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#109<br />

cooltour<br />

11<br />

Rolys Silberscheiben des Monats Oktober<br />

Roland Grieshammer<br />

Jochen Distelmeyer: Heavy<br />

(columbia)<br />

Mit seiner Band und deren Auseinandersetzungen<br />

mit der Gesellschaft,<br />

Konflikte, Depressionen, Widerstand<br />

und Protest prägte er 17 Jahre Popgeschichte<br />

und eine ganze Generation<br />

von Künstlern. Gerade die Alben<br />

„Ich-Maschine“ (1992), „L’Etat et<br />

Moi“ (1994), „Old Nobody“ (1999) und „Testament der Angst“<br />

(2001) haben mich stark beeinflusst. Die Texte reflektieren die<br />

eigenen Lebensverhältnisse, und ich bin meinem alten Freund<br />

Johannes immer wieder dankbar, dass er mich dam<strong>als</strong> in Hamburg<br />

mit dieser Musik vertraut gemacht hat. Und auch wenn<br />

der Schock über den Verlust der vielleicht stilprägendsten<br />

Band Deutschlands tief saß, hatte sich von „Ich-Maschine“ bis<br />

„Verbotene Früchte“ ein Kreis geschlossen. Zusammen mit<br />

Andreas Herbig (u.a. Deichkind, a-ha und Udo Lindenberg)<br />

eröffnet Distelmeyer mit „Heavy“ ein neues Kapitel seines<br />

künstlerischen Schaffens und präsentiert sich einmal mehr <strong>als</strong><br />

Songwriter der Stunde. Sein Acapella-Intro „Regen“ schlägt<br />

eine Brücke zum letzten Blumfeld-Opener „Schnee“, bevor er<br />

mit klaren Ansagen in „Wohin mit dem Hass?“ in der Tiefgarage<br />

abrockt und in „Er“ von schizoiden Doppelgängerspielchen<br />

singt. Seine erste Single „Lass uns Liebe sein“ bietet mit positivem<br />

Up-Tempo-Songwriter-Pop eine beschwingte Seelsorge.<br />

Mit „Hinter der Musik“ und „Hiob“ gibt’s massiven Rock auf<br />

die Ohren, während er sein „Jenfeld Mädchen“ mit einem Liebeslied<br />

voller Fernweh beglückt und „Murmel“ von einem Leben<br />

ohne ständige Statusmeldungen auf den sogenannten „sozialen<br />

Netzwerken“ erzählt. Neben diesem großartigen Song<br />

liebe ich vor allem die melancholische Super-Ballade „Bleiben<br />

und gehen“ mit ihren zweifelnden Gedanken und die erkenntnisreiche<br />

Ehrlichkeitshymne „Nur mit Dir“. Mit eindringlicher<br />

Klarheit und emotionaler Frische behandelt Distelmeyer die<br />

existentiell menschlichen Themen von Liebe und Glück, Verlust<br />

und Trauer, Freude und Wut vor dem Hintergrund einer<br />

Welt im Wandel. Das Schöne und Doppelbödige ist hier …<br />

www.myspace.com/jochendistelmeyer<br />

www.jochendistelmeyer.de<br />

Funny van Dannen:<br />

Saharasand<br />

(jkp / warner music)<br />

Seit 1995 kommentiert der Liedermacher<br />

aus Berlin auf eigenwillige<br />

Weise, gewürzt mit viel Sarkasmus<br />

und beißendem Witz, die politischen<br />

und gesellschaftlichen Befindlichkeiten<br />

unserer Republik. Seit 1999<br />

arbeitet er <strong>als</strong> Co-Autor mit den Toten Hosen zusammen, und<br />

