SEHNSUCHT NACH DEM KRIEG? - DIABOLO / Mox
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<strong>DIABOLO</strong> WOCHENZEITUNG | Ausgabe 45/13 KINO 9<br />
Das kleine Gespenst<br />
TEXT | HORST E. WEGENER<br />
Pünktlich zu Mitternacht erwacht das kleine<br />
Gespenst auf Burg Eulenstein, um dort<br />
herum zu spuken. Auf Dauer ist das ganz<br />
schön laaaangweilig. Und so kann man es<br />
verstehen, dass sich der Spukgesell seit<br />
Jahrhunderten zusehends mehr wünscht,<br />
einmal tagsüber wach sein zu dürfen.<br />
Als dies dann wirklich mal passiert, färbt<br />
die Sonne das schneeweiße Gewand des<br />
Flattergeists im Nu pechrabenschwarz ein<br />
– und der „schwarze Unbekannte“ sorgt<br />
in der Stadt und auf Burg Eulenstein<br />
nurmehr für Chaos. So sehr sich das<br />
Gespenstlein wünscht, dass alles wieder<br />
wie früher sein soll, ohne die Hilfe der<br />
Kinder Karl, Maria und Hannes wäre das<br />
nie und nimmer hinzubiegen!<br />
Liebevoll computeranimiert gibt das kleine<br />
Gespenst neben den echten kleinen<br />
und großen Darstellern eine durchaus<br />
glaubhafte Figur ab. Die Handlung entnimmt<br />
Filmemacher Alain Gsponer der<br />
allseits bekannten Vorlage des Kinderbuchautoren<br />
Otfried Preußler, der im<br />
Februar starb. Wetten, dass letzterem diese<br />
Verfilmung – inklusive der malerischen<br />
Drehorte im zauberhaften Städtchen<br />
Quedlinburg, der namhaften Besetzung<br />
und der kindgerechten Späße - gefallen<br />
würde? Was unsere Jüngsten unterhalten<br />
mag, sollte auch bei den älteren Semestern<br />
ankommen! Kurzum: Gelungen!<br />
Das kleine Gespenst<br />
Deutschland ‘13, R: Alain Gsponer<br />
mit Jonas Holdenrieder, Uwe Ochsenknecht,<br />
Anna Thalbach.<br />
Wertung: Q Q Q Q Q Q<br />
Casablanca, CinemaxX: ab Do. 7.11.<br />
Fack Ju Göhte<br />
TEXT | DIETER OSSWALD<br />
Mit über 2,4 Millionen Besuchern war „Türkisch<br />
für Anfänger“ der erfolgreichste deutsche<br />
Film im vorigen Jahr. Nun will Regisseur<br />
und Drehbuchautor Bora Dagtekin<br />
mit seinem Helden Elyas M'Barek den<br />
Comedy-Coup wiederholen. Auf eine naheliegende<br />
Fortsetzung wird zum kreativen<br />
Glück verzichtet, stattdessen die gute alte<br />
Schulkomödie aufgemischt.<br />
Dass mit Uschi Glas eine Ikone der höchst<br />
populären „Pauker“-Klamotten aus den<br />
70er Jahren recycelt wird, entpuppt sich<br />
als großartig kleiner Genre-Spaß – durchaus<br />
typisch für den Humor des leidenschaftlichen<br />
TV-Retro-Freaks Christian<br />
Becker, der schon den „Wixxer“, „Jerry<br />
Cotton“ oder „Kalkofes Mattscheibe“ produzierte.<br />
Die Glas als Pädagogen-Wrack<br />
am Rande des Nervenzusammenbruchs<br />
zu zeigen, macht die herrlich dämliche<br />
Pointe so perfekt wie ironische Reverenz<br />
an die putzigen Namen von einst. Aus<br />
Pepe Nietnagel, Dr. Taft und Dr. Knörz<br />
von damals werden hier nun Frau Schnabelstedt,<br />
Frau Leimbach-Knorrs und Leo<br />
Deckweiß. Und wer könnte die Zicke<br />
glaubhafter verkörpern als eine Katja Riemann?<br />
Schön blöd natürlich auch die Story<br />
