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Vortrag Prof Zaech.pdf - AGV Rheintal

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25.02.2013<br />

Rechtswissenschaftliches Institut<br />

Revision des schweizerischen<br />

Kartellgesetzes –<br />

was ist sinnvoll? Braucht es eine «Lex<br />

Nivea für gerechte Preise?<br />

Veranstaltung des <strong>AGV</strong> Arbeitgeber Verbands des <strong>Rheintal</strong>s<br />

vom 26. Februar 2013<br />

<strong>Prof</strong>. em. Dr. Roger Zäch, Universität Zürich<br />

Direktor em. am Europa Institut der Universität Zürich<br />

Slide 1<br />

Rechtswissenschaftliches Institut<br />

Inhaltsübersicht<br />

I. Einleitung<br />

II. Revisionsvorlage des Bundesrats<br />

1. Teilkartellverbote<br />

2. Institutionenreform<br />

3. Unternehmenszusammenschlüsse<br />

4. Widerspruchsverfahren<br />

5. Compliance Programme – Strafsanktionen<br />

6. Stärkung des zivilrechtlichen Weges<br />

26.02.2013 Veranstaltung des <strong>AGV</strong> Arbeitgeber Verbands des <strong>Rheintal</strong>s – Referat <strong>Prof</strong>. em. Dr. R. Zäch<br />

Slide 2<br />

1


25.02.2013<br />

Rechtswissenschaftliches Institut<br />

Inhaltsübersicht (Fortsetzung)<br />

III.<br />

Motion Birrer-Heimo<br />

1. Forderung der Motion<br />

2. Kurzbegründung und Ziel der Motion<br />

IV. Gewährleistung des freien Einkaufs im Ausland<br />

1. Blick in die Praxis<br />

2. Warum ist das Kartellgesetz auf solche Fälle nicht anwendbar?<br />

3. Zwischenergebnis<br />

4. Mögliche Umsetzung – Grundsätzliche Regelung<br />

5. Interesse an einem Art. 7a (neu) KG und Wirkung?<br />

6. Begründung – ökonomisch und juristisch<br />

7. Widerlegung von Einwänden<br />

V. Schluss<br />

26.02.2013 Veranstaltung des <strong>AGV</strong> Arbeitgeber Verbands des <strong>Rheintal</strong>s – Referat <strong>Prof</strong>. em. Dr. R. Zäch<br />

Slide 3<br />

Rechtswissenschaftliches Institut<br />

Inhaltsübersicht (Fortsetzung)<br />

Anhänge zur Dokumentation<br />

1) Formulierungsvorschlag für einen Art. 7a (neu) KG<br />

(Text dürfte von der Verwaltung stammen, Änderungen durch R. Zäch)<br />

2) Anfragen in kantonalen Parlamenten und Antworten des<br />

- Regierungsrats St.Gallen<br />

- Regierungsrats Basel-Stadt<br />

- Regierungsrats Zürich<br />

3) Preisvergleich für OTC Produkte Februar 2012, Quelle Migros<br />

4) Preisvergleich K-Tipp, 30. Januar 2013<br />

5) Preisvergleich Coca-Cola und Schweppes, Wirteverband Basel-Stadt,<br />

27.10.2012<br />

6) Roger Zäch, Kommentar in WuW 12/2012<br />

26.02.2013 Veranstaltung des <strong>AGV</strong> Arbeitgeber Verbands des <strong>Rheintal</strong>s – Referat <strong>Prof</strong>. em. Dr. R. Zäch<br />

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25.02.2013<br />

Rechtswissenschaftliches Institut<br />

I. Einleitung (1)<br />

Stand des parlamentarischen Verfahrens?<br />

• Februar 2012:<br />

Botschaft des Bundesrats an die Eidg. Räte<br />

• Seit Juni 2012:<br />

Beratung in der zuständigen Kommission des Ständerats KG Revision<br />

und Motion Birrer-Heimo wurden zusammengenommen.<br />

• März Session 2013:<br />

Beratung im Plenum des Ständerats?<br />

26.02.2013 Veranstaltung des <strong>AGV</strong> Arbeitgeber Verbands des <strong>Rheintal</strong>s – Referat <strong>Prof</strong>. em. Dr. R. Zäch<br />

