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Die 12 häufigsten Irrtümer über Gallus - Gallusjubiläum - St. Gallen

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<strong>Die</strong> <strong>12</strong> <strong>häufigsten</strong> <strong>Irrtümer</strong> <strong>über</strong> <strong>Gallus</strong><br />

Von Prof. Dr. Max Schär, Autor des Buches: GALLUS. Der Heilige in seiner Zeit.<br />

1. <strong>Gallus</strong> war kein Wandermönch. <strong>Die</strong>s ist unbestritten. Ein Wandermönch ist ein Vagabund,<br />

der ein Leben lang ohne festen Wohnsitz ist und in der Welt umherzieht. <strong>Gallus</strong> hatte indessen in<br />

Luxeuil, in Bregenz und im <strong>St</strong>einachwald einen festen Wohnsitz. Man schreibt also: ‹der Mönch<br />

<strong>Gallus</strong>› oder ‹der Beter und Helfer <strong>Gallus</strong>›.<br />

2. Woher <strong>Gallus</strong> kam, ist umstritten. Weil er Alemannisch konnte, bin ich mit Gerold Hilty der<br />

Meinung, dass er aus dem Elsass kam. Weil es aber in beiden vollständigen Viten heisst, im<br />

<strong>St</strong>einachwald hätten ihn nach dem Tod des Abtes Eustasius (629) sechs irische Mönche<br />

aufgesucht, um ihn zu bewegen, neuer Abt von Luxeuil zu werden, und auch aufgrund anderer<br />

Indizien schliesse ich, dass er gleichwohl etwas mit Irland bzw. den Iren zu tun gehabt haben<br />

muss. Mein Lösungsvorschlag lautet: <strong>Gallus</strong> ist zwar im Elsass geboren und aufgewachsen, aber<br />

mindestens ein Elternteil war irisch. D. h., <strong>Gallus</strong> war zwar elsässischer Herkunft, aber<br />

(zumindest auch) irischer Abstammung. Sein Name war ein Spitzname, der ihm im Kloster<br />

Luxeuil verliehen wurde, und bedeutet Hahn. <strong>Die</strong>s vielleicht deshalb, weil er noch früher<br />

aufstand als alle andern.<br />

3. Südlich von Rhein und Bodensee lebten in der 1. Hälfte des 7. Jahrhunderts noch weitgehend<br />

Romanen und nur vereinzelt Alemannen. <strong>Die</strong> Führungsschicht war allerdings fränkisch.<br />

4. <strong>Gallus</strong> blieb nicht krankheitshalber in Bregenz zurück, sondern weil er den Weg zu Gott fortan<br />

in eigener Verantwortung gehen wollte. Das Fieber war nur Ausdruck eines inneren Kampfes. Es<br />

brauchte Mut ohnegleichen, um den dem Abt Columban gelobten Gehorsam zu verweigern und<br />

in der Bodenseeregion zu bleiben.<br />

5. <strong>Die</strong> Trennung von Columban erfolgte im Jahr 6<strong>12</strong>. Denn im Mai 6<strong>12</strong> fand die Schlacht bei<br />

Zülpich statt, in welcher König Theuderich II. <strong>über</strong> seinen Halbbruder Theudebert II. siegte.<br />

Damit ging auch die Bodenseeregion an Theuderich, den Feind Columbans, <strong>über</strong> und dieser<br />

konnte hier nicht mehr bleiben. Noch im selben Jahr 6<strong>12</strong> hat <strong>Gallus</strong> wohl auch den Wald<br />

erkundet und die Begegnung mit dem Bären gehabt. Wir feiern 20<strong>12</strong> also <strong>Gallus</strong>' erste<br />

Erkundung des Waldes, seinen Entschluss, am Ort des späteren <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> zu bleiben, und die<br />

Einsegnung des Ortes durch dreitätiges intensives Fasten und Beten.<br />

6. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kann man indessen sagen, dass sich <strong>Gallus</strong><br />

erst 613, und zwar frühestens im Frühling, im <strong>St</strong>einachwald niedergelassen hat.<br />

