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Leseprobe - Theiss-Verlag

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70 | Das römische Handwerk<br />

Organische Materialien: Textil- und Lederwaren, Holzobjekte und Knochenschnitzerein |<br />

71<br />

ren aufweisen, drehte der Steinmetz das Werkstück<br />

weiter, sobald er 1 ⁄3 bis 1 ⁄4 der Mahlfläche fertig bearbei -<br />

tet hatte. Auf der Oberseite der Läufer begrenzte eine<br />

sauber gearbeitete Radialrille den 4 bis 5 cm breiten,<br />

markant abgesetzten Rand, hinter dem die trichterför -<br />

mige Fläche ebenfalls vier Arbeitsfelder mit um 90°<br />

gegeneinander versetzten Arbeitsspuren zeigt. Zuletzt<br />

wurden Halterungen für das erst nach dem Transport<br />

eingesetzte Mühleisen bzw. die Griffe gebohrt, die wie<br />

in Saint-Boil (Frankreich) und Châbles-Les Saux bei<br />

Chavannes-les-Chêne (Schweiz) auch in Mayen<br />

Schmiedewerkstätten vor Ort fertigten.<br />

Die Mahlsteine können vor Ort an Händler verkauft,<br />

aber auch in großen Mengen an die Armee<br />

abgegeben worden sein. Der errechnete Bedarf des Militärs<br />

– eine Truppe von 75000 Mann benötigte rund<br />

9475 Mühlsteine – ließ sich bei der veranschlag ten Jahresproduktion<br />

von durchschnittlich 30000 Mühlsteinen<br />

von den Mayener Betrieben leicht decken. Erst als<br />

die Einheiten dauerhaft in den Limeskastellen stationiert<br />

wurden, ging der Bedarf am Ende des 2. Jh. zu-<br />

rück, weil dort große Getriebemühlen arbeiteten. Die<br />

nicht mehr benötigten Handmahlsteine gelangten als<br />

Handelsgut in großer Zahl in die Germania Magna.<br />

Die Rohformen der schwereren Sanduhrmühlen<br />

vom pompejanischen Typ, die Menschen oder Tiere<br />

antrieben, verbrachte man vom Mayener Steinbruch<br />

aus vermutlich auf Schlitten direkt nach Andernach,<br />

wo sie vor dem Verladen im Hafen fertiggestellt wurden.<br />

Dabei waren vielleicht sogar Soldaten beschäftigt,<br />

denn die Mechanik dieser Mühlen verlangte<br />

beim Fertigen von Zentrierung, Pfannenlager, Hängewerk<br />

und der Einstellmechanik zum Regulieren des<br />

Mahlspaltes eine besonders exakte Arbeit und technisches<br />

Know-how. Eine Großmühle aus Basaltlava<br />

ließ in Bliesbruck eine fast schon industrielle Mehlproduktion<br />

zu. Ihre Bauweise unterscheidet sich von<br />

allen anderen Stücken, weil hier ein Räderwerk die<br />

Rotation übertrug.<br />

Zu dem nur regional in Chiavenna am Comer See<br />

sowie im Wallis nachweisbaren Handwerk zählt das<br />

Verarbeiten des weichen Specksteins, der sich nach<br />

Saalburg-Museum, Bad<br />

Homburg v.d.H. Die zum<br />

Fixieren des Steines erfor -<br />

derliche Mühlachse wurde<br />

vermutlich von Zulieferern<br />

vor Ort produziert.<br />

Saalburg-Museum, Bad<br />

Homburg v.d.H. Eingear -<br />

beitete Öse für den Griff<br />

am Läuferstein einer Handmühle.<br />

Lavez-Geschirr aus Zermatt<br />

und Ossingen (Schweiz). Aus<br />

dem nach dem Brechen weichen<br />

Speckstein ließen sich<br />

Becher und Teller drehen, die<br />

zunehmend unter Lufteinwirkung<br />

aushärteten. Diese Ware<br />

konnte aufgrund des Materialvorkommens<br />

aber nur lokal<br />

vor allem in der heutigen<br />

Schweiz hergestellt werden.<br />

Links ein Drehkern als typischer<br />

Fabrikationsabfall, daneben<br />

ein während der Bearbeitung<br />

gesprungenes Gefäß.<br />

Trier, Bronzestatue eines Mannes,<br />

der offenbar mit einem<br />

einheimischen Kapuzenmantel<br />

bekleidet ist. Solche Gewänder<br />

sind im 2. und 3. Jh.<br />

auch in Rom geschätzt worden.<br />

Vor allem die bardocuculli,<br />

eine von den Sequanern<br />

übernommene Mantelform,<br />

erfreute sich dort während<br />

