Die Zeit der (politischen) Entscheidung - Hamburg Review of Social ...
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Volume 6, Issue 3 & Volume 7, Issue 1 2012<br />
hrss<br />
hamburg review <strong>of</strong> social sciences<br />
Unfreiwillig befristete Beschäftigung in Österreich<br />
Ausmaß, Trends und Risikogruppen<br />
Roland Teitzer *<br />
Abstract<br />
The current article explores the relevance <strong>of</strong> temporary employment out <strong>of</strong> the inability to<br />
find a permanent job for Austrian workers. After analysing general trends it asks which<br />
risk groups are most affected by this kind <strong>of</strong> so called “involuntary” temporary employment.<br />
Descriptive analysis and logistic regression models with data from the Labour<br />
Force Surveys 2004-2010 are used to carry out the analyses. The results show that workers<br />
with lower occupational status, temporary-agency workers, multiple nonstandardemployed<br />
workers (e.g. part-time employees with fixed-term contracts), as well as seasonal<br />
workers face higher risks <strong>of</strong> involuntary temporary employment in Austria.<br />
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit <strong>der</strong> Frage, wie häufig ArbeitnehmerInnen in<br />
Österreich aus Mangel an Alternativen befristet beschäftigt sind. Neben einer Darstellung<br />
allgemeiner Trends werden dabei mit Daten <strong>der</strong> Arbeitskräfteerhebung von 2004-2010<br />
Risikogruppen identifiziert, die von dieser Form unfreiwilliger Befristung beson<strong>der</strong>s betr<strong>of</strong>fen<br />
sind. Methodisch stützt sich <strong>der</strong> Beitrag neben deskriptiven Auswertungen auf<br />
logistische Regressionsanalysen. <strong>Die</strong> Ergebnisse zeigen, dass vor allem Befragte aus<br />
niedrigen Berufsklassen, LeiharbeiterInnen, mehrfach atypisch Beschäftigte (z.B. Teilzeitbeschäftigte<br />
ohne Dauerstelle) sowie Saisonarbeitskräfte <strong>of</strong>t gezwungen sind in Befristung<br />
zu arbeiten, weil sie keine Fixanstellung bekommen können.<br />
*<br />
Mag. Roland Teitzer ist Stipendiat <strong>der</strong> Österreichischen Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften (DOC)<br />
am Institut für Soziologie und externer Lektor an <strong>der</strong> Universität Wien.<br />
Roland Verwiebe, Caroline Berghammer, Nina Fritsch sowie Daniela Syczek möchte ich an dieser<br />
Stelle für Kommentare zu früheren Versionen dieses Beitrags danken.<br />
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1. Einleitung<br />
Nach einer langen Phase mit hoher Beschäftigungsstabilität in Normalarbeitsverhältnissen<br />
in <strong>der</strong> Nachkriegszeit kam es in Österreich seit Mitte <strong>der</strong> 1990er Jahre zu einer verstärkten<br />
Flexibilisierung und Deregulierung des Arbeitsmarktes und damit einhergehend<br />
zu einer starken Ausbreitung sogenannter atypischer Beschäftigungsverhältnisse (Biehl<br />
2008; Hawlik 2005; Vötsch 2007, 2010; Wroblewski 2001). <strong>Die</strong>s betraf, neben Teilzeitbeschäftigung<br />
vor allem auch befristete Beschäftigung (Mühlberger 2000; Wiedenh<strong>of</strong>er-<br />
Galik 2008).<br />
Aufgrund <strong>der</strong> Vielzahl von Nachteilen, die sich für die Betr<strong>of</strong>fenen aus dieser Art <strong>der</strong><br />
Beschäftigung ergeben können, darunter etwa geringe Jobsicherheit, schlechtere Aufstiegschancen<br />
sowie geringere Bezahlung (vgl. Brehmer/Seifert 2008; Gebel 2010; Giesecke<br />
2009; Scherer 2009) wird in <strong>der</strong> öffentlichen, aber auch wissenschaftlichen Debatte<br />
<strong>of</strong>t vorausgesetzt, dass atypische Beschäftigung zumeist aus Mangel an geeigneten Normalarbeitsverhältnissen<br />
und damit de facto unfreiwillig eingegangen wird<br />
(Kalleberg/Reynolds 2003: 423). <strong>Die</strong>se Annahme wurde zwar für Teilzeitbeschäftigung<br />
international vielfach geprüft (Cohen/Stier 2006; Gash 2008; Kauhanen 2008; Nardone<br />
1995; Reynolds 2003; Stier/Lewin-Epstein 2003; Stratton 1996 u.a.), inwieweit und für<br />
welche Personengruppen sie aber innerhalb <strong>der</strong> ebenfalls weit verbreiteten befristeten<br />
Beschäftigung zutrifft, ist mit wenigen Ausnahmen international kaum umfassend erforscht<br />
worden (Amuedo-Dorantes 2000; De Jong et al. 2009; Morris/Vekker 2001).<br />
Auch für Österreich liegen bislang kaum umfassende Analysen zu unfreiwilliger befristeter<br />
Beschäftigung vor. Der vorliegende Beitrag greift diese Forschungslücke auf und beschäftigt<br />
sich erstens mit <strong>der</strong> Frage, wie häufig ArbeitnehmerInnen aus Mangel an Alternativen<br />
befristet beschäftigt sind. Dabei wird auch dargestellt, welche Relevanz diesem<br />
Grund für die Aufnahme zeitlich begrenzter Stellen im Vergleich zu an<strong>der</strong>en möglichen<br />
Gründen zukommt. Zweitens wird untersucht, inwieweit unfreiwillige Befristung Än<strong>der</strong>ungen<br />
im <strong>Zeit</strong>verlauf unterworfen ist. Schließlich wird drittens <strong>der</strong> Frage nachgegangen,<br />
welche gesellschaftliche Gruppen beson<strong>der</strong>s häufig gegen ihren Wunsch befristet beschäftigt<br />
sind.<br />
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2. Theoretische Überlegungen und bisherige Forschung<br />
Unfreiwillig befristete Beschäftigung und an<strong>der</strong>e Gründe für die Aufnahme von Befristung<br />
Gründe für die Aufnahme von atypischer Beschäftigung können sehr vielfältig sein, sie<br />
lassen sich allerdings nach dem Ausmaß an Freiwilligkeit kategorisieren. Einerseits können<br />
