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Unabhängigkeit medizinischer Entscheidung muss gewahrt sein

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SCHLESWIG-HOLSTEIN<br />

Dokumentation<br />

<strong>Unabhängigkeit</strong> <strong>medizinischer</strong><br />

<strong>Entscheidung</strong> <strong>muss</strong> <strong>gewahrt</strong> <strong>sein</strong><br />

Positionspapier des Ausschusses Medizin und Ökonomie der Ärztekammer zur<br />

Anwendung von Zielvereinbarungen mit ärztlichen Führungskräften in Kliniken.<br />

Der Gesetzgeber hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft<br />

aufgefordert, bis zum 30. April 2013 im<br />

Einvernehmen mit der Bundesärztekammer Empfehlungen<br />

für Zielvereinbarungen zwischen Krankenhäusern<br />

und deren ärztlichen Führungskräften<br />

vorzulegen. Das Ziel ist es, Bonusregelungen zu unterbinden,<br />

die dazu führen, dass medizinisch nicht<br />

notwendige Leistungen unter ökonomischen Gesichtspunkten<br />

veranlasst werden.<br />

Der von der Kammerversammlung am 28. März 2012<br />

eingesetzte Ausschuss „Medizin & Ökonomie“ hat<br />

sich angesichts der intensiv geführten Diskussion<br />

über finanzielle Bonusregelungen in Chefarztverträgen<br />

ausführlich mit der Thematik befasst und konkrete<br />

Beispiele für Zielvereinbarungen mit ärztlichen<br />

Führungskräften erarbeitet. Die Vorschläge sollen als<br />

Diskussionsgrundlage dienen. Sie stellen keine abschließenden<br />

Empfehlungen zum Umgang mit Zielvereinbarungen<br />

dar. Das Schleswig-Holsteinisches<br />

Ärzteblatt dokumentiert nachfolgend das Positionspapier<br />

des Ausschusses im Wortlaut:<br />

Vorbemerkung:<br />

Die finanzielle Beteiligung am Unternehmensergebnis<br />

in Form von Bonuszahlungen ist ein in vielen<br />

Wirtschaftsbereichen seit Langem eingesetztes Instrument,<br />

um Mitarbeiter für das Erreichen unternehmensrelevanter<br />

operativer und/oder strategischer<br />

Ziele zu motivieren. Boni werden für den Fall gewährt,<br />

dass die vereinbarten Ziele erreicht werden.<br />

Die Summe der einzelnen Zielvereinbarungen bzw.<br />

der erreichten Ziele soll dazu führen, zentrale Unternehmensziele<br />

zu realisieren. Die Vergütung der Führungskräfte<br />

setzt sich dabei in der Regel aus einem<br />

Festgehalt und einem variablen Zielbonus zusammen.<br />

Die Höhe der variablen Vergütung ist unmittelbar<br />

an den Grad der Zielerreichung gekoppelt.<br />

Zielvereinbarungen im Krankenhausbereich: Die Finanzlage<br />

vieler Krankenhäuser ist seit Jahren angespannt.<br />

Es ist deshalb unbestritten notwendig, die<br />

Patientenversorgung auch betriebswirtschaftlich zu<br />

bewerten, das heißt die Kosten und Erlösstrukturen<br />

fortlaufend zu analysieren und den Behandlungsablauf<br />

effizienter zu gestalten (Rationalisierung). Wie<br />

in jedem anderen Wirtschaftsunternehmen sind dabei<br />

unbedingt alle beteiligten Berufsgruppen in die<br />

Analysen, <strong>Entscheidung</strong>en und Umsetzung einzubinden.<br />

Spätestens seit Einführung des DRG-Systems in<br />

Deutschland vor zehn Jahren werden Chef- und<br />

Oberärzte in ihrer Funktion als ärztliche Führungskräfte<br />

in die Verantwortung für das betriebswirtschaftliche<br />

Ergebnis ihrer Abteilung bzw. Klinik oder<br />

des gesamten Krankenhauses einbezogen. In zunehmendem<br />

Maße werden sie auch monetär am<br />

ökonomischen Ergebnis ihrer Zuständigkeitsbereiche<br />

