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Juni 2005 AS aktuell<br />

Öffentliches Recht<br />

Verfassungsrecht<br />

Die Wahl des Bundespräsidenten Köhler –<br />

ein verfassungswidriger Vorgang?<br />

Fischer NVwZ 2005, 416 ff.<br />

Am 23.05.2004 wurde Horst Köhler in der Bundesversammlung<br />

mit der Mehrheit von 604 Stimmen zum<br />

Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland<br />

gewählt. Fischer wirft in seinem Beitrag die Frage auf,<br />

inwieweit diese Wahl den Vorgaben des Grundgesetzes<br />

entsprach.<br />

Gemäß Art. 54 Abs. 1 GG wird der Bundespräsident<br />

von der Bundesversammlung gewählt. Diese besteht<br />

gemäß Art. 54 Abs. 3 GG aus den Mitgliedern des<br />

Bundestages und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern,<br />

die von den Volksvertretungen der Länder nach<br />

den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden.<br />

Am 19.04.2004 verstarb eine Direktkandidatin des<br />

Bundestages. Da der entsprechende Landesverband<br />

ihrer Partei bei der Bundestagswahl 2002 ein Überhangmandat<br />

errungen hatte, konnte aufgrund des<br />

Beschlusses des BVerfG vom 26.02.1998 (BVerfGE 97,<br />

317) für die verstorbene Bundestagsabgeordnete niemand<br />

von der Landesliste nachrücken. Das BVerfG<br />

hatte nämlich entschieden, dass § 48 Abs. 1 BWG<br />

beim Ausscheiden von Abgeordneten, deren Partei im<br />

betreffenden Bundesland Überhangmandate errungen<br />

hat, nicht angewendet werden dürfe. Infolge dessen<br />

reduzierte sich die gesetzliche Mitgliederzahl des Bundestages<br />

von 603 auf 602. Gem. Art. 54 Abs. 3 GG<br />

reduzierte sich folglich auch die Zahl der Mitglieder<br />

der Bundesversammlung, die von den Volksvertretungen<br />

der Länder gewählt werden. Dies wurde jedoch<br />

bei der Zusammensetzung der Bundesversammlung<br />

vom 23.05.2004 außer Acht gelassen. Vielmehr wurde<br />

entsprechend des nach Art. 54 Abs. 7 GG erlassenen<br />

Gesetzes über die Wahl des Bundespräsidenten so<br />

vorgegangen, dass die Bundesregierung am 16.01.2004<br />

die Verteilung der Wahlmännersitze auf die Länder<br />

bekannt machte und dies im Bundesgesetzblatt vom<br />

21.01.2004 (BGBl. I, 79) veröffentlicht wurde. Hierbei<br />

wurde jedoch von einer Mitgliederzahl des Bundestages<br />

von 603 Mitgliedern ausgegangen. Am 31.03.2004<br />

war die Wahl der von den Landtagen zu wählenden<br />

Wahlmännern auf dieser Grundlage abgeschlossen.<br />

Gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 BPräsWahlG wurde auf eine<br />

nachträgliche Verringerung der Zahl der von den<br />

Landtagen zu wählenden Wahlmänner verzichtet.<br />

Damit stellt sich die Frage, ob gegen die Vorschrift des<br />

Art. 54 Abs. 3 GG verstoßen wurde. Hieran knüpft<br />

sich die Frage an, welche Rechtsfolgen ein evtl. Verfassungsverstoß<br />

auslöst.<br />

1. Zur Verfassungsmäßigkeit der Wahl des Bundespräsidenten<br />

Gem. Art. 54 Abs. 7 GG regelt ein Bundesgesetz „das<br />

Nähere“. Es stellt sich damit die Frage, ob die abweichende<br />

Regelung des einfachen Gesetzes über die<br />

Wahl des Bundespräsidenten von der Verfassungsnorm<br />

des Art. 54 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich zu<br />

beanstanden ist. Hierzu rekurriert Fischer den Grundsatz<br />

lex superior derogat legi interferiori, wonach sich<br />

höherrangiges Recht gegenüber unterrangigen Rechtsnormen<br />

durchsetzt. Gerade die Ausgestaltungsbefugnis<br />

des einfachen Gesetzgebers bzgl. des „Näheren“ lasse<br />

lediglich Regelungen zu, die die Vorgaben des Grundgesetzes<br />

konkretisieren. Mit diesem Grundsatz sei es<br />

jedenfalls unvereinbar, wenn in dem Bundesgesetz<br />

über die Wahl des Bundespräsidenten Regelungen<br />

angeordnet würden, die den Vorgaben des Art. 54<br />

nicht entsprechen. Fischer erörtert zunächst, ob eine<br />

Abweichung vom Verfassungswortlaut mit der Überlegung<br />

zu rechtfertigen ist, dass Art. 54 Abs. 3 GG einen<br />

ungeschriebenen Vorbehalt dahingehend enthält, dass<br />

die Gleichheit der Sitzzahl nur insoweit gewährleistet<br />

sein müsse, als dem nicht gravierende Praktikabilitätsgesichtspunkte<br />

entgegenstünden. Ob Art. 54 GG tatsächlich<br />

einen dahingehenden ungeschriebenen Praktikabilitätsvorbehalt<br />

enthält, lässt Fischer jedoch offen.<br />

Ein solcher Vorbehalt wäre nämlich jedenfalls dann<br />

überspannt, wenn praktische Erwägungen zu einer<br />

solchen modifizierenden Interpretation nicht zwingen<br />

würden. Allerdings sei die Berücksichtigung einer verringerten<br />

Mitgliederzahl des Bundestages auch bei der<br />

Zusammensetzung der Bundesversammlung ohne weiteres<br />

möglich. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die<br />

Fälle, in denen es zu einer Verringerung der von den<br />

Ländervertretungen zu wählenden Mitglieder der Bundesversammlung<br />

nur sehr selten auftreten würden. Tatsächlich<br />

kämen hierfür nur vier Fallgruppen in Betracht:<br />

• Das Verbot einer im Bundestag vertretenen Partei<br />

(§ 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 4 BWG);<br />

• die ein Nachrücken unmöglich machende Erschöpfung<br />

einer Landesliste (§ 48 Abs. 1 S. 3 BWG);<br />

• das Ausscheiden eines als Einzelwerber gewählten<br />

Abgeordneten, falls nach § 48 Abs. 2 S. 3 BWG keine<br />

Ersatzwahl stattfindet, weil feststeht, dass innerhalb<br />

von sechs Monaten ein neuer Bundestag gewählt<br />

wird;<br />

• der Wegfall eines Überhangmandates infolge Ausscheidens<br />

einer mit diesem im Zusammenhang stehenden<br />

Abgeordneten (gemäß dem Beschluss des<br />

BVerfG vom 26.02.1998).<br />

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