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Leseprobe - Theiss-Verlag

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66 | Das römische Handwerk<br />

Grundstoff Ton und Stein |<br />

67<br />

ten. Während die offizielle Kunst in den nordwest -<br />

lichen Provinzen einen deutlichen römischen Einfluss<br />

erkennen lässt, bleiben die regional beauftragten<br />

Werke eher von indigenen Traditionen geprägt, die<br />

erst verhältnismäßig spät seit dem ausgehenden 2./<br />

frühen 3. Jh. die offiziellen Arbeiten beeinflussten.<br />

Namentlich sind uns die Künstler aber nur dann bekannt,<br />

wenn Meister wie Samus und Severus, die<br />

Mitte des 1. Jh. in Mogontiacum/ Mainz arbeiteten,<br />

ein Werk wie die Mainzer Iupitersäule signierten. Andere<br />

Ateliers werden nach stilistischen Kriterien erschlossen.<br />

Das gilt für die zeitgleich tätige Annaius-<br />

Werkstatt, der die Forschung aufgrund ähnlicher<br />

Bearbeitung mehrere Werke zuweist. Sie hat ihren<br />

Namen nach dem in Bingen aufgefundenen Grabstein<br />

des Soldaten Annaius Daverzus erhalten. Hier<br />

hat die Anwesenheit des Militärs sicher den Arbeitsmarkt<br />

positiv beeinflusst, weil die Soldaten schon<br />

früh indigene Handwerker mit zahlreichen Arbeiten<br />

beauftragten. Das gilt wohl auch für die in einem kleinen<br />

vicus wie Nassenfels tätigen Betriebe, die vor Ort<br />

verblieben, als die Truppen später verlegt wurden. In<br />

Nîmes arbeiteten bereits in augusteischer Zeit Steinmetze,<br />

die aus Rom zugewandert sein dürften. Anhand<br />

von mehreren Skulpturen eines Denkmals lassen<br />

sich dort zwei wohl im gleichen Atelier tätige<br />

Meister unterscheiden.<br />

In der Côte d’Or konnten in einer eng begrenzten<br />

Region außer der in Dijon tätigen Werkstatt zwei weitere<br />

Betriebe bei Nuits-St.-Georges und Beire-le-<br />

Châtel/ Mâlain lokalisiert werden. Sie lassen trotz eigener<br />

Stile so große Ähnlichkeiten erkennen, dass die<br />

Steinmetzmeister wohl oft von Atelier zu Atelier weiterzogen.<br />

Da allen Arbeiten aber eindeutig römische<br />

Einflüsse fehlen, gründet sich die von lebhaftem Handel<br />

und florierender Wirtschaft geförderte Tätigkeit<br />

der Handwerker hier im Wesentlichen auf die einheimische<br />

keltische Tradition.<br />

An den Werkstücken haben die Arbeitstechniken<br />

der Bildhauer oft Spuren hinterlassen, die sich in verschiedenen<br />

Gegenden oder sogar von Werkstatt zu<br />

Werkstatt unterscheiden können. puntelli – kleine<br />

Markierungspunkte auf ansonsten glatt abgearbeiteten<br />

Oberflächen – deuten auf den Einsatz eines dem<br />

Storchschnabel ähnlichen Gerätes, mit denen in kleinerem<br />

Maßstab gefertigte Modelle wunschgemäß zu<br />

vergrößern waren. Solange der Handwerker mit<br />

Werkzeugen wie dem Flachmeißel die groben Strukturen<br />

z.B. am Kopf herausarbeitete, ließ er wegen der<br />

benötigten Festigkeit den Hals zunächst unbearbeitet<br />

stehen. Feinheiten wie Gewandfalten, Haarlocken,<br />

Pupillen und Mundwinkel wurden seit dem späten<br />

2. Jh. zunehmend gebohrt. Mit dieser in Kleinasien<br />

entwickelten Technik soll ein kräftigerer Schatten-<br />

schlag erreicht worden sein, der sich durch die Bemalung<br />

der Skulpturen aber nicht sehr stark ausgewirkt<br />

haben kann. Die mit einem Meißel geglättete<br />