beteiligt. Fachanwälte für Medizinrecht gehen<br />

davon aus, dass nahezu 45 Prozent der Neuverträge<br />

von Chefärzten Bonusvereinbarungen enthalten und<br />

dass diese Boni inzwischen oft mehr als 20 Prozent<br />

der Gesamtvergütung ausmachen.<br />

Die aktuelle Diskussion um Bonuszahlungen an<br />

Chefärzte dreht sich im Kern um die Frage, wie Mediziner<br />

in Führungspositionen in eine wirtschaftliche<br />

Verantwortung für ihr „Unternehmen“ eingebunden<br />

werden können, ohne dadurch ihre ärztliche <strong>Unabhängigkeit</strong><br />

zu gefährden.<br />

In der Kritik stehen deshalb vor allem Zielvereinbarungen,<br />

die auf eine rein ökonomisch induzierte<br />

Mengenausweitung einzelner, finanziell lukrativer<br />

Leistungen mit dem ausschließlichen Ziel der<br />

Erlössteigerung und damit Gewinnoptimierung<br />

abzielen (zum Beispiel Endoprothesen, Herzschrittmacher<br />

oder Organtransplantationen). Derartige<br />

Zielvereinbarungen können sich für Patienten höchst<br />

problematisch auswirken, da sie das Risiko einer Behandlung<br />

beinhalten, die medizinisch nicht oder<br />

noch nicht indiziert ist.<br />

28 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt


www.aerzteblatt-sh.de<br />

Position des Kammerausschusses „Medizin &<br />

Ökonomie“<br />

Mengenbezogene Zielvereinbarungen von Einzelleistungen<br />

können eine völlig falsche Steuerungswirkung<br />

zulasten der Patienten entfalten.<br />

Sie dürfen daher nicht mehr Bestandteil von Zielvereinbarungen<br />

<strong>sein</strong>!<br />

Der Ausschuss „Medizin & Ökonomie“ ist sich grundsätzlich<br />

darin einig, dass jede Zielvereinbarung zwingend<br />

den folgenden Kriterien genügen <strong>muss</strong>:<br />

1. Die <strong>Unabhängigkeit</strong> der medizinischen <strong>Entscheidung</strong><br />

ist gewährleistet.<br />

2. Mengenvorgaben dürfen weder eine Ausweitung<br />

von nicht medizinisch indizierten Leistungen<br />

noch eine Einschränkung medizinisch indizierter<br />

Einzelleistungen beinhalten.<br />

Originäre Verpflichtung einer jeden Ärztin und eines<br />

jeden Arztes ist das Gewährleisten einer medizinisch<br />

hochwertigen Patientenversorgung. Daneben<br />

übernehmen ärztliche Führungskräfte auch Verantwortung<br />

für Entwicklung und Ergebnisse anderer<br />

Prozessbereiche des „Unternehmens Krankenhaus“,<br />

darunter zum Beispiel das Qualitäts- und Risikomanagement.<br />

Sie stehen damit in der Mitverantwortung<br />

für das betriebswirtschaftliche Ergebnis der Abteilung/Klinik<br />

oder des gesamten Krankenhauses.<br />

Der Ausschuss hat die nachfolgend aufgeführten<br />

„Verantwortungsbereiche“ ärztlicher Führungskräfte<br />

im Krankenhaus analysiert und als Diskussionsgrundlage<br />

einzelne Empfehlungen für Zielvereinbarungen<br />

erarbeitet:<br />

1. Wirtschaftlichkeit von Abteilung/Klinik/Krankenhaus<br />

2. Medizinische Ergebnisqualität<br />

3. Personalmanagement<br />

4. Organisationsentwicklung<br />

5. Medizinische/technische Innovationen<br />

6. Risikomanagement<br />

7. Öffentlichkeitsarbeit/Marketing<br />

1. Wirtschaftlichkeit der Abteilung, der Klinik, des<br />

Krankenhauses<br />

Der gesetzliche Handlungsrahmen für alle an der<br />

Versorgung von Patienten Beteiligten ergibt sich aus<br />

dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V:<br />

Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig<br />

und wirtschaftlich <strong>sein</strong>; sie dürfen das Maß des Notwendigen<br />

