Vollständige Studie - Christliche Initiative Romero
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Auf einen Blick:<br />
„Privatisierung“ bei Edeka und Rewe<br />
– Lohn dumping mit System?!<br />
* Vgl.: Warich, Bert: Privatisierung<br />
beim Lebensmittelriesen<br />
Edeka: Eine kritische<br />
Bestandsaufnahme. In: Schöne<br />
neue Handelswelt? Ein<br />
Blick hinter die Kulissen des<br />
privatisierten Einzelhandels<br />
am Beispiel Edeka,<br />
S. 12, 2012.<br />
Die tarifgebundenen Verbund-Unternehmen Edeka und Rewe<br />
überlassen seit einigen Jahren vermehrt Filialen selbstständigen<br />
Einzelhändlern. Unter dem jeweiligen Konzern-Namen<br />
betreiben sie diese Märkte eigenständig weiter – meist ohne<br />
Tarifbindung. Die Ausgründung von vorher im Verbund und<br />
Konzern angesiedelten Lebensmittelmärkten wird in der Branche<br />
als „Privatisierung“ bezeichnet. Parallel werden neue Filialen<br />
direkt in dieser Betriebsform gegründet, meist ebenfalls<br />
ohne Tarifbindung. Die Folge: Eine große Mehrheit der rund<br />
200.000 Beschäftigten bei Edeka und Rewe wird mit Löhnen<br />
meist weit unterhalb Tarifniveau abgespeist. Ein mitbestimmungsfeindliches<br />
Klima verhindert die Gründung von Betriebsräten.<br />
So gibt es momentan in 8.000 „privatisierten“ Filialen<br />
lediglich circa 42 Betriebsräte. Dabei geht Edeka – mit bis zu<br />
90 Prozent Ausgründungen – in einigen ihrer regionalen Gesellschaften<br />
stringenter, wenn nicht sogar aggressiver vor als<br />
Rewe (Privatisierungsgrad circa 30 Prozent). Diese Ausgründungen<br />
haben für die betroffenen Beschäftigten dramatische<br />
Konsequenzen: Oft wird bis zu 30 Prozent unter Tarif bezahlt,<br />
Beschäftigung über Werkvertragsfirmen und unbezahlte<br />
Mehrarbeit vernichten sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze.<br />
„Während die zentral betriebenen Märkte der Regionalgesellschaften<br />
der Edeka und Rewe tarifgebunden sind und<br />
Betriebsratsstrukturen bestehen, werden dem selbstständigen<br />
Einzelhändler die Tarifabschlüsse nur als Empfehlung von den<br />
Konzernen weitergegeben. Mit dieser Form der Dezentralisierung<br />
werden ArbeitnehmerInnen im Lebensmitteleinzelhandel,<br />
deren Interessenvertretung bislang durch Betriebsräte bei den<br />
Regionalgesellschaften der Rewe und Edeka geregelt war, in<br />
mitbestimmungsfreie Zonen abgedrängt und von betrieblicher<br />
Mitbestimmung als ein Kernelement der Wirtschaftsdemokratie<br />
weitgehend ausgeschlossen. * Ein aus dem Genossenschaftsgedanken<br />
entstandenes Betriebsformat mutiert unter<br />
der Federführung der Konzerne zu einem nahezu betriebsratsfreien,<br />
tarifvertragslosen und damit ungeschützten Bereich,<br />
der mit Dumpinglöhnen den Verdrängungswettbewerb weiter<br />
anheizt.<br />
2012 hat Rewe als die Nummer Zwei im<br />
deutschen Lebensmitteleinzelhandel einen<br />
Rekordumsatz gemacht: So steigerte das Kölner<br />
Einzelhandels- und Touristikunternehmen<br />
den Umsatz um 2,7 Prozent auf 49,7<br />
Milliarden Euro. 1 In Europa ist die genossenschaftlich<br />
organisierte Unternehmensgruppe<br />
mittlerweile in 13 Ländern aktiv. Mit einem<br />
Umsatzanteil von circa 70 Prozent ist der<br />
Lebensmittelhandel nach wie vor das Kerngeschäft<br />
der Rewe-Gruppe. 2<br />
Revisionsverband der Westkauf-<br />
Genossenschaften<br />
In den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts<br />
verhinderte Edeka den Beitritt weiterer<br />
Genossenschaften, um die Vormachtstellung<br />
der eigenen Kaufleute vor Ort aufrechtzuerhalten.<br />