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Rechtswissenschaftliches Institut<br />

I. Einleitung (2)<br />

• Worum geht es sachlich?<br />

Es geht um das Kartellgesetz, das Gesetz gegen<br />

Wettbewerbsbeschränkungen durch Private.<br />

• Was ist Wettbewerb?<br />

Bei Wettbewerb bemühen sich Unternehmen um Kunden, und zwar<br />

dadurch, dass sie<br />

– günstigere Preise und Konditionen,<br />

– bessere Produkte und Qualität,<br />

– besseren Service vor und nach dem Verkauf anbieten.<br />

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25.02.2013<br />

Rechtswissenschaftliches Institut<br />

I. Einleitung (3)<br />

• Warum gewährleisten heute viele Staaten in der Wirtschaft<br />

weitgehend Wettbewerb? Anders gefragt: Warum bekämpfen heute<br />

viele Staaten Wettbewerbsbeschränkungen?<br />

Weil jahrzehntelange Erfahrung zeigt, dass Wettbewerb zu den<br />

bestmöglichen ökonomischen Resultaten führt:<br />

Unter Wettbewerbsdruck produzieren Unternehmen bei gleicher Menge<br />

Produktionsmitteln mehr Güter zu höherer Qualität und niedrigeren<br />

Preisen als Firmen, die wenig Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind.<br />

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Slide 7<br />

Rechtswissenschaftliches Institut<br />

I. Einleitung (4)<br />

• Könnte die Schweiz auf die Gewährleistung von Wettbewerb<br />

verzichten?<br />

Ja, aber das würde zu grossen Wohlstandsverlusten führen (vgl. BRD<br />

und DDR vor der Wiedervereinigung).<br />

«Unternehmen, die zu Hause keinem Wettbewerb ausgesetzt sind,<br />

haben auf ausländischen Märkten kaum Erfolg» (~ Michael Porter, US<br />

Ökonom).<br />

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25.02.2013<br />

Rechtswissenschaftliches Institut<br />

II. Revisionsvorlage des Bundesrats<br />

Der Bundesrat beantragt dem Parlament, das Kartellgesetz u.a. wie folgt<br />

zu ändern:<br />

1. Teilkartellverbote in Art. 5 KG<br />

Der Bundesrat beantragt, Abreden über Preise, Mengen und Gebiete<br />

vorbehältlich einer Rechtfertigung zu verbieten. Eine solche Änderung<br />

ist richtig und verdient volle Unterstützung: Sie vereinfacht das<br />

Verfahren für besonders schädliche Abreden und erhöht die<br />

Rechtssicherheit.<br />

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Rechtswissenschaftliches Institut<br />

II. Revisionsvorlage des Bundesrats<br />

2. Institutionenreform<br />

Die Weko soll neu nicht mehr selbst Fälle entscheiden, sondern diese nur<br />

noch untersuchen. Entscheiden soll dann auf Antrag der Weko ein Gericht.<br />

Dieser Vorschlag ist theoretisch verlockend; er berücksichtigt aber weder die<br />

hiesige Behördenpraxis noch die Erfahrungen in der EU. Er ist nicht wegen<br />

der EMRK notwendig und würde die Verfahren – entgegen den Aussagen<br />

der Verwaltung – wesentlich verlängern.<br />

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25.02.2013<br />

Rechtswissenschaftliches Institut<br />

II. Revisionsvorlage des Bundesrats<br />

3. Zusammenschlusskontrolle<br />

Es geht um eine Verschärfung der Zusammenschlusskontrolle nach dem<br />

Modell der USA bzw. der EU.<br />

Das ist nicht notwendig und würde zu mehr Rechtsunsicherheit und höheren<br />

Kosten für die Unternehmen führen. Es besteht hier gerade kein Grund, das<br />

Recht der EU zu übernehmen.<br />

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Rechtswissenschaftliches Institut<br />

