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An Bord von „U 21“ - Ärztekammer Schleswig-Holstein

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Vor zwanzig Jahren<br />

<strong>An</strong> <strong>Bord</strong> <strong>von</strong> <strong>„U</strong> <strong>21“</strong><br />

Gustav Olshausen †<br />

Bei der Vorbereitung des Berichtes über<br />

das Jubiläum „100 Jahre Hausarztpraxis“<br />

der Praxis Olshausen in Quickborn (SHÄ<br />

9/2006, S. 32-35) zeigte uns Dr. Ulrich<br />

Olshausen einen Artikel seines Vaters<br />

Gustav Olshausen (Deutsche Medizinische<br />

Wochenschrift ,DMW’ 1935, Nr. 25,<br />

Seite 1008-1011). Der Marinearzt schildert<br />

eine Fahrt an <strong>Bord</strong> des U-Bootes U<br />

21, die Umstände der Fahrt, seine Untersuchungstätigkeit<br />

und weitere Eindrücke.<br />

Besonders faszinierend sind die Schilderungen<br />

der Verhältnisse an <strong>Bord</strong> und der<br />

arbeitsmedizinischen Untersuchungen<br />

unter den besonderen Bedingungen<br />

eines U-Bootes des 1. Weltkrieges. (Red.)<br />

Auf der Fahrt <strong>von</strong> Wilhelmshaven nach<br />

Konstantinopel vom 25.IV.-5.VI.1915<br />

Am Morgen des 25.IV.1915 machte sich ,,U <strong>21“</strong><br />

unter dem Kommandanten Hersing <strong>von</strong><br />

Wilhelmshaven aus auf die 9 000 km lange Strecke<br />

nach den Dardanellen, mit der Aufgabe,<br />

sämtliche feindlichen schwimmenden Streit<br />

kräfte vor Galjipoli, unter deren Schutz die Engländer<br />

ihre Landungstruppen unterstützten und<br />

Konstantinopel bedrohten, zur Aufgabe ihrer<br />

Position zu veranlassen.<br />

68<br />

<strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong>isches Ärzteblatt 10/2006


Das Gelingen der Aufgabe war eine Brennstofffrage,<br />

da der Brennstoff den Aktionsradius des<br />

Bootes bestimmte. ,,U <strong>21“</strong> <strong>von</strong> der III. U-Bootshalbflottille,<br />

ausgerüstet mit auf der Germaniawerft<br />

gebauten Zweitakt-Dieselmotoren, mußte<br />

bei sparsamstem Brennstoffverbrauch auf längere<br />

Unterwasserfahrten verzichten, um wenigstens<br />

befreundetes Land in der Bucht <strong>von</strong> Cattaro<br />

an der Adria zu erreichen. Hersing hatte<br />

Kurs um Irland genommen, erreichte Gibraltar<br />

am 4.V., nachdem er am Kap Finisterre Frischproviant<br />

übernommen hatte und fuhr aufgetaucht<br />

und ungesehen während der Ablösung<br />

der Wachfahrzeuge im Morgennebel durch die<br />

Meerenge <strong>von</strong> Gibraltar. Auch aufgetaucht ist<br />

ein U-Boot im Dunkeln oder in der Dämmerung<br />

nur sehr schwer zu entdecken. Erst 100 sm<br />

östlich mußten wir - zum vierten Male auf der<br />

Fahrt - auf kurze Zeit unter Wasser, da zwei<br />

englische Zerstörer unseren Kurs kreuzten. Mit<br />

wenigen Kilogramm Treiböl<br />

erreichte Hersing am 12.V.<br />

die Bucht <strong>von</strong> Cattaro und<br />

konnte nach gründlicher<br />

Überholung des Bootes<br />

nach 9-tägiger Erholungspause<br />

bei den gastfreien<br />

österreichischen Seeoffizieren<br />

die Mittelmeerreise<br />

mit Richtung auf<br />

das Ägäische Meer fortsetzen,<br />

wo am 25.V. das<br />

englische Linienschiff<br />

„Triumph“ vor Gapa Tepe abgeschossen wurde.<br />

„Triumph“ am achteren Schornstein getroffen,<br />

versank in wenigen Minuten. Die Detonation<br />

erfolgte 12 Sekunden, nachdem der Torpedo<br />

das Lanzierrohr verlassen hatte, aus einem Abstand<br />

<strong>von</strong> 300 m. Die Unterwasserfahrt hatte 21<br />

Stunden gedauert. Zwei Tage darauf traf <strong>„U</strong> <strong>21“</strong><br />

