühe im ganzen Gebiet des betreffenden Handwerks<br />

vollkommen ausbilden zu lassen«, notiert er.<br />

Wenn auf dem Magdalensberg zur gleichen Zeit<br />

zahlreiche Eisenhändler arbeiteten oder in Rom viele<br />

Handwerker Damenpantoffeln zum Verkauf anboten,<br />

muss bei der fehlenden sozialen Absicherung<br />

und den oft nur kurzfristigen Arbeitsverträgen ein<br />

hoher Druck geherrscht haben, mit einem besonderen<br />

Angebot Aufmerksamkeit zu erregen, um den<br />

Absatz der eigenen Produkte zumindest zu sichern,<br />

wenn nicht sogar zu steigern. Der Druck kann von<br />

den Berufsvereinigungen kaum abgefedert worden<br />

sein. Zumindest in größeren Städten dürfte die Nachfrage<br />

der Kunden nach bestimmten Waren daher zum<br />

Angebot sehr spezieller Produkte geführt haben, die<br />

nicht nur von einzelnen Handwerkern, sondern auch<br />

in arbeitsteilig organisierten Großbetrieben hergestellt<br />

wurden. Hochrechnungen für die frühe Neuzeit,<br />

nach denen ein Schmied, der unter anderem Nägel<br />

fertigte, täglich rund 800 Stück fertigstellen, ein nur<br />

darauf spezialisierter Handwerker aber in der gleichen<br />

Zeit 2200 Stücke produzieren konnte, dürften<br />

auch für die antiken Handwerker zutreffen. Sowohl<br />

der Fries auf dem bekannten Grabmal des Bäckers<br />

Eurysaces von 30/20 v.Chr. als auch eine rund 200<br />

Jahre später in Side gesetzte Inschrift zeigen Backstuben,<br />

in denen die Mitarbeiter jeweils nur bestimmte<br />

Tätigkeiten übernahmen. Bildliche Darstellungen bezeugen<br />

auch für das Bauhandwerk um einer höheren<br />

Rentabilität willen teilweise sehr aufgegliederte Gewerke.<br />

In den größeren Keramikmanufakturen ist die<br />

Übernahme bestimmter Aufgaben durch einzelne<br />

Arbeiter ebenfalls vorauszusetzen, weil die Werkstätten<br />

sonst uneffektiv gearbeitet hätten. Zusätzlich förderte<br />

die Betriebsorganisation eine Spezialisierung,<br />

denn ein Eigentümer konnte seine Anlage verpachten,<br />

um ausschließlich Teller, Weingefäße oder Trinkbecher<br />

produzieren zu lassen.<br />

Unerwartet groß ist der Anteil der als Handwerkerinnen<br />

tätigen Frauen, die sich aber nie in Berufsvereinen<br />

zusammenschlossen. Entsprechend zahlreich<br />

sind nicht nur im Osten, sondern auch im Westen die<br />

weiblichen Berufsbezeichnungen. Welches Ausmaß<br />

diese Arbeit tatsächlich umfasste, lassen unsere Quellen<br />

jedoch kaum erkennen. Sofern nicht drückende<br />

finanzielle Verhältnisse bei den kleinen Produzentenhändlern<br />

die Mitarbeit der Frauen erforderte,<br />

dürften vor allem sozial abhängige Sklavinnen oder<br />

Freigelassene beruflich tätig gewesen sein. Bevorzugt<br />

sind sie bei der Produktion und dem Vertrieb von Lebensmitteln,<br />

Textilien und dem örtlichen Kleinhandel<br />

nachzuweisen. Aber schon damals arbeiteten Frauen<br />

nicht nur in typisch »weiblichen« Berufen als Weberinnen,<br />

(Flick-)Schneiderinnen oder Goldwirkerin-

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