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<strong>62</strong><br />

BZB Dezember 13<br />

Wissenschaft und Fortbildung<br />

„Biss im Alter”<br />

54. Bayerischer Zahnärztetag in München<br />

Ein Kongressbericht von Dr. Hans Aggstaller, München<br />

Fotos: BLZK<br />

„Biss im Alter – die Zahnbehandlung des gealterten<br />

Patienten“ lautete das Motto des diesjährigen<br />

Bayerischen Zahnärztetages, veranstaltet von der<br />

Bayerischen Landeszahnärztekammer und der<br />

Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns in<br />

Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für<br />

Alterszahnmedizin (DGAZ). Eine Teilnehmerzahl<br />

von 1300 Zahnärzten bestätigte die interessante<br />

Themenauswahl auf sehr hohem Niveau.<br />

Prof. Dr. Dorothee Volkert, Nürnberg, leitete das wissenschaftliche<br />

Hauptprogramm mit ihrem Vortrag<br />

zum Thema „Demografie – was ändert sich im Alter?“<br />

ein. Anhand von Grafiken verdeutlichte sie die<br />

Verschiebung in unserer Gesellschaft hin zu einem<br />

höheren Durchschnittsalter. Die Lebenserwartung<br />

liege derzeit bei 80 Jahren und steige um circa zwei<br />

Monate pro Jahr, wobei die Wissenschaft von einer<br />

maximalen Lebenserwartung von 120 Jahren ausgehe.<br />

Allerdings seien aktuell rund die letzten 20 Lebensjahre<br />

von Krankheit geprägt. Diese Daten untermauerten<br />

eindeutig die sich auch für Zahnärzte<br />

verändernden therapeutischen Aufgaben. Im Folgenden<br />

beschrieb die Referentin die äußerst vielfältige<br />

Physiologie des Alterns mit ihrer Problematik<br />

und Morbidität. So erwähnte sie auch, dass<br />

mit Kauproblemen eine erhöhte Mortalität korreliere,<br />

ungeachtet dieser Tatsache aber lediglich<br />

33 Prozent der Bewohner von geriatrischen Institutionen<br />

eine regelmäßige zahnärztliche Behandlung<br />

erhielten. Zusammenfassend sei es „unsere<br />

Verantwortung, mit den Alten verantwortungsvoll<br />

und vielfältig umzugehen“.<br />

Prof. Dr. Dorothee Volkert referierte zum Thema „Demografie”.<br />

Prothesenstabilisierung im zahnlosen Kiefer<br />

Als nächster Referent sprach Priv.-Doz. Dr. Torsten<br />

Mundt, Greifswald, über „Mini-Implantate zur Prothesenstabilisierung<br />

im zahnlosen Kiefer“. Dabei<br />

konzentrierte er sich auf die Mini Dental Implants<br />

der Firma 3M Espe mit einem Durchmesser von 1,8<br />

<strong>bis</strong> 2,4 mm. In der Literatur seien durchaus widersprüchliche<br />