nur noch ein einziges Linienschiff vor den Dardanellen<br />

an, alle anderen hatten die <strong>An</strong>ker gelichtet;<br />

es war das 15 000 t große Linienschiff<br />

„Majestic“.<br />

Am Morgen des 27.V.1915 wurde ich um vier<br />

Uhr mit den Worten des Kommandanten geweckt:<br />

„Vorderen Torpedo bewässern.“ Ich<br />

jonglierte mich aus meiner Hängematte, die im<br />

Bugraum zwischen zwei Torpedos auf engstem<br />

Raume ausgespannt war, heraus und zog mich<br />

rasch an. Waschen war die ganze Reise aus<br />

Mangel an Wasser verboten, sodaß ich fertig<br />

war, als die <strong>An</strong>twort kam: „Vorderer Torpedo<br />

ist bewässert.“ Über uns keucht langsam ein<br />

Dampfer vorbei; es kommt Befehl, die Schleuse<br />

vom Torpedo zu schließen. Wir gehen auf Tiefe.<br />

Im Bugraum, liegen sechs Mann, lesen oder räumen<br />

auf. Im Funkenraum wird angefragt, ob die<br />

Schraubengeräusche noch zu hören seien. <strong>An</strong>twort:<br />

„Ganz schwach.“ Fahren auf 17 Meter.<br />

Werden langsam achterlastig. Das Rattern der<br />

Geräusche der Schrauben, des Steamers oben<br />

wird wieder lauter. Ich zähle die Atemzüge des<br />

Bootsmannsmaaten Götsching und konstatiere<br />

17 in der Minute. Er atmet also ruhiger als gewöhnlich.<br />

Ich würde gern in die Zentrale gehen,<br />

um Tiefenmanometer und -Steuerung folgen zu<br />

können, darf aber meinen Platz nicht verlassen.<br />

Wieder nähern sich Schraubengeräusche. Ich<br />

konstatiere aus dem Rhythmus des <strong>An</strong>apästes<br />

einen Fischdampfer in langsamer Fahrt.<br />

Wir gehen auf zehn<br />

Meter. Also der<br />

Kommandant will sehen, ob er nahe genug<br />

an das feindliche Linienschiff heran ist. Ich<br />

sehe, daß die Hände der Besatzung in unaufhörlicher<br />

Bewegung sind. Man hört das Rattern des<br />

Tiefenruders, das in der See vibriert, während es<br />

hart gelegt wird. Das Sehrohr wird aus- und eingefahren.<br />

Ein Dampfer braust heran. Diesmal<br />

hohe Tourenzahl: also ein Zerstörer. Wieder<br />

werden wir achterlastig. Der Zerstörer dauernd<br />

im selben Abstand zu hören. Wieder wird das<br />

Sehrohr ausgefahren. Abermals nähern sich <strong>von</strong><br />

Backbord Schraubengeräusche. Doch werden<br />

jetzt die Geräusche durch die des Tiefenruders<br />

vollständig verdeckt. Elf Meter zeigt das<br />

Medizin und Wissenschaft<br />

<strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong>isches Ärzteblatt 10/2006 69


Medizin und Wissenschaft<br />

Barometer. Sollte geschossen werden? Wir fahren<br />

seit gestern abend neun Uhr unter Wasser.<br />

Fünf Uhr. Ich entnehme eine Harnprobe und<br />

stelle sie zur Untersuchung auf spezifisches Gewicht,<br />

Elektrolytgehalt und Harnstoffgehalt hin.<br />

Plötzlich kommt Befehl: Schleuse wieder auf.<br />

Auf 35 kg füllen. Winkeleinstellung null Prozent.<br />

Es ist 5 Uhr 32 morgens. Meldung: Erstes<br />

Rohr ist fertig! 5 Uhr 34 dann 35. Das Sehrohr<br />

wird ausgefahren. Die Spannung wächst im<br />

Boot ganz momentan ungeheuer. Mein Puls 108<br />

in der Minute, fliegende Atmung. Ich nehme<br />

die Uhr, um genau zu sehen, wie lange der Torpedo<br />

bis zur Detonation läuft. Denke gerade an<br />

die enorme <strong>An</strong>forderung an die Nerven des<br />

Kommandanten und des anderen verantwortlichen<br />

Personals. Da plötzlich Kommando: „Achtung<br />

- Fertig - Los!“. 5 Uhr 37 morgens. Zehn<br />

Sekunden verstreichen, 20 - 30 - 40 Sekunden,<br />

da erfolgt eine riesige Detonation. Ein Hurra<br />

dem Kommandanten. Er hat das Linienschiff<br />

auf 750 m abgeschossen. Aus dem „Weyer“ ergibt<br />

sich, es ist ein Schiff der Majesticklasse, Bestückung<br />

und Baujahr festgestellt. Der Kommandant<br />

berichtet, während wir mit abgedrehtem<br />

Kurse auf 20 m fahren: wie ein einziges Linienschiff<br />

dicht unter Land gelegen hätte, umgeben<br />

<strong>von</strong> Transportern, und zwar so eng, daß<br />

nur ein Teil vom mittleren Bootsrumpf freilag.<br />

In weiterem Abstand Zerstörer. Und zwischen<br />

allen durch hatte er trotz aushängenden Torpedoschutznetzes<br />

das Linienschiff herausgeschossen.<br />

Es kenterte in wenigen Minuten übers<br />

Heck und schwamm noch einige Zeit überschlagen<br />

kieloben.<br />

Zwei Tage darauf geriet <strong>„U</strong> <strong>21“</strong>, beim Versuch<br />