Wahrscheinlich war er schwer krank nach Arbon gekommen. Jedenfalls stellte ihm Priester<br />

Willimar zwei Diakone als Pfleger zur Verfügung. Er musste ferner die Trennung von Columban,<br />

die ihn schwer belastete, zunächst einmal verarbeiten (Wetti und Walahfrid, Kapitel 9). Er<br />

musste sein Vorhaben, fortan im Wald zu leben, im Gespräch mit seinen Freunden in Arbon<br />

prüfen. Er brauchte eine Bewilligung durch den Besitzer des Waldes, Graf Talto. Er brauchte das<br />

Einverständnis des Bischofs, der in Konstanz residierte und den er aufsuchen musste.


Und vor allem konnte er nicht in den Wald gehen und dort rasch ein Wohnhaus und eine Kapelle<br />

bauen. Von Anfang müssen Gefährten bei ihm gewesen sein, die ihrerseits Zellen brauchten.<br />

Auch eine Küche und ein Gemeinschaftsraum waren nötig. Alle diese Gebäude konnten nicht<br />

noch rasch vor dem Wintereinbrauch gebaut werden. Überhaupt haben die Mönche die Gebäude<br />

nicht selber oder allein gebaut. Soldaten aus dem Kastell Arbon haben ihnen geholfen. Ferner<br />

Abhängige des Bischofs von Konstanz. <strong>Die</strong>se Männer mussten erst kommen, sich das Material<br />

beschaffen und die Arbeit koordinieren. Dass die ganze Siedlung schon im Frühling 613<br />

bezugsbereit gewesen sei, ist also eine optimistische Annahme.<br />

7. <strong>Gallus</strong> hat sich nicht aus naturromantischen Gründen in die ‹Einöde› (eremus) des<br />

<strong>St</strong>einachwaldes zurückgezogen, sondern weil er sich hier besser auf seine Wesenmitte<br />

konzentrieren zu können glaubte als in einem Kloster oder gar in einem Kastellort wie Arbon.<br />

Nur in strenger Abgeschiedenheit und Askese glaubte er mit Gott in Verbindung zu kommen und<br />

zu bleiben.<br />

8. <strong>Gallus</strong> war kein Einsiedler im eigentlichen Sinn. <strong>St</strong>ets waren Kollegen, andere Mönche bei<br />

ihm und um ihn. Schon 613 werden solche Gefährten erstmals genannt, dann wieder 615 und<br />

später.<br />

9. <strong>Gallus</strong> war nur kurzfristig Missionar, in Tuggen und in Bregenz. Leider gewalttätig und<br />

deshalb auch weitgehend erfolglos. Im <strong>St</strong>einachwald war <strong>Gallus</strong> ausschliesslich Beter und Helfer.<br />

Zum Helfen gehörten auch das Heilen und das Predigen.<br />

10. Der Priester <strong>Gallus</strong> war kein naiver Waldbruder, sondern ein gebildeter Mensch. Er konnte<br />

lateinisch lesen und schreiben, kannte die Bibel (zum Teil auswendig), konnte sie auslegen und<br />

war auch mit einzelnen Kirchenschriftstellern, vor allem Hieronymus, vertraut.<br />

11. <strong>Gallus</strong> ist nicht der einzige namhafte Mensch seiner Zeit gewesen. Es hat in der<br />

zweiten Hälfte des 6. und in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts zahlreiche andere namentlich<br />

bekannte Menschen gegeben, die sich in Wälder, auf Inseln, in Felsen- oder Höhlenklausen oder<br />

an sonstige unwegsame Orte zurückzogen. Es hat auch geschichtlich viel bedeutsamere<br />

Menschen als <strong>Gallus</strong> gegeben. Ein Zeitgenosse von <strong>Gallus</strong> war der Prophet Mohammed (gegen<br />

570 bis 632), der eine Weltreligion gründete.<br />

<strong>12</strong>. <strong>Gallus</strong> starb nicht ‹um 650›, sondern schon um 640.

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