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absolventen - Akademisches Gymnasium

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Seite 2<br />

ABSOLVENTEN<br />

Die Freude dieser Schülerin und die Tatsache, dass überraschend<br />

viele 10-Jährige die Papstwahl am Vorabend<br />

mitverfolgt hatten, machten es geradezu nötig, die erste<br />

Religionsstunde dieses Tages kurzerhand dem neuen<br />

Papst zu widmen. Ich selbst war noch unsicher, wie ich<br />

diese rasche Wahl und diesen mir unbekannten Erzbischof<br />

aus Südamerika einordnen sollte.<br />

Aber schon tauchten erste Fragen auf: Wie schreibt man<br />

Franziskus nun richtig? Francisco, Franziskus, schreibt<br />

man Franz I. und was ist eigentlich ein Erzbischof? „Ein<br />

Erzbischof“, meinte einer ganz aufgeweckt, „ist einfach<br />

noch etwas prächtiger und festlicher angezogen als ein<br />

Bischof!“ „Haben wir in Linz auch einen Erzbischof?“,<br />

wollte eine andere wissen. Dabei lernten wir gleich, dass<br />

es in Österreich 10 Diözesen und davon zwei Erzbistümer<br />

gibt.<br />

Andere bewegte viel eher der erste Auftritt des Papstes<br />

Franziskus: Seine Art zu lächeln und die Menschen zu<br />

grüßen. „Er hat eigentlich falsch gewinkt!“, kritisierte<br />

eine Schülerin und zeigte auf meine Nachfrage vor, wie<br />

ein Papst „richtig“ winkt, nämlich beide Arme erhoben<br />

und die Handrücken zum Volk zeigend. „Aber der neue<br />

Papst hat ganz einfach allen zugewinkt und die Handflächen<br />

gezeigt!“ Besonders fasziniert hat eine Schülerin<br />

die Schilderung, dass sich der Papst nach seiner<br />

Wahl für einige Minuten allein in die sogenannte „Kapelle<br />

der Tränen“ (Stanza delle lacrime) zurückzieht. „Er<br />

kann dort Freudentränen weinen, weil er gewählt worden<br />

ist.“, meinte sie, ergänzte aber, „Ich bin sicher, dass<br />

er nicht nur aus Freude geweint hat, sondern auch aus<br />

Trauer, weil er doch gar nicht mehr nach Hause kann,<br />

um sich zu verabschieden oder seine Sachen zu packen.“<br />

Wann würde der Papst wohl Auto fahren lernen, denn<br />

das müsste er jetzt wohl als Papst. „In Buenos Aires ist<br />

er ja immer nur Bus und Straßenbahn gefahren“, wusste<br />

ein Schüler zu berichten. Mein Hinweis, dass das Papamobil<br />

ein Elektrofahrzeug sei, das man ganz einfach<br />

steuern könne, beruhigte die besorgten Schülerinnen<br />

und Schüler einigermaßen. Auch habe er als Papst sicher<br />

einen Chauffeur, erklärte ich weiter. „Er hat ja sogar<br />

eine eigene Schutztruppe“, ergänzte ein Schüler,<br />

„die Schweizer Garde!“ Mehr Sorgen bereitete ihnen<br />

allerdings die Tatsache, dass der Papst keine Ferien hat<br />

und kaum Urlaub nehmen kann. Vollends schwierig zu<br />

beantworten wurde für mich die Frage einer Schülerin,<br />

die wissen wollte, warum denn eigentlich nur Männer<br />

Papst werden können. „Also, das finde ich ungerecht“,<br />

meinte sie selbstbewusst.<br />

Ja, dieses lachende Gesicht meiner Schülerin am Morgen<br />

und die angeregte Diskussion in der folgenden<br />

Stunde werde ich künftig mit dem neugewählten Papst<br />

Franziskus in Verbindung bringen. Ehrlich gesagt, war<br />

diese Religionsstunde eine Lernstunde für mich: So naiv<br />

und kindlich manche Vermutungen und Fragestellungen<br />

der Erstklassler klingen mögen, sie ließen meine eigene<br />

Verwirrtheit und Überraschung über diese unerwartete<br />

Wahl in einem anderen Licht erscheinen.<br />

Während sich die „Großen“ kluge Gedanken über künftige<br />

Weichenstellungen in Theologie und Kirchenpolitik<br />

machen, fragen Kinder letztlich aus ihrer eigenen Erfahrungswelt<br />

heraus. Vielleicht ist die Tatsache, dass dieser<br />

Papst in den ersten Tagen gerade diese emotionale<br />

Ebene so angesprochen hat, der Grund dafür, dass ihm<br />

eine überraschend große Welle an Begeisterung entgegenströmt.<br />

Mag. Gisela Nesser<br />

Papst Franziskus

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