aus der Bucht <strong>von</strong> Imbros ein Linienschiff vor<br />

<strong>An</strong>ker abzuschießen, in ein U-Bootsnetz, das<br />

sich rings ums Boot legte und durch die Geistesgegenwart<br />

des Kommandanten zerrissen wurde,<br />

indem er, im Netz auf 40 Meter Tiefe gehend,<br />

drehte und unter Wasser äußerste Kraft aus der<br />

Bucht hinausfuhr. Fünfeinhalb Stunden<br />

schleppten wir das Netz mit uns, bevor wir ungesehen<br />

auftauchen konnten und uns <strong>von</strong> den<br />

stählernen Fangmaschen, die mit Bleigewichten<br />

beschwert waren und an einer Schwimmtrosse<br />

aufgebojt waren, wieder frei machen konnten.<br />

Dieser Tag war für meine Beobachtungen besonders<br />

lehrreich, weil der auf der Fernunternehmung<br />

fortlaufend <strong>von</strong> mir kontrollierte Koranysche<br />

Quotient in meinem Harn auf 3,8 anstieg<br />

und der Eiweißumsatz am Tage nach den<br />

Netzaufregungen bei mir auf 137,1 stieg.<br />

Über die Art der Untersuchungen und Berechnungen<br />

muß ich nun nähere <strong>An</strong>gaben machen.<br />

Gemessen wurde die 24-stündige Harnmenge.<br />

Ferner das spezifische Gewicht und der aus dem<br />

Leitungswiderstand abgelesene Elektrolytgehalt<br />

des Harns mit dem für diese Zwecke sehr<br />

brauchbaren Apparat <strong>von</strong> Wunder. Reservebatterien<br />

der Notbeleuchtung an <strong>Bord</strong> dienten als<br />

Stromquelle. Man füllt eine Pravaz-Spritze mit<br />

dem zu untersuchenden Harn und mißt den<br />

Stromwiderstand. Aus den gemessenen Werten<br />

konnte mittels Tabellen der Prozentgehalt an<br />

Elektrolyten bei bestimmter Temperatur im<br />

Harn festgestellt werden. Nun wurde das spezifische<br />

Gewicht im Harn gemessen, das sich sowohl<br />

aus Elektrolyten wie aus Nichtelektrolyten,<br />

und zwar vornehmlich aus Harnstoff, zusammensetzt.<br />

Den Elektrolyten entsprach aber<br />

auch ein bestimmtes spezifisches Gewicht. Zog<br />

man nun dieses <strong>von</strong> dem spezifischen Gewicht<br />

des Harnes ab, so bekam man <strong>An</strong>näherungswerte<br />

für den Harnstoff. Aus der 24-stündigen<br />

Harnmenge ließ sich durch Multiplikation mit<br />

2,9 und Hinzuaddierung eines als fest angenommenen<br />

Koteiweißbestandteiles <strong>von</strong> sechs<br />

Gramm der Gesamteiweißumsatz in 24 Stunden<br />

annähernd berechnen.<br />

Man schelte diesen kleinen entzückenden Apparat<br />

<strong>von</strong> Wunder nicht. Will man etwa <strong>von</strong><br />

mir verlangen, daß ich Stickstoffanalysen nach<br />

Kjeldahl während der Fahrt mache und Kotanalysen<br />

noch dazu, wenn man jeden Augenblick<br />

erwartet, wie in der Falle des U-Bootnetzes, daß<br />

man samt dem Boot durch <strong>An</strong>schlagen einer<br />

Sprengpatrone in die Luft fliegt?<br />

Ich wollte wissen, wie seelische Aufregung auf<br />

Salz- und Wasserausscheidung und auf den<br />

Stickstoffwechsel wirkt. Mein Kommandant behauptete<br />

allerdings, ich würde demnächst meine<br />

Flatus mit Löschpapier auffangen und analysieren.<br />

Ich ließ mich dadurch aber nicht beirren.<br />

Um Vergleichswerte für die Untersuchung zu<br />

gewinnen, hatte ich schon vor <strong>An</strong>treten der<br />

70<br />

<strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong>isches Ärzteblatt 10/2006