Daten zur Überlebensrate dieser Implantate<br />

zu finden, allerdings konnte Dr. Mundt aufgrund<br />

eigener Studien auf Überlebensraten von circa<br />

95 Prozent sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer<br />

verweisen. Dabei wurden die Implantate interessanterweise<br />

nicht im universitären Umfeld, sondern<br />

von niedergelassenen Kollegen inseriert. Sie<br />

wurden nach den klassischen Konzepten (sechs Implantate<br />

im Oberkiefer und vier Implantate im Unterkiefer)<br />

zur Unterstützung von Deckprothesen und<br />

zur Pfeilervermehrung in der Teilprothetik eingesetzt.<br />

Auch eine festsitzende Versorgung in kleinen<br />

Lücken sei denkbar. Insgesamt betrachtet seien<br />

Mini-Implantate gerade bei älteren Patienten eine<br />

kostengünstige und einfache Therapieoption ergänzend<br />

zu den konventionellen Implantaten.<br />

Im Anschluss referierte Dr. Stefan Böhm, München,<br />

zur BEMA-Abrechnung von Wiederherstellungsmaßnahmen<br />

bei Pflegebedürftigkeit. Er empfahl,<br />

in jedem Fall vorher die Übernahme des jeweiligen<br />

Patienteneigenanteils durch beispielsweise<br />

Angehörige zu klären und betonte das inzwischen<br />

vereinfachte Verfahren mit Ausnahme der Härtefälle.<br />

Im Folgenden ging Dr. Böhm detailliert auf<br />

die Befundklasse 6 im gesetzlichen Leistungskatalog<br />

ein. Seit dem 1. April 2013 sind nun Abrechnungspositionen<br />

für die Behandlung von Pflegebedürftigen,<br />

die die zahnärztliche Praxis nicht<br />

ohne erheblichen Aufwand aufsuchen können, in<br />

die BEMA aufgenommen. Es sei der erklärte Wille<br />

des Gesetzgebers, pflegebedürftigen Menschen eine<br />

zahnärztliche Betreuung zukommen zu lassen.<br />

Die im Anschluss an den Vortrag aufkommende angeregte<br />

Diskussion von bereits auf diesem Gebiet<br />

tätigen Zahnärzten zeigte das große Engagement<br />

der Zahnärzteschaft und leider auch Defizite im<br />

Bereich der gesetzlichen Versorgung und vonseiten<br />

des Gesetzgebers.


