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EGMR Nr. 23541/94 – Urteil vom 13. Februar 2001 (Garcia Alva v. Deutschland)<br />

Anfor<strong>de</strong>rung in verschie<strong>de</strong>ner Weise genügen kann, so soll doch mit je<strong>de</strong>r gewählten Metho<strong>de</strong> gewährleistet sein, dass<br />

<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Prozesspartei zur Kenntnis gelangt, dass Schriftsätze eingereicht wor<strong>de</strong>n sind, und sie wirklich Gelegenheit<br />

hat, dazu Stellung zu nehmen (siehe sinngemäß Urteil Brandstetter ./. Österreich vom 28. August 1991, Serie A Band<br />

211, S. 27, Nr. 67).<br />

40. Im vorliegen<strong>de</strong>n Fall wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Beschwer<strong>de</strong>führer bei seiner Festnahme mit allgemeinen Worten<br />

die gegen ihn vorliegen<strong>de</strong>n Verdachtsgrün<strong>de</strong> und Beweise sowie die Haftgrün<strong>de</strong> bekannt gegeben. Auf Antrag <strong>de</strong>s<br />

Anwalts wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Verteidigung zwar Kopien <strong>de</strong>s Protokolls über die Vernehmung <strong>de</strong>s Beschwer<strong>de</strong>führers durch die<br />

Polizei und <strong>de</strong>n Haftrichter, <strong>de</strong>s Protokolls über die bei ihm durchgeführte Hausdurchsuchung sowie <strong>de</strong>s gegen ihn<br />

ergangenen Haftbefehls zur Verfügung gestellt, aber die Staatsanwaltschaft lehnte zum damaligen Zeitpunkt <strong>de</strong>n Antrag<br />

<strong>de</strong>s Verteidigers auf Einsicht <strong>de</strong>r Ermittlungsakten und insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Aussagen von Herrn K. mit <strong>de</strong>r Begründung<br />

ab, die Einsicht in diese Unterlagen gefähr<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Untersuchungszweck.<br />

Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten kam seinerseits auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s Inhalts <strong>de</strong>r Ermittlungsakten -<br />

weitgehend auch <strong>de</strong>r Aussagen von Herrn K. - sowie <strong>de</strong>r Stellungnahmen <strong>de</strong>r Prozessparteien zu <strong>de</strong>m Ergebnis, dass <strong>de</strong>r<br />

Beschwer<strong>de</strong>führer dringend verdächtig sei, die in Frage stehen<strong>de</strong>n Straftaten begangen zu haben. Die diesbezüglichen<br />

Beschwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Beschwer<strong>de</strong>führers wur<strong>de</strong>n vom Landgericht Berlin und vom Kammergericht Berlin im Juni bzw. Juli<br />

1993 verworfen; bei<strong>de</strong>n Gerichten hatten auch Zweitakten vorgelegen.<br />

41. Der Inhalt <strong>de</strong>r Ermittlungsakte und insbeson<strong>de</strong>re die Aussagen von Herrn K. scheinen <strong>de</strong>mnach für die<br />

Entscheidung <strong>de</strong>s Amtsgerichts über die Fortdauer <strong>de</strong>r Untersuchungshaft <strong>de</strong>s Beschwer<strong>de</strong>führers ausschlaggebend<br />

gewesen zu sein. Sie waren zwar <strong>de</strong>m Staatsanwalt und <strong>de</strong>m Amtsgericht bekannt, aber ihr genauer Inhalt war <strong>de</strong>m<br />

Beschwer<strong>de</strong>führer bzw. seinem Anwalt zum damaligen Zeitpunkt noch nicht zur Kenntnis gebracht wor<strong>de</strong>n. Folglich<br />

hatte keiner von bei<strong>de</strong>n Gelegenheit, die Erkenntnisse, auf die sich <strong>de</strong>r Staatsanwalt und das Amtsgericht gestützt<br />

haben, in geeigneter Weise anzugreifen und insbeson<strong>de</strong>re die Glaubwürdigkeit bzw. Schlüssigkeit <strong>de</strong>r Aussagen von<br />

Herrn K., <strong>de</strong>r vorbestraft war und gegen <strong>de</strong>n in an<strong>de</strong>rem Zusammenhang wegen Drogenhan<strong>de</strong>ls ermittelt wur<strong>de</strong>, in<br />