Fernunternehmung mit zwei Probetagen angefangen.<br />

Aus den Untersuchungen lassen sich<br />

folgende Erfahrungen zusammenfassen:<br />

<strong>„U</strong> <strong>21“</strong><br />

Die Harnmenge, die am Probetage 50 ccm<br />

stündlich betragen hatte, ging während der<br />

Fahrt bedeutend zurück, am stärksten zu Beginn<br />

der Fahrt infolge der Seeeinflüsse bis eine Gewöhnung<br />

eingetreten war: Und ebenso ging die<br />

Harnmenge am Nachmittage des Netztages zurück.<br />

Ebenso wie das Wasser verhielten sich auch die<br />

Salze in der Ausscheidung. Es fand eine Salzretention<br />

statt, wie aus dem Koranyschen Quotienten<br />

und aus der stündlichen Elektrolytausscheidung<br />

hervorging. Am meisten zu Beginn<br />

der Fahrt und am Nachmittag des Netztages. 1<br />

+ U%/E%, also der Korany-Quotient, war an<br />

den Probetagen 1,7 bis 1,8. Infolge des Seeganges<br />

stieg er am 26.IV. auf 3,6, um bis zum 28.IV.<br />

auf 2 wieder abzufallen. Am Nachmittag des<br />

Netztages stieg er auf 3,8, ging nicht unter 3<br />

und kam noch einmal auf 3,7, als wir um die<br />

Spitze <strong>von</strong> Gallipoli in die Dardanellen einlaufen<br />

wollten, der Kompaß versagte, wir zwischen<br />

Felsenriffen und Minen bei gleichzeitiger Beschießung<br />

<strong>von</strong> Batterien <strong>von</strong> Lande aus, die einem<br />

französischen Kreuzer galt, gegen die aus<br />

dem Marmarameere kommende Unterströmung<br />

auf 40 Meter nicht gegen den Strom aufdrehen<br />

konnten und uns mit dem Boot in der kritischsten<br />

Situation befanden, bis der Kompaß wieder<br />

einsprang und uns die Richtung wieder anzeigte.<br />

Erst am 1.VI. ging der Quotient wieder unter 3.<br />

Schließlich ging aus den Harnuntersuchungen<br />

hervor, daß der Eiweißstoffwechsel vor der Unternehmung<br />

95,8 g betragen hatte, in den ersten<br />

Tagen der Unternehmung<br />

fiel er bis<br />

auf 74,6 und stieg<br />

nach den seelischen<br />

Erregungen vor den<br />

Dardanellen auf<br />

137 g. Der Salzretention<br />

folgte nach<br />

der Fernunternehmung<br />

eine vermehrte<br />

Ausscheidung.<br />

Die Ursache für diesen<br />

erhöhten Eiweißstoffwechsel<br />

sehe<br />

ich in einer Übererregbarkeit<br />

des<br />

Nervensystems, das<br />

teils direkt die Organe zu erhöhter Leistung anspornt,<br />

teils auf dem Umwege über die Blutdrüsen<br />

Impulse vermittelt, die sich chemisch auswirken,<br />

wie z. B. via Neben- und Schilddrüse.<br />

Einige Beispiele für die Reizbarkeit an <strong>Bord</strong><br />

möchte ich zum Belege anführen:<br />

Ein Pentrygast wird <strong>von</strong> einem Deckoffizier am<br />

Genick gefaßt und gewürgt, weil er unnützerweise<br />

mit Messegeschirr klappert. Ein lautes<br />

Wort unter der Mannschaft löst bei einem Unteroffizier<br />

einen Wutanfall aus, bei dem er sich<br />

vollständig vergißt. Ich fand einmal einen Heizer,<br />

der bewußtlos in Krämpfen am Boden lag.<br />

Er erholt sich rasch wieder und gibt an, daß er<br />

sich geärgert hätte. Ein anderes Beispiel: Ein<br />

Mann wegen unmilitärischen Verhaltens zur<br />

Rede gestellt, wird plötzlich hochrot, bekommt<br />

Glotzaugen und stürzt unter Krämpfen hin. Diese<br />

Krämpfe sind nicht nur die höchste denkbare<br />

Steigerung der Erregbarkeit des Zentralen Gehirnes,<br />

sondern Äquivalente <strong>von</strong> Hitzschlägen<br />

und gehören in das Gebiet des akuten oder<br />

chronischen Hitzschlages. Die Idiosynkrasie gegen<br />

Geräusche steht mit der starken Beanspruchung<br />

des Gehörs an <strong>Bord</strong> in Zusammenhang<br />

durch die Explosionsgeräusche der Dieselmotoren,<br />

der Alarmglocken, der Druckdifferenzen,<br />

die häufig als widerlich angegeben werden und<br />

mit der hohen Spannung, unter der die Auf-<br />

Medizin und Wissenschaft<br />

<strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong>isches Ärzteblatt 10/2006 71