Wissenschaft und Fortbildung BZB Dezember 13<br />

63<br />

Prof. Dr. Jürgen Hescheler sprach über Stammzellforschung.<br />

Update zum Thema „Antikoagulation”<br />

„Antikoagulation – neue Substanzen, neue Konzepte?“<br />

– ein Update zu dieser aktuellen Thematik gab<br />

Prof. Dr. Dr. Mark Farmand, Nürnberg. Zunächst<br />

ging er auf die „alten“ Antikoagulantien Acetylsalicylsäure,<br />

Phenprocoumon (Marcumar) und Heparin<br />

ein. Ein Nachteil des Marcumars seien die zahlreichen<br />

Interaktionen mit anderen Medikamenten und<br />

Nahrungsmitteln. Daher sei ein regelmäßiges Monitoring<br />

nötig, um Komplikationen wie intrakranielle<br />

Blutungen zu vermeiden. Nicht zuletzt darum kamen<br />

in letzter Zeit „neue“ Antikoagulantien auf den<br />

Markt. Dazu zählen beispielsweise Xarelto, Pradaxa<br />

und Plavix. All diesen Präparaten sei gemein, dass<br />

sie wenig wissenschaftliche Evidenz und kein verfügbares<br />

Antidot hätten. Anhand eines erschreckenden<br />

und beeindruckenden Fallbeispiels leitete Professor<br />

Farmand zur Therapie über. Die Anamnese habe eine<br />

große Bedeutung, um Operationen ausreichend<br />

vorbereiten zu können. Hinsichtlich der Einnahme<br />

von Heparin und ASS gebe es keine Einschränkungen.<br />

Würden operative Eingriffe unter Medikation mit anderen<br />

Antikoagulantien durchgeführt, riet er zu erhöhter<br />

Vorsicht, Aufklärung und der Applikation von<br />

Druck. So seien ein schrittweises operatives Vorgehen<br />

beginnend im Oberkiefer, der Verzicht auf eine Leitungsanästhesie,<br />

die Vorbereitung von Verbandsplatten,<br />

eine Naht für 10 <strong>bis</strong> 14 Tage und das Einbringen<br />

lokaler Hämostyptika wie etwa Tabotamp sinnvoll.<br />

Parodontitis und allgemeine Gesundheit<br />

Prof. Dr. James Deschner, Bonn, holte das Auditorium<br />

mit seinem Thema Parodontitis und deren Auswirkung<br />

auf die allgemeine Gesundheit nach der<br />

Mittagspause in den Vortragssaal zurück. Nach einem<br />

generellen Überblick über die Pathogenese der<br />

Parodontitis besprach er die Wechselwirkungen von<br />

Allgemeinerkrankungen und Parodontitis. Vor allem<br />

Patienten mit einem schlecht eingestellten Diabetes<br />

mellitus hätten ein dreifach höheres Risiko,<br />

eine Parodontitis zu entwickeln. Umgekehrt könne<br />

eine Parodontitistherapie den Blutglukosespiegel<br />

geringfügig senken. Zur Kontrolle der diabetischen<br />

Einstellung betonte der Referent die Bedeutung des<br />

HbA1c-Wertes als sogenanntes Langzeitgedächtnis<br />

des Blutglukosespiegels. Ein Wert von 7 sei dabei gut.<br />

Ferner sei das Risiko für artheriosklerotische Veränderungen<br />

bei vorliegender Parodontitis geringfügig<br />

erhöht. Eine Parodontitistherapie könne aber keinem<br />

Herzinfarkt oder Schlaganfall vorbeugen. Hinsichtlich<br />

Frühgeburtlichkeit sei das Risiko bei einer<br />

Parodontitispatientin drei- <strong>bis</strong> viermal erhöht. Eine<br />

Therapie bringe aber leider keine Verringerung<br />

des Risikos. Ebenso korreliere eine Parodontitis mit<br />

Adipositas und rheumatischer Arthritis.<br />

„Präprothetische Kieferorthopädie beim älteren Patienten“<br />

war das Thema des nächsten Referenten,<br />

Prof. Dr. Dr. Peter Proff, Regensburg. Anhand vieler<br />

schöner Patientenfälle zeigte er die verschiedenen<br />

kieferorthopädischen Möglichkeiten auf. Lückenschluss,<br />

Intrusion und Extrusion von Zähnen und<br />

die Aufrichtung gekippter Pfeilerzähne seien dabei<br />

erwähnt. Die Ziele sind die Beseitigung einer traumatischen<br />

Okklusion, eine günstige Gestaltung der<br />

Platzverhältnisse, eine gute prothetische Einschubrichtung<br />

und eine verbesserte Hygienefähigkeit.<br />

Stammzellen in der Zahnheilkunde<br />

Das absolute Highlight des ersten Kongresstages<br />

stellte der Vortrag von Prof. Dr. Jürgen Hescheler,<br />

Köln, „Stammzellen auch in der Zahnheilkunde –<br />

ein künftiger Jungbrunnen?“, dar. Er gab einen<br />

beeindruckenden Einblick in den derzeitigen Forschungsstand<br />

mit Stammzellen. Die sogenannte Reprogrammierung<br />

von somatischen Zellen versetze<br />

diese gleichsam zurück in induzierte pluripotente<br />

Stammzellen, einem „Jungbrunnen“ gleichbedeutend.<br />

Mittels pluripotenter oder multipotenter<br />

Stammzellen könnten aktuell schon eine Reihe von<br />

Geweben erzeugt werden. So konnte der Referent an<br />

gezüchteten funktionellen Herzmuskelzellen EKGanaloge<br />

Aktivitäten nachweisen. Speziell im Bereich<br />

der Zahnheilkunde wäre eine Knochenbildung in<br />

Form von vorgefertigten Blöcken mit 3-D-Gewebeprinting<br />

schon machbar. Wie Professor Hescheler<br />

anhand von faszinierenden Bildern zeigte, gelang<br />

sogar schon die Zahnneubildung im Mäuseexperiment.<br />

Die größte Hürde bestehe aber noch in der<br />

Umsetzung der Laborergebnisse in den klinischen<br />

Alltag und den damit verbundenen exorbitanten<br />

Kosten. Die Stammzellentherapie im Sinne einer<br />

„Zellersatztherapie“ könne aber die Gesundheit im<br />

Alter erhalten und die Lebensqualität verbessern.