äußere strukturelle Zwänge zu <strong>der</strong>en Aufnahme führen, an<strong>der</strong>erseits kann auch die<br />
bewusste und aktive Wahl solcher Beschäftigungsverhältnisse im Vor<strong>der</strong>grund stehen<br />
(Houseman 2001; Walwei/Werner 1995).<br />
<strong>Die</strong>se Unterteilung wurde in <strong>der</strong> bisherigen Literatur auch auf befristete Beschäftigungsverhältnisse<br />
angewandt. In Anlehnung an Ergebnisse aus Forschungen zu Gründen für<br />
Arbeit in Teilzeitbeschäftigung (Cohen/Stier 2006; Gash 2008; Nardone 1995; OECD<br />
2010b; Stratton 1996) kann befristete Beschäftigung eher freiwillig o<strong>der</strong> aber auch eher<br />
unfreiwillig gewählt werden (De Jong et al. 2009; Tan/Tan 2002). Neben dem begrifflichen<br />
Gegensatzpaar von freiwillig/unfreiwillig wird auch <strong>of</strong>t von nicht-wirtschaftlichen<br />
Gründen gesprochen, die wirtschaftlichen Gründen gegenübergestellt werden. Zudem ist<br />
auch vom Gegensatzpaar Wahl/Zwang bzw. von Pull und Push-Faktoren die Rede (De<br />
Jong et al. 2009: 238).<br />
Als unfreiwillig befristet Beschäftigte bzw. Beschäftigte, bei denen Zwangs- bzw. Push-<br />
Faktoren im Vor<strong>der</strong>grund stehen, werden dabei in <strong>der</strong> bisherigen Literatur meist jene Personen<br />
verstanden, die sich wünschen würden, in einer unbefristeten Beschäftigung zu<br />
arbeiten, aber angeben, keine dauerhafte Stelle finden zu können bzw. gefunden zu haben<br />
(Amuedo-Dorantes 2000; De Jong et al. 2009; DiNatale 2001; Eichhorst et al. 2010; Giesecke<br />
2006; Hardarson 2007; Polivka 1996; Tan/Tan 2002). Für diese Gruppe an Beschäftigten<br />
hat dies mitunter schwerwiegende Konsequenzen: So zeigen bisherige Forschungen,<br />
dass jene Betr<strong>of</strong>fenen in weiterer Folge auch weniger zufrieden mit ihrer <strong>der</strong>zeitigen<br />
(befristeten) Beschäftigung sind und eine geringere Lebenszufriedenheit aufweisen<br />
(De Cuyper/De Witte 2008).<br />
Als freiwillig befristet Beschäftigte, bei denen Pull-Faktoren bzw. eine bewusste Wahl<br />
<strong>der</strong> befristeten Beschäftigung im Vor<strong>der</strong>grund steht, werden hingegen zumeist jene Ar-<br />
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beitnehmerInnen verstanden, die aus freien Stücken zeitlich begrenzte Arbeitsverhältnisse<br />
eingehen, selbst wenn sie problemlos eine unbefristete Stelle bekommen könnten<br />
(Tan/Tan 2002). Zu dieser Gruppe zählen etwa Beschäftigte, die angeben, sich zeitlich<br />
begrenzte Stellen gewünscht zu haben, um mehr persönliche Freiheit, Abwechslung und<br />
Ungebundenheit bzw. Flexibilität zu erlangen (De Jong et al. 2009: 238).<br />
Zudem lässt sich aus bisherigen Analysen neben den genannten Gruppen noch eine dritte<br />
Gruppe von befristet Beschäftigen identifizieren, die diese als Mittel für an<strong>der</strong>e Zwecke<br />
sieht, d.h. instrumentelle Motive verfolgt (De Cuyper/De Witte 2008; Tan/Tan 2002). Zu<br />
dieser Gruppe zählen etwa befristet Beschäftigte, <strong>der</strong>en Interessen in <strong>der</strong> Aus- bzw.<br />
Weiterbildungsfunktion befristeter Beschäftigung liegen, o<strong>der</strong> die befristete Beschäftigung<br />
als Übergangsmöglichkeit („Probezeit“) in dauerhafte Beschäftigung sehen. Für<br />
diese Gruppe hat die Unmöglichkeit, eine an<strong>der</strong>e Beschäftigung zu bekommen, wenig<br />
Bedeutung bei <strong>der</strong> Beschäftigungswahl. Gleichzeitig lässt sich für diese Gruppe von Beschäftigten<br />
in <strong>der</strong> bisheriger Forschung we<strong>der</strong> vermin<strong>der</strong>te Berufs- noch Lebenszufriedenheiten<br />
feststellen (De Cuyper/De Witte 2008). <strong>Die</strong>se Gruppe an Beschäftigten<br />
wird daher zumeist ebenfalls den sogenannten unfreiwillig befristet Beschäftigten gegenübergestellt<br />
(Eichhorst et al. 2010; Hardarson 2007).<br />
Ausmaß und Risikogruppen unfreiwilliger befristeter Beschäftigung<br />
Welche Rolle kommt nun aber <strong>der</strong> befristeten Beschäftigung aus Mangel an Alternativen<br />
im Vergleich zu Befristung aus an<strong>der</strong>en Gründen zu? <strong>Die</strong> bisherige internationale Forschung<br />
zeigt, dass gerade die Unmöglichkeit, einen dauerhaften Arbeitsvertrag zu bekommen,<br />
einen beson<strong>der</strong>s wichtigen Beweggrund für die Aufnahme befristeter Beschäftigung<br />
darstellt. Bestehende internationale Studien zeigen, dass bis zu ein Drittel <strong>der</strong> Befragten<br />
aus diesem Grund in befristeten Verträgen arbeitet (Hardarson 2007;<br />
Kalleberg/Reynolds 2003; Morris/Vekker 2001). Daneben spielen instrumentelle Ziele<br />
(Probezeit, Aus-/Weiterbildung) eine nicht unwesentliche Rolle für die Aufnahme befristeter<br />
Beschäftigung: <strong>Die</strong>ses Motiv betrifft im internationalen Vergleich bis zu ein Viertel<br />
<strong>der</strong> befristet Beschäftigten (De Jong et al. 2009). Ungebundenheit bzw. Flexibilität in <strong>der</strong><br />
zeitlichen Lebensplanung als Grund für die Aufnahme befristeter Beschäftigung wird<br />
hingegen nur von wenigen Beschäftigten als Hauptgrund für ihre zeitliche befristete Tä-<br />
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tigkeit angegeben. So meinen etwa nur rund 10-15% <strong>der</strong> befristet Beschäftigten in den<br />
USA, dass sie diese Beschäftigungsform gewählt haben, um kürzer gebunden bzw. flexibler<br />
sein zu können (Morris/Vekker 2001: 382). In Län<strong>der</strong>n wie Deutschland liegen<br />