II. Revisionsvorlage des Bundesrats<br />

4. Widerspruchsverfahren<br />

Es geht insbesondere darum, dass Unternehmen der Weko<br />

Kooperationsvorhaben zur Beurteilung vorlegen können, um grünes Licht zu<br />

bekommen, Bsp. Gemeinsamer Einkauf; gemeinsame Entwicklung von<br />

Produkten.<br />

Verbesserungen der geltenden Regelung sind dringend geboten, schon<br />

wegen der drohenden „Strafsanktionen“. Der Vorschlag des Bundesrats<br />

muss nach Meinung von Experten aber überarbeitet werden.<br />

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25.02.2013<br />

Rechtswissenschaftliches Institut<br />

II. Revisionsvorlage des Bundesrats<br />

5. Compliance Programme – Strafsanktionen<br />

a) Der Antrag des Bundesrats im Fall adäquater Compliance<br />

Programme die Sanktion zu mindern, verdient Unterstützung. Das<br />

macht die Weko aber jetzt schon. Eine Gesetzesänderung ist nicht<br />

zwingend.<br />

b) Strafsanktionen für Individuen?<br />

Ich hoffe, dass die Initianten dieses Vorschlags (u.a. die Schindler AG)<br />

noch merken, dass im Strafrecht auch Anstifter und Gehilfen strafbar<br />

sind. Der Vorschlag dürfte ein Schuss ins eigene Bein sein.<br />

26.02.2013 Veranstaltung des <strong>AGV</strong> Arbeitgeber Verbands des <strong>Rheintal</strong>s – Referat <strong>Prof</strong>. em. Dr. R. Zäch<br />

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Rechtswissenschaftliches Institut<br />

II. Revisionsvorlage des Bundesrats<br />

6. Stärkung des zivilrechtlichen Wegs<br />

Die diesbezüglichen Revisionsvorschläge verdienen Unterstützung.<br />

Aber auch diese Vorschläge gehen zu wenig weit:<br />

Private Kläger können nach geltendem Zivilprozessrecht den Nachweis<br />

einer Abrede oder einer marktbeherrschenden Stellung im Sinn der<br />

bisherigen Praxis kaum erbringen.<br />

Ausser im Fall von „follow-on“-Klagen (Schadenersatzklage bei einem<br />

Zivilgericht nach Abschluss eines Verwaltungsverfahrens) dürfte daher<br />

die Revision im Regelfall toter Buchstabe bleiben.<br />

26.02.2013 Veranstaltung des <strong>AGV</strong> Arbeitgeber Verbands des <strong>Rheintal</strong>s – Referat <strong>Prof</strong>. em. Dr. R. Zäch<br />

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25.02.2013<br />

Rechtswissenschaftliches Institut<br />

III. Motion Birrer-Heimo (Geschäft 11.3984)<br />

Im Dezember 2011 hat der Nationalrat mit 113 gegen 74 Stimmen der<br />

Motion von NR Prisca Birrer-Heimo, LU, SP, Präsidentin der Stiftung für<br />

Konsumentenschutz zugestimmt.<br />

1. Forderung der Motion<br />

Im Fall der Preisdifferenzierung bei Importgütern zu Lasten der Schweiz<br />

(«Zuschlag Schweiz») soll den Unternehmen und der Konsumentenschaft<br />

aus der Schweiz ermöglicht werden, im Ausland einzukaufen, und zwar zu<br />

den dort von den Unternehmen praktizierten Preisen und Bedingungen.<br />

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Rechtswissenschaftliches Institut<br />

