Ausgabe Nr. 03/2012 - ICEJ
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12<br />
wort aus jerusalem<br />
I C E J W E L T W E I T<br />
I C E J - H I L F S D I E N S T E<br />
wort aus jerusalem<br />
13<br />
ganz groß geworden. Ich bin ganz gerührt<br />
von der lieben, freundlichen Begrüßung<br />
hier, wie sich die Bewohner freuen, auch<br />
Deutsch zu sprechen. Mit Schula rede ich<br />
gern, sie ist eine ganz Liebe und freut sich<br />
immer, wenn man Zeit hat, mit ihr zu<br />
reden. Sie hat jetzt auch Aufgaben übernommen,<br />
verteilt Briefe und hilft beim<br />
Übersetzen, wenn Besucher kommen.“<br />
Auschwitz überlebt<br />
Heimbewohnerin Miriam<br />
Auf der Besuchsrunde durch das Haifa-Heim<br />
trafen wir unter anderem die<br />
88-jährige Leokadia Szlag, genannt Leah,<br />
geboren in Polen. Sie zog vor über einem<br />
halben Jahr ins Haifa-Heim und freute<br />
sich sehr über unser Kommen. Begeistert<br />
stellte sie auch ihre beiden Töchter<br />
vor, die sie gerade besuchten. „Als ich in<br />
Birkenau war, habe ich gefleht: ‚Gott, hilf<br />
mir!‘ Heute sage ich meinen Töchtern:<br />
‚Gelobt sei Gott, dass wir die Internationale<br />
Christliche Botschaft haben, die uns<br />
hilft!´“<br />
Als junge Frau war Leah in mehreren<br />
Konzentrationslagern interniert, unter<br />
anderem in Auschwitz, Birkenau und<br />
Dachau. Stolz erzählte sie von ihrem verstorbenen<br />
Mann, der ebenfalls aus Polen<br />
stammte. „Mein Mann war ein Christ und<br />
politisch Verfolgter. In Dachau musste er<br />
als Lebensmittelmagazinverwalter arbeiten.<br />
Er hat Essen und Medizin ins Lager<br />
geschmuggelt, ohne dass die Nazis es<br />
bemerkten. Einmal hat er mir ein ganzes<br />
Brot und ein Säckchen Zucker gegeben.<br />
Die Frauen im Lager haben mich beneidet,<br />
dass ich so einen guten Fang gemacht<br />
habe“, erzählte Leah. „Mein Mann hat<br />
mir das Leben gerettet. Als wir aus Dachau<br />
abtransportiert werden sollten, hat<br />
er mich und noch zwei andere von dem<br />
Wagen wieder runtergeholt, auf dem wir<br />
uns schon befanden.“<br />
Keine Nummer mehr<br />
Miriam mit Helga Voraberger und Theresia Dobringer (beide aus Österreich)<br />
Eine schmale, helle Narbe zieht sich über<br />
ihren linken Unterarm. „Im Lager war ich<br />
nur eine Nummer. Aber ich habe mein<br />
Leben ohne diese Nummer begonnen,<br />
und ich wollte es nicht mit der Nummer<br />
beenden. In Montreal hat mir ein Arzt<br />
geholfen und sie rausgeschnitten“, sagte<br />
Leah. „Ich habe aber Papiere, die belegen,<br />
dass ich Konzentrationslager überlebt<br />
habe.“ Über ihr Leben hat sie ein Buch<br />
geschrieben. „Ich kenne die Geschichten<br />
von meiner Mutter. Aber lesen kann<br />
ich das Buch nicht und mein Sohn auch<br />
nicht“, erklärte Leahs Tochter Miriam.<br />
„Das ist zu schwer für uns.“<br />
1958 kam Leah nach Deutschland und<br />
lebte 32 Jahre lang dort, bevor sie erst<br />
nach Kanada und vor wenigen Jahren<br />
nach Israel zog. „Dr. Adenauer hat mir<br />
geschrieben und mich nach Deutschland<br />