diese Anteile nochmals niedriger: Hier geben nur rund 5% <strong>der</strong> Befragten an, befristete<br />
Verträge dezidiert gewünscht zu haben (Giesecke 2006, 198).<br />
Während <strong>der</strong> internationale Forschungsstand zur Bedeutung unfreiwilliger Befristung<br />
relativ umfangreich ist, sind Ergebnisse zu diesbezüglichen Gruppenunterschieden bisher<br />
weit weniger eindeutig. So können etwa Autoren wie De Jong et al. (2009) für Nordeuropa<br />
und Spanien keine signifikanten Gruppenunterschiede im Hinblick auf unfreiwillige<br />
Aufnahme befristeter Beschäftigung feststellen.<br />
An<strong>der</strong>erseits zeigen Studien für an<strong>der</strong>e westliche Gesellschaften (z.B. die USA), dass vor<br />
allem Beschäftigte mit Migrationshintergrund aufgrund von Benachteiligungen am Arbeitsmarkt<br />
häufig nur befristete Stellen bekommen können, selbst wenn sie unbefristete<br />
Verträge wünschen (Morris/Vekker 2001; Tan/Tan 2002).<br />
In Bezug auf Geschlechterdifferenzen konnten in <strong>der</strong> bisherigen Forschung län<strong>der</strong>spezifische<br />
Unterschiede beobachtet werden. So lassen sich für Staaten wie Deutschland keine<br />
statistisch bedeutsamen Geschlechtereffekte im Ausmaß unfreiwilliger befristeter Beschäftigung<br />
feststellen, während sich für Großbritannien zeigt, dass vor allem Männer<br />
häufiger unfreiwillig befristet beschäftigt sind, d.h. ihre Befristung damit begründen, dass<br />
keine Dauerstelle zu finden sei (Giesecke 2006: 203).<br />
In <strong>der</strong> internationalen Forschung wird zudem die Bedeutung des Alters hervorgehoben:<br />
So zeigte sich in bisherigen Studien, dass junge Befragte häufig instrumentelle Gründe<br />
für ihre Befristung angeben, d.h. diese als Mittel zum Zweck sehen (z.B. befristete Tätigkeit<br />
im Zuge <strong>der</strong> Ausbildung). Zudem äußern jüngere Befragte <strong>of</strong>t den Wunsch, beruflich<br />
noch ungebunden zu bleiben und verschiedene Lebensentwürfe auszuprobieren. Deshalb<br />
sehen junge ArbeitnehmerInnen ihre Position als befristete Beschäftigte seltener einem<br />
Mangel an Alternativen geschuldet (vgl. Bernasek/Kinnear 1999; Morris/Vekker 2001).<br />
Mit steigendem Alter wird hingegen mitunter <strong>der</strong> Wunsch nach größerer Planbarkeit des<br />
eigenen Lebens stärker, unter an<strong>der</strong>em wegen verstärkter privater Verpflichtungen<br />
(Bernasek/Kinnear 1999; Tan/Tan 2002). Zudem konnten ältere Beschäftigte schon Be-<br />
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rufserfahrung sammeln und haben erste Orientierungsphasen am Arbeitsmarkt bereits<br />
abgeschlossen. Daher wird angenommen, dass ältere befristet Beschäftigte häufiger als<br />
jüngere unbefristete Stellen wünschen, selbst wenn sie diese nicht bekommen konnten. In<br />
diesem Zusammenhang sollte auch die familiäre Situation bedeutsam sein: So wird bisher<br />
in <strong>der</strong> Literatur davon ausgegangen, dass vor allem Personen mit Kin<strong>der</strong>n, und darunter<br />
vor allem Alleinerziehende, höhere Planbarkeit und damit eher unbefristete Stellen bevorzugen<br />
und daher befristete Beschäftigung nur eingehen, wenn sie keine Fixanstellungen<br />
bekommen konnten (vgl. Morris/Vekker 2001).<br />
Neben den genannten Einflussfaktoren ist von Unterschieden nach Art des Beschäftigungsverhältnisses<br />
auszugehen. So sehen vor allem <strong>Zeit</strong>- und LeiharbeiterInnen ihre zeitlich<br />
begrenzte Tätigkeit <strong>of</strong>t allenfalls als „Notlösung“, die gewählt wird, da die Betr<strong>of</strong>fenen<br />
„dringend einen Job“ benötigen (Kaupa et al. 2005: 106). Berücksichtigt man, dass<br />
sich unter befristet Beschäftigten neben <strong>Zeit</strong>- und LeiharbeiterInnen auch befristet Beschäftigte<br />
freie <strong>Die</strong>nstnehmerInnen bzw. Teilzeitbeschäftigte befinden (Stadler 2005), die<br />
ebenfalls diese Beschäftigungsformen nicht immer freiwillig eingegangen sind (Cohen/Stier<br />
2006; Kaupa et al. 2005), so ist von kumulativen Risikolagen von mehrfach<br />
atypisch Beschäftigten im Hinblick auf die Aufnahme befristeter Beschäftigung aus<br />
Mangel an Alternativen auszugehen.<br />
In <strong>der</strong> bisherigen Literatur wurde zudem auch die Bedeutung von Bildungseffekten für<br />
unfreiwillig befristete Beschäftigung diskutiert (vgl. Giesecke 2006). Im Vor<strong>der</strong>grund<br />
steht dabei die Höhe und Betriebsgebundenheit des sogenannten spezifischen Humankapitals<br />
und <strong>der</strong>en „Folgen für die Bindungswünsche“ seitens <strong>der</strong> ArbeitnehmerInnen (Giesecke<br />
2006: 80). So wären vor allem höher qualifizierte Personen, die viel Berufserfahrung<br />
(„Humankapital“) (vgl. Becker 1975) ansammeln konnten, daran interessiert, langfristig<br />
an ein Unternehmen gebunden zu sein, und hier vor allem jene mit vorwiegend<br />
tätigkeits- und betriebsspezifischen Abschlüssen, wie etwa Personen mit Lehrabschluss<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en spezialisierten Ausbildungen (z.B. BHS), o<strong>der</strong> aber auch Spezialausbildungen<br />
im tertiären Bereich (z.B. an pädagogischen Hochschulen). Der Grund ist, dass die<br />
Erfahrung bzw. das Humankapital bei einem Betriebs- o<strong>der</strong> Branchenwechsel zum Teil<br />
o<strong>der</strong> gar fast vollständig entwertet werden könnte (vgl. Giesecke 2006: 79-80). Folgt man<br />
dieser Überlegung, sollte das Risiko <strong>der</strong> Entwertung <strong>der</strong> eigenen Berufserfahrung für Personen<br />
mit nur niedrigen Bildungsabschlüssen und AbsolventInnen eher unspezifischer,<br />