nicht überschreiten. Leistungen, die nicht<br />

notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte<br />

nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer<br />

nicht bewirken und die Krankenkassen nicht<br />

bewilligen.<br />

Im Zusammenhang mit ökonomisch induzierten<br />

Zielvereinbarungen ist der Passus „Leistungen, die<br />

nicht notwendig (...) sind (...) dürfen die Leistungserbringer<br />

nicht bewirken(...)“ wegweisend. „Nicht<br />

notwendige Leistungen zu bewirken“ ist jedoch genau<br />

das Risiko, das mengenbezogenen Zielvereinbarungen<br />

immanent ist.<br />

Eine ausschließliche „Zuwachsbetrachtung“ greift<br />

allerdings zu kurz. Das grundsätzliche Problem ist<br />

die ökonomisch induzierte Mengenplanung im Allgemeinen.<br />

Eine Ausweitung von Einzelleistungen<br />

zur Gewinnoptimierung („rechnet sich“) ist ebenso<br />

abzulehnen wie die Einschränkung von Einzelleistungen<br />

zur Verlustbegrenzung („rechnet sich<br />

nicht“). Gerade der Mengeneinschränkung haftet<br />

der Makel einer unzulässigen Rationierung an.<br />

Um jeden diesbezüglichen Verdacht auszuschließen,<br />

müssen Zielvereinbarungen mit mengenorientierten<br />

Bonuszahlungen kategorisch<br />

ausgeschlossen werden. Nur so lässt sich der<br />

Grundsatz „primum nihil nocere“ als die ultimative<br />

Handlungsmaxime ärztlichen Handelns auch künftig<br />

authentisch aufrechterhalten.<br />

Entscheidend ist nun die Frage, ob und wenn ja,<br />

wie ärztliche Führungskräfte in die wirtschaftliche<br />

Verantwortung für ihre Zuständigkeitsbereiche eingebunden<br />

werden können.<br />

Die Bundesärztekammer (BÄK) hat bereits 2003<br />

Bonusregelungen, die an das Erreichen ausschließlich<br />

betriebswirtschaftlicher Ziele gekoppelt sind,<br />

kategorisch abgelehnt. In der aktuellen Diskussion<br />

hat die BÄK ihre Position ausdrücklich bestätigt.<br />

Der Ausschuss „Medizin & Ökonomie“ der Ärztekammer<br />

Schleswig-Holstein folgt prinzipiell dieser<br />

Auffassung, die sich an der Frage ausrichtet, welche<br />

Rahmenbedingungen nötig sind, damit ärztliche<br />

Führungskräfte qualitativ gute Medizin machen<br />

können und trotz wirtschaftlicher Zwänge keine Abstriche<br />

bei ihrem ärztlichen Anspruch machen müssen.<br />

Ein Teil der Ausschussmitglieder ist jedoch der<br />

Auffassung, dass sich ärztliche Führungskräfte<br />

durchaus offensiv den betriebswirtschaftlichen Herausforderungen<br />

in ihren Verantwortungsbereichen<br />

stellen müssen.<br />

Ausgabe 3 | März 2013 29


SCHLESWIG-HOLSTEIN<br />

Die täglichen Erfahrungen zeigen, dass viele Chefund<br />

Oberärzte mittlerweile wirtschaftliche Verantwortung<br />

übernehmen und sich gegenüber<br />

gemeinsam entwickelten Lösungen aufgeschlossen<br />

zeigen bzw. diese auch erfolgreich umsetzen.<br />

Voraussetzung für die Vereinbarung betriebswirtschaftlicher<br />

Ziele bei der Patientenversorgung ist<br />

allerdings, dass sich die kaufmännischen Geschäftsleitungen<br />

und die ärztlichen Führungskräfte darauf<br />

verständigen, dass beide Parteien gleichermaßen<br />

in der Verantwortung für das wirtschaftliche Ergebnis<br />

der jeweiligen Kliniken oder des gesamten Krankenhauses<br />

stehen und dass sie nur gemeinsam das<br />

letztendliche Ziel einer qualitativ hochwertigen und<br />

gleichermaßen ressourcenbewussten Patientenversorgung<br />

erreichen können.<br />

Grundsätzlich <strong>muss</strong> der Vereinbarung betriebswirtschaftlicher<br />