Oberfläche wurde poliert, zumindest bei Marmor mit<br />

Wachs behandelt und zum Schluss farbig gefasst. Dadurch<br />

waren nicht nur die Stoßfugen verdeckt, die<br />

sich beim Andübeln der oft separat gefertigten Köpfe<br />

und Arme nicht vermeiden ließen, sondern es konnten<br />

auch Details aufgemalt werden, die der Steinmetz<br />

nicht ausgearbeitet hatte.<br />

Die vor allem aus Nordafrika bekannten großflächigen<br />

Mosaikböden, die detailreich und farbenprächtig<br />

Szenen aus dem Alltag wiedergeben, faszinieren<br />

jeden Betrachter. Allgemein geht die Entwicklung von<br />

Ungewohnt erscheinen heute<br />

Skulpturen, bei denen die in<br />

der Antike farbige Fassung rekonstruiert<br />

worden ist wie<br />

hier an der bekannten Augustus-Statue<br />

von Primaporta.<br />

Das überdeckte zugleich die<br />

manchmal an Reliefs nur grob<br />

ausgearbeiteten Konturen der<br />

Darstellung.<br />

Utica (Tunesien): Aus verschie<br />

denfarbigem Gestein<br />

zusammengesetzter Marmorboden.<br />

Antiker Handwerkerpfusch in<br />

Augst (Schweiz): Bei der Reparatur<br />

dieses Mosaikbodens<br />

haben die Mosaizisten einfach<br />

den linken Henkel des Kraters<br />

kopiert, ohne ihn für die richtige<br />

Optik zu spiegeln. Vielleicht<br />

war aber auch technisches<br />

Unvermögen bei der Reparatur<br />

der Grund für diese<br />

Nachlässigkeit.<br />

schwarz-weißen Ornamenten zu polychromen Techniken,<br />

wobei die frühen Arbeiten aus Augst einen<br />

stark italischen Einfluss zeigen, der später gegenüber<br />

solchen aus dem Rhônetal und Trier bzw. den rheinischen<br />

Werkstätten zurücktritt. Insgesamt bewahren<br />

sich die Künstler trotz stilistischer Ähnlichkeiten bis<br />

in das 3. Jh. hinein eine große Kompositionsfreiheit.<br />

Die aus vielen, teils sehr kleinen Steinchen zusam -<br />

mengesetzten Beläge erforderten sorgfältige Vorarbei<br />

ten. Vitruv empfahl als Unterlage den von Straßen<br />

her bekannten dreischichtigen Aufbau aus Tragschicht<br />

(statumen), einer feineren, ca. 22 cm dicken<br />

Mittelschicht (ruderus) und der obersten Bettung von<br />

11 cm (nucleus). Diese Stärken werden aber nur selten<br />

erreicht. Da fast immer eine Fuge die beiden oberen<br />

Schichten trennt, erfolgte der Auftrag des nucleus auf<br />

einen vollständig trockenen ruderus.<br />

Vorlagenbücher, aus denen der Auftraggeber das<br />

gewünschte Motiv wählte, sind bei Mosaikböden sicher<br />

vorauszusetzen, obwohl die Meister bei den Darstellungen<br />

natürlich auch eigene Entwürfe umsetzten.<br />

Gewisse stilistische Eigenheiten, die sich regional<br />

häufiger wiederholen, lassen »Werkstattkreise« mit<br />

besonderen Traditionen vermuten. In Britannien<br />

scheinen vier solcher Zentren in Dorchester, Cirencester,<br />

Water Newton und Brough on Humber bestanden<br />

zu haben.<br />

Über den entweder mit roter Farbe auf den Boden<br />

gemalten oder in der obersten Bodenschicht ange -<br />

rissenen Entwurf wurden die Mosaiksteine in den<br />

partienweise aufgetragenen, noch feuchten Mörtel<br />

gedrückt, bevor vielleicht ein Mitarbeiter oder Lehrling<br />

die Zwischenräume nach dem Trocknen ausfugte.<br />

Viele der Mittelmotive hatten die Handwerker –<br />

vielleicht schon seriell? – in einer Werkstatt vorgefertigt,<br />

die dann beim Verlegen mit Kürzungen oder

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