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Primäre und sekundäre alloplastische Brustrekonstruktion

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<strong>Primäre</strong> <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>äre <strong>alloplastische</strong><br />

<strong>Brustrekonstruktion</strong><br />

Michael Friedrich, Klaus Diedrich,<br />

Walter Jonat, Nicolai Maass<br />

Einleitung<br />

Die Rekonstruktion der weiblichen Brust nach<br />

Mastektomie stellt heute einen integralen Bestandteil<br />

innerhalb des operativen Behandlungsspektrums<br />

beim Mammakarzinom dar. Bei<br />

onkologischen Erfordernissen <strong>und</strong> bestehenden<br />

Kontraindikationen zur brusterhaltenden Therapie<br />

können die Methoden der <strong>Brustrekonstruktion</strong><br />

einen wichtigen Beitrag zur Wiederherstellung<br />

der körperlichen Integrität mit Verbesserung<br />

der Lebensqualität für die betroffenen<br />

Patientinnen leisten. Neben einer Verbesserung<br />

oder Wiederherstellung des Körperbildes <strong>und</strong><br />

des Selbstwertgefühls führt die <strong>Brustrekonstruktion</strong><br />

unter psychoonkologischen <strong>und</strong> rehabilitativen<br />

Aspekten zu einer Verarbeitung einer aus<br />

onkologischer Sicht notwendigen Mastektomie 1 .<br />

Zur <strong>Brustrekonstruktion</strong> werden verschiedene<br />

Methoden zu unterschiedlichen Zeitpunkten<br />

eingesetzt. Prinzipiell unterscheiden wir die<br />

<strong>Brustrekonstruktion</strong> mit Fremdmaterial (<strong>alloplastische</strong><br />

oder heterologe Rekonstruktion) von<br />

einer <strong>Brustrekonstruktion</strong> mit Eigengewebe (autologe<br />

Rekonstruktion). Wie die autologe<br />

<strong>Brustrekonstruktion</strong> kann auch die <strong>alloplastische</strong><br />

<strong>Brustrekonstruktion</strong> als Sofortrekonstruktion<br />

(primär) oder Intervallrekonstruktion (sek<strong>und</strong>är),<br />

d. h. nach Abschluss der primären<br />

operativen <strong>und</strong> adjuvanten Brustkrebsbehandlung<br />

durchgeführt werden. Die <strong>alloplastische</strong><br />

<strong>Brustrekonstruktion</strong> kann bei entsprechender<br />

Indikationsstellung als einzeitige Implantatrekonstruktion<br />

(one-stage) oder als zweizeitige,<br />

kombinierte Expander-Implantat-Rekonstruktion<br />

(two-stage) erfolgen. In ausgewählten Fällen<br />

kommen auch kombinierte autolog-<strong>alloplastische</strong><br />

Methoden der <strong>Brustrekonstruktion</strong> wie die<br />

Kombination aus Latissimus dorsi Lappen <strong>und</strong><br />

Implantat zum Einsatz 2,3,4 .<br />

Die Silikondiskussion Ende der achtziger Jahre,<br />

die Langzeitkomplikationen <strong>und</strong> die Limitationen<br />

des ästhetischen Gesamtresultates haben<br />

parallel zur Entwicklung neuer autologer Techniken<br />

(TRAM-Lappen, freier TRAM <strong>und</strong> DIEP-<br />

Lappen) zu einem Rückgang <strong>alloplastische</strong>r <strong>Brustrekonstruktion</strong>en<br />

geführt 5 .<br />

Verbesserungen in den Bereichen Expander<strong>und</strong><br />

Implantattechnologie in Kombination mit<br />

erfahrenem operativem Vorgehen haben die <strong>alloplastische</strong><br />

<strong>Brustrekonstruktion</strong> in den letzten<br />

Jahren wieder vermehrt in die wissenschaftliche<br />

Diskussion <strong>und</strong> klinische Anwendung gebracht 6 .<br />

Die anatomische Brustform wird durch drei Parameter<br />

bestimmt: Basisbreite der Brust, Höhe<br />

der Brust, Projektion der Brust. Moderne anatomische<br />

Implantate sind in einer breiten Variation<br />

hinsichtlich Basisbreite, Höhe <strong>und</strong> Projektion<br />

erhältlich. Dies erlaubt dem Operateur eine<br />

präzise Planung einer dreidimensionalen, individualisierten,<br />

der Anatomie der Patientin angepassten<br />

Rekonstruktion der Brust.<br />

Entwicklung der Implantat- <strong>und</strong> Expandertechnologie<br />

Die Ära der modernen <strong>Brustrekonstruktion</strong> begann<br />

in den frühen 60er Jahren des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