III. Motion Birrer-Heimo (Geschäft 11.3984)<br />

2. Kurzbegründung und Ziel der Motion<br />

Wird der Nachfrage aus der Schweiz ermöglicht im Ausland einzukaufen,<br />

dann wird dadurch der jetzt in vielen Fällen verhinderte Preiswettbewerb<br />

wirksam. Dadurch werden die Preise der importierten Produkte auf der<br />

jeweiligen Marktstufe in etwa auf das Niveau in der EU fallen. Dadurch soll<br />

bewirkt werden, dass wieder in der Schweiz eingekauft wird, aber ohne den<br />

derzeitigen «Zuschlag Schweiz» bezahlen zu müssen.<br />

Es geht darum, eine missbräuchliche Kaufkraftabschöpfung, einen<br />

missbräuchlichen Transfer von Geld ins Ausland, die «andere Abzockerei»,<br />

Hansueli Schöchli, NZZ vom 7.9.2012, zu verhindern.<br />

Ziel der Motion ist Gewährleistung des freien Einkaufs auch im Ausland.<br />

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25.02.2013<br />

Rechtswissenschaftliches Institut<br />

IV. Gewährleistung des freien Einkaufs im Ausland<br />

1. Blick in die Praxis (1) - Beispiele<br />

1) Ein Hotel im Engadin braucht jährlich für Tausende von Franken<br />

Ersatzgeschirr und Pfannen für die Küchen. Die Produkte stammen aus<br />

Deutschland. Das Engadiner Hotel wird aber von Deutschland aus nicht<br />

beliefert. Es ist gezwungen in der Schweiz einkaufen, und zwar mit<br />

einem Zuschlag von 40 %.<br />

2) Eine Firma für Innenausbau im Raum St. Gallen benötigt Fournierholz<br />

aus Vorarlberger Weisstanne. Sie kann dieses Holz nicht direkt in<br />

Hörbranz Vlbg. einkaufen. Sie wird an die Vertretung in der Schweiz in<br />

St. Margrethen, 18 km von Hörbranz entfernt, verwiesen. Der<br />

Preisaufschlag von 31,5% ergibt Mehrkosten „von mehreren<br />

zehntausend Franken pro Jahr“.<br />

26.02.2013 Veranstaltung des <strong>AGV</strong> Arbeitgeber Verbands des <strong>Rheintal</strong>s – Referat <strong>Prof</strong>. em. Dr. R. Zäch<br />

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Rechtswissenschaftliches Institut<br />

IV. Gewährleistung des freien Einkaufs im Ausland<br />

1. Blick in die Praxis (2) - Beispiele<br />

3) Die X-AG<br />

– will benötigte Lufttrockner günstiger direkt in Deutschland zu<br />

Europapreisen einkaufen. Sie erhält die telefonische Auskunft: Nach<br />

einer konzernweiten Regel werden Anfragen an die lokale<br />

Niederlassung weitergeleitet;<br />

– will benötigte Gasmesstechnikbauteile günstiger bei Dräger in<br />

Deutschland zu Europapreisen einkaufen. Sie erhält per Mail die<br />

Antwort: „Wir (T) geben Ihnen einen Rabatt von 30 % auf unsere<br />

Listenpreise (T) Ansonsten gibt es bei uns keine Angebote aus<br />

Deutschland in die Schweiz. Das verstösst gegen eine interne<br />

Regelung“.<br />

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25.02.2013<br />

Rechtswissenschaftliches Institut<br />

IV. Gewährleistung des freien Einkaufs im Ausland<br />

1. Blick in die Praxis (3) - Beispiele<br />

4) Die SSG (Swiss Sourcing Group) und die IG SAP sind Vereinigungen<br />

von Anwendern von IT-Produkten, mit zahlreichen Mitgliedern aus KMU<br />

und Finanzbranche (CS, UBS, SIX Group etc.), Auskunft Herr Thomas<br />

Eberle, c/o Teladvice, Zug; Herr Peter Hartmann, c/o BizCon GmbH,<br />

Kerns.<br />

Beide kämpfen seit Jahren gegen SAP, IBM, Microsoft , Oracle und<br />

andere Lieferanten wegen des „Zuschlags Schweiz“ auf Software-<br />

Produkten und neuestens wegen der Nichtweitergabe von<br />

Währungsgewinnen beim Bezug von Wartung & Pflege (Updates/<br />

Upgrades) von Hardware und Software.<br />

Die IG SAP hat deswegen schon Anzeige bei der Weko und der<br />

Preisüberwachung gemacht.<br />

26.02.2013 Veranstaltung des <strong>AGV</strong> Arbeitgeber Verbands des <strong>Rheintal</strong>s – Referat <strong>Prof</strong>. em. Dr. R. Zäch<br />