eingeladen. Mit Hilfe von einem<br />
Freund meines Mannes habe ich in Köln<br />
ein unbefristetes Visum für Deutschland<br />
bekommen. ‚Jetzt bleiben Sie bei uns‘, hat<br />
der Beamte gesagt“, erinnerte sich Leah.<br />
Ihr Mann, der mit 64 Jahren bei einem<br />
Autounfall in Deutschland starb, wurde<br />
posthum geehrt. „Weil er KZ-Häftlingen<br />
geholfen hat, bekam er eine Ehrenmedaille<br />
aus Polen, die vom ehemaligen Staatspräsidenten<br />
Lech Walesa unterschrieben<br />
wurde“, erklärte Leah und ließ sich gerne<br />
mit der Medaille vor einem Bild ihres<br />
Mannes, das im KZ gezeichnet worden<br />
war, fotografieren.<br />
Origami-Kunst zum Schabbat<br />
Auf dem Balkon neben dem Essraum trafen<br />
wir Helga, die gemeinsam mit Miriam<br />
Servietten in Origami-Technik für den<br />
kommenden Schabbat faltete. „Letztes<br />
Jahr haben wir einen schönen Schabbat-<br />
Tisch gedeckt. In den gefalteten Servietten<br />
haben wir Süßigkeiten auf die Tische<br />
verteilt, von denen sich jeder nehmen<br />
konnte. Darüber haben sich die Leute sehr<br />
gefreut. Das wollen wir auch dieses Jahr<br />
machen und Miriam ist wieder beim Falten<br />
mit dabei“, erzählte Helga.<br />
Sie ist schon zum zweiten Mal im Haifa-<br />
Heim. „Es hat sich einiges getan“, berichtete<br />
sie. „Letztes Mal stand nur das Gerüst<br />
vom zweiten Fahrstuhl, jetzt fährt er<br />
schon. Auch den Bewohnern geht es gut,<br />
einige sehen deutlich besser aus als letztes<br />
Jahr. Clara zum Beispiel hat sich gut von<br />
ihrem Beckenbruch erholt. (Itzhak ist<br />
leider inzwischen gestorben) Mir gefällt,<br />
dass sie alle gut aufeinander aufpassen<br />
und sich umeinander kümmern.“<br />
Bitte haben Sie Verständnis, dass eine<br />
freiwillige Mitarbeit von Einzelpersonen<br />
im Haifa-Heim, unabhängig von einer<br />
etablierten Organisation aus personellen<br />
und strukturellen Gründen bisher leider<br />
nicht möglich ist. Herzlichen Dank für<br />
Ihre weitere Unterstützung des Haifa-<br />
Heimes!<br />
Ein Schönheitswettbewerb<br />
der besonderen Art<br />
Miss Israel 2008 Tamar Ziskind kröhnt Chava Hershkowitz.<br />
Die Mitarbeiter der <strong>ICEJ</strong> nahmen<br />
diesen Sommer an einer höchst<br />
außergewöhnlichen Veranstaltung<br />
teil – einem Schönheitswettbewerb<br />
von 14 Holocaustüberlebenden, die<br />
sehr elegant und freundschaftlich<br />
um den Titel rangen. Dabei ging es<br />
weit mehr um die Persönlichkeit und<br />
das Erzählen der eigenen Lebensgeschichte<br />
als die äußere Erscheinung<br />
der Bewerberinnen. Organisiert von<br />
unserer israelischen Partnerorganisation,<br />
stieß dieser Gala-Abend auf<br />
großes Medieninteresse. Den Teilnehmerinnen<br />
war ihre Begeisterung anzusehen,<br />
an einem so lebensbejahenden<br />
Schönheitswettbewerb teilnehmen zu<br />
dürfen.<br />
Die 14 Finalistinnen waren unter hunderten<br />
von Holocaustüberlebenden aus ganz<br />
Haifa ausgewählt worden. Mehrere Teilnehmerinnen,<br />
einschließlich der Gewinnerin,<br />
kamen aus dem Altenheim für Holocaustüberlebende<br />