mit der Einführung silikongelgefüllter<br />

Implantate. Die Implantate der alten Generation<br />

haben eine r<strong>und</strong>e Form <strong>und</strong> eine glatte<br />

Oberfläche. Die glatten Implantate neigen zu<br />

einer erhöhten Rate an ausgeprägten Kapselkontrakturen,<br />

Dislokationen <strong>und</strong> einem damit<br />

verb<strong>und</strong>enen oftmals schlechtem, asymmetrischem<br />

Gesamtergebnis mit der häufigen Notwendigkeit<br />

von Korrekturoperationen wie Kapsulotomie,<br />

Kapsulektomie, Implantatwechsel,<br />

Explantationschirurgie <strong>und</strong> autologe Konversion.<br />

Die r<strong>und</strong>e Implantatform eignet sich darüber<br />

hinaus ausschließlich zur symmetrischen Rekonstruktion<br />

einer kleinen Brust bis 300 g ohne<br />

kontralaterale Ptose <strong>und</strong> wenig Projektion, eine<br />

Brustform, die vorwiegend im asiatischen Raum<br />

dominiert 7,8 .<br />

Die heute überwiegend eingesetzten Implantate<br />

der neuen Generation spiegeln die Entwicklungen<br />

in der Implantattechnologie der letzten Jahre<br />

wieder <strong>und</strong> führen bei entsprechender Indikationsstellung<br />

zu sehr guten, symmetrischen<br />

Rekonstruktionssergebnissen mit Langzeitstabilität<br />

des ästhetischen Resultates. Durch die<br />

Medizin <strong>und</strong> Wissenschaft<br />

Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2006 59


Medizin <strong>und</strong> Wissenschaft<br />

Texturierung der Implantatoberfläche konnte<br />

die Rate an Kapselkontrakturen <strong>und</strong> die Notwendigkeit<br />

von Korrekturoperationen deutlich<br />

gesenkt werden. Ob eine Polyurethanbeschichtung<br />

der Implantatoberfläche zu gleichen Langzeitresultaten<br />

führt, kann heute nicht abschließend<br />

beurteilt werden. Bei dünnen Weichteilverhältnissen<br />

können durch die Verbindung<br />

von Polyurethanbeschichtung <strong>und</strong> umgebendem<br />

Gewebe operationstechnische Schwierigkeiten<br />

bei einem notwendigen Implantatwechsel<br />

auftreten oder eine Kontraindikation zur Reimplantation<br />

darstellen. Die Füllung der Implantate<br />

durch kohäsives Silikongel in Kombination<br />

mit einer Verstärkung der Implantathülle<br />

hat zur deutlich erhöhten Implantatsicherheit<br />

in den letzten Jahren geführt. Kochsalzgefüllte<br />

Implantate können aufgr<strong>und</strong> ihrer flüssigen<br />

Konsistenz <strong>und</strong> Forminstabilität in Bezug auf<br />

das ästhetische Gesamtresultat nur eingeschränkt<br />

empfohlen werden. Der entscheidende Fortschritt<br />

in der <strong>alloplastische</strong>n <strong>Brustrekonstruktion</strong><br />