Medizin und Wissenschaft<br />

merksamkeit der Besatzung auf äußere Geräusche<br />

gerichtet ist. So werden Außenbordsgeräusche<br />

leicht für Schurren an Minenankertrossen<br />

gehalten, wobei zum Zeichen der Sympathikusreizung<br />

ein regelrechtes Sträuben der Haare der<br />

Besatzung beobachtet wird. Das verantwortliche<br />

Personal leidet unter diesen Verhältnissen mehr<br />

als das nicht verantwortliche. Ich habe eben die<br />

unangenehm empfundenen Druckdifferenzen<br />

erwähnt. Darüber will ich mich kurz fassen, da<br />

sie bei den technischen Einrichtungen an <strong>Bord</strong><br />

vom Kommandanten vermieden werden können.<br />

Normalerweise herrscht bei Überwasserfahrten<br />

und geschlossenem Turmluk und 14 sm<br />

Fahrt in den Maschinenräumen ein Unterdruck<br />

<strong>von</strong> 12 mm Hg. Bei plötzlichem Öffnen des<br />

Schottes zwischen Zentrale und Ölmaschinenräumen<br />

wird dieser Unterdruck momentan ausgeglichen.<br />

Zum Entstehen des Unterdruckes<br />

vergehen in der Regel 45 Sekunden, d. h. soviel<br />

Zeit, wie zum Ingangkommen der Dieselmotoren<br />

notwendig ist. Bei längeren Unterwasserfahrten<br />

entstehen aber höhere Überdrucke<br />

durch Undichtigkeiten der Preßluftflaschen.<br />

Wird nun nach dem Auftauchen versäumt,<br />

durch die Kompressormaschine oder durch Ablassen<br />

durch das Kopfventil den Überdruck zu<br />

entfernen, so kann bei plötzlichem Öffnen des<br />

Turmluks ein Überdruck <strong>von</strong> 0,1 Atmosphären<br />

oder 76 mm Hg plötzlich ausgeglichen werden.<br />

Das sind Druckdifferenzen, die nach Art der<br />

Caissonkrankheit schädliche Folgen haben können.<br />

Vor allem aber leidet Gehör und Trommelfell<br />

unter diesen Umständen. Es entstehen ferner<br />

Unterdrucke bis 30 mm durch Absaugen<br />

der Bootsluft mittels Gebläses während der<br />

Dichtigkeitsprobe vor dem Tauchen und regelmäßig<br />

vor dem Füllen der letzten Regler. Die<br />

gefundenen Druckwerte ließen sich an den Barometerkurven<br />

im Kommandantenraum einwandfrei<br />

ablesen.<br />

Ich komme nun zu den wichtigsten Beobachtungen<br />

während unserer Fernunternehmung.<br />

Temperatur und Feuchtigkeit. Ärztliche Beobachtungen<br />

der Mannschaften der III. Unterseebootshalbflottille<br />

hatten die Vermutung nahe<br />

gelegt, daß unter den gesundheitlichen Schäden<br />

die hohe Luftfeuchtigkeit und zu hohe Temperaturen<br />

an <strong>Bord</strong> und damit verbunden die Erschwerung,<br />

ja häufig Behinderung der zur Wärmeregulierung<br />

erforderlichen Wärmeabgabe die<br />

erste Stelle einnähmen.<br />

Bei einigen Leuten vom seemännischen und vor<br />

allem technischen Personal war eine vermehrte<br />

Zahl <strong>von</strong> roten Blutkörperchen auf den Kubikmillimeter<br />

also Polyglobulie gefunden worden,<br />

die Wasserverlust und Bluteindickungen bedeuteten.<br />

Die Leute mit den höchsten Zahlen an<br />

roten Blutkörperchen hatten auch die höchsten<br />

Werte an systolischem Blutdruck. Die U-Bootsleute<br />

schwitzen außerdem verhältnismäßig<br />

leicht. Wasser wird aber auch durch die Atmung<br />

abgegeben. Bei längeren Tauchfahrten<br />

ändert sich zunächst nicht die Frequenz der Atmung,<br />

sondern der Atemtypus. Die Atmung<br />

wird tiefer und unregelmäßig. Nach unseren 19<br />

bis 23-stündigen Unterwasserfahrten wurde sie<br />

derart beschleunigt und vertieft, daß beim Sprechen<br />

nicht einmal ein mehrsilbiges Wort in einem<br />

Atemzuge gesprochen werden konnte, sondern<br />

nach jeder Silbe wurde geatmet. Also auch<br />

hier Wasserverlust. Die Bluteindickung erfolgt<br />

nicht etwa im Stadium der aktiven, sondern im<br />

Stadium versagender Wärmeregulierung, wenn<br />

die Körpertemperatur selbst steigt. Solche Temperaturen<br />

konnte ich wiederholt messen. Entsprechend<br />

der Bluteindickung waren auch die<br />

Hämoglobinwerte bei den meisten Leuten über<br />

90.<br />

Aus genauen Messungen der Gewichte vor und<br />

nach Fernunternehmungen im Verhältnis zu<br />

den Körperlängen wurde ferner festgestellt, dass<br />

die Gewichte alle um die errechneten Minimalgewichte<br />

<strong>von</strong> v. Noorden minus fünf Kilogramm<br />

variierten, und daß die Leute sich alle verhältnismäßig<br />

rasch nach jeder Unternehmung erholten.<br />

Das lenkte auch die Aufmerksamkeit<br />

auf das Verhalten des Wassers im Stoffwechsel.<br />

So war es also gerechtfertigt, auf unserer Fernunternehmung<br />

Temperatur- und Feuchtigkeitsmessungen<br />

in allen Räumen vorzunehmen. Es<br />

wurden mit einem Augustschen Psychrometer,<br />

den mir Prof. Schmidt aus Münster liebenswürdigerweise<br />

zur Verfügung gestellt hatte, Messungen<br />

in der Biscaya, in der Adria und im<br />

Ägäischen Meere, über Wasser und am Ende einer<br />

21-stündigen Unterwasserfahrt, nachdem<br />

72<br />

<strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong>isches Ärzteblatt 10/2006