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generalistischer Bildungsgänge (z.B. allgemeinbildende höhere Schulen, Universitäten)<br />
geringer sein.<br />
Auch Unterschiede nach Berufsklassen müssen berücksichtigt werden. So zeigen bisherige<br />
Studien, dass Personen in höheren Berufspositionen seltener aufgrund äußerer Zwänge<br />
befristet beschäftigt sind (Hardarson 2007: 5). Vor allem Beschäftigte in hohen Berufspositionen<br />
können im Gegensatz zu an<strong>der</strong>en Gruppen atypisch Beschäftigter von diesen Erwerbsformen<br />
<strong>of</strong>t sogar pr<strong>of</strong>itieren und damit als „GewinnerInnen“ flexibler Arbeitsverhältnisse<br />
bezeichnet werden (Fleissner et al. 2002).<br />
Da zudem nicht nur die Präferenzen <strong>der</strong> Befragten selbst, son<strong>der</strong>n auch Merkmale und<br />
Präferenzen <strong>der</strong> Arbeitgeberseite die Möglichkeiten und Motive befristeter Beschäftigter<br />
beeinflussen können (Giesecke 2006), werden im vorliegenden Beitrag auch Betriebsmerkmale<br />
berücksichtigt. Zu diesen zählt etwa die Branchenzugehörigkeit eines Betriebes.<br />
Für Betriebe in saisonabhängigen Branchen, z.B. in <strong>der</strong> Land- und Forstwirtschaft,<br />
im Hotel- und Gastgewerbe und im Bausektor ist etwa die Möglichkeit, unbefristete Stellen<br />
anbieten zu können, äußerst beschränkt. ArbeitnehmerInnen in diesen Branchen sind<br />
daher auch häufiger aus Mangel an dauerhaften Arbeitsverträgen befristet beschäftigt,<br />
selbst wenn sie unbefristete Stellen zeitlich begrenzten Stellen vorziehen würden (vgl.<br />
Eurostat 2007; Giesecke 2006).<br />
Neben den genannten individuellen Merkmalen auf <strong>der</strong> Mikroebene und Haushaltsmerkmalen<br />
sowie Betriebsmerkmalen auf <strong>der</strong> Mesoebene, erscheint es schließlich wichtig,<br />
strukturelle Merkmale <strong>der</strong> gesellschaftlichen Makroebene einzubeziehen. Da die Arbeitsmarktlage<br />
auch wesentlich durch regional unterschiedliche Wirtschaftsstrukturen und<br />
Arbeitsmarktbedingungen beeinflusst wird (Barbieri/Scherer 2009; Richter 1994; Topel<br />
1994), sollen durch Berücksichtigung des Urbanitätsgrades auch Einschränkungen u.a. in<br />
<strong>der</strong> regional unterschiedlichen Verfügbarkeit unbefristeter Stellen erfasst werden.<br />
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3. Daten, Methode, Variablen<br />
Im Folgenden werden nun die den Analysen zugrundeliegenden Daten näher vorgestellt.<br />
Dabei handelt es sich um Daten <strong>der</strong> Arbeitskräfteerhebung <strong>der</strong> Jahre 2004<br />
bis 2010, die von <strong>der</strong> Statistik Austria erhoben wurden.<br />
Daten<br />
Bei <strong>der</strong> Arbeitskräfteerhebung handelt es sich um eine standardisierte Fragebogenerhebung<br />
zur Erwerbstätigkeit in Österreich, die im Rahmen des Mikrozensus in rund 1% <strong>der</strong><br />
österreichischen Privathaushalte verpflichtend durchgeführt wird. <strong>Die</strong> so gewonnenen<br />
Daten haben den Vorteil, dass ihnen eine relativ große Stichprobe zu Grunde liegt und,<br />
dass das Ausmaß <strong>der</strong> Antwortverweigerung aufgrund <strong>der</strong> gesetzlichen Teilnahmepflicht<br />
sehr niedrig ausfällt. Zudem wird die Erhebung in allen Mitgliedstaaten <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union durchgeführt womit für Österreich international vergleichbare Daten über Erwerbstätigkeit<br />
vorliegen (Statistik Austria 2004).<br />
Für die Auswertungen wurden die Daten <strong>der</strong> einzelnen Jahre in ein Datenfile zusammengeführt<br />
(sog. „gepoolte“ Daten). In die nachfolgenden Analysen fließen all jene befristet<br />
Beschäftigte im erwerbsfähigen Alter von 15-65 ein, die mindestens 1 Stunde pro Woche<br />
unselbstständig beschäftigt sind. Damit können auch geringfügig Beschäftigte o<strong>der</strong> Teilzeitbeschäftigte,<br />
die in befristete Stellen arbeiten, in den Auswertungen mitberücksichtigt<br />
werden.<br />
Methode<br />
<strong>Die</strong> Datenanalyse wird in zwei Schritten vollzogen. Zunächst werden deskriptive Ergebnisse<br />
zu den Gründen für die Aufnahme befristeter Beschäftigung mit Fokus auf unfreiwillige<br />
Befristung im <strong>Zeit</strong>verlauf dargestellt. Anschließend werden unter Verwendung<br />
eines binär logistischen Regressionsmodells jene Gruppen von ArbeitnehmerInnen identi-<br />
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fiziert, die ein beson<strong>der</strong>s hohes Risiko aufweisen, aufgrund eines Mangels an verfügbaren<br />
Alternativen befristet beschäftigt zu sein.<br />
<strong>Die</strong> abhängige Variable im Regressionsmodell erfasst dabei, ob befristet Beschäftigte<br />
diese Art <strong>der</strong> Beschäftigung aus Mangel an Alternativen angenommen haben („konnte<br />
keine unbefristete Stelle bekommen“) o<strong>der</strong> aber aus an<strong>der</strong>en Gründen.<br />
Als erklärende Variablen werden folgende Merkmale einbezogen: Migrationsstatus, Geschlecht,<br />
Alter, familiäre Situation, Art <strong>der</strong> Beschäftigung, Bildung, Berufsklasse, Branchenzugehörigkeit<br />
des Betriebs und Urbanitätsgrad. Der Migrationsstatus wird über eine<br />
Variable gemessen, die angibt, ob eine Person im Ausland geboren ist o<strong>der</strong> nicht. <strong>Die</strong><br />
Kategorien für Geschlecht sind Männer und Frauen. Das Alter wird in Jahren gemessen.<br />
Als Variablen, die Auskunft über die familiäre Situation <strong>der</strong> Befragten geben wird sowohl<br />