64 BZB Dezember 13 Wissenschaft und Fortbildung<br />

Als letzter Referent rundete Prof. Dr. Bernd Wöstmann,<br />

Gießen, mit seinem Thema „Prothetische<br />

Konzepte für den älteren Patienten“ das gelungene<br />

Programm des ersten Kongresstages ab. Über den<br />

Tellerrand hinausblickend stellte er fest, dass das<br />

Haupthindernis bei der Behandlung älterer Patienten<br />

der aus Patientensicht geringe subjektive Behandlungsbedarf<br />

trotz objektiv hoher Behandlungsnotwendigkeit<br />

ist. So sei auch bekannt, dass eine unzureichende<br />

zahnärztliche Versorgung zu einer Mangel-<br />

beziehungsweise Fehlernährung führe und damit<br />

letztlich zu einem reduzierten Allgemeinzustand.<br />

Als Behandlungsoptionen stehe das ganze prothetische<br />

Spektrum offen. Der Zahnersatz sollte in jedem<br />

Fall stabil sein und auch „mal runterfallen<br />

können“. Eine Pfeilervermehrung durch strategische<br />

Implantate trage zu mehr Lebensqualität und<br />

Kaukomfort bei. Die Teleskoptechnik sei bewährt<br />

und die Patientenzufriedenheit sehr hoch. Im Gegensatz<br />

dazu sei die Lebensqualität bei Klammermodellgussprothesen<br />

reduziert und dieser Zahnersatz<br />

werde daher oft nicht getragen. Auch das<br />

Konzept der verkürzten Zahnreihe sei sinnvoll, da<br />

in Studien kein erhöhtes Risiko für die Entwicklung<br />

funktioneller Beschwerden nachgewiesen werden<br />

konnte. Prinzipiell sollten aufgrund der reduzierten<br />

Adaptationsfähigkeit im Alter eher kleinere Behandlungsschritte<br />

unternommen werden.<br />

Die Psychologie des Alter(n)s<br />

„Psychologie des Alter(n)s“ – mit diesem spannenden<br />

Thema eröffnete Prof. Dr. Renate Deinzer, Gießen,<br />

das wissenschaftliche Programm am Samstagmorgen.<br />

Es existierten eine Vielzahl von Theorien zum<br />

Altern, derzeit angestrebt sei ein „erfolgreiches Altern“,<br />

wobei neue Muster des Denkens und Erlebens<br />

zu akzeptieren und wertzuschätzen seien. Da eine<br />

Demenzerkrankung im Alter nur bei circa 20 Prozent<br />

der über 85-Jährigen vorliegt, legte die Referentin<br />

ihren Fokus auf das physiologische geistige Altern.<br />

In diesem Zusammenhang sei die Abnahme<br />

der „flexiblen Intelligenz“ interindividuell stark unterschiedlich,<br />

statusassoziiert und nicht vom chronologischen<br />

Alter abhängig. Das Gehirntraining sei wie<br />

bei der Muskulatur essenziell – „use it or loose it“.<br />

Auch die Lernfähigkeit im Hinblick auf für den Einzelnen<br />

Sinnvolles oder Wichtiges sei ähnlich wie bei<br />

jungen Menschen. Andere Zielsetzungen und Motivationslagen<br />

seien bestimmend. Allerdings sei das<br />

Zutrauen in die eigenen kognitiven Fähigkeiten im<br />

Alter reduziert. Die Persönlichkeitsstruktur ändere sich<br />

jedoch nicht und Alter sei keine „Psycho-Diagnose“.<br />

Prof. Dr. Renate Deinzer thematisierte die Psychologie des Alter(n)s.<br />

Den Bogen spannend stellte Prof. Dr. Christoph Benz,<br />

München, klar, dass Alter auch keine „Mund-Diagnose“<br />

ist. In seinem Vortrag „Von fit <strong>bis</strong> Pflege –<br />

Zahnmedizin auf neuen Wegen“ gab er einen Überblick<br />

über die Thematik. Bereits jetzt greife die Prophylaxe<br />

und daher lag der Anteil der völlig zahnlosen<br />

Patienten im Jahr 2005 nur noch bei 22 Prozent.<br />

Hauptrisikofaktoren für Zahnverlust im Alter seien<br />

Karies und Pflegebedürftigkeit. In Deutschland gebe<br />