„Majestic“ abgeschossen war, vorgenommen.<br />

Zur Beurteilung der gefundenen Zahlen seien<br />

folgende Standardzahlen <strong>von</strong> Flügge kurz in Erinnerung<br />

gebracht:<br />

Symptome <strong>von</strong> Wärmestauung treten ohne Gewöhnung<br />

bei einer Lufttemperatur <strong>von</strong> 37° und<br />

55 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit mit der<br />

gleichen Temperatursteigerung der Haut auf<br />

wie bei 23° und 75 Prozent relativer Feuchtigkeit.<br />

Legt man nach diesen Zahlen ein Diagramm<br />

an, aus dem für jede Temperatur die<br />

hinzugehörige Feuchtigkeit, um Hitzschlagsymptome<br />

hervorzurufen, abgelesen werden<br />

kann, und vergleicht man mit diesem Diagramm<br />

die während der Fernunternehmung gefundenen<br />

Werte, so erkennt man, daß diese bei<br />

Überwasserfahrt am letzten Tage der Fahrt nach<br />

der Bocche in der Adria und am Ende der 21-<br />

stündigen Unterwasserfahrt zur Hälfte jenseits<br />

dieser Kurve, d. h. noch ungünstiger als die <strong>von</strong><br />

Flügge gefundenen Werte, liegen.<br />

Solange die Heizung nicht abgestellt war, waren<br />

überall einwandfreie Aufenthaltsbedingungen.<br />

Nach dem Abstellen der Heizung lagen über<br />

Wasser fast alle, am Ende einer 19-stündigen<br />

Unterwasserfahrt alle Werte in einem Bereiche,<br />

in dem jede Wärmeregulierung des nicht gewöhnten<br />

Organismus versagen mußte. Dazu<br />

kommt, daß in Kopfhöhe die Temperaturen um<br />

6° höher lagen als in Fußhöhe, daß nach Abstellen<br />

der Motoren Temperaturen bis 50° gemessen<br />

wurden, und daß bei angestellter elektrischer<br />

Heizung Temperaturdifferenzen bis 9,5°<br />

<strong>von</strong> Kopf- bis Fußhöhe gemessen wurden.<br />

Ich halte es für sichergestellt und befinde mich<br />

hierin in Übereinstimmung mit den Untersuchungen<br />

<strong>von</strong> Bathe über die Luftverschlechterung<br />

in abgeschlossenen Räumen auf Kriegsschiffen,<br />

daß die bei U-Bootsleuten zu findenden<br />

Symptome, wie Bluteindickungen, Wasserverarmung<br />

und Abmagerung, der tetanoide<br />

Symptomenkomplex, zum Teil als Erschöpfungen<br />

und Folgen einer Überbeanspruchung des<br />

wärmeregulierenden Apparates, also als ein<br />

chronischer Hitzschlag, anzusehen sind.<br />

Hitze und Feuchtigkeit wirken ja auf Unterseebooten<br />

aus dem Grunde besonders nachteilig<br />

auf die Gesundheit, weil die schädliche Wirkung<br />

des chronischen Hitzschlages sich mit einem<br />

Mangel an Sauerstoff und einer Überladung<br />

an Kohlensäure, mit einem Mangel an<br />

Schlaf und mit seelischen Strapazen, ja aber<br />

auch mit der Einwirkung anderer Gase, wie<br />

Ausdünstungen der Mannschaft und der Kombüse,<br />

Petroldämpfen und Verbrennungsprodukten<br />

vom Treiböl und Schwefligsäuredämpfen<br />

der Batterien, kombiniert. Tritt zu diesen Bedingungen<br />

noch körperliche <strong>An</strong>strengung hinzu,<br />

so steigen der Sauerstoffbedarf und die Kohlensäureproduktion<br />

im Augenblick so enorm,<br />

daß hochgradigste Atemnot die Folge ist. Der<br />

Verbrennungsprozeß im Körper, also vor allem<br />

der Sauerstoffbedarf, ist gesteigert bei körperlicher<br />

<strong>An</strong>strengung, bei Mangel an Schlaf, im aktiven<br />

wie im gestörten Stadium der Wärmeregulierung<br />

und bei seelischer Erregung. Setzt man<br />

einen derart in der ganzen Ökonomie gestörten<br />

Organismus nun noch in eine sauerstoffarme<br />

und kohlensäurereiche Umgebung - der Sauerstoffzusatz,<br />

wie er an <strong>Bord</strong> üblich ist, ist unzureichend<br />

-, so sind Symptome des Hitzschlages sowohl<br />

wie die der Übererregbarkeit in den verschiedenen<br />

Nervensystemen vollständig geklärt.<br />

Am schlimmsten aber <strong>von</strong> allen Schädigungen<br />

ist ohne allen Zweifel die Feuchtigkeit. Da man<br />

hier praktisch eingreifen kann, seien die Ursachen<br />

für sie näher beleuchtet.<br />

Der Wasserdampf der Bootsluft entsteht abhängig<br />

<strong>von</strong> Temperatur und Barometerdruck durch<br />

Zufuhr <strong>von</strong> außen aus der äußeren Atmosphäre,<br />

zweitens durch Verdampfen des an den Innenwänden<br />

niedergeschlagenen Wassers, das man<br />

als Kondenswasser bezeichnen kann, solange<br />

die Temperatur des über die Außendecks und<br />

den Druckkörper spülenden Wassers und der<br />

Innenwände niedriger ist als die Temperatur der<br />

Bootsluft, drittens durch Verdampfung <strong>von</strong><br />

Wasser auf dem elektrischen Herd der Kombüse,<br />

viertens durch Verdampfen <strong>von</strong> Bilgwasser<br />

und fünftens durch Ausdünstungen der Besatzung,<br />

wie Schweiß und Atmung; an regnerischen<br />

Tagen auch noch durch das nasse Zeug,<br />

das <strong>von</strong> der Turmwache ins Boot getragen wird<br />

und in den Ölmaschinenräumen getrocknet zu<br />

werden pflegt. Bei schwerem Wetter können<br />

auch Seen direkt durchs Turmluk in die Zentrale<br />

hinunterschlagen.<br />

Medizin und Wissenschaft<br />

<strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong>isches Ärzteblatt 10/2006 73