ist auf die Entwicklung <strong>und</strong> Einführung anatomisch<br />

geformter Implantate zurückzuführen.<br />

Diese Implantatform ermöglicht in einer entsprechenden<br />

Größenvielfalt die Rekonstruktion<br />

einer natürlichen, symmetrischen Brust wie sie<br />

im europäischen <strong>und</strong> amerikanischen Raum zumeist<br />

angetroffen wird 9,10 .<br />

Die Expandertechnologie wurde durch Radovan<br />

in den 1970er Jahren in die <strong>Brustrekonstruktion</strong><br />

eingeführt 11 . Verschiedenste Fortschritte im Expanderdesign<br />

<strong>und</strong> der Expandertechnologie haben<br />

zu konsistenteren <strong>und</strong> besseren Expansionsergebnissen<br />

geführt <strong>und</strong> machen die <strong>alloplastische</strong><br />

<strong>Brustrekonstruktion</strong> somit vorhersagbarer<br />

<strong>und</strong> sicherer. Die Texturierung der Expanderoberfläche<br />

vereinfacht den Expansionsprozess,<br />

führt zu weniger Kapselkontrakturen (insbesondere<br />

in Kombination mit texturierten Implantaten),<br />

Dislokationen <strong>und</strong> Thoraxwanddeformitäten.<br />

Die Einführung anatomisch geformter Expander<br />

ermöglicht die in den meisten Fällen<br />

präferierte Expansion des unteren Brustpols zur<br />

Vorbereitung einer symmetrischen Rekonstruktion.<br />

Die Integration des Auffüllventils in den<br />

Expander selbst macht die Platzierung eines distanten<br />

Füllungsports überflüssig <strong>und</strong> erhöht den<br />

Komfort für Patientin <strong>und</strong> Arzt während der<br />

Expansionsphase. Diese Fortschritte in der Expandertechnologie<br />

vereinigte erstmals Maxwell<br />

1990 in dem von ihm entwickelten McGhan<br />

Bio-Dimensional System 6 .<br />

Die besten Ergebnisse im Rahmen der <strong>alloplastische</strong>n<br />

<strong>Brustrekonstruktion</strong> ergeben sich in unserer<br />

Hand unter Beachtung von Indikationen<br />

<strong>und</strong> Kontraindikationen durch den Einsatz anatomisch<br />

geformter, texturierter, kohäsivgelgefüllter<br />

Implantate - bei Notwendigkeit zur Gewebeexpansion<br />

in Kombination mit anatomisch<br />

geformten, texturierten Expandern.<br />

Gr<strong>und</strong>lagen der <strong>alloplastische</strong>n <strong>Brustrekonstruktion</strong><br />

Zur Erzielung eines möglichst optimalen kosmetischen<br />

Resultats im Rahmen der <strong>alloplastische</strong>n<br />

<strong>Brustrekonstruktion</strong> sind anatomische<br />

Voraussetzungen zu berücksichtigen 12,13 :<br />

- Erhalt der Inframammärfalte<br />

- Integrität des M. pectoralis major<br />

- Qualität <strong>und</strong> Spannung des Hautmantels<br />

Der Erhalt der Inframammärfalte im Rahmen<br />

der Mastektomie ist aus onkologischen Gesichtspunkten<br />

als sicher zu betrachten, da nur in<br />

seltenen Fällen Brustdrüsenparenchym distal<br />

der Inframammärfalte aufzufinden ist. Die Inframammärfalte<br />

wird durch die Fusion zwischen<br />

der superfiziellen <strong>und</strong> der mammären Faszie gebildet,<br />

während die Kontur der Inframammärfalte<br />

durch die Verteilung von feinen fibrösen<br />

Retinaculae bestimmt wird, die sowohl die dermale<br />

als auch die musculofaszialen Schichten zu<br />

einer superfizellen Faszie verbinden. Die mammäre<br />

Faszie stellt die natürliche Hülle des Brustdrüsenkörpers<br />

dar. Der Verlust dieses strukturellen<br />

Netzwerkwerkes zum Zeitpunkt der Mastektomie<br />

wird zu einem schlechteren kosmetischen<br />

Ergebnis führen (Abb. 1).<br />

Geringe Läsionen des M. pectoralis major stellen<br />

keine Probleme für eine <strong>alloplastische</strong> <strong>Brustrekonstruktion</strong><br />

dar. Dennoch sollten größere<br />

Dehiszenzen innerhalb des Muskels durch resorbierbare<br />

Nähte versorgt werden.<br />

Die <strong>alloplastische</strong> <strong>Brustrekonstruktion</strong> wird geometrisch<br />

anhand drei Parametern geplant: Brustbreite<br />

(Brustbasis), Brusthöhe <strong>und</strong> Projektion.<br />

60<br />

Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2006


Sowohl Brustbreite als auch<br />

Brusthöhe werden anhand<br />

der Ausmaße der kontralateralen<br />

Brust bestimmt <strong>und</strong><br />

an der zu rekonstruierenden<br />

Seite exakt auf die Thoraxwand<br />

entsprechend der geplanten<br />

Expanderlokalisation<br />

eingezeichnet. Die Projektion<br />

der Brust kann bis zu<br />

einem gewissen Maße durch<br />

die Dimension des Expanders<br />

vorhergesagt werden. In<br />

Abhängigkeit des endgültigen<br />

Volumens kann ein permanentes<br />

anatomisches Implantat<br />

mit entsprechender<br />

Breite, Höhe <strong>und</strong> Projektion<br />

ausgewählt werden 14 .<br />

Indikation zur<br />

<strong>alloplastische</strong>n <strong>Brustrekonstruktion</strong><br />

Die sek<strong>und</strong>äre, kombinierte Expander-Implantat-Rekonstruktion<br />