selbst: M'Barek gibt den Macho und<br />
Kleinganoven Zeki Müller, der nach längerem<br />
Knastaufenthalt feststellt, dass seine<br />
gnadenlose blonde Freundin die Diebesbeute<br />
ausgerechnet just dort vergraben<br />
hat, wo mittlerweile die Turnhalle<br />
einer Schule gebaut wurde. Die einzige<br />
Möglichkeit, noch an das Geld zu kommen,<br />
ist einen Tunnel zu graben. Dafür<br />
will sich Zeki als Hausmeister bewerben,<br />
bekommt jedoch die Stelle als Aushilfslehrer.<br />
Im Unterschied zur weltfremden<br />
Pädagogin Schnabelstedt kann Herr Müller<br />
sich dank robuster Methoden auch bei<br />
der übelsten Klasse schnell Respekt verschaffen.<br />
Klar, dass er bald sein Herz für<br />
die Kids und die Liebe zur Kollegin entdeckt.<br />
Die naive Handlung wimmelt nur<br />
so vor Klischees und scheut keine billigen<br />
Gags, vom läppischen Schülerstreich<br />
bis zur obligatorischen „Romeo und<br />
Julia“-Aufführung. Mut zum Klamauk<br />
gehört zu diesem Genre schließlich dazu.<br />
Dass die Sache gleichwohl amüsant ausfällt,<br />
liegt an der bewährten Tapsigkeit<br />
von Hauptdarsteller Elyas M'Barek sowie<br />
dem überraschenden Ulknudel-Talent<br />
von Karoline Herfurth. Nicht zuletzt sorgen<br />
die Schülerdialoge für lässige Stimmung.<br />
Sei es mit der bahnbrechenden<br />
Erkenntnis über die Existenz von „Pandora“.<br />
Oder, noch mehr, durch den radebrechenden<br />
Wortschatz von Schätzchen<br />
Chantal: „Sie Geisterkranker!“.<br />
Fuck Ju Göthe<br />
Deutschland ‘13: R: Bora Dagtekin<br />
mit Elyas M'Barek, Karoline Herfurth,<br />
Uschi Glas, Katja Riemann.<br />
Wertung: Q Q Q Q Q Q<br />
CinemaxX: ab Do. 7.11.<br />
You’re next<br />
TEXT | HORST E. WEGENER<br />
Ein Pärchen, das in einem abgelegenen<br />
Landhaus Sex hat – und für jedem Horrorfilmfan<br />
ist´s klar, dass dies bös enden<br />
muss! Nur Minuten später sind die beiden<br />
mause.<br />
Gemeuchelt von ´nem Typen mit einer<br />
Tiermaske, der die mit Blut geschriebene<br />
Botschaft „Du bist der nächste“ auf<br />
die Wand schmiert. Umso blutrünstiger<br />
geht es nach diesem genregemäßen Auftakt<br />
weiter: In der Nachbarschaft ist eine<br />
Großfamilie eingetrudelt, trifft man sich<br />
anlässlich des Hochzeitstages der Eltern.<br />
Während die Gesellschaft von maskierten<br />
Killern nach dem altbekannten Zehnkleine-Negerlein-Prinzip<br />
gemeuchelt wird,<br />
beweist Regieroutinier Adam Wingard,<br />
wie gut er sich im Milieu der Homeinvasion-Schocker<br />
auskennt. Durchtränkt mit<br />
galligem Humor zitiert sich sein „You´re<br />
next“ durch filmische Vorbilder wie<br />
„Straw Dogs“, „The Purge“, darf sich<br />
Hauptdarstellerin Sharni Vinson mit<br />
mucho macho-Attitüde zur Wehr setzen<br />
– definitiv nichts für Zartbesaitete!<br />
You’re next<br />
USA ‘11: R: Adam Wingard mit Sharni<br />
Vinson, AJ Bowen, Joe Swanberg,<br />
Nicholas Tucci, Wendy Glenn.<br />
Wertung: Q Q Q Q Q Q<br />
CinemaxX: ab Do. 7.11.<br />
Blue Jasmine<br />
TEXT | MARTIN SCHWICKERT<br />
„Wo genau bin ich?“ fragt Jasmine (Cate<br />