es derzeit 2 500 000 pflegebedürftige Menschen, wovon<br />

30 Prozent in Heimen untergebracht seien. Auf<br />

einen Zahnarzt kämen somit 59 pflegebedürftige<br />

Patienten. Professor Benz appellierte eindringlich an<br />

das Auditorium, sich den wachsenden Aufgaben zu<br />

stellen. Faktoren, die für ein „mobiles“ Arbeiten sprächen,<br />

seien hohe Krankentransportkosten, die Tatsache,<br />

dass die meisten Praxen nicht barrierearm<br />

sind und die größere Kooperation der Patienten zu<br />

Hause. Das mobile therapeutische Spektrum umfasse<br />

die Prävention, konservierende und einfache prothetische<br />

Maßnahmen. Einen Ausblick in die Zukunft<br />

im Jahr 2030 wagend, nehme die Prophylaxe einen<br />

noch höheren Stellenwert ein, die Kariesprävalenz sei<br />

weiter rückläufig, die mittlere Zahnanzahl in etwa<br />

konstant und die zahnmedizinische Betreuung in<br />

Pflegesituationen werde zunehmen, so der Referent.<br />

Demografiebedingte Herausforderungen<br />

Im Anschluss referierte der stellvertretende Vorsitzende<br />

der KZBV, Dr. Wolfgang Eßer, Köln, zu den demografiebedingten<br />

Herausforderungen an die Zahnärzteschaft.<br />

Er appellierte dafür, die Senioren nicht<br />

auszugrenzen und sie in die Gesellschaft zurückzuholen,<br />

auch in die medizinische Versorgung. Das Ziel<br />

der KZBV sei es, den pflegebedürftigen Patienten aus<br />

der Notfallversorgung in ein präventiv orientiertes<br />

Konzept zu bringen, um seine Lebensqualität dadurch<br />

zu verbessern. Probleme bei der Umsetzung der<br />

Vorschläge vonseiten der KZBV ergäben sich durch<br />

Widerstände in der Politik, bei den Kostenträgern


Wissenschaft und Fortbildung BZB Dezember 13<br />

<strong>65</strong><br />

und leider auch in der Kollegenschaft. Allerdings sei<br />

ein erster Schritt mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz<br />

gemacht, der weitere Weg aber noch steinig.<br />

Aus Sicht der KZVB erläuterte Dr. Cornelius Haffner,<br />

München, die praktische Umsetzung des Pflege-Neuausrichtungs-Gesetzes.<br />

Gleich zu Beginn stellte er klar:<br />

„Wir reden über ungelegte Eier“ und nur stationäre<br />

Einrichtungen seien im Gesetz berücksichtigt. Der gegenwärtige<br />

Status quo in Bayern sei das von Dr. Herbert<br />

Michel initiierte „Patenzahnarztkonzept“ mit<br />

einer beachtlich hohen mobilen Betreuungsquote<br />

von Pflegebedürftigen. Drei Viertel aller Institutionen<br />

hätten bereits einen betreuenden Zahnarzt. Ein<br />

Kooperationsvertrag mit den gesetzlichen Krankenkassen<br />

sei daher nach Meinung der KZVB nicht nötig.<br />

Endodontie bei älteren Patienten<br />

Mit seinem für jeden zahnärztlichen Praktiker relevanten<br />

Thema „Management kalzifizierter Kanäle<br />

und Revision – die Endodontie bei älteren Patienten“<br />

läutete Dr. Bijan Vahedi, Augsburg, die „zweite<br />

Runde“ nach der Mittagspause ein. Anamnestisch<br />

sei zu beachten, dass Patienten mit Diabetes mellitus<br />

Typ I eine um 20 Prozent höhere Flare up-Rate<br />

hätten als der gesunde Patient. Dr. Vahedi plädierte<br />

daher für eine Antibiotikaprophylaxe. Ebenso sei<br />

bei Patienten unter einer Bisphosphonatmedikation<br />

eine Single shot-Antibiotikaprophylaxe angezeigt.<br />

Im Folgenden demonstrierte er unter anderem<br />

anhand von Mikro-CTs die Veränderungen des Endodonts<br />

im Alter und gab wertvolle praktische Tipps<br />