die Kin<strong>der</strong>anzahl pro Haushalt herangezogen, als auch eine 0/1 codierte Dummy-<br />
Variable gebildet, die angibt, ob die befragte Person alleinerziehend ist (0=nein 1=ja). Bei<br />
<strong>der</strong> Messung <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Beschäftigung wird zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten,<br />
Personen mit/ohne freien <strong>Die</strong>nstverträgen und Befragten unterschieden, die über <strong>Zeit</strong>bzw.<br />
Leiharbeitsverträge beschäftigt sind (Vergleichsgruppe: Personen ohne <strong>Zeit</strong>-<br />
/Leiharbeitsverträge). Mit <strong>der</strong> Variable Bildung werden Personen (1) ohne bzw. mit nur<br />
Pflichtschulabschluss, (2) Befragte mit Lehrabschluss, (3) AbsolventInnen von allgemeinbildenden<br />
höheren Schulen (AHS), (4) berufsbildenden höheren Schulen (BHS), (5)<br />
hochschulverwandten Ausbildungen und (6) Universitäts- bzw. FachhochschulabsolventInnen<br />
erfasst. <strong>Die</strong> Berufsklassifikation erfolgte anhand <strong>der</strong> ISCO- Berufshauptgruppen.<br />
In den Analysen werden folgende Gruppen unterschieden: höhere leitende Angestellten<br />
und Beamte (u.a. leitende Verwaltungsbedienstete, Geschäfts- und BereichsleiterInnen),<br />
niedrigere Angestellte und Beamte (u.a. Bürokräfte, kaufmännische Angestellte, technische<br />
Fachkräfte) und Beschäftigte in personenbezogenen <strong>Die</strong>nstleistungen bzw. im Verkauf.<br />
Als Vergleichsgruppe dazu dienen im Modell hoch- und niedriggebildete ArbeiterInnen<br />
(u.a. Beschäftigte in Handwerkstätigkeiten, Anlagen- und MaschinenbedienerInnen)<br />
und Hilfsarbeitskräfte. Bei <strong>der</strong> Branchenzugehörigkeit werden neben den Branchen<br />
Beherbergungs- und Gaststättenwesen sowie Landwirtschaft und Bauwesen auch sonstige<br />
Zweige des <strong>Die</strong>nstleistungssektors (u.a. unternehmensbezogene <strong>Die</strong>nste, personenbezogene<br />
<strong>Die</strong>nste) unterschieden. Als Vergleichsgruppe dienen hier die Branchen des industriellen/<br />
produzierenden Sektors (u.a. Sachgütererzeugung, Bergbau, Energieversorgung).<br />
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Schließlich wurde <strong>der</strong> Urbanitätsgrad über die Dichte <strong>der</strong> Besiedelung eines Gebietes<br />
operationalisiert. Je höhere Werte diese Variable annimmt, desto dichter besiedelt ist das<br />
jeweilige Gebiet.<br />
4. Deskriptive Ergebnisse- unfreiwillige Befristung und <strong>der</strong>en Bedeutung im Vergleich<br />
Tabelle 1 gibt einen Überblick über verschiedene Motive für die Aufnahme befristeter<br />
Beschäftigung in Österreich für den <strong>Zeit</strong>raum von 2004 bis 2010. Zunächst zeigt sich -<br />
unabhängig vom Befragungszeitpunkt - dass <strong>der</strong> befristeten Beschäftigung aus Mangel an<br />
Alternativen in Österreich keine so große Bedeutung zukommt, wie diese für an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong><br />
berichtet wird (Amuedo-Dorantes 2000; Morris/Vekker 2001). Nur rund ein Zehntel<br />
<strong>der</strong> ÖsterreicherInnen gab demnach ausdrücklich an, befristet beschäftigt zu sein, weil<br />
trotz Suche kein zeitlich unbefristetes Arbeitsverhältnis gefunden werden konnte. <strong>Die</strong>s ist<br />
deutlich weniger als z.B. für Großbritannien (rund ein Drittel), und Deutschland (rund<br />
17%) mit vergleichbaren Daten berichtet wird (vgl. Giesecke 2006). Hingegen spielen<br />
instrumentelle Gründe (befristete Beschäftigung als Mittel für an<strong>der</strong>e Zwecke) in Österreich<br />
eine größere Rolle für die Aufnahme befristeter Beschäftigung als dies für an<strong>der</strong>e<br />
Län<strong>der</strong> gilt (vgl. De Jong et al. 2009). So wird befristete Beschäftigung häufig vor allem<br />
aufgrund von Aus- und Weiterbildung aufgenommen (rund die Hälfte <strong>der</strong> Befragten).<br />
<strong>Die</strong>s ist vermutlich zu einem großen Teil <strong>der</strong> starken Rolle des dualen Ausbildungssystems<br />
in Österreich (vgl. OECD 2010a) und <strong>der</strong> damit verbundenen wichtigen Rolle von<br />
(per definitionem) zeitlich begrenzten Lehrverträgen zuzuschreiben.<br />
Auch wird befristete Beschäftigung von den Befragten <strong>of</strong>tmals als „Probezeit“ angesehen.<br />
Sonstige Gründe, darunter auch gewünschte bzw. aktiv gewählte befristete Beschäftigung<br />
(„wollte keine unbefristete Stelle“), werden immerhin noch von rund einem Drittel<br />
genannt, wovon nur rund 5 Prozentpunkte auf jene Beschäftigten entfallen, die in befristeten<br />
Stellen arbeiten, weil sie dies ausdrücklich gewünscht hatten. Damit lassen sich für<br />
Österreich mit vergleichbaren Daten ähnliche Werte wie für Deutschland finden (Giesecke<br />
2006: 198).<br />
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Was zeitliche Verän<strong>der</strong>ungen im Ausmaß unfreiwillig befristeter Beschäftigung betrifft,<br />
so zeigt sich, dass es zwischen den Jahren 2004 und 2006 tendenziell zu einem Bedeutungsgewinn<br />
dieser Art von Beschäftigung gekommen ist. Seit den Jahren 2007 bzw.<br />
2008 kommt es jedoch wie<strong>der</strong> zu einem leichten Rückgang im Ausmaß, in dem Befragte<br />
angaben, befristete Beschäftigung ausüben zu müssen, da sie keine unbefristete Stelle<br />
bekommen konnten. Gerade vor dem Hintergrund, dass es in diesen Jahren zu krisenhaften<br />
Entwicklungen in <strong>der</strong> Wirtschaft kam, erscheint dieser Rückgang erstaunlich, könnte<br />
aber mit einem Erwartungsrückgang <strong>der</strong> Beschäftigen im Zuge vermin<strong>der</strong>ten Angebots an<br />
