Ausgabe Nr. 03/2012 - ICEJ
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28 wort aus jerusalem<br />
N A H O S T - F O K U S<br />
N A H O S T - F O K U S<br />
wort aus jerusalem 29<br />
Iran für Anfänger<br />
Fragen und Antworten zur Atomkrise<br />
Auszüge eines Artikels des israelischen Journalisten Herb Keinon, veröffentlicht<br />
in der Oktoberausgabe der Jerusalem Post Christian Edition, Zusammenfassung: Lisa Schmid<br />
Zeichnung des Naksh-e Jahan- Platzes in Isfahan (heutiger Iran) des französischen Architekten Xavier Pascal Coste, der 1839 nach Persien reiste.<br />
Säbelrasseln, Drohszenarien und widersprüchlichste<br />
Meldungen zur Iran-Frage häufen sich in den<br />
letzten Wochen und Monaten. Daher ist es wichtig, nach<br />
Antworten auf die grundlegendsten Fragen zu suchen.<br />
Wird Israel den Iran angreifen?<br />
Dies ist die Mutter aller Iran-Fragen. Nur Premierminister<br />
Netanjahu und Verteidigungsminister Barak kennen die<br />
Antwort darauf. Alle anderen stellen nur Vermutungen an.<br />
Und Barak und Netanjahu? Sie sagen es nicht, jedenfalls<br />
nicht direkt.<br />
Barak hat bereits einige sehr deutliche Argumente für<br />
einen Angriff aufgelistet, hat einen solchen bisher aber<br />
noch nicht als unvermeidlich bezeichnet. Netanjahu andererseits<br />
hat erklärt, der Iran müsse an der Entwicklung<br />
einer eigenen Atombombe gehindert werden. Er hat auch<br />
historische Vergleiche zwischen heute und der Zeit in den<br />
1930er Jahren vor dem Holocaust gezogen. Er hat jedoch<br />
noch nie gesagt, dass Jerusalem angreifen werde. Anfang<br />
September ruderte er tatsächlich etwas zurück und erklärte,<br />
sogenannte „rote Linien“ der USA könnten einen Angriff<br />
Israels verhindern.<br />
Historische Präzedenzfälle<br />
Wir können uns also nur an historischen Präzedenzfällen<br />
orientieren. Diese besagen Folgendes: Wenn Israel spürt,<br />
dass es mit dem Rücken zur Wand steht, dass das Messer<br />
wirklich schon an seiner Kehle angesetzt ist, dann wird es<br />
handeln, selbst wenn die USA dagegen sind.<br />
Das galt 1948, als David Ben-Gurion den Staat gegen den<br />
heftigen Widerstand der USA ausrief. Das galt auch 1967,<br />
als Levi Eschkol die Entscheidung für einen Präventivschlag<br />
gegen Ägypten fällte, obwohl US-Präsident Lyndon Johnson<br />
klargestellt hatte, dass Israel es dann allein ausfechten<br />
müsste. Und auch 2007, als Israel nach ausländischen<br />
Berichten die Atomanlage in Syrien zerstörte, galt dieses<br />
Prinzip. US-Präsident George Bush wollte diese Frage<br />
friedlich durch die IAEA und die UN lösen.<br />
Barak fasste es kürzlich so zusammen: „Es gibt Momente im<br />
Leben einer Nation, in der das Gebot zu leben gleichbedeutend<br />
ist mit dem Gebot, zu handeln. So war es am Vorabend<br />
des Sechstagekrieges. So war es 1948. Und so könnte es<br />
auch jetzt sein.“ Das Schlüsselwort hier ist „könnte“. Dass<br />
Israel noch nicht gehandelt hat, zeigt, dass es die Wand in<br />
seinem Rücken noch nicht spürt. Der Punkt könnte kommen,<br />
aber er ist noch nicht da. Sonst würde Netanjahu nicht<br />
darüber reden, dass die USA rote Linien ziehen müssten,<br />
wenn diese bereits überschritten wären.<br />
Wenn Israel angreift, wann wird es das tun?<br />
In den letzten Wochen waren immer wieder die US-Präsidentschaftswahlen<br />
am 6. November als „entscheidendes<br />
Datum“ im Gespräch. Einige argumentieren, Netanjahu<br />
müsste vor diesem Datum angreifen, da dann Obama<br />
gezwungen wäre, eine israelische Militäraktion zu unterstützen,<br />
um seine pro-israelischen Wähler nicht zu verlieren.<br />
Sollte Obama wiedergewählt werden und Israel erst<br />
nach den Wahlen den Iran angreifen, würde Jerusalem die<br />
ganze Wucht des Zorns Obamas riskieren.<br />
Als Gegenargument kann man aber anführen, dass ein<br />
israelischer Angriff vor den Wahlen die Lage für Obama<br />
komplizieren und er sich später „rächen“ würde, sollte er<br />
die Abstimmung gewinnen. Der 6. November ist eine Pseudofrist<br />
und bedeutungslos. Noch einmal: Sollte Israel die<br />
Wand in seinem Rücken spüren, wird es vor diesem Datum<br />