Zweifel zu ziehen.<br />

Der Haftbefehl enthielt zwar, wie die Regierung vorträgt, einige Angaben in Bezug auf <strong>de</strong>n Sachverhalt,<br />

auf <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Tatverdacht gegen <strong>de</strong>n Beschwer<strong>de</strong>führer grün<strong>de</strong>te. Doch die so zur Verfügung gestellten Informationen<br />

waren nur eine Sachverhaltsschil<strong>de</strong>rung nach <strong>de</strong>m Verständnis <strong>de</strong>s Amtsgerichts auf <strong>de</strong>r Grundlage aller ihm von <strong>de</strong>r<br />

Staatsanwaltschaft zugänglich gemachten Informationen. Nach Auffassung <strong>de</strong>s Gerichtshofs ist es für einen<br />

Beschuldigten kaum möglich, die Glaubwürdigkeit einer solchen Schil<strong>de</strong>rung wirksam zu erschüttern, wenn ihm die ihr<br />

zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Beweismittel nicht zur Kenntnis gebracht wur<strong>de</strong>n. Voraussetzung ist, dass <strong>de</strong>m Beschuldigten<br />

hinreichend Gelegenheit gegeben wird, Aussagen und an<strong>de</strong>re diesbezügliche Beweismittel wie z.B. die Ergebnisse<br />

polizeilicher und sonstiger Ermittlungen zur Kenntnis zu nehmen, gleichviel, ob <strong>de</strong>r Beschuldigte in irgen<strong>de</strong>iner Weise<br />

darlegen kann, dass die Beweisstücke, zu <strong>de</strong>nen er Zugang begehrt, für seine Verteidigung relevant sind.<br />

42. Dem Gerichtshof ist bewusst, dass <strong>de</strong>r Staatsanwalt die beantragte Akteneinsicht nach § 147 Abs. 2<br />

StPO mit <strong>de</strong>r Begründung abgelehnt hat, dass an<strong>de</strong>rnfalls <strong>de</strong>r Erfolg <strong>de</strong>r laufen<strong>de</strong>n Ermittlungen, die, wie es heißt, sehr<br />

komplex waren und zahlreiche weitere Tatverdächtige betrafen, gefähr<strong>de</strong>t wäre (siehe Nr. 13 und 19).<br />

Der Gerichtshof erkennt an, dass <strong>strafrecht</strong>liche Ermittlungen effektiv geführt wer<strong>de</strong>n müssen, und dass<br />

dies be<strong>de</strong>uten kann, dass ein Teil <strong>de</strong>r im Rahmen <strong>de</strong>r Ermittlungen zusammen getragenen Informationen geheim zu<br />

halten ist, um zu verhin<strong>de</strong>rn, dass Tatverdächtige Beweismaterial manipulieren und <strong>de</strong>n Gang <strong>de</strong>r Rechtspflege<br />

untergraben. Doch dieses berechtigte Ziel kann nicht unter Inkaufnahme erheblicher Beschränkungen <strong>de</strong>r Rechte <strong>de</strong>r<br />

Verteidigung verfolgt wer<strong>de</strong>n. Informationen, die für die Beurteilung <strong>de</strong>r Rechtmäßigkeit einer Freiheitsentziehung<br />

wesentlich sind, sollten <strong>de</strong>m Anwalt <strong>de</strong>s Tatverdächtigen <strong>de</strong>shalb in geeigneter Weise zugänglich gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />

43. Unter diesen Umstän<strong>de</strong>n und in Anbetracht <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung, die <strong>de</strong>m Inhalt <strong>de</strong>r Ermittlungsakte und<br />

insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>n Aussagen von Herrn K., die vom Beschwer<strong>de</strong>führer nicht angemessen angegriffen wer<strong>de</strong>n konnten,<br />

weil sie ihm nicht zur Kenntnis gebracht wur<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>r Argumentation <strong>de</strong>r Berliner Gerichte beigemessen wur<strong>de</strong>, hat<br />

das Verfahren vor <strong>de</strong>n genannten Gerichten, in welchem die Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>r gegen <strong>de</strong>n Beschwer<strong>de</strong>führer<br />

verhängten Untersuchungshaft überprüft wur<strong>de</strong>, die Garantien nach Artikel 5 Abs. 4 nicht erfüllt. Diese Bestimmung ist<br />

also verletzt wor<strong>de</strong>n.<br />

II. ANWENDUNG VON ARTIKEL 41 DER KONVENTION<br />

…<br />

AUS DIESEN GRÜNDEN ENTSCHEIDET DER GERICHTSHOF EINSTIMMIG WIE FOLGT:<br />

1. Artikel 5 Abs. 4 <strong>de</strong>r Konvention ist verletzt wor<strong>de</strong>n.<br />

Bearbeitung: Karsten Gae<strong>de</strong><br />

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