stellt heute die weltweit<br />

häufigste Methode zur Rekonstruktion der weiblichen<br />

Brust nach Mastektomie dar. Die Methode<br />

besitzt bei Einsatz der zurzeit modernsten Expander-<br />

<strong>und</strong> Implantattechnologie zahlreiche<br />

Vorteile 15 :<br />

- Sie ist eine relativ einfache <strong>und</strong> sichere chirurgische<br />

Technik, die gut lehrbar, standardisierbar,<br />

lernbar <strong>und</strong> auch in nicht hoch spezialisierten<br />

Zentren gut anwendbar ist.<br />

- Zur <strong>Brustrekonstruktion</strong> kommt ausschließlich<br />

Gewebe gleicher Textur, Farbe <strong>und</strong> Sensitivität<br />

zum Einsatz.<br />

- Im Vergleich zur autologen Rekonstruktion<br />

mit Gewinnung distanter Lappen tritt keine<br />

Hebedefektmorbidität auf.<br />

- Es ist nur eine kleine Inzision mit konsekutiv<br />

geringer Narbenbildung erforderlich.<br />

- Die Operationszeit ist im Vergleich zu autologen<br />

Rekonstruktionen deutlich reduziert. Die<br />

postoperative Rekonvaleszenz ist rasch.<br />

Generell eignet sich eine kleinere, nicht ptotische<br />

kontralaterale Brust zur <strong>alloplastische</strong>n<br />

Abb. 1: Fascia superficialis im Bereich der Inframammärfalte<br />

(modifiziert nach Nava et al. 32 )<br />

<strong>Brustrekonstruktion</strong> nach<br />

Mastektomie. Die Patientinnen<br />

müssen darauf hingewiesen<br />

werden, dass zur<br />

Symmetrie- <strong>und</strong> Formangleichung<br />

gegebenenfalls eine<br />

Mastopexie oder Reduktionsmastopexie<br />

kontralateral<br />

erforderlich sein kann.<br />

Die Wahrscheinlichkeit für<br />

sek<strong>und</strong>är notwendige, angleichende<br />

Reduktionsmastopexien<br />

steigt mit zunehmender<br />

Größe <strong>und</strong> Ptose der<br />

kontralateralen Brust.<br />

Makromastie <strong>und</strong> ausgeprägte<br />

Ptosis der kontralateralen<br />

Brust stellen relative Kontraindikationen<br />

zur Expander-Implantat<br />

Rekonstruktion<br />

dar. Die wichtigste relative Kontraindikation<br />

zur <strong>alloplastische</strong>n <strong>Brustrekonstruktion</strong> stellt die<br />