Ziele ein offener Aushandlungsprozess<br />

vorangehen, an dessen Ende eine gemeinsam getragene<br />

Vereinbarung auf der Grundlage transparenter<br />

und nachvollziehbarer Kennzahlen bzw.<br />

Parameter steht.<br />

Betriebswirtschaftlich ergeben sich grundsätzlich<br />

nur zwei Handlungsoptionen:<br />

1. Steigerung der Erlöse<br />

2. Senkung der Kosten<br />

Die Erlöse können aufgrund der qualitativen Expertise<br />

der Ärzte (Qualitätswettbewerb) und/oder infolge<br />

des medizinisch-technischen Fortschritts (z. B.<br />

durch Einführung neuer Verfahren und Methoden)<br />

von ärztlicher Seite aus gesteigert werden.<br />

Diese medizinisch begründeten, sekundären Mengensteigerungen<br />

sind ausdrücklich gewünscht. Bei<br />

nachgewiesenem Patientennutzen stellen sie eine<br />

legitime Grundlage für das wirtschaftliche Wachstum<br />

der Abteilung, der Klinik bzw. des Krankenhauses<br />

dar.<br />

Bonusvereinbarungen mit der primären Zielsetzung<br />

einer angebotsinduzierten, d. h. rein ökonomisch<br />

motivierten Mengensteigerung, insbesondere von<br />

lukrativen Einzelleistungen (Endoprothetik, Herzschrittmacher,<br />

Organtransplantationen), beinhalten<br />

immer das Risiko einer medizinisch nicht gerechtfertigten<br />

Indikationsstellung. Da dieser Konflikt in sich<br />

nicht auflösbar ist, verbieten sich grundsätzlich Zielvereinbarungen,<br />

die eine primäre Leistungsmengensteigerung<br />

intendieren.<br />

Hinsichtlich der Kosten können ärztliche Führungskräfte<br />

ihr Know-how durchaus kompetent einsetzen<br />

und betriebswirtschaftlich sinnvoll nutzen, zumal es<br />

in der Regel ausschließlich die Ärzte sind, die entscheiden<br />

können, in welchen Bereichen Kosten medizinisch<br />

vertretbar gesenkt werden können. Dies<br />

gestaltet sich im Personalkostenbereich zweifellos<br />

schwieriger als bei den Sachmittelkosten.<br />

Bei den Personalkosten können kreative organisatorische<br />

Veränderungen die Leistungsfähigkeit der<br />

Klinik auch mit weniger ärztlichem Personal gewährleisten<br />

und somit einen betriebswirtschaftlich positiven<br />

Beitrag leisten. Dazu gehört zum Beispiel das<br />

Organisieren von innovatoven Dienstplanmodellen<br />

oder das Delegieren nicht-ärztlicher Tätigkeiten.<br />

Dieser Spagat <strong>muss</strong> – ungeachtet ökonomischer<br />

Ergebniserwartungen – in Anbetracht des sich abzeichnenden<br />

Fachkräftemangels ohnehin bewältigt<br />

werden.<br />

Zielvereinbarungen im Personalkostenbereich könnten<br />

beispielsweise lauten:<br />

Bereich: Ärztlicher Bereitschaftsdienst<br />

Ziel: Personalkostenreduktion durch<br />

synergetischen Personaleinsatz<br />

Maßnahme: Innovative Dienstplanmodelle<br />

Kontrolle:<br />

Bereich:<br />

Ziel:<br />

Maßnahme:<br />