Die verschmähten örtlichen Genossenschaften<br />
schlossen sich regional zusammen.<br />
Ein Zusammenschluss war 1920 die<br />
AG Westkauf Köln, aus der später die Rewe-<br />
Zentrale hervorging („Revisionsverband<br />
der Westkauf-Genossenschaften“). Das Ziel<br />
war, analog zu Edeka, mit den zusammengeschlossenen<br />
Genossenschaften günstige<br />
Einkaufskonditionen bei Lieferanten für die<br />
selbstständigen Kaufleute zu erzielen. Die<br />
genossenschaftliche Struktur wurde bis heute<br />
beibehalten.<br />
Der Marktanteil von Rewe sank im Jahr<br />
1973 auf den historischen Tiefpunkt von 6,3<br />
Prozent. Dies führte zu einem Paradigmenwechsel<br />
in der Rewe-Zentrale. Rewe setzte<br />
fortan nicht mehr vorwiegend auf den Großhandel<br />
und den Service für selbstständige Genossenschaften,<br />
sondern ging gezielt Koope-<br />
1 Vgl. : Der Westen: Rewe-Konzern macht sich Sorgen um<br />
Penny und Promarkt, 14.03.2013. Abrufbar unter: http://<br />
www.derwesten.de/wirtschaft/rewe-konzern-macht-sichsorgen-um-penny-und-promarkt-id7722348.html<br />
(Zugriff:<br />
15.08.2013).<br />
2 Vgl.: Rewe-Group Geschäftsbericht, 2011 und 2012.<br />
48 <strong>Christliche</strong> <strong>Initiative</strong> <strong>Romero</strong> / ver.di > Im Visier: Orangensaft<br />
<strong>Christliche</strong> <strong>Initiative</strong> <strong>Romero</strong> / ver.di > Im Visier: Orangensaft<br />
49<br />
REWE<br />
rationen und Beteiligungen ein. Bedeutend<br />
war 1974 die 50-prozentige Beteiligung an der<br />
Leibbrand-Gruppe mit den Vertriebslinien<br />
HL, Penny, Minimal, toom und Idea-Drogerie<br />
(heute: zu 100 Prozent). Bis heute zeichnet<br />
sich Rewe durch stetige Expansion aus. So<br />
übernahm der Konzern von der Metro AG<br />
die Extra-Märkte. Im Jahr 2006 wurden alle<br />
Vollsortiment-Supermärkte in Deutschland<br />
auf den einheitlichen Namen Rewe umgestellt.<br />
Die toom-Warenhäuser behielten ihren<br />
Namen. 2007 übernahm Rewe fast alle Bauund<br />
Gartenmärkte der zur Edeka-Gruppe gehörenden<br />
Marktkauf-Kette und gliederte sie<br />
den toom-Baumärkten an. Damit stieg Rewe<br />
auf Position vier der Baumarktbetreiber in<br />
Deutschland. Die Vollsortiment-Warenhäuser<br />
in Deutschland sind das stärkste Geschäftsfeld<br />
der Gruppe mit einem Umsatz von 15,2<br />
Milliarden Euro. 3<br />
Ähnlich wie bei der Edeka-Gruppe sind<br />
viele der über 1.000 selbstständigen Rewe-<br />
Einzelhändler durch Darlehens- und Mietverträge<br />
an die Niederlassungen bzw. ihre Zentrale<br />
gebunden. Es gibt kaum Tarifbindung<br />
und Betriebsräte.<br />
2009 gliederte die Rewe-Tochter Penny<br />
328 Plus-Märkte der Tengelmann-Gruppe<br />
in ihr Filialnetz ein. 4 Rewe verlangte von<br />
Handelsmarken-Lieferanten, die Plus bislang<br />
3 Weitere Geschäftseinheiten sind die Vollsortiment-Warenhäuser<br />
auf internationaler Ebene Ebene (Billa, Merkur und BIPA<br />
mit rund neun Milliarden Euro Umsatz) sowie die Fachmärkte<br />
toom Baumarkt, B1 Discount Baumarkt und ProMarkt mit rund<br />
2,5 Milliarden Euro Umsatz. Ferner gehört der Touristik-Bereich<br />
mit unter anderem Atlasreisen, ADAC-Reisen, DER-Reisebüro<br />
mit rund 4,6 Milliarden Euro Umsatz dazu. Mit ihren Reisebüros<br />
und den konzerneigenen Reiseveranstaltern ist die Touristiksparte<br />
der Rewe mittlerweile die Nummer Zwei in der deutschen<br />
Reisebranche.<br />
4 Vgl.: Warich, Bert: Umstrukturierung im Lebensmitteleinzelhandel<br />
am Beispiel der Handelskonzerne Rewe und Edeka.<br />
Auswirkungen auf die Mitbestimmung und Arbeitsbedingungen,<br />
2011.<br />
Händlermarken im Fokus