freien Stellen im Zuge <strong>der</strong> Krise zu erklären sein (vgl. Krugman 1997; Reinhart/Rog<strong>of</strong>f<br />
2009). Frei nach dem Motto: Man muss froh sein, überhaupt einen Arbeitsplatz zu haben.<br />
Im gleichen <strong>Zeit</strong>raum kam es zu einem Bedeutungsgewinn von Aus- und Weiterbildungsgründen,<br />
während die Bedeutung befristeter Beschäftigung als eine Art „Probezeit“<br />
bzw. als (erh<strong>of</strong>ftes) Sprungbrett in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis sogar leicht abnahm.<br />
<strong>Die</strong> Anteile jener, die angaben, keine unbefristete Stelle zu wünschen o<strong>der</strong> aus an<strong>der</strong>en in<br />
<strong>der</strong> Arbeitskräfteerhebung nicht näher erfragten Gründen befristet beschäftigt zu sein,<br />
bleibt hingegen über den <strong>Zeit</strong>raum relativ konstant.<br />
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Tabelle 1: Unfreiwillige Befristung („trotz Suche keine unbefristete Stelle bekommen“) im<br />
Vergleich zu sonstigen Gründe für die Aufnahme befristeter Beschäftigung in Österreich seit<br />
2004 (in %)<br />
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010<br />
trotz Suche keine unbefristete<br />
Stelle bekommen<br />
8,9 9,3 12,0 11,0 10,0 9,6 9,3<br />
Probezeit 8,1 8,5 9,2 7,9 7,5 7,6 6,0<br />
Ausbildung 50,9 51,0 52,1 53,8 52,5 49,5 53,3<br />
sonstige/keine gewünscht 30,5 31,1 26,7 27,3 30,0 33,2 31,4<br />
davon: keine gewünscht* 4,4 5,2 5,2 5,5 - - -<br />
N 2.704 1.564 1.458 1.431 1.449 1.429 1.405<br />
Quelle: Statistik Austria: Arbeitskräfteerhebung/Mikrozensus 2004-2010, eigene Berechnungen (gewichtet).<br />
*für die Jahre 2008-2010 wurde die Antwortkategorie „keine gewünscht“ im Mikrozensus nicht mehr geson<strong>der</strong>t<br />
erhoben.<br />
5. Strukturanalysen- Risikogruppen unfreiwillig befristeter Beschäftigung<br />
Nachdem im vorangegangenen Teil des Beitrags die Bedeutung vor allem <strong>der</strong> unfreiwilligen<br />
Befristung in Österreich und <strong>der</strong>en Verän<strong>der</strong>ung in ihrer Gesamtheit dargestellt wurde,<br />
sollen im folgenden Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen von ArbeitnehmerInnen<br />
im Hinblick auf die Aufnahme befristeter Beschäftigung aus Mangel an Alternativen<br />
beschrieben werden. <strong>Die</strong> Ergebnisse sind aus Tabelle 2 ersichtlich. <strong>Die</strong> einzelnen<br />
Erhebungszeitpunkte (2004-2010) gehen als Kontrollvariablen ins Modell ein, weshalb<br />
im Folgenden zeitlich stabile Gruppenunterschiede berichtet werden können.<br />
Zunächst lässt sich feststellen: Wie auch in an<strong>der</strong>en westlichen Län<strong>der</strong>n (Morris/Vekker<br />
2001; Tan/Tan 2002), sind MigrantInnen auch in Österreich häufiger primär deshalb befristet<br />
beschäftigt, da sie keine unbefristeten Stellen bekommen konnten.<br />
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<strong>Die</strong> Ergebnisse bestätigen zudem die in <strong>der</strong> bisherigen Forschung festgestellte Län<strong>der</strong>spezifik<br />
des Geschlechts im Hinblick auf Gründe für die Aufnahme befristeter Beschäftigung.<br />
So zeigt sich für Österreich, dass Geschlecht (bereinigt um an<strong>der</strong>e Einflussfaktoren)<br />
ebenso wie in Län<strong>der</strong>n mit ähnlichem Wohlfahrts- und Arbeitsmarktmodell wie z.B.<br />
Deutschland (vgl. Crouch 1993; Esping-An<strong>der</strong>sen 1990; Hall/Soskice 2001), keinen signifikanten<br />
Einfluss auf Gründe für die Wahl befristeter Beschäftigung hat. Zudem lassen<br />
sich entsprechend <strong>der</strong> Annahmen auch eindeutige Alterseffekte nachweisen. Demnach<br />
geben ältere befristet Beschäftigte häufiger an, dies aus Mangel an Alternativen zu sein.<br />
Im Gegenteil dazu haben jüngere Personen häufiger aufgrund von an<strong>der</strong>en, etwa instrumentellen<br />
Zielen (z.B. Ausbildung) ihre befristete Beschäftigung angenommen.<br />
<strong>Die</strong>se Alterseffekte bestehen unabhängig von einer Vielzahl von Faktoren (z.B. Bildung<br />
und Geschlecht) und sind zudem <strong>of</strong>fenbar auch unabhängig von <strong>der</strong> familiären Situation.<br />
Es sind also nicht hautsächlich die mit steigendem Alter häufiger werdenden privaten<br />
bzw. familiären Verpflichtungen, die hinter den Alterseffekten stehen. <strong>Die</strong> Ergebnisse<br />
weisen damit eher drauf hin, dass jüngere Befragte sich erst auf dem Arbeitsmarkt orientieren<br />
wollen bzw. müssen, und daher befristete Beschäftigung für die Betr<strong>of</strong>fenen selbst<br />
<strong>of</strong>fenbar weniger problematisch erscheint, als dies für ältere Befragte <strong>der</strong> Fall ist.<br />
Dass Lebenssituationen, die höhere Planbarkeit bzw. steigende private Verpflichtungen<br />
mit sich bringen, nicht unbedingt zu einem gestiegenen Wunsch nach Fixanstellungen<br />
führen müssen, wird auch dadurch untermauert, dass familienbezogene Merkmale wie<br />
Anzahl <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> o<strong>der</strong> ob jemand alleinerziehend ist - entgegen den theoretischen Erwartungen<br />
(vgl. Bernasek/Kinnear 1999; Tan/Tan 2002) - kaum erklärungskräftig bei <strong>der</strong><br />
Wahl befristeter Beschäftigung sind.<br />
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Tabelle 2: Unfreiwillige befristete Beschäftigung in Österreich (log. Regression)<br />
Migrationsstatus<br />
(Ref.: in Österreich geboren)<br />
Geschlecht<br />
(Ref.: Frauen)<br />
Exp(B)<br />