Kontrolle:<br />

Kostenreduktion Bereitschaftsdienst<br />

Medizinische Dokumentation<br />

Entlastung des ärztlichen Dienstes<br />

Einsatz von Dokumentationsassistenten<br />

Überstundenmanagement im<br />

ärztlichen Dienst<br />

Im Sachmittelkostenbereich bestehen weitaus mehr<br />

Handlungsoptionen, ohne dass Qualitätsverluste zu<br />

erwarten sind.<br />

Zielvereinbarungen im Sachmittelkostenbereich<br />

könnten beispielsweise lauten:<br />

Bereich: Arzneimittelverordnung<br />

Ziel:<br />

Maßnahme:<br />

Kontrolle:<br />

Bereich:<br />

Kostenreduktion<br />

einheitliche Produktlinie, Verwendung<br />

von Generika<br />

Kostencontrolling<br />

Medizintechnik<br />

30 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt


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Ziel:<br />

Maßnahme:<br />

Kontrolle:<br />

Reduktion von Reparaturkosten<br />

(z. B. Bronchoskope)<br />

Schulungen<br />

Kostencontrolling<br />

Ein weiterer Bereich, in dem ärztliche Führungskräfte<br />

in ihren Kliniken wirtschaftliche Verantwortung<br />

übernehmen, ist die Sicherstellung der unmittelbaren<br />

und sachgerechten Fallkodierung. Damit sichern<br />

die Ärzte die zeitnahe Rechnungsstellung und leisten<br />

so einen Beitrag zur Liquiditätssicherung des<br />

Krankenhauses.<br />

Zielvereinbarungen im Bereich Medizincontrolling<br />

könnten beispielsweise lauten:<br />

Bereich: Medizincontrolling<br />

Ziel: Zeitnahe Rechnungsstellung<br />

Maßnahme: schnellstmögliche Fallkodierung<br />

Kontrolle: Zahlung<strong>sein</strong>gänge (Rechnungswesen)<br />

Bereich:<br />

Ziel:<br />

Maßnahme:<br />

Kontrolle:<br />

Medizincontrolling<br />

Reduktion der MDK Prüfquote<br />

Regelhafte Fallbesprechungen<br />

Statistik<br />

Zusammenfassend lässt sich die Anwendbarkeit von<br />

Zielvereinbarungen im Bereich „Wirtschaftlichkeit“<br />

wie folgt darstellen:<br />

Erlössteigerung: Zielvereinbarung nicht möglich<br />

Kostenreduktion Personal: Zielvereinbarung eingeschränkt<br />

möglich<br />

Kostenreduktion Sachmittel: Zielvereinbarung<br />

möglich<br />

2. Medizinische Ergebnisqualität<br />

Als Alternative zu rein ökonomisch, nur an einer Verbesserung<br />

des wirtschaftlichen Ergebnisses orientierten<br />

Zielvereinbarungen werden aus der Politik, von<br />

ärztlichen Standesvertretungen und Berufsverbänden<br />

sowie seitens der Interessenvertretungen von Patienten<br />

vor allem Vereinbarungen gefordert, die das<br />

Qualitäts- und das Personalmanagement betreffen.<br />

Zielvereinbarungen, die auf strukturelle Qualitätsverbesserungen<br />

und Maßnahmen zur Personalqualifikation<br />

abzielen, kommen unmittelbar dem Patienten<br />

zugute. Mittelbar verschaffen diese Maßnahmen<br />

dem Krankenhaus einen Wettbewerbsvorteil; die vermehrte<br />