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Rechtswissenschaftliches Institut<br />

IV. Gewährleistung des freien Einkaufs im Ausland<br />

1. Blick in die Praxis (4) - Um was für Produkte geht es?<br />

Es geht ich vielen Fällen um Produktionsmittel (Geräte, Papier, Software up<br />

dates, Ersatzteile, Hilfs- und Betriebsmittel, Baugruppen, Montageteile,<br />

Handelsware, Haustechnik, Spital- und Laborbedarf usw.) für Unternehmen<br />

sowie für Bund, Kantone und Gemeinden.<br />

Viele Produktionsmittel werden in der Schweiz teurer verkauft als im<br />

Ausland, ohne dass dies durch Lohn-, Lager- und andere in der Schweiz<br />

anfallende Kosten begründet wäre (Rechtfertigungsgründe). Es geht um den<br />

nackten „Zuschlag Schweiz“!<br />

Es geht nicht so sehr um Konsumgüter. Viele Konsumgüter können die<br />

Konsumenten problemlos im Ausland einkaufen (Einkaufstourismus!).<br />

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25.02.2013<br />

Rechtswissenschaftliches Institut<br />

IV. Gewährleistung des freien Einkaufs im Ausland<br />

1. Blick in die Praxis (5) - Wie wird der Einkauf im Ausland<br />

verhindert?<br />

Unternehmen verkaufen (ihre gleichen Produkte) in der Schweiz in vielen<br />

Fällen zu höheren Preisen als im Ausland.<br />

Stellt eine Nachfragerin aus der Schweiz solche Preisdifferenzen fest und<br />

will sie daher z.B. in Stuttgart zu den dort von der Anbieterin festgesetzten<br />

Preisen einkaufen, wird ihr in vielen Fällen gesagt:<br />

«Das geht nicht. Sie kommen aus der Schweiz. Sie müssen bei unserer<br />

Vertretung in der Schweiz einkaufen.»<br />

Folge:<br />

Abschottung des schweizerischen Marktes vom Ausland<br />

Beschränkung, Verhinderung des Preiswettbewerbs aus<br />

dem Ausland.<br />

26.02.2013 Veranstaltung des <strong>AGV</strong> Arbeitgeber Verbands des <strong>Rheintal</strong>s – Referat <strong>Prof</strong>. em. Dr. R. Zäch<br />

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Rechtswissenschaftliches Institut<br />

IV. Gewährleistung des freien Einkaufs im Ausland<br />

2. Warum ist das Kartellgesetz auf solche Fälle nicht anwendbar?<br />

Das Kartellgesetz ist nur anwendbar auf Beschränkungen des<br />

(Preis)Wettbewerbs durch Abreden (Art. 5) oder durch marktbeherrschende<br />

Unternehmen (Art. 7).<br />

1) Art. 5 KG ist oft nicht anwendbar, weil es in solchen Fällen oft keine<br />

Abreden gibt oder solche nicht nachweisbar sind,<br />

2) Art. 7 KG ist in der Regel nicht anwendbar, weil nach der Praxis der<br />

Weko Unternehmen, die den Einkauf im Ausland verweigern, selten<br />

marktbeherrschend sind. Zur Begründung wird angeführt, die Nachfrage<br />

könne auf andere Produkte ausweichen. An Serviceleistungen müsste<br />

eben bereits beim Einkauf gedacht werden!<br />

Das Gesetz hat also Lücken. Diese könnten durch eine Umsetzung der<br />

Motion Birrer-Heimo geschlossen werden.<br />

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Rechtswissenschaftliches Institut<br />

3. Zwischenergebnis<br />

Lücke im Kartellgesetz als eine Ursache der Hochpreis- bzw. Hochkosten-Insel<br />

Schweiz<br />

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Rechtswissenschaftliches Institut<br />