im Ausland geboren 1,481***<br />
Männer 0,991<br />
Alter Alter 1,312***<br />
Art <strong>der</strong> Beschäftigung Leiharbeit 1,611***<br />
(Ref.: keine Leiharbeit; Vollzeit; Teilzeit<br />
1,565***<br />
kein freier <strong>Die</strong>nstvertrag)<br />
freier <strong>Die</strong>nstvertrag<br />
1,502**<br />
Kin<strong>der</strong>anzahl Kin<strong>der</strong>zahl 0,908***<br />
Alleinerziehend<br />
alleinerziehend 1,190<br />
(Ref.: nicht alleinerziehend)<br />
Bildung Lehre/BMS 1,536***<br />
(Ref.: Pflichtschule) AHS 1,109<br />
BHS 1,977**<br />
hochschulverwandte Ausbildung 2,175***<br />
Uni/FH 1,199<br />
Berufsklassen <strong>Die</strong>nstleistungskräfte 0,650***<br />
(Ref.: manuelle Arbeiter) nichtleitende Angestellte/Beamte 0,717***<br />
leitende Angestellte/Beamte 0,795<br />
Branchen Hotelerie/Gastgewerbe 1,687***<br />
(Ref.: Industrie, Handwerk, sonstige) Landwirtschaft 0,980<br />
Bauwirtschaft 0,768<br />
sonstige personenbezogene <strong>Die</strong>nste 1,389***<br />
Urbanitätsgrad Urbanitätsgrad 1,069<br />
Erhebungsjahr 2005 0,892<br />
(Ref.: 2004) 2006 1,332***<br />
2007 1,127<br />
2008 1,187<br />
2009 0,924<br />
2010 0,883<br />
N<br />
Nagelkerkes R2<br />
10846<br />
0,16<br />
Quelle: Statistik Austria: Arbeitskräfteerhebung/Mikrozensus 2004-2010<br />
Signifikanzniveaus: *p < 0,05; ** p < 0,01; *** p < 0,001<br />
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Im Hinblick auf die Kombination von befristeter Beschäftigung mit an<strong>der</strong>en Erwerbsformen<br />
zeigt sich, dass es häufig zu kumulativ nachteiligen Effekten unfreiwillig befristeter<br />
Beschäftigung mit an<strong>der</strong>en atypischen Beschäftigungsformen kommen kann. Vor allem<br />
befristet Beschäftigte mit Leiharbeitsverträgen sind beson<strong>der</strong>s häufig von unfreiwilliger<br />
Befristung betr<strong>of</strong>fen: Für diese Gruppe sind die Risiken aus Mangel an Alternativen in<br />
diesen Arbeitsverträgen zu arbeiten, um fast 60 Prozent höher als bei Personen, die nicht<br />
in Leiharbeit beschäftigt sind (Exp(B)= 1,611). Daneben gehen in Teilzeit beschäftigte<br />
befristete ArbeitnehmerInnen häufig nicht in erster Linie aus eigenem Wunsch befristete<br />
Verträge ein. Im Gegenteil: Sie würden sich häufig, so zeigen die Ergebnisse<br />
(Exp(B)=1,565), zumindest eine dauerhafte Teilzeittätigkeit, wenn nicht eventuell sogar<br />
dauerhafte Vollzeiterwerbstätigkeit wünschen. Zudem sind auch freie <strong>Die</strong>nstnehmerInnen<br />
häufig eher unfreiwillig befristet beschäftigt. Auch hier sind die Effekte unabhängig von<br />
einer Vielzahl an<strong>der</strong>er möglicher Einflussfaktoren (z.B. Geschlecht und Branche).<br />
Weiters ergeben sich in den Analysen die erwarteten Bildungseffekte: Je höher <strong>der</strong> Bildungsabschluss<br />
einer Person ist, desto häufiger ist diese zumeist auch unfreiwillig befristet<br />
beschäftigt. Zudem sind hier, wie erwartet, vor allem Beschäftigte mit spezialisierten<br />
Ausbildungen, die auf ein relativ eindeutiges Berufsbild vorbereiten, beson<strong>der</strong>s häufig<br />
unfreiwillig befristet beschäftigt, obwohl sie dauerhafte Anstellungen bevorzugen würden.<br />
Neben Personen mit Lehrabschluss sind so vor allem AbsolventInnen berufsbilden<strong>der</strong><br />
höherer Schulen (z.B. Handelsakademien, Höhere technischen Lehranstalten) häufig<br />
gegen ihren eigentlichen Wunsch befristet beschäftigt. Zusätzlich zu diesen Gruppen<br />
können AbsolventInnen von Akademien (z.B. Pädagogische Akademie) und an<strong>der</strong>en<br />
hochschulverwandten spezialisierten Ausbildungsgängen als beson<strong>der</strong>s betr<strong>of</strong>fen gelten,<br />
da diese mehr als doppelt so häufig wie PflichtschulabsolventInnen angaben, aus Mangel<br />
an Alternativen befristet beschäftigt zu sein.<br />
Auch die Berufsklasse hat, wie erwartet, einen eigenständigen Einfluss auf die<br />
Erwünschtheit von befristeter Beschäftigung. Demnach sind Personen in höheren Berufsklassen<br />
seltener gezwungenermaßen befristet beschäftigt. Neben <strong>der</strong> Berufsklasse aber ist<br />
zudem die Branchenzugehörigkeit relevant, denn unabhängig von <strong>der</strong> sozialen Lage würden<br />
vor allem Beschäftigte im (weitgehend nach wie vor weiblich geprägten) Bereich<br />
personenbezogener <strong>Die</strong>nstleistungen (z.B. FrieseurIn, PflegerIn) lieber unbefristet und<br />
damit längerfristiger angestellt bleiben, haben aber nur eingeschränkte Möglichkeit dazu.<br />
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<strong>Die</strong>s gilt allerdings unabhängig vom Geschlecht, d.h. auch Männer, die in diesen Bereichen<br />
arbeiten, berichten häufiger, dass sie befristet beschäftigt sind, da sie keine zeitlich<br />
unbegrenzte Stelle finden konnten. Daneben sind Beschäftigte in Branchen wie <strong>der</strong> Gastronomie<br />
und im Hotelgewerbe häufig aufgrund fehlenden Angebots an unbefristeten Verträgen<br />
befristet beschäftigt - auch hier unabhängig vom Geschlecht.<br />
Für an<strong>der</strong>e Arten vorwiegend saisonabhängiger Beschäftigung können allerdings keine<br />
statistisch signifikanten Effekte gefunden werden. Nicht jede Art von Saisonarbeit wird<br />
damit von den jeweils Betr<strong>of</strong>fenen als erzwungen erlebt, son<strong>der</strong>n kommt mitunter möglicherweise<br />
in manchen Fällen auch den Bedürfnissen <strong>der</strong> Beschäftigten ein Stück weit<br />
entgegen.<br />
Ferner bestätigen sich in den multivariaten Ergebnissen weitgehend die in den deskriptiven<br />