Inanspruchnahme des Hauses trägt nachhaltig<br />

zur Existenzsicherung bei.<br />

Qualitätsinduzierte Mengenausweitungen infolge<br />

transparenter und nachweisbarer Maßnahmen zur<br />

Verbesserung der Versorgungsqualität sind ordnungspolitisch<br />

ausdrücklich gewünscht (Qualitätswettbewerb).<br />

Entsprechende Zielvereinbarungen<br />

sind damit legal und legitim.<br />

Der Ausschuss nennt nachfolgend Beispiele für<br />

qualitätsfokussierte Zielvereinbarungen, die bei Realisierung<br />

vor allem die Versorgungsqualität verbessern<br />

und somit unmittelbar den Patienten nutzen.<br />

Die Unternehmensleitung ist für die Schaffung adäquater<br />

Rahmenbedingungen (Struktur- und Prozessqualität)<br />

zuständig, wie zum Beispiel die<br />

Personalausstattung (Facharztquote), die Geräteausstattung<br />

(Verfügbarkeit von EKG-, Sonographie-,<br />

CT-Geräten) und Räumlichkeiten (Ambulanzen, Stationen,<br />

OP).<br />

Ärztliche Führungskräfte können die klinische Prozessqualität<br />

beeinflussen und Abläufe gestalten.<br />

Zielvereinbarungen im Bereich Prozessqualität<br />

könnten beispielsweise lauten:<br />

Bereich: OP-Management<br />

Ziel: OP-Produktivität erhöhen<br />

Maßnahme: Wartezeiten reduzieren<br />

Kontrolle: Prozesskennzahlen OP (1. Schnitt,<br />

Wechselzeiten)<br />

Bereich:<br />

Ziel:<br />

Maßnahme:<br />

Kontrolle:<br />

Dienstleister: Radiologie, Pathologie,<br />

Labor, Konsildienst<br />

Diagnose- und Therapieentscheidungen<br />

beschleunigen<br />

Fertigstellung und Verfügbarkeit<br />

von Befunden innerhalb eines definierten<br />

Zeitfensters<br />

Prozesskennzahlen: Dauer Anforderung<br />

- Fertigstellung<br />

Das Vereinbaren von Zielen im Bereich der medizinischen<br />

Ergebnisqualität ist abhängig von der<br />

Verfügbarkeit transparenter Kennzahlensysteme.<br />

Belastbare Qualitätskennzahlen (Outcome-Parameter)<br />

liegen in Deutschland nur eingeschränkt vor.<br />

Sind sie verfügbar (QSR, BQS, IQM), bestehen mittlerweile<br />

Konsens und breite Akzeptanz hinsichtlich<br />

der Validität und Vergleichbarkeit.<br />

Ausgabe 3 | März 2013 31


SCHLESWIG-HOLSTEIN<br />

Zielvereinbarungen im Bereich Ergebnisqualität<br />

könnten beispielsweise lauten:<br />

Bereich: Mortalität nach Herzinfarkt<br />

Ziel: Senkung der Mortalitätsraten in den<br />

Bereich des Benchmarks<br />

Maßnahme: Obligatorische systematische Einzelfallanalyse,<br />

M&M Konferenz<br />

Kontrolle: Verlauf<br />

Bereich:<br />

Ziel:<br />

Maßnahme:<br />

Kontrolle:<br />

Katheterinfektion<br />

Keine Katheterinfektion<br />

Obligatorische systematische Einzelfallanalyse<br />

Verlauf<br />

Ein weiteres Feedback-System zur Bewertung der<br />

Behandlungsqualität können Ergebnisse aus Patienten-<br />