zwei Jahre nach „Trotzdem Danke“ präsentiert Funny van<br />

Dannen erneut eine kurzweilige Songkollektion. Sein elftes<br />

Album gleicht fast einem Hörbuch mit 21 Kurzgeschichten<br />

über Menschen und Tiere. Große Gefühle, kleine Dramen, Politisches,<br />

Absurdes, Beiläufiges, Beobachtungen, Ernstes und<br />

Nebensächlichkeiten. Es beginnt mit einem humoristischen<br />

Rachefeldzug, bei dem er mit seiner „Katzenpissepistole“ neben<br />

Charityladies, Parteien, Hedgefondsherren, Banker, Nazis<br />

und Kriegsprofiteure ins Visier nimmt. Nachdem er in der<br />

„Pflanzendisco“ den Pflanzen beim Tanzen zugeschaut hat,<br />

berichtet er über ein Paar im Museum, das mit „Jugendstil“<br />

nicht allzu viel anfangen kann. In „29 Marienkäfer“ hinterfragt<br />

er das Handeln der Bundesregierung kritisch, und auch „Aktienpaket“<br />

beschäftigt sich mit der angespannten wirtschaftlichen<br />

Weltlage. Seine melancholischen Betrachtungen „Wenn<br />

die Strasse ein Fluss wäre“, „Instinkte“ und „Magnolie“ sind<br />

Chansons zum Schmunzeln, während sich der Titelsong mit<br />

rassistischen Polizisten auseinandersetzt. Die Freundin soll mit<br />

einem „Simpsons-Plakat“ überrascht werden, geht aber lieber<br />

fremd. „Samenstau“ führt zu reizbaren Männern, „Innehalten“<br />

entspannt dann wieder, und meine Katzen denken, dass<br />

ich „auch nur ein Tier bin“. Erstklassig sind auch die Balladen<br />

„Sternschuppen“, „Wenn die Liebe sich nicht mehr lohnt“ und<br />

„Zum Leben“. Funny van Dannen ist nicht nur ein moderner<br />

Poet mit klassischen Mitteln, sondern auch ein Künstler mit<br />

feinem musikalischem Händchen. Sein Songwriter-Pop umschmeichelt<br />

obskure Geschichten.<br />

www.myspace.com/funnyvandannen<br />

www.funny-van-dannen.de<br />

Harmonia & Eno ’79:<br />

Tracks & Traces<br />

(groenland / cargo)<br />

David Bowie und The Human<br />

League berufen sich auf diese Band,<br />

die im Mai 1973 von den Cluster-Musikern<br />

Dieter Moebius und Hans-Joachim<br />

Roedelius sowie Michael Rother<br />

(zuvor bei Kraftwerk und Neu!)<br />

gegründet wurde und nur zwei Jahre existierte. Die beiden Alben<br />

„Musik von Harmonia“ (1974) und „Deluxe“ (1975) gelten<br />

heute <strong>als</strong> Klassiker des Krautrock, wobei Harmonia eigentlich<br />