IV. Gewährleistung des freien Einkaufs im Ausland<br />

4. Mögliche Umsetzung – Grundsätzliche Regelung<br />

Ein Unternehmen, das seine Produkte international vertreibt, verhält sich<br />

unzulässig, wenn es Unternehmen und Konsumenten aus der Schweiz im<br />

Ausland nicht zu den von ihm dort praktizierten Preisen und Bedingungen<br />

beliefert.<br />

Siehe Formulierungsvorschlag für einen Art. 7a (neu) KG, Anhang 1.<br />

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25.02.2013<br />

Rechtswissenschaftliches Institut<br />

IV. Gewährleistung des freien Einkaufs im Ausland<br />

5. Interesse an einem Art. 7a (neu) KG und Wirkung?<br />

a) KMU – die Einkaufspreise für importierte Produktionsmittel würden<br />

sinken, entsprechend würden die Produktionskosten sinken<br />

b) Detailhandel – die Einkaufspreise für importierte Markenartikel würden<br />

sinken; dadurch würden auch die entsprechenden Detailhandelspreise<br />

etwas sinken<br />

c) Konsumentenschaft – die Preise für dauerhafte Konsumgüter dürften<br />

in der Schweiz sinken (Bsp. Autos); notfalls könnte im Regelfall im<br />

Ausland problemlos eingekauft werden<br />

d) Bund, Kantone und Gemeinden – Die Preise bei öffentlichen<br />

Beschaffungen würden sinken (IT, Spitäler, Universitäten usw.), siehe<br />

Dokumente, Anhänge 2, 3 und 4.<br />

Die Verhandlungsposition der Nachfrage aus der Schweiz würde gestärkt.<br />

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Rechtswissenschaftliches Institut<br />

IV. Gewährleistung des freien Einkaufs im Ausland<br />

6. Begründung (1) - ökonomisch<br />

100<br />

90<br />

80<br />

Anbieter X differenziert Preise von Land zu Land frei<br />

90<br />

A D CH F I<br />

70<br />

60<br />

70<br />

60<br />

65<br />

60<br />

Nachfrage aus A, D, F, I kann in D einkaufen. Das führt zu Wettbewerbspreisen.<br />

Nachfrage aus der CH muss in vielen Fällen in der Schweiz einkaufen. Für die Nachfrage aus der CH<br />

gibt es keinen Wettbewerbspreis. Daher muss das Gesetz diese Möglichkeit schaffen.<br />

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25.02.2013<br />

Rechtswissenschaftliches Institut<br />

IV. Gewährleistung des freien Einkaufs im Ausland<br />

6. Begründung - rechtlich<br />

Ein Unternehmen, das andere zwingen kann, seine Produkte in der Schweiz<br />

zu höherem Preis einzukaufen, ist marktbeherrschend (so schon Hans<br />

Merz, 1967).<br />

Daher ist eine Verhaltenskontrolle solcher Unternehmen<br />

wettbewerbsrechtlich begründet.<br />

26.02.2013 Veranstaltung des <strong>AGV</strong> Arbeitgeber Verbands des <strong>Rheintal</strong>s – Referat <strong>Prof</strong>. em. Dr. R. Zäch<br />

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Rechtswissenschaftliches Institut<br />

IV. Gewährleistung des freien Einkaufs im Ausland<br />

7. Widerlegung von Einwänden (1)<br />

a) Der Schutz bestehender Vertriebsstrukturen ist verfassungswidriger<br />

Strukturschutz.<br />

Importierte Produkte würden in der Schweiz verarbeitet, Werbe-,<br />

Lagerungs-, Lohn- und Vertriebskosten seien in der Schweiz teurer;<br />

Arbeitsplätze gingen verloren, das sei zu verhindern. Darum geht es<br />

aber in den meisten Fällen nicht (vorn, Folie 20).<br />

Diese Argumente zeigen aber auch, dass viele der heute etablierten<br />

Vertriebsstrukturen im Wettbewerb nicht überleben. Beleg:<br />

Parallelimport von Coca-Cola durch den Wirteverband BS, Anhang 5:<br />

− Autorisierter Vertrieb, Lieferung in den Keller, Preis pro