und Einweiserbefragungen oder Hinweise aus<br />

dem Beschwerdemanagement <strong>sein</strong>. Häufig werden<br />

in solchen Analysen strukturelle und personenbezogene<br />

Kommunikationsdefizite benannt.<br />

Liegen entsprechende Hinweise vor, könnten Zielvereinbarungen<br />

lauten:<br />

Bereich: Kommunikationsverhalten der Ärzte<br />

Ziel: Kompetenzen zum Führen eines<br />

„empathischen“ Patientengespräches<br />

erwerben<br />

Maßnahme: Schulungen, Rahmenbedingungen<br />

schaffen und Anwendung üben<br />

Kontrolle: Patientenbefragung<br />

(Kann alternativ auch unter Personalmanagement<br />

aufgeführt werden.)<br />

Häufig wird in Zuweiserbefragungen der Wunsch<br />

nach einem schnell erreichbaren und kompetenten<br />

Ansprechpartner genannt.<br />

Soweit entsprechende Analysen vorliegen, könnten<br />

Zielvereinbarungen lauten:<br />

Bereich: Zuweiserbindung<br />

Ziel: Telefonische Erreichbarkeit für Zuweiser<br />

sicherstellen<br />

Maßnahme: Infrastruktur herstellen und Zuständigkeit<br />

regeln<br />

Kontrolle:<br />

Zuweiserbefragung<br />

(Kann alternativ auch unter Organisationsentwicklung<br />

aufgeführt<br />

werden.)<br />

3. Personalmanagement (Gewinnung, Bindung,<br />

Führung und Entwicklung)<br />

Viele Krankenhäuser haben bereits Probleme, ärztliche<br />

Positionen zu besetzen. Der Fachkräftemangel<br />

wird sich künftig weiter verstärken. Zudem legen immer<br />

mehr Mitarbeiter Wert auf eine ausgeglichene<br />

„Work-Life-Balance“. Ärztlichen Führungskräften<br />

obliegt es, in enger Abstimmung mit der Unternehmens-<br />

und Personalabteilung ihres Krankenhauses<br />

strukturierte Maßnahmen für mehr Arbeitsplatzattraktivität<br />

zu unterstützen und zu begleiten.<br />

Zielvereinbarungen im Bereich Personalmanagement<br />

könnten beispielsweise lauten:<br />

Bereich: Personaleinsatz<br />

Ziel: Senkung von Überstunden<br />

Maßnahme: Ursachenanalyse und Fortbildung<br />

Zeitmanagement<br />

Kontrolle: Überstundenentwicklung<br />

Bereich:<br />

Ziel:<br />

Maßnahme:<br />

Kontrolle:<br />

Bereich:<br />

Ziel:<br />

Maßnahme:<br />

Kontrolle:<br />

Personalqualifikation<br />

Fachkompetenz erhöhen<br />

Fortbildungsbedarf analysieren<br />

Anzahl absolvierter Qualifikationsmaßnahmen/Jahr<br />

Personalbindung<br />

Vereinbarkeit von Familie und Beruf<br />

Teilzeitstellen anbieten<br />

Anzahl geschaffener Teilzeitstellen<br />

4. Organisationsentwicklung<br />

Die Behandlung erfolgt zunehmend interdisziplinär.<br />

Das erfordert eine ständige Anpassung der klinischen<br />

Abläufe. Die Verantwortung für die dafür notwendigen<br />

Organisationsänderungen kann nur von<br />

ärztlichen Führungskräften übernommen werden.<br />

Zielvereinbarungen im Bereich interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />

