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Faktenblatt - Kanton Bern

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Weinbau am Bielersee / Medienkonferenz <strong>Bern</strong>er Staatswein Seite 2<br />

Die frühe Neuzeit war klimatisch durch die „Kleine Eiszeit“ (15. bis 19. Jahrhundert) geprägt.<br />

Auch der Rebbau am Bielersee litt manchmal unter der Klimaverschlechterung.<br />

Doch die Qualität des Bielerseeweins nahm auch aus anderen Gründen ab: Viele junge<br />

Weinbauern und Weinbäuerinnen fanden eine leichtere Arbeit außerhalb des Rebbaugebiets,<br />

zum Beispiel in den Indienne-Manufakturen oder als Hausangestellte. Um die fehlenden<br />

Arbeitskräfte zu ersetzen, mussten Taglöhner beschäftigt werden, und dadurch<br />

gingen die Einkommen im Rebbau zurück. Dies wiederum entmutigte die Rebleute, ihre<br />

Arbeit auch weiterhin mit der gewohnten Sorgfalt zu besorgen.<br />

Um die Krise im Rebbau zu überwinden, wurde im Jahr 1781 die REBGESELLSCHAFT<br />

TWANN-LIGERZ-TÜSCHERZ gegründet. Diese Gesellschaft profitierte von Erkenntnissen der<br />

ÖKONOMISCHEN GESELLSCHAFT, welche verschiedene Modernisierungen im Rebbau anregte.<br />

Zum Beispiel wurden der Gemüseanbau und das Pflanzen von Bäumen in den Reben<br />

eingedämmt. Die Rebgesellschaft kontrollierte zudem, ob die Reben ihrer Mitglieder genügend<br />

gepflegt wurden. Die Maßnahmen der Rebgesellschaft scheinen relativ bald genützt<br />

zu haben. Jedenfalls wurde die Qualität des Bielerseeweins im Jahr 1791 in einer Publikation<br />

des Göttinger Gelehrten Christoph Meiners ausdrücklich gelobt. Der Professor der<br />

Weltweisheit hielt darin fest: „Zum gewöhnlichen Tischwein ziehe ich den Seewein, der am<br />

Bielersee wächst, dem La Côte und selbst dem Ryfwein vor. Er hat eine angenehme Säure<br />

und kommt in Ansehung seiner Lieblichkeit dem guten Markgräfler und dem Johannisberger<br />

sehr nahe.“<br />

1.4 Das 19. und das 20. Jahrhundert<br />

Kurz nach der Französischen Revolution, während der Helvetik (1798-1803), kam<br />

es zu wichtigen Veränderungen in der Besitzstruktur. Immer mehr Winzerfamilien erwarben<br />

eigenes Rebland, und es wurde möglich, sich vom Zehnten freizukaufen.<br />

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts nahm zudem die Mobilität enorm zu. Dadurch wurden<br />

auch Parasiten und Schädlinge verbreitet. Im Zusammenhang mit dieser Entwicklung erlebte<br />

der Rebbau eine Folge von Katastrophen, die energische Abwehrmaßnahmen notwendig<br />

machten. Ab 1868 tauchte der falsche Mehltau in unserer Region auf, eine Pilzwucherung,<br />

welche die grünen Teile der Reben befällt und die Blätter zum Absterben bringt.<br />

Die Winzer begegneten dieser Plage mit dem Spritzen einer Kupfervitriollösung. Doch<br />

auch der echte Mehltau machte ihnen zu schaffen. Dieser Pilz zerstörte nicht nur die Blätter<br />

der Rebe, er befiel auch die Trauben. Der echte Mehltau wurde mit Schwefelstaub bekämpft.<br />

In manchen Gebieten der Westschweiz wurden kurz vor 1900 zudem amerikanische<br />

Reben importiert, die gegen diese Pilzkrankheit immun waren. Fatalerweise wurde<br />

dadurch ein weiterer Schädling eingeschleppt: die Reblaus. Diese brachte es fertig, einen<br />

Rebstock durch die Schädigung seiner Wurzeln gänzlich zu vernichten. Nur die amerikanischen<br />

Reben waren gegen die Reblaus immun.<br />

Da der aus amerikanischen Reben gewonnene Wein nur wenig Zuspruch fand, blieb nur<br />

noch eine Möglichkeit: Die amerikanischen Rebstöcke mussten durch das Aufpfropfen erprobter<br />

einheimischer Hölzer veredelt werden. Die Winzer unserer Region reagierten<br />

rasch und entschlossen: Schon im Jahr 1910, also drei Jahre bevor die Reblaus den Bielersee<br />

erreichte, wurde im „Pfropfhüsli“ zu Twann mit der Erneuerung des gesamten Rebbestandes<br />

begonnen. Die Pfröpflinge wurden in ausschließlicher Handarbeit hergestellt.<br />

Trotzdem schafften die geschicktesten Arbeiter bis zu 3‘000 Schnitte pro Tag. Die veredelten<br />

Pfröpflinge wurden sorgsam in Kisten mit feuchtem Sägemehl eingepackt und im<br />

„Pfropfhüsli“ bei 30 Grad Wärme im Dunklen vorgetrieben. Die grundlegende Erneuerung<br />

der Rebberge am Bielersee dauerte etwa bis ins Jahr 1930, also ganze zwei Jahrzehnte.<br />

Mit ihrem entschlossenen Handeln retteten die Winzer am Bielersee den Weinbau in unse-<br />

Volkswirtschaftsdirektion des <strong>Kanton</strong>s <strong>Bern</strong>

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