Radiotherapie der Thoraxwand dar 16,17,18,19 . Da<br />

die Indikation zur Thoraxwandbestrahlung in<br />

den letzten Jahren eine Ausweitung erfahren<br />

hat <strong>und</strong> primär von histopathologischen Parametern<br />

(Tumorgröße, Lymphangiosis, Lymphknotenbefall)<br />

abhängig ist, muss die Indikation zur<br />

primären Implantatrekonstruktion oder zur primären<br />

Expander-Implantat Rekonstruktion äußerst<br />

streng <strong>und</strong> gut überlegt gestellt werden.<br />

Nach Strahlentherapie erhöhen Fibrosierungsprozesse<br />

<strong>und</strong> Interaktionen mit der Durchblutung<br />

des Hautweichteilmantels die Komplikationsrate<br />

bei einer <strong>alloplastische</strong>n Rekonstruktion<br />

mit Kapselkontrakturen, Nekrosen <strong>und</strong> insuffizientem<br />

ästhetischem Ergebnis beträchtlich. Die<br />

primäre Implantatrekonstruktion eignet sich zur<br />

Rekonstruktion einer kleineren bis ca. 300 g<br />

schweren Brust ohne stärkergradige kontralaterale<br />

Ptose bei ausreichendem Hautmantel. Der<br />

Verzicht auf eine Expanderrekonstruktion ist<br />

insbesondere bei der hautsparenden Mastektomie<br />

(skin-sparing mastectomy, SSM) möglich.<br />

Insbesondere beim ausgedehnten duktalen Carcinoma<br />

in situ (DCIS) stellt die SSM eine zunehmend<br />

eingesetzte operative Alternative gegenüber<br />

der modifiziert radikalen Mastektomie dar 20 .<br />

Medizin <strong>und</strong> Wissenschaft<br />

Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2006 61


Medizin <strong>und</strong> Wissenschaft<br />

Besonderer Wert muss auf die umfassende Aufklärung<br />

der Patientin über die generellen Methoden<br />

zur <strong>Brustrekonstruktion</strong> gelegt werden.<br />

Hierzu sind Informationen zu Vor- <strong>und</strong> Nachteilen<br />

der <strong>alloplastische</strong>n Rekonstruktion gegenüber<br />

der autologen Rekonstruktion inklusive<br />

der mikrochirurgischen Techniken (DIEP-Lappen)<br />

erforderlich. Eine spezielle Sprechst<strong>und</strong>e<br />

bietet hierzu das beste Forum, idealerweise interdisziplinär<br />

durchgeführt. Bei der Indikation<br />

zur <strong>alloplastische</strong>n Rekonstruktion ist auch der<br />

Wunsch der Patientin nach umfangreicher Aufklärung<br />

besonders zu berücksichtigen. Voroperationen<br />

insbesondere im Abdominalbereich,<br />

Alter <strong>und</strong> Begleitmorbidität der Patientin, bereits<br />

erfolgte oder postoperativ geplante Radiotherapie,<br />

Brustgröße, Brustform <strong>und</strong> Symmetrie,<br />

die persönlichen Erfahrungen des Operateurs<br />

<strong>und</strong> nicht zuletzt der Wunsch der Patientin stellen<br />

wesentliche Parameter für die Wahl der optimalen<br />

Methode zur <strong>Brustrekonstruktion</strong> dar 21,22 .<br />

<strong>Primäre</strong> Implantatrekonstruktion<br />

Die primäre Implantatrekonstruktion eignet<br />

sich zur Rekonstruktion einer kleineren, nichtptotischen<br />

Brust bei ausreichendem Hautweichteilmantel<br />

nach Mastektomie. Insbesondere<br />

nach hautsparender Mastektomie ist die Implantatrekonstruktion<br />

nach entsprechender<br />

präoperativer Planung gut möglich. Eine postoperative<br />

Strahlentherapie sollte im Hinblick<br />

auf das Langzeitergebnis möglichst ausgeschlossen<br />

sein. Die Implantationsebene liegt in den<br />

oberen zwei Dritteln des Implantates subpectoral.<br />

Die kaudalen <strong>und</strong> medialen Pectoralisfasern<br />

werden unter Sicht durchtrennt. Das Implantat<br />

ist im unteren Drittel subcutan platziert. Um<br />

Hautnekrosen zu vermeiden muss auf eine ausreichende<br />

Schonung des Hautweichteilmantels<br />

in diesem Areal im Rahmen der Mastektomie<br />

besonders geachtet werden 23 .<br />

Expander-Implantat Rekonstruktion<br />

Eine primäre Expander-Implantat Rekonstruktion<br />

kann einer Patientin angeboten werden, die<br />

sich einer einfachen bzw. modifiziert radikalen<br />

Mastektomie unterziehen muss - sofern die Notwendigkeit<br />

einer postoperativen Radiotherapie<br />

ausgeschlossen oder unwahrscheinlich ist. Eine<br />

primär systemische Chemotherapie stellt keine<br />

absolute Kontraindikation zu einer Sofortrekonstruktion<br />