könnten beispielsweise lauten:<br />

32 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt


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Bereich:<br />

Ziel:<br />

Maßnahme:<br />

Kontrolle:<br />

Bildung interdisziplinärer Zentren<br />

(Kopf-, Thorax-, Viszeral- und Gefäßzentren)<br />

Verbesserung der interdisziplinären<br />

Zusammenarbeit<br />

Zertifizierung<br />

Kennzahlen zur Ergebnisqualität<br />

Bereich:<br />

Ziel:<br />

Maßnahme:<br />

Kontrolle:<br />

Patientensicherheit OP<br />

Ausschluss von Verwechslungen<br />

(Patient, OP-Gebiet)<br />

Einführung der Checkliste Patientensicherheit<br />

OP (Team Time Out)<br />

Audit<br />

5. Technologischer und <strong>medizinischer</strong> Fortschritt<br />

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sich die<br />

Kliniken am medizinischen Fortschritt orientieren,<br />

beispielsweise durch Einführung neuer Methoden<br />

und Verfahren.<br />

Zielvereinbarungen im Bereich des medizinischen/<br />

technologischen Fortschritts könnten beispielsweise<br />

lauten:<br />

Bereich: Innovation in der Gefäßchirurgie<br />

Ziel: Reduktion Laparatomien bei<br />

Bauchaortenaneurysmen (BAA)<br />

Maßnahme: Verfahren perkutane Aortenprothese<br />

einführen<br />

Kontrolle: Outcome-Messung<br />

6. Risikomanagement<br />

Ärzte und alle anderen an der Patientenversorgung<br />

beteiligten Berufsgruppen tragen Verantwortung dafür,<br />

die Patientensicherheit zu verbessern und Risiken<br />

zu verringern bzw. zu vermeiden. Die rechtlichen<br />

Rahmenbedingungen dafür werden zunehmend enger<br />

gefasst, zuletzt durch das Patientenrechtegesetz.<br />

Hinzu kommt ökonomischer Druck durch stetig<br />

steigende Haftpflichtprämien.<br />

In allen Bereichen gilt es, das Bewusst<strong>sein</strong> für eine<br />

neue Risikokultur zu schärfen. Dafür übernehmen<br />

ärztliche Führungskräfte eine entscheidende Vorbildfunktion.<br />

Zielvereinbarungen im Bereich Risikomanagement<br />

könnten beispielsweise lauten:<br />

Bereich: Hygiene<br />

Ziel: Umsetzung der Maßnahmen zur Infektionsprophylaxe<br />

Maßnahme: Händedesinfektion<br />

Kontrolle: Audits<br />

7. Öffentlichkeitsarbeit/Marketing<br />

Ärztliche Führungskräfte prägen durch ihre medizinischen<br />

Leistungen in besonderer Weise die Wahrnehmung<br />

des Krankenhauses in der Öffentlichkeit. Sie<br />

leisten dadurch einen wesentlichen Beitrag zur Markenbildung<br />

und damit zur wirtschaftlichen Sicherung<br />

des Krankenhauses.<br />

Zielvereinbarungen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit<br />

könnten beispielsweise lauten:<br />

Bereich: Öffentlichkeitsarbeit<br />

Ziel: Patienteninformation<br />

Maßnahme: Regelmäßige Informationsveranstaltungen<br />

Kontrolle: Statistik<br />

Bereich: Einweiser<br />

Ziel: Information, Austausch und Beziehungspflege<br />

Maßnahme: Besuche von niedergelassenen<br />

Kollegen<br />

Kontrolle: Statistik<br />

Dieses Positionspapier stellt eine Diskussionsgrundlage<br />

für die entsprechenden Gremien der Ärztekammer<br />

dar. Die genannten Beispiele sollen eine<br />

mögliche Struktur von Zielvereinbarungen für ärztliche<br />

Führungskräfte im Krankenhaus aufzeigen. Sie<br />

stellen keine abschließenden Empfehlungen zum<br />

Umgang mit Zielvereinbarungen dar.<br />

Dem Kammerversammlungsauschuss „Medizin &<br />

Ökonomie“ gehören an: Dr. Uwe Bannert, Bad Segeberg;<br />

Bertram Bartel, Kronshagen; Dr. Mohammed-<br />

Reza Ghalamkarizadeh, Seedorf (stellv. Vorsitzender);<br />

Dr. Jochen Leifeld, Rendsburg; Dr. Christian Peters,<br />

Flensburg; Dr. Andreas Schmid, Ratzeburg; PD Dr.<br />

Carsten Schrader, Kiel; Petra Struve, Neudorf-Bornstein;<br />

Dr. Swana Swalve-Bordeaux, Eckernförde (Vorsitzende)<br />

Ausgabe 3 | März 2013 33

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