Analysen gefundenen zeitlichen Trends, z.B. ein leichter Anstieg unfreiwillig befristeter<br />
Beschäftigung im Jahr 2006. Schließlich zeigt sich: Während vor allem Effekte <strong>der</strong><br />
individuellen Ebene (Klasse, Migrationsstatus, Art <strong>der</strong> Beschäftigung) sowie, in weit<br />
schwächerem Ausmaß, Merkmale <strong>der</strong> Betriebs das Ausmaß sog. unfreiwilliger befristeter<br />
Beschäftigung erklären, kommt regionalen Merkmalen wie dem Urbanitätsgrad praktisch<br />
keinerlei Erklärungskraft zu - zumindest nicht, wenn bereits für viele an<strong>der</strong>e relevante<br />
Einflussfaktoren kontrolliert wird 1 .<br />
6. Fazit<br />
Der vorliegende Beitrag zeigt, dass in Österreich nur ein kleiner Teil <strong>der</strong> befristet Beschäftigten<br />
zeitlich begrenzte Arbeitsverträge aus Mangel an Alternativen annimmt. Insgesamt<br />
sind damit weit weniger Personen laut eigener Angabe unfreiwillig befristet beschäftigt,<br />
als vergleichbare Studien für an<strong>der</strong>e westliche bzw. europäische Län<strong>der</strong> zeigen.<br />
Überraschen<strong>der</strong>weise zeigt sich gerade in den Jahren <strong>der</strong> Wirtschaftkrise, dass tendenziell<br />
weniger Befragte angeben, befristete Beschäftigung gezwungenermaßen anzunehmen.<br />
1<br />
dies unterstreichen auch geson<strong>der</strong>t berechnete Mehrebenen-Analysen- aus Platzgründen hier<br />
nicht dargestellt- die nahelegen, dass die Regionalebene insgesamt nur sehr wenig Erklärungskraft<br />
(nur rund 6-7%) für das hier betrachtete Thema besitzt.<br />
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Damit bestätigt sich für Österreich nur zum Teil das in <strong>der</strong> wissenschaftlichen Diskussion<br />
vorherrschende Bild (Kalleberg/Reynolds 2003: 423), dass atypische Beschäftigungsverhältnisse<br />
wie z.B. befristete Beschäftigung, von den Beschäftigten eher als eine Notlösung<br />
gesehen werden und als solche generell abgelehnt werden.<br />
<strong>Die</strong>ser Gesamtbefund trifft allerdings nicht auf alle Gruppen am Arbeitsmarkt gleichermaßen<br />
zu. Vor allem jene Beschäftigte, die bereits eine kritische Position am österreichischen<br />
Arbeitsmarkt einnehmen, haben überdurchschnittlich häufig keine an<strong>der</strong>e Wahl, als<br />
befristete Beschäftigung anzunehmen, wie in den Analysen gezeigt werden konnte: So<br />
sind vor allem MigrantInnen, ältere Beschäftigte, Personen aus niedrigen Berufsklassen<br />
sowie ArbeitnehmerInnen in durch Saisonarbeit geprägten Branchen (wie z.B. dem Hotel-<br />
und Gastgewerbe) beson<strong>der</strong>s von Befristung aufgrund eines Mangels an langfristigen<br />
Stellen betr<strong>of</strong>fen.<br />
Eine beson<strong>der</strong>e Risikogruppe stellen dabei vor allem jene Personen dar, die in mehrfacher<br />
Weise atypisch beschäftigt sind, wie z.B. Teilzeitbeschäftigte mit befristeten Verträgen<br />
o<strong>der</strong> befristet beschäftigte freie <strong>Die</strong>nstnehmerInnen, aber auch <strong>Zeit</strong>- und LeiharbeitnehmerInnen,<br />
die beson<strong>der</strong>s hohe Anteile unfreiwilliger befristeter Beschäftigung aufweisen.<br />
Allerdings weisen die Ergebnisse <strong>der</strong> Analysen auch darauf hin, dass unfreiwillig befristete<br />
Beschäftigung neben bereits benachteiligten Arbeitsmarktgruppen unter bestimmten<br />
Bedingungen auch höheregebildete bzw. besser situierte Gruppen treffen kann. So konnte<br />
gezeigt werden, dass Personen mit höherer Bildung und jene, die Ausbildungen absolviert<br />
haben, bei denen <strong>der</strong> Erwerb von Fähigkeiten näher an <strong>der</strong> beruflichen Praxis erfolgt,<br />
häufiger angaben, befristet beschäftigt zu sein, ohne dies zu wünschen. Internationale Ergebnisse<br />
wie jene von Giesecke (2006), wonach solche Personen größere Gefahr laufen,<br />
von Entwertungen ihres Humankapitals betr<strong>of</strong>fen zu sein, und deswegen eher Fixanstellungen<br />
bevorzugen, können damit auch für Österreich bestätigt werden. <strong>Die</strong>ses Ergebnis<br />
sollte dabei beson<strong>der</strong>s vor dem Hintergrund, dass die For<strong>der</strong>ung nach eben dieser praxisorientierter<br />
(Aus-)Bildung in <strong>der</strong> öffentlichen Debatte immer lauter wird (vgl. Münch<br />
2011), zu denken geben.<br />
Obwohl mit dem vorliegenden Artikel einige Forschungsfragen zu unfreiwilliger Befristung<br />
für Österreich geklärt werden konnten, bleibt nach wie vor einiges an Forschungs-<br />
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bedarf bestehen. Anknüpfend an die vorliegenden Befunde erscheinen vor allem weiterführende<br />
Forschungen hinsichtlich <strong>der</strong> Folgen von unfreiwilliger Befristung, etwa in Bezug<br />
auf Lebens- und Berufszufriedenheit <strong>der</strong> Betr<strong>of</strong>fenen für Österreich notwendig. Zudem<br />
wären Detailanalysen einzelner hier betrachteter Gruppen unfreiwillig befristet Beschäftigter<br />
wichtig, die in diesem Beitrag nur überblicksartig betrachtet werden konnten.<br />
Vertiefende Analysen zu mehrfach von atypischer Beschäftigung Betr<strong>of</strong>fenen scheinen,<br />
in Anknüpfung an die Ergebnisse dieses Beitrags, hier beson<strong>der</strong>s lohnenswert. Schließlich<br />
erscheint es sinnvoll, in weiteren Forschungen nicht nur unfreiwillige Befristung genauer<br />
zu betrachten, son<strong>der</strong>n auch an<strong>der</strong>e Gründe für die Aufnahme befristeter Beschäftigung<br />
vermehrt in den Blick zu nehmen.<br />
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