Blanchett) einen vorbeigehenden Passanten.<br />
Die Frage ist im Falle der New Yorkerin,<br />
die in San Fransisco gestrandet ist,<br />
nicht nur geografischer, sondern existenzieller<br />
Natur.<br />
Vollkommen verloren ist sie in dieser<br />
fremden Gegend, genauso wie in ihrem<br />
eigenen Leben, das von einem Tag auf<br />
den anderen in sich zusammen gefallen<br />
ist. Vor nicht allzu langer Zeit gehörte<br />
Jasmine noch zur New Yorker High Society,<br />
bis herauskam, dass Göttergatte und<br />
Investmentberater Hal (Alec Baldwin) für<br />
den eigenen Wohlstand in fremde Kassen<br />
gegriffen hatte. Nun steht sie im Chanel-Jäckchen<br />
vor der Wohnung ihrer<br />
Schwester Ginger (Sally Hawkins) und<br />
hofft auf der anderen Seite des Kontinents<br />
wieder auf die Beine zu kommen. Das<br />
Apartment, in der Ginger mit ihren beiden<br />
Söhnen lebt, ist klein und ihr Freund<br />
Chili (Bobby Cannavale) ist wenig begeistert,<br />
dass anstatt er nun die zickige<br />
Schwester einzieht. Schon immer hatte<br />
Woody Allen ein gutes Händchen für die<br />
differenzierte Ausgestaltung neurotischer<br />
Frauencharaktere und wie kaum ein anderer<br />
versteht er es, seine Schauspielerinnen<br />
zu neuer, frischer Form auflaufen zu lassen.<br />
In „Blue Jasmine“ ist es nun die hervorragende<br />
Cate Blanchett, die in der Rolle<br />
einer Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs<br />
noch einmal über sich<br />
hinauswächst. Einerseits ist diese gefallene<br />
Park-Avenue-Diva ein Monster, das<br />
ohne nachweisbare soziale Kompetenzen<br />
seine Mitmenschen durch pure Ignoranz<br />
auszusaugen scheint. Andererseits erarbeitet<br />
sich das neurotische, Pillen schlukkende<br />
Wesen auch zunehmend das Mitgefühl<br />
des Publikums. Mit unnachgiebiger<br />
Genauigkeit zeigt „Blue Jasmine“ eine<br />
Frau im freien Fall durch die sozialen<br />
Hierarchien und befindet sich damit an<br />
einem Brennpunkt der amerikanischen<br />
Krisengesellschaft. Auch wenn Allen hier<br />
nicht gleich zum Klassenkämpfer mutiert,<br />
wird das Aufeinanderprallen der verschiedenen<br />
sozialen Milieus mit feiner Ironie<br />
zelebriert. Der Fokus des Filmes bleibt<br />
jedoch bedingungslos auf der neurotischen<br />
Zentralfigur, deren Schuldverstrikkungen<br />
am eigenen Schicksal mit einer<br />
konventionellen Rückblendendramaturgie<br />
sukzessive aufgedeckt werden, während<br />
die strauchelnde Heldin auf der<br />
Gegenwartsebene ihrem gesellschaftlichen<br />
Abstieg zu entrinnen scheint. Aber wer<br />
„Matchpoint“ gesehen hat, weiß, dass<br />
man sich in den Filmen Woody Allens<br />
nie wirklich in Sicherheit wiegen darf.<br />
Und so findet auch „Blue Jasmine“ eine<br />
Schlusswendung, in der Regisseur und<br />
Hauptdarstellerin noch einmal wahre<br />
Größe beweisen können.<br />
Blue Jasmine<br />
USA ‘13: R: Woody Allen mit Cate<br />
Blanchett, Sally Hawkins, Alec Baldwin<br />
Wertung: Q Q Q Q Q Q<br />
Casablanca: ab Do. 7.11.<br />
Verteiler gesucht!!<br />
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VERANSTALTUNGSJOURNAL