dar. Die <strong>alloplastische</strong> Sofortrekonstruktion<br />

ist onkologisch sicher <strong>und</strong> verschleiert<br />

nicht die Detektion von Lokalrezidiven. Eine<br />

adjuvante Chemotherapie kann nach Beendigung<br />

der W<strong>und</strong>heilung begonnen werden. Hierbei<br />

ist allerdings zu beachten, dass ein erhöhtes<br />

Risiko für sämtliche Komplikationen, die zur<br />

Entfernung eines Expanders oder Implantates<br />

führen können, besteht. Sollte eine <strong>alloplastische</strong><br />

Sofortrekonstruktion erfolgt sein <strong>und</strong> eine<br />

Thoraxwandbestrahlung notwendig sein, ist ein<br />

hypofraktioniertes Schema empfehlenswert um<br />

so die Beeinträchtigung des kosmetischen Ergebnisses<br />

so gering wie möglich zu halten. Bei<br />

deutlicher Hautreaktion auf die Strahlentherapie<br />

sollte das Auffüllen des Expanders über größere<br />

Zeitintervalle erfolgen. Eine schlechte<br />

Prognose stellt per se keine Kontraindikation<br />

zur Sofortrekonstruktion dar, obwohl in dieser<br />

Situation das deutlich erhöhte Lokalrezidivrisiko<br />

beachtet werden sollte. Die Nachteile der<br />

<strong>alloplastische</strong>n Sofortrekonstruktion insbesondere<br />

bei onkologisch unklarer Situation aber<br />

auch der postoperativ verstärkte W<strong>und</strong>schmerz<br />

<strong>und</strong> die, wenn auch nur leicht erhöhte Komplikationsrate<br />

bei der W<strong>und</strong>heilung (Infektionen)<br />

müssen bei der Indikationsstellung besonders<br />

berücksichtigt werden. Die besten postoperativen<br />

Ergebnisse mit der <strong>alloplastische</strong>n Sofortrekonstruktion<br />

erzielen wir nach Mastektomie bei<br />

kleiner, nicht ptotischen kontralateralen Brust<br />

ohne notwendige Thoraxwandbestrahlung <strong>und</strong><br />

ohne notwendige adjuvante Chemotherapie.<br />

Diese onkologische Gesamtsituation ist in den<br />

letzten Jahren deutlich rückläufig, sodass die Indikation<br />

zur primären Expander-Implantat Rekonstruktion<br />

zunehmend seltener gestellt wird 24 .<br />

Aufgr<strong>und</strong> der erhöhten Gesamtkomplikationsrate<br />

bei primärer Expander-Implantat Rekonstruktion<br />

sollte der sek<strong>und</strong>ären Expander-Implantat<br />

Rekonstruktion bei Indikation zur <strong>alloplastische</strong>n<br />

Rekonstruktion der Vorzug gegeben<br />

werden. Zur Rekonstruktion einer kleineren,<br />

nicht ptotischen Brust nach Mastektomie ohne<br />

Thoraxwandbestrahlung eignet sich die sek<strong>und</strong>äre<br />

Expander-Implantat Rekonstruktion unter<br />

Berücksichtigung einer subtilen Planungs- <strong>und</strong><br />

62<br />

Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2006


Abb. 2: Prinzip der Rekonstruktion der Inframammärfalte (modifiziert nach Nava et al. 32 )<br />

Operationstechnik zur Erzielung eines guten<br />

kosmetischen Ergebnisses 25,26 .<br />

Planung <strong>und</strong> Durchführung der Expander-<br />

Implantat Rekonstruktion<br />

Im Rahmen der operativen Strategie müssen<br />

Schnittführung <strong>und</strong> Ausmaß des zu resizierenden<br />

Hautmantels zum Zeitpunkt der Mastektomie<br />

sowohl unter onkologischen als auch plastisch-rekonstruktiven<br />

Gesichtspunkten berücksichtigt<br />

werden. Die Dimension der kontralateralen<br />

Brust, insbesondere die Brustbasis bestimmt<br />

die Größe des Expanders. Die präoperative<br />

Anzeichnungsfigur der subpectoralen Expander-Implantat<br />

Loge erfolgt auf der Thoraxwand<br />

durch Markierung <strong>und</strong> kann durch so genannte<br />

Templates unterstützt werden. Die untere<br />

Grenze der Loge sollte gerade unterhalb der<br />

Submammärfalte allerdings nicht mehr als 1 cm<br />

liegen. Die submuskuläre, im caudolateralen Bereich<br />

subkutane Loge sollte die gleichen Ausmaße<br />

haben wie der ausgewählte Expander <strong>und</strong><br />

sollte der Brustbasis <strong>und</strong> -höhe der kontralateralen<br />

Brust entsprechen. Im Rahmen der Präparation<br />

der submuskulären Loge erfolgt eine konsequente<br />

Dissektion unter Sicht nach cranial,<br />

caudal <strong>und</strong> medial. Die caudalen <strong>und</strong> medialen-<br />