in Haifa. Die Damen<br />
trugen elegante Kostüme, jede Bewerberin<br />
erschien auf der Bühne und berichtete<br />
kurz über ihre Erfahrungen während des<br />
Krieges ebenso wie über ihr späteres Leben<br />
in Israel.<br />
Holocaustüberlebende feiern das Leben<br />
Von Estera Wieja<br />
Therapeutischer<br />
Wettbewerb<br />
Die Jury bestand aus drei früheren israelischen<br />
Schönheitsköniginnen und der leitenden<br />
Psychiaterin für den Bezirk Haifa,<br />
die jede Woche Zeit mit den Bewohnern<br />
des Haifa-Heimes verbringt. Sie erklärte,<br />
dass den Teilnehmerinnen während des<br />
Krieges so viele Freuden geraubt worden<br />
seien. Daher sei es für sie eine sehr auferbauende<br />
Art der Therapie, an dieser festlichen<br />
Veranstaltung teilnehmen zu können,<br />
bei der sie sich wieder schön fühlen<br />
dürften. Die Jury wählte Chava Hershkowitz<br />
aus dem Haifa-Heim zur Gewinnerin<br />
des Wettbewerbs.<br />
Chavas Geschichte<br />
Chava, die aus Rumänien stammt, wurde<br />
bereits als kleines Mädchen mit dem Zug<br />
in ein Konzentrationslager in der Ukraine<br />
transportiert. Die Reise war ein Horrortrip.<br />
Chava und ihre Familie wurden ohne<br />
Essen, Wasser oder Toiletten in einen<br />
Viehwaggon gepfercht. Mehrere Menschen<br />
erstickten im Zug. Bei Zwischenstopps<br />
wurden Passagiere erschlagen, bei<br />
einer späteren Fluss- Überquerung fielen<br />
Weitere Teilnehmerinnen<br />
am Schönheitswettbewerb<br />
viele Juden ins Wasser und ertranken.<br />
Weiter ging es zu Fuß. Da es Winter war,<br />
starben noch mehr Menschen an Krankheit<br />
und Kälte. Schließlich brachte man<br />
sie nach Transnistrien. Die Deportierten<br />
wurden in primitiven Hütten untergebracht,<br />
ohne fließendes Wasser, Elektrizität<br />
oder Toiletten. Wer zu schwach war,<br />
wurde einfach zum Sterben liegengelassen.<br />
Über 30 000 Juden wurden nach<br />
Transnistrien gebracht, 60 Prozent von<br />
ihnen starben. Irgendwie gelang es Chava<br />
und ihrer Schwester, bis zur Befreiung<br />
des Lagers 1944 zu überleben. Gemeinsam<br />
mit ihrem Bruder wanderten sie<br />
schließlich nach Palästina aus.<br />
Zuhause im Haifa-Heim<br />
Heute werden Chava und ihre Schwester<br />
im Altenheim für Holocaustüberlebende<br />
in Haifa versorgt. Chava ist immer<br />
noch aktiv und hilft den Mitarbeitern, wo<br />
immer sie kann. Sie hat Freude daran,<br />
Neuankömmlinge zu begrüßen. Ihre liebevolle<br />
Art wird von allen geschätzt. „Es<br />
ist wirklich gut für mich, hier zu wohnen“,<br />
erklärte Chava. „Es ist gut, dass ich<br />
etwas zu tun habe, weil ich dann nicht so<br />
viel über die Vergangenheit nachdenke.<br />
Wenn ich nichts tue, kommen die Erinnerungen<br />
ständig zurück.“<br />
Bitte helfen Sie uns auch weiterhin,<br />
Holocaustüberlebenden<br />
wie Chava und ihrer Schwester,<br />
die Furchtbares durchgemacht<br />
haben, einen Lebensabend in<br />
Würde und Geborgenheit zu<br />
ermöglichen. Als Verwendungszweckt<br />
bitte „Helfende Hände“<br />
angeben, herzlichen Dank!