Medizin und Wissenschaft<br />

Abgeführt wird demgegenüber der Wasserdampf<br />

der Bootsluft durch das oben genannte<br />

Kondenswasser, das in die Bilgräume ablaufen<br />

kann, die auf ,,U <strong>21“</strong> in 1 bis 2-stündigen Intervallen<br />

regelmäßig gelenzt wurden, zweitens<br />

durch die Ventilation und drittens während der<br />

Unterwasserfahrt nach <strong>An</strong>stellen der Luftreinigung<br />

durch die Kalipatronen, deren Gewichtszunahme<br />

im Gebrauch nicht allein durch Absorption<br />

der Kohlensäure, sondern durch Wasseraufnahme<br />

herrührt. Am meisten bemerkbar<br />

macht sich das Kondenswasser an den nicht<br />

verkleideten Stellen der Innenwände des<br />

Druckkörpers. Die vorhandenen Holzverkleidungen<br />

genügten im Kommandantenraume,<br />

nicht aber im Offiziers- und Deckoffiziersraume,<br />

wo in den Rillen zwischen den Holzleisten und<br />

teilweise auch auf den blanken Holzflächen sich<br />

stets Schimmel befand. Als vom 3.V.1915 ab<br />

aus Sparsamkeitsrücksichten Heizung und Beleuchtung<br />

auf das notwendigste beschränkt<br />

wurden, war die Folge, daß in den jetzt kalten<br />

Räumen die Luft fast bis zur Sättigung mit Wasserdampf<br />

geschwängert war. So fiel das Sättigungsdefizit<br />

im Offiziersraum in der Zeit vom<br />

3. bis 13.V. <strong>von</strong> 7,69 auf 1,48g/cbm. Ja durch<br />

Fallen des Barometerdruckes während des<br />

Auftauchens bildeten sich regelmäßig in den<br />

kühleren Räumen dichte Nebel <strong>von</strong> Wasserdampf.<br />

So ist es verständlich, daß viele organische<br />

Gegenstände im Boot nach dem 3.V. noch<br />

stärker schimmelten als bereits vorher, wie Stiefel,<br />

Lederbezüge über den Propellern, Lederkoffer,<br />

-kästen und -anzüge, soweit sie nicht an<br />

Deck ausgelüftet werden konnten. Selbst Seide<br />

am Koppel schimmelte, und nasses Zeug, das<br />

nicht in den Maschinenräumen getrocknet war,<br />

nahm deutlichen Geruch <strong>von</strong> Fäulnis an. Die<br />

Luftfeuchtigkeit gibt außerdem Veranlassung,<br />

ununterbrochen die in den Wassertröpfchen<br />

gelösten, flüchtigen Verbrennungsprodukte des<br />

Treiböles, <strong>von</strong> Ausdünstungen der Besatzung<br />

und <strong>von</strong> der Küche einzuatmen. Die Feuchtigkeit<br />

machte sich natürlich auch am Frischproviant<br />

bemerkbar.<br />

Infolge der Ungewißheit der Zeit des Auslaufens<br />

aus Emden, mußten dauernd die für die ganze<br />

Reise notwendigen Nahrungsmittel an <strong>Bord</strong> bereit<br />

gehalten werden, <strong>von</strong> denen ein großer Teil<br />

bereits verdorben war, ehe ,,U <strong>21“</strong> in Wilhelmshaven<br />

einlief; aber auch als der Zeitpunkt des<br />

Auslaufens genau bekannt war und frische Vorräte<br />

an <strong>Bord</strong> genommen waren, war es nicht<br />

möglich, raschem Verderben des Frischproviantes<br />

vorzubeugen, da die notwendigsten Voraussetzungen<br />

zur Konservierung, wie reinliche Unterbringung<br />

in ventilierbaren oder durch Lampen<br />

auszutrocknenden isolierten Schränken<br />

oder Kammern, auf ,,U <strong>21“</strong> fehlten. Infolge der<br />

Gärung in feuchten, warmen und abgeschlossenen<br />

Räumen <strong>von</strong> stärkehaltigen Nahrungsmitteln,<br />

wie Weizenbrot, ist bei längeren Tauchfahrten<br />

auch an die Möglichkeit <strong>von</strong> Kohlensäurevergiftungen<br />

zu denken, wie Stabsarzt<br />

Sandrock angegeben hat, analog den Fällen <strong>von</strong><br />

tödlichen Kohlensäurevergiftungen aus gelagertem<br />

Reisschrot an <strong>Bord</strong> eines Dampfers.<br />

Daß der Keimgehalt der Luft während der Fahrt<br />

durch organische Zersetzungen (wie z. B. Verschimmeln<br />

des Brotes unter Wärme- und Gasentwicklung<br />

im Backbordspind im Offiziersraum<br />

wie im Unteroffiziersraum) bereits in den ersten<br />

Tagen der Fahrt sich wesentlich vermehrte,<br />