der Kaiserzeit großer Beliebtheit.<br />

Möglicherweise zeigt<br />

diese Statuette das Kleidungsstück.<br />

dem Brechen in frischem Zustand auf der Drehscheibe<br />

wie Holz verarbeiten lässt und erst unter dem<br />

Einwirken von Luft aushärtet. Daraus wurden vorwiegend<br />

konische Gefäße wie Becher, aber auch Teller<br />

hergestellt, die eingetiefte Riefen zierten. Aus einem<br />

zylinderförmigen Stein konnte ein geübter<br />

Steinmetz eine größere Anzahl immer kleiner werdender<br />

Gefäße der gleichen Form drehen.<br />

Organische Materialien: Textil- und Lederwaren,<br />

Holzobjekte und Knochenschnitzereien<br />

Obwohl in der Antike ein Markt für Textilien gefehlt<br />

haben soll, weil man die benötigten Stoffe zu Hause<br />

anfertigte, bezeugen zahlreiche Quellen die umfangreiche<br />

Produktion und den Vertrieb von Kleidung.<br />

Einem Papyrustext nach wurden in Oxyrhynchos<br />

jährlich 100000 einfache Gewänder produziert, was<br />

zur Notiz von Herodot passt, der die Weberei als typischstes<br />

Gewerbe von Ägypten bezeichnet und es<br />

daher das Land der Weber schlechthin nennt. Auch<br />

Hierapolis genoss für seine Textilerzeugnisse einen<br />

guten Ruf. Gallische Namen für Mäntel wie die von<br />

den Sequanern getragenen bardocuculli, die sich in<br />

Rom größter Beliebtheit erfreuten, weisen auf eine<br />

lokale Tracht, die später überregional bekannt und in<br />

Kleinasien sogar imitiert wurde. Der geschäftstüchtige<br />

libertus Q. Remmius Palaemon verdiente nicht<br />

nur an einer Grammatikschule und Weinbergen,<br />

sondern auch an den in seinen Manufakturen für den<br />

Verkauf produzierten Gewändern. Da viele Handwerker<br />

oft mit besonderen Fachkenntnissen nötig<br />

waren, um aus dem Rohmaterial tragbare Kleidung<br />

herzustellen, hat das Textilhandwerk neben der Lebensmittelproduktion<br />

als einer der aufwendigsten<br />

Arbeitsprozesse des antiken Gewerbes überhaupt zu<br />

gelten. Zudem setzte das Anfertigen einzelner Gewänder<br />

wie der Toga, die ihren Träger als Angehörigen<br />

eines bestimmten Standes auswies, einige Erfahrung<br />

voraus.<br />

Schon damals kannte man verschiedene, zum Teil<br />

sehr teure Stoffqualitäten. Leinen aus Tarsos und Alexandria<br />

sowie Seide aus Berytos, Tyros oder sogar China<br />

genossen eine allgemein hohe Wertschätzung, waren<br />

als Luxuswaren genau wie das feine Byssus aber<br />

sicher nur für einen kleinen elitären Abnehmerkreis<br />

erschwinglich. Diesen goldschimmernden, nicht<br />

färbbaren Stoff webte man aus dem reißfesten, bis zu<br />

20 cm langen Faserbart der Edlen Steckmuscheln, mit<br />

denen sich die Tiere im sandigen Boden verankerten.<br />

Da pro Muschel nur 1 bis 2 g Rohbyssus gewonnen<br />

werden konnten, waren bis zu 4000 Tiere für 1 kg<br />

Byssus erforderlich. Die in augusteischer Zeit noch<br />

hochgeschätzte Seide aus Kos (lubrica Coa?) wurde<br />

später durch die – auch in Palmyra verarbeiteten? –<br />

chinesischen Importe verdrängt. Aus Kilikien stammten<br />

Gewebe aus Ziegenhaaren (cilicia).<br />

In den nordwestlichen Provinzen sind ausschließlich<br />

tierische und pflanzliche Rohstoffe wie Wolle und<br />

Leinen bzw. Hanf für Textilien genutzt worden. Hier<br />

organisierten Unternehmer außer der Produktion offenbar<br />

auch den Warenvertrieb. Ihre Tätigkeit geht<br />

damit über die der einfachen Handwerker hinaus, die<br />

das Rohmaterial für Privatkunden oder im <strong>Verlag</strong>swesen<br />

verarbeiteten. Die Bedeutung des Textilgewerbes<br />

in den Villen, wo Kleider bevorzugt während der<br />

Wintermonate angefertigt worden sein dürften, ist bis<br />

jetzt nicht sicher zu bestimmen.

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