Insertionen des M. pectoralis major werden unter<br />

Sicht von subpectoral aus durchtrennt. Die<br />

Expanderloge im caudolateralen Bereich der<br />

Thoraxwand liegt subcutan. Dies gilt insbesondere<br />

für die sek<strong>und</strong>äre Expander-Implantat Rekonstruktion.<br />

Die Expansion beginnt zwei Wochen<br />

nach Implantation in zweiwöchigen Intervallen<br />

in 50 bis 100 ml Schritten. Das Auffüllungsvolumen<br />

sollte mindestens 70-80 Prozent<br />

des möglichen Expandervolumens betragen.<br />

Nach weiteren drei bis sechs Monaten kann der<br />

Expander durch das subtil geplante <strong>und</strong> ausgewählte<br />

Implantat ersetzt werden. Form <strong>und</strong><br />

Größe des ausgesuchten Implantates bestimmen<br />

die Qualität des Rekonstruktionsergebnisses.<br />

Die Implantatloge kann durch gezielte Kapsulotomien<br />

optimiert werden. Eine zu hoch liegende<br />

Inframammärfalte kann durch caudale Kapsulotomie<br />

tiefer gelegt werden. Eine zu tief liegende<br />

Inframammärfalte wird nach caudaler Kapsulotomie<br />

<strong>und</strong> elipsoider Kapsulektomie durch Adaptation<br />

der anterioren an die posteriore Kapsel<br />

mit nicht-resorbierbaren Nähten neu gestaltet<br />

<strong>und</strong> nach oben verlagert (Abb. 2). Nach Einlage<br />

einer Drainage wird das endgültige anatomische<br />

Implantat nach entsprechender Orientierung<br />

eingelegt <strong>und</strong> die W<strong>und</strong>e mehrschichtig verschlossen.<br />

Die Positionierung des Implantates<br />

wird innerhalb der ersten beiden postoperativen<br />

Wochen durch einen Tapeverband gesichert<br />

(Abb. 3) 27,28 .<br />

Komplikationen<br />

Die Inzidenz der Lokalkomplikationen ist nach<br />

Implantat- bzw. sek<strong>und</strong>ärer Expander-Implantat<br />

Medizin <strong>und</strong> Wissenschaft<br />

Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2006 63


Medizin <strong>und</strong> Wissenschaft<br />

64<br />

Abb. 3: Postoperatives Ergebnis nach sek<strong>und</strong>ärer Rekonstruktion<br />

Rekonstruktion bei Beachtung der Indikationsstellung<br />

geringer als nach autologen Sek<strong>und</strong>ärrekonstruktionen<br />

29,30 . Sofortkomplikationen umfassen<br />

Hämatome, Hautnekrosen, Infektionen<br />

<strong>und</strong> Schmerzen. Adjuvante Behandlungstherapien<br />

einschließlich Chemo- <strong>und</strong> Strahlentherapie<br />

können zu einer Verzögerung der W<strong>und</strong>heilung<br />

führen. Zu den Spätkomplikationen gehören<br />

Infektionen, Implantatextrusion <strong>und</strong> Kapselkontraktur.<br />

Komplikationen sind generell<br />

häufiger nach Sofortrekonstruktion als nach Sek<strong>und</strong>ärrekonstruktion.<br />