geht schon aus dem Geruch hervor, der bald in<br />

allen Wohnräumen herrschte. Auch das in Spanien<br />

übernommene anfänglich trockene und<br />

harte Weizenbrot wurde verhältnismäßig rascher<br />

feucht und ungenießbar als das aus Wilhelmshaven<br />

mitgenommene Roggenbrot. <strong>An</strong>derseits,<br />

war der Proviant aus Spanien wegen<br />

der Reichhaltigkeit an frischem Gemüse und an<br />

Obstkonserven und vielen Dosen mit Keks uns<br />

allen eine sehr willkommene Abwechslung.<br />

Länger als vier Tage hielt sich aber weder der<br />

Frischproviant aus Wilhelmshaven noch aus<br />

Spanien.<br />

Nach den Erfahrungen dieser Reise ist es möglich,<br />

daß infolge mangelnder Reinlichkeit (Wasserersparnis,<br />

Mangel an Waschgelegenheit)<br />

Stuhlbestandteile in die Nahrung und mit dieser<br />

wieder in den Mund gelangen können. Für die<br />

Mannschaft war zum Teil nur jeden vierten Tag<br />

das Waschen gestattet; auch die Offiziere konnten<br />

sich nicht jeden Tag waschen, nicht einmal<br />

die Hände. Nachteilige Folgen aber hat diese<br />

minimale Körperpflege nicht gehabt.<br />

74<br />

<strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong>isches Ärzteblatt 10/2006


Das Trinkwasser ist auf der Reise einwandfrei<br />

geblieben.<br />

Von den Aborten wurde <strong>von</strong> den dreien nur der<br />

im Heckraum befindliche benutzt, weil infolge<br />

Platzmangels der im Offiziersraum befindliche<br />

als Kleiderspind diente, und der Abort in der<br />

Zentrale trotz der technisch vollkommensten<br />

<strong>An</strong>lage aus Gründen des Schamgefühles nicht<br />

benutzt worden ist. Um unnötige körperliche<br />

<strong>An</strong>strengung zu vermeiden, würde es sehr<br />

zweckmäßig sein, wenn der Heckraumabort mit<br />

Preßluft zu bedienen wäre. Das Auspumpen unter<br />

Wasser ist naturgemäß um so schwieriger, je<br />

tiefer das Boot fährt. Nach den <strong>An</strong>griffsfahrten<br />

vor den Dardanellen konnte wiederholt die Beobachtung<br />

gemacht werden, daß derjenige, der<br />

den Abort benutzt hatte, außer Atem und<br />

schweißüberströmt vom Heckraum zurückkehrte.<br />

Von nicht hoch genug einzuschätzender Bedeutung<br />

würde es sein, wenn es gelänge, alle Quellen<br />

der Bootsfeuchtigkeit zu verstopfen, nicht<br />

nur in gesundheitlicher Beziehung, sondern<br />

auch in militärischer, da die Tauchdauer <strong>von</strong><br />

dem Sauerstoffvorrate abhängt und in finanzieller,<br />

da die Konservierung des Materials <strong>von</strong> der<br />

Trockenheit der Luft abhängt. Zur Bekämpfung<br />

der Bootsfeuchtigkeit wird eine Verkleidung der<br />

Innenwände aller Bootsräume mit Holz - besser<br />

mit geteerten Korkplatten - für notwendig gehalten,<br />

ferner eine physikalische Lufttrocknungsanlage<br />

für Unterwasserfahrt in Gestalt eines<br />

Kondensapparates, der chemischen Luftreinigung<br />

vorgebaut in Verbindung mit einer verstärkten<br />

Ventilation.<br />

Meine hygienischen und ärztlichen Beobachtungen<br />

auf der Fahrt waren angeregt durch Untersuchungen<br />

der Mannschaften der III. U-<br />

Bootshalbflottille, zu der ich schon bei Kriegsausbruch<br />

gehörte.<br />

Wenn der Eindruck entstanden sein sollte, daß<br />

der Aufenthalt bei den Fernunternehmungen<br />

an <strong>Bord</strong> <strong>von</strong> U-Booten sehr gesundheitsschädlich<br />

sein müßte, so möchte ich diesen Eindruck<br />

durch die Mitteilung korrigieren, daß wir uns alle<br />

in 3 bis 8 Tagen nach der <strong>An</strong>kunft in Konstantinopel<br />

vollkommen erholt hatten.<br />

Quelle: G. Olshausen, Vor zwanzig Jahren, Dtsch<br />

Med. Wochenschr. 1935: 61: 1008-1011<br />

Dr. Gustav Olshausen, Marinestabsarzt a. D.,<br />

* 18.02.1889 † 15.06.1971, zuletzt wohnhaft in<br />

Quickborn<br />

Medizin und Wissenschaft

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