ein Vertreter der elektronischen Musik war. Im Frühsommer<br />

1976 reiste ein gewisser Brian Eno zu gemeinsamen Sessions<br />

nach Deutschland. Elf Tage lang jammten sie gemeinsam, und<br />

33 Jahre später liegt nun (nach der Veröffentlichung 1997) endlich<br />

eine rundum befriedigende Version eines lange verloren<br />

geglaubten Schatzes vor. Die digital remasterten 4-Spuraufnahmen<br />

von „Tracks & Traces“ klingen nicht nur erstaunlich frisch<br />

und dank des Analog-Booms auch modern, sie sind schon aus<br />

historischen Gründen interessant. Mit dem unglaublich schönen<br />

Entree „Welcome“ und dem anschließenden Track „Atmosphere“<br />

baut sich das Werk langsam auf, bevor mit „Vamos<br />

Compañeros“ ein Groove in Gestalt eines sich wiederholenden<br />

Dampflok-Sounds heranrauscht, der von stark verzerrten Gitarren<br />

begleitet wird. Nach dem idyllischen „By The Riverside“<br />

wird es experimentell, abstrakt und düster. „Don’t get lost on<br />

Lüneburg Heath!“, singt Brian Eno mit warnendem Zeigefinger,<br />

bevor mir das sanft wogende Klanggebilde „Sometimes in<br />

Autumn" fast 16 Minuten lang ein romantisches Lächeln auf<br />

mein Gesicht zaubert. „Almost“ dürfte wohl mein Lieblingstrack<br />

sein, bei „Les Demoiselles“ ist dann elektronischer Walzer<br />

mit melodiösen Synthies angesagt, und am Ende verstärkt<br />

„Aubade“ den Eindruck eines versöhnlichen Ausklangs. Brian<br />

Eno nannte Harmonia „die wichtigste Rockgruppe der Welt“,<br />

wobei mir hier der pastoral starke Ambient-Charakter am besten<br />

gefällt. Auf Spurensuche machen, bitte!<br />

www.myspace.com/roedelius<br />

www.myspace.com/gronlandrecords<br />

Zion Train:<br />

Live As One Remixed<br />

(universal egg)<br />

Auch nach zwei Jahrzehnten musikalischem<br />

Bestehen darf man noch<br />

immer von sich behaupten, frischen<br />

und unverbrauchten Sound abzuliefern.<br />

Der künstlerische Output dieser<br />

fantastischen Band ist kaum zu toppen,<br />

kein anderer duborientierter Act spielt international in<br />

so vielen Ländern wie Zion Train. Diese Beliebtheit verdanken<br />

sie sicher keinen stylischen Klischees, sondern ihrer Lust, Stile<br />

nach Herzenslaune zu verquicken. Nach diversen Trennungsprozessen<br />

ist Zion Train inzwischen ein Alter-Ego-Projekt von<br />

dem nach Köln übergesiedelten Mastermind Neil Perch geworden.<br />

Im Jahre 2007 wurde mit „Live as One“ der neunte Longplayer<br />

veröffentlicht, 2008 noch kurz der „Reggae Grammy“<br />

für das beste Dub-Album abgegriffen, und nun meldet sich<br />

„The Worlds Premier Dub Act“ mit einer überarbeiteten Remixversion<br />

zurück. Neil Perch und seine Crew haben ihr Album<br />

„Live As One“ ein Mal durch die halbe Welt gereicht und von<br />

Produzenten wie Rob Smith, Digital und Dub Terror remixen<br />

lassen. Alambic Conspiracy’s „Why“ versprüht dank Paolo Baldini<br />

nun italienischen Flair, während Bungalo Dub mit mexikanischem<br />

Drum’n’Bass zum Tanz bittet. Dub Creator’s „What A<br />

Situation“ lädt zum Abdriften ein, dagegen erscheint De Niro’s<br />

Version im bassbetonten Dubstep-Gewand. „Boxes And Amps“<br />

kommt gleich in vier Remixes und gefällt mir natürlich in der<br />

Drum’n’Bass-Variante von Dub Terror am besten. Von den drei<br />

Neuinterpretationen von „Baby Father“ sorgt Dubsync für den<br />

coolsten Drive, und „Terror Talk“ überzeugt polskamässig mit<br />

Studio As One sowie mit feinstem Drum’n’Bass von Digital &<br />

Lutin. Zion Train liefern hier ein grooviges Werk in gewohnter<br />

Spannung zwischen Heiterkeit und Nachdenklichkeit, Roots-<br />

Culture und stilistischer Experimentierfreude!<br />

www.myspace.com/ziontraindub<br />

www.wobblyweb.com<br />

KRS-One & Buckshot:<br />

Survival Skills<br />

(duck down)<br />

Zwei Hip-Hop-Legenden geben sich<br />

die Ehre. Der eine lebte Mitte der 80er<br />

noch in einem Männerwohnheim in<br />

der South Bronx und ist heute der Inbegriff<br />

des amerikanischen „Way Of<br />

Life“. Gemeinsam mit Scott La Rock<br />

gründete er die Boogie Down Crew, aus der später BDP (Boogie<br />

Down Produktions) entstand. Mit Tracks wie „South Bronx“<br />

und „Criminal Minded“ machten sich BDP vor allem durch die<br />

sozialkritischen Texte einen Namen innerhalb der New Yorker<br />

Szene, mit seiner Kritik an der Gewalt und Drogen kam KRS bei<br />

Jugendlichen sehr gut an und wurde dabei von Afrika Bambaata<br />

stark unterstützt. Nach dem Tod von Scott La Rock sah KRS<br />

die Chance, die Augen der Öffentlichkeit auf die angespannte<br />

Situation von überwiegend schwarzen Jugendlichen zu richten.<br />

Fortan gab er Vorlesungen in vielen Universitäten und referierte<br />

über die Situation der amerikanischen Großstadtghettos.<br />

Auch musikalisch entwickelte KRS-One sich durch fette Beats<br />

und ansprechende Lyrics zu einem Vorreiter in der amerika-<br />

>>>

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