zur Detektion und Instrumentierung kalzifizierter<br />

Kanäle. Zusammenfassend empfahl er die „Crown<br />

down-Technik“, sehr dünne Handinstrumente (C-files<br />

der Firma VDW in den Größen ISO 06 <strong>bis</strong> 10)<br />

und gegebenenfalls auch NiTi-Instrumente. Bei der<br />

Kanalsuche sei die Orientierung an der Dentinfarbe<br />

sehr hilfreich, da Sekundär- und Tertiärdentin eine<br />

hellere Farbe als die ursprüngliche Dentinfarbe hätten.<br />

Und last but not least sei die Geduld des Behandlers<br />

gefragt, da „die Endodontie Demut lehrt“.<br />

Dr. Bijan Vahedi fokussierte die Endodontie bei älteren Patienten.<br />

Therapieplanung nach dem „Ampelschema”<br />

Gedanken zur Therapieplanung unter Zuhilfenahme<br />

eines „Ampelschemas“ zur Einteilung der Patienten<br />

in fit, gebrechlich und pflegebedürftig machte sich<br />

Prof. Dr. Ina Nitschke, Leipzig, mit ihren Kolleginnen<br />

Julia Kunze und Angela Stillhart, Zürich. Anhand<br />

didaktisch wertvoller Videoaufnahmen erläuterten<br />

sie die unterschiedlichen Herangehensweisen und<br />

Therapieansätze unter Berücksichtigung der zahnmedizinischen<br />

funktionellen Kapazität. Der „grüne“,<br />

das heißt fitte Patient sei nahezu für alle therapeutischen<br />

Mittel offen und sollte in ein engmaschiges<br />

Recallsystem aufgenommen werden. Solide, stabil<br />

und simpel seien die Schlagworte für den gebrechlichen<br />

(„gelben“) Patienten. Beim pflegebedürftigen<br />

(„roten“) Patienten sei weniger oft mehr.<br />

Anschließend stellte Dr. Elmar Ludwig, Ulm, das<br />

Betreuungskonzept der Landeszahnärztekammer<br />

Baden-Württemberg vor. In seinem mitreißenden<br />

Vortrag gab er anhand von Videoaufnahmen Einblicke<br />

in den Alltag eines betreuenden Zahnarztes<br />

verbunden mit wertvollen praktischen Hinweisen.<br />

Im Allgemeinen verwies er auf die Homepage der<br />

Landeszahnärztekammer (www.lzkbw.de), auf der<br />

eine Reihe von Formularen und Instrumenten wie<br />

beispielsweise Materiallisten, Leitfäden oder juristische<br />

Hinweise zu Besonderheiten bei Mitarbeiterverträgen<br />

zu finden sind. Eine Besonderheit sei das<br />

Freeware-Programm des Kollegen Pauls, mit dem<br />

sich in kürzester Zeit Nebenwirkungen und Wechselwirkungen<br />

aller Medikamente darstellen lassen.<br />

Mobile Patientenbehandlung<br />

Direkt daran knüpfte Dr. Dirk Bleiel, Rheinbreitbach,<br />

mit seinem Thema „Mobile Behandlung – aus der<br />

Praxis für die Praxis“ an und stellte sein mobiles Konzept,<br />

beginnend mit den Voraussetzungen, der Organisation<br />

und dem apparativen Aufwand, vor. Die<br />

Quintessenz seines Vortrags war zugleich das Fazit<br />

des gesamten Kongresses: Auch und gerade im Alter<br />

ist die Prophylaxe essenziell, alle weiteren Therapieschritte<br />

hätten sonst „sisyphalen Charakter“.<br />

Die therapeutischen Maßnahmen sollten der „3 S-<br />

Regel“ (save, solid, simple) folgen. Finanziell sei eine<br />

solche Behandlung nur in Teamwork mit guter Organisation<br />

und bei gleichzeitiger Betreuung mehrerer<br />

Patienten interessant. Letztlich seien die Hürden für<br />

eine mobile Behandlung relativ hoch und man erfahre<br />

„Kritik von allen <strong>Seite</strong>n“. Dennoch sei gerade<br />

das „Helfen“ für diese Patienten-Randgruppe von<br />

großer Bedeutung, um deren Gesundheit und Lebensqualität<br />

zu erhalten und zu verbessern.

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