Ausgabe Nr. 03/2012 - ICEJ
Ausgabe Nr. 03/2012 - ICEJ
Ausgabe Nr. 03/2012 - ICEJ
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
24 wort aus jerusalem A U S D E R B O T S C H A F T A U S D E R B O T S C H A F T wort aus jerusalem<br />
25<br />
Holocaust light gibt es nicht!<br />
<strong>ICEJ</strong> unterstützt Film über Sara Atzmon<br />
Von Lisa Schmid<br />
Geschickt kontrastiert der Film diese<br />
sehr intensive und persönliche Art der<br />
Vergangenheitsbewältigung mit Begegnungen<br />
im heutigen Deutschland. Während<br />
für Sara Atzmon, ihre Kinder und<br />
Enkel in Israel das Gedenken einen zentralen<br />
Platz in der Familiengeschichte<br />
einnimmt, stößt man bei der deutschen<br />
Bevölkerung, insbesondere in der jungen<br />
Generation, auf eine alarmierende<br />
Unwissenheit.<br />
Unwissenheit und Ressentiments<br />
Großmutter und Enkelin stehen<br />
gemeinsam auf der Rampe in Bergen-<br />
Belsen. Hier kamen die Züge mit den<br />
europäischen Juden an. Die Israelin Sara<br />
Atzmon (79) hält die kleine Scharav (12)<br />
fürsorglich im Arm, als sie ihr behutsam<br />
von dem Schrecklichen erzählt, was<br />
ihr und ihrer Familie in diesem Konzentrationslager<br />
zugestoßen ist. Scharav<br />
stellt viele Fragen, will verstehen,<br />
was damals geschehen ist. Später wird<br />
sie ihre Eindrücke umsetzen – sie tanzt<br />
für die über 70 ermordeten Mitglieder<br />
ihrer Familie und schreibt ihre Namen<br />
auf kleine Gedenksteine. Diese und weitere<br />
bewegende Szenen stammen aus dem<br />
Film „Holocaust light gibt es nicht“ der<br />
Regisseurin Ilona Rothin.<br />
Die Dokumentation des christlichen<br />
Vereins„Feigenbaum e.V.“ aus Korntal<br />
wird von der <strong>ICEJ</strong> finanziell sowie durch<br />
eigene Interview-Beiträge gefördert, die<br />
bekannte deutsche Schauspielerin Iris<br />
Berben spricht den Erzähltext. Ziel des<br />
Filmes ist es, möglichst viele, insbesondere<br />
auch junge Leute in Deutschland<br />
mit dem Thema Holocaust zu erreichen.<br />
Umgang mit der Vergangenheit<br />
Der Film begleitet Sara und Scharav auf<br />
ihrem Weg quer durch Europa, auf den<br />
Spuren des Grauens und der Massenvernichtung.<br />
Gleichzeitig zeigt er, wie<br />
konstruktiv die Künstlerin Sara Atzmon<br />
mit ihrer Vergangenheit umgeht und<br />
wie sehr es ihr am Herzen liegt, dass<br />
die Lektionen aus dieser furchtbaren<br />
Zeit nicht vergessen werden. Sie geht in<br />
deutsche Schulen, erzählt ihre Geschichte<br />
und führt Kunstworkshops mit den<br />
Schülern durch: „Es geht mir nicht um<br />
Schuld, sondern darum, dass die jungen<br />
Deutschen die Verantwortung für ihre<br />
Geschichte übernehmen“, sagt sie. Sie<br />
hat es nicht gelernt zu hassen.<br />
Lisa Schmid bei den Dreharbeiten<br />
am Holocaustmahnmal in Berlin<br />
Bahngleise nach Auschwitz<br />
Jugendliche im Deutschland von <strong>2012</strong><br />
wissen nicht mehr, wo Auschwitz liegt<br />
und was das Wort Holocaust bedeutet.<br />
Unbekümmert verwandeln Kinder und<br />
Jugendliche das Mahnmal für die Holocaustopfer<br />
in Berlin in eine Spiel-und<br />
Kletterwiese. Im Osten Deutschlands<br />
werden Ressentiments gegen Juden<br />
offen und skrupellos vor der Kamera<br />
geäußert, ein jüdisches Restaurant<br />
wird immer wieder angegriffen und<br />
beschmiert. Gleichzeitig fordern Deutsche<br />
mittleren Alters mit größter Selbstverständlichkeit,<br />
dass nun doch endlich<br />
ein „Schlussstrich“ unter die deutsche<br />
Vergangenheit gezogen werden müsste.<br />
Vereinzelte, denen die deutsche<br />
Geschichte und ihre Folgen nicht gleichgültig<br />
sind, werden auch in diesem Film<br />
gezeigt – doch die Mehrzahl der Spontanreaktionen<br />
auf das Thema „Holocaust“<br />
sind verstörend bis schockierend.<br />
Es bleibt der beunruhigende Eindruck<br />
zurück, dass die vielen Jahre kollektiver<br />
Geschichtsaufarbeitung in Deutschland<br />
ihr wirkliches Ziel verfehlt haben – zu<br />
wenig scheint bei der überwiegenden<br />
Mehrheit der Deutschen auf die persönliche<br />
Ebene durchgedrungen zu sein,<br />
sowohl im Geschichtsunterricht als auch<br />
Scharav auf den Spuren ihrer Großmutter<br />
in den deutschen Familien selbst. Empathie<br />
für die Opfer oder Verantwortungsgefühl<br />
sind Mangelware.<br />
Die Malerin Sarah Atzmon<br />
Persönliche Aufarbeitung<br />
Sarah Atzmon mit ihrer Enkelin Scharav<br />
im Raum der Stille in Bergen-Belsen<br />
Sara Atzmon konnte erst 20 Jahre nach<br />
den schrecklichen Erlebnissen in Europa<br />
erstmals über ihre persönliche Leidenszeit<br />
sprechen – 40 Jahre später begann<br />
sie, diese künstlerisch umzusetzen. Eine<br />
vergleichbare intensive und vor allem<br />
persönliche Auseinandersetzung mit<br />
dem belasteten Familienerbe hat in deutschen<br />
(Täter- und Mitläufer-) Familien<br />
bisher jedoch kaum stattgefunden – auch<br />
in vielen christlichen Familien nicht.<br />
Da sich jedoch negative Prägungen von<br />
Generation zu Generation fortsetzen,<br />
wenn sie nicht aufgedeckt und konfrontiert<br />
werden, ist eine solche persönliche<br />
Beschäftigung mit der individuellen<br />
Familiengeschichte in Deutschland<br />
unverzichtbar – auch dafür plädiert dieser<br />
Film.<br />
„Holocaust light gibt es nicht“ von Ilona<br />
Rothin wird nächstes Jahr auf mehreren<br />
nationalen und internationalen Filmfestivals<br />
gezeigt und ist ab Sommer 2013<br />
auf DVD erhältlich, auch im <strong>ICEJ</strong>-Shop<br />
unter www.icej-shop.de.<br />
Weitere Informationen über den Film<br />
und der Trailer sind auf www.holocaustlight-derfilm.de<br />
zu finden.