Dies ist mit der Applikation<br />

von adjuvanten Therapiemaßnahmen zum<br />

Zeitpunkt der Sofortrekonstruktion in Einklang<br />

zu bringen. Die Chemotherapie beeinträchtigt<br />

das Immunsystem <strong>und</strong> beeinflusst somit Prozesse<br />

der Regeneration <strong>und</strong> W<strong>und</strong>heilung. Die<br />

Strahlentherapie verschlechtert die Dehnungskapazität<br />

der Haut <strong>und</strong> führt zur exzessiven Fibrose<br />

<strong>und</strong> reduziert die Oxygenierung des Gewebes,<br />

sodass exzessive kapsuläre Reaktionen induziert<br />

werden. Persistierende Infektionen führen<br />

häufig zu einer Entfernung der Implantate,<br />

sodass weitere rekonstruktive Maßnahmen erst<br />

nach definitiver Ausheilung von Infektionen erfolgen<br />

können 31 .<br />

Fazit für die Praxis<br />

Alloplastische Methoden zur <strong>Brustrekonstruktion</strong><br />

stellen die häufigste Form der Wiederherstellung<br />

der weiblichen Brust nach Mastektomie<br />

dar. Zur Erzielung optimierter Rekonstruktionsergebnisse<br />

wird die Verwendung texturierter,<br />

Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2006<br />

(Quelle: Prof. Dr. Friedrich)<br />

anatomisch geformter Expander-Implantatsysteme<br />

empfohlen. Unter besonderer Beachtung der<br />

Indikationsstellung kann eine reine Implantatrekonstruktionen<br />

insbesondere nach skin-sparing<br />

mastectomy (SSM) eingesetzt werden.<br />

Nach modifiziert radikaler Mastekomie kann eine<br />

kombinierte Expander-Implantat Rekonstruktion<br />

zur Wiederherstellung einer kleineren,<br />

nicht-ptotischen Brust mit präformierender<br />

Dehnung des Hautweichteilmantels beim Wunsch<br />

nach Rekonstruktion indiziert sein. Diese kombinierte<br />

Expander-Implantat Rekonstruktion<br />

kann primär im Rahmen der Mastektomie als<br />

auch sek<strong>und</strong>är erfolgen. Bei notwendiger adjuvanter<br />

Therapie insbesondere der Strahlentherapie<br />

oder bereits erfolgter Radiotherapie der<br />

Thoraxwand ist eine Implantat- oder Expander-<br />

Implantat Rekonstruktion aufgr<strong>und</strong> einer unzureichend<br />

hohen Komplikationsrate als relativ<br />

kontraindiziert anzusehen. Die Patientin ist auf<br />

eine sehr häufig notwendige angleichende Mastopexie<br />

oder Reduktionsmastopexie der kontralateralen<br />

Brust <strong>und</strong> auf mögliche autologe Rekonstruktionsmethoden<br />

im Rahmen der Aufklärung<br />

hinzuweisen. Wir empfehlen die <strong>alloplastische</strong><br />

<strong>Brustrekonstruktion</strong> zur Wiederherstellung einer<br />

kleineren, nicht-ptotischen Brust im Rahmen<br />

einer reinen Implantatrekonstruktion nach<br />

SSM oder als sek<strong>und</strong>äre Expander-Implantat<br />

Rekonstruktion. Die adjuvante Radiotherapie<br />

stellt aufgr<strong>und</strong> einer inakzeptablen Komplikationsrate<br />

aus unserer Sicht eine Kontraindikation<br />

zur <strong>alloplastische</strong>n Rekonstruktion insbesondere


im Vergleich zu möglichen autologen Rekonstruktionsmethoden<br />

dar. Insofern sollte die Indikation<br />

zur primären <strong>alloplastische</strong>n Rekonstruktion<br />

besonders kritisch gestellt werden. Bei der<br />

<strong>alloplastische</strong>n <strong>und</strong> natürlich auch autologen<br />

<strong>Brustrekonstruktion</strong> muss die onkologische Gesamtsituation<br />

der Patientin unbedingt berücksichtigt<br />

werden. Zur Vermeidung von prognostischen<br />

<strong>und</strong> ästhetischen Nachteilen sollte die<br />

Differenzialindikation zur Methodik der <strong>Brustrekonstruktion</strong><br />

idealerweise in spezialisierten<br />

Brustzentren mit Erfahrung in allen Methoden<br />

der Rekonstruktion erfolgen.<br />

Literatur beim Verfasser oder im Internet unter<br />

www.aerzteblatt-sh.de<br />

Autoren: Prof. Dr. Michael Friedrich, Prof. Dr. Klaus<br />

Diedrich, Frauenklinik des Universitätsklinikums<br />

Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Ratzeburger Allee<br />

160, 23538 Lübeck; Prof. Dr. Walter Jonat, PD<br />

Dr. Nicolai Maass, Frauenklinik des Universitätsklinikums<br />

Schleswig-Holstein, Campus Kiel, Michaelisstraße<br />

16, 24105 Kiel<br />

Korrespondent: Prof. Dr. Michael Friedrich, Frauenklinik<br />

des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein,<br />

Campus Lübeck, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck<br />

n <strong>und</strong> Wissenschaft

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