angreifen- oder danach.<br />
Warum verschärft der Iran seine antisemitische<br />
und anti-israelische Rhetorik?<br />
Vor dem Gipfel der Blockfreien Staaten Anfang September<br />
hat der Iran seine heftigen antisemitischen und antiisraelischen<br />
Tiraden noch einmal intensiviert. Warum tut<br />
die iranische Führung das in einer Zeit, wo sie eigentlich<br />
eine Lockerung der internationalen Sanktionen erreichen<br />
möchte?<br />
Die Antwort ist einfach: Die iranische Führung glaubt<br />
einfach das, was sie sagt. Wenn der oberste Führer Ajatollah<br />
Ali Chameinei die Zionisten als „blutrünstige Wölfe“<br />
porträtiert, die eine „Gefahr für die gesamte Menschheit“<br />
darstellen, dann glaubt er das. Dasselbe gilt für Präsident<br />
Ahmadinedschad und seine hetzerischen Tiraden, er meint,<br />
was er sagt.<br />
Erstaunlich ist gleichzeitig, dass jeder anonymen Aussage<br />
israelischer Offizieller über einen möglichen Iran-Angriff<br />
so viel Aufmerksamkeit gewidmet wird, ohne dass diese<br />
massenmörderischen Kommentare dieselbe Beachtung<br />
erfahren. Schließlich sind sie der Grund, warum Israel<br />
überhaupt einen Angriff erwägt.<br />
Während die israelische Strategie seit 2000 darin besteht,<br />
die Welt davon zu überzeugen, dass ein nuklearer Iran nicht<br />
nur Israel bedrohen würde, sondern die gesamte internationale<br />
Gemeinschaft, bemühen sich die Iraner, den Streit als<br />
Konflikt der Muslime gegen Israel darzustellen. Dadurch,<br />
dass sie die Zionisten permanent verleumden, bringen sie<br />
muslimische Staaten, deren schlimmster Albtraum eigentlich<br />
eine iranische Bombe ist, dazu, nicht aufzubegehren.<br />
Zu sehr entsprechen die anti-zionistischen Hetztiraden der<br />
Meinung ihrer eigenen Völker.<br />
Warum sind Russland und China so wenig<br />
kooperativ?<br />
Genauso kontraproduktiv wie die iranischen Hasstiraden<br />
erscheinen die Haltungen Russlands und Chinas. Keines<br />
der beiden Länder hat ein Interesse an einer Atommacht<br />
Iran, insbesondere Russland nicht, dass das Kaspische Meer<br />
mit dem Iran teilt. Dennoch behindern sie immer wieder<br />
die Bemühungen der Weltgemeinschaft, mehr Druck auf<br />
Teheran auszuüben. Russland und China bremsen aus<br />
demselben Grunde, aus dem sie das syrische Regime weiterhin<br />
unterstützen: Sie haben Angst vor amerikanischer<br />
Dominanz im Nahen Osten. Sie befürchten, dass ein Kollaps<br />
des Iran, Syriens und der Hisbollah zu einer vollständigen<br />
amerikanischen Vorherrschaft im Nahen Osten mit seinen<br />
Ölquellen führen würde. Nach ihrer Auffassung haben die<br />
Amerikaner bereits enge Verbündete im Persischen Golf,<br />
in der Türkei und in Israel. Der Zusammenbruch des Iran<br />
und Syriens könnte auch diese Staaten möglicherweise ins<br />
amerikanische Lager überlaufen lassen. Dadurch würden<br />
Moskau und Bejing ihre eigenen Interessensphären in dieser<br />
strategisch wichtigen Region verlieren.<br />
Gibt es eine israelisch-amerikanische<br />
Krise?<br />
Es gibt ernsthafte Meinungsverschiedenheiten in der Iran-<br />
Frage, aber keine Krise. Widersprüchliche Medienberichte<br />
zu den israelisch-amerikanischen Beziehungen haben<br />
hauptsächlich wahltaktische Gründe. Eine Krise besteht,<br />
wenn Vertrautheit, Unterstützung und Kooperation enden.<br />
Das ist bisher nicht geschehen.<br />
Worin bestehen die Meinungsverschiedenheiten?<br />
Anschaulich ausgedrückt: Hält man den Iran davon ab,<br />
alle Zutaten zu bekommen, um einen nuklearen Kuchen<br />
backen zu können, wann immer er Hunger darauf hat?<br />
Das ist die israelische Position. Oder stoppt man das Land<br />
erst, wenn es diesen Kuchen tatsächlich aus dem Ofen holt?<br />
(Amerikanische Position) Dies ist eine ernstliche aber nicht<br />
unüberbrückbare Meinungsverschiedenheit. In der zweiten<br />
Septemberwoche hat Netanjahu erklärt, er wäre zufrieden,<br />
wenn die USA den<br />
iranischen Küchenchefs Persischer Teppich<br />
sagen würden, wann im<br />
Backprozess sie einschreiten<br />
und die Küche plündern<br />
werden. Jerusalem<br />
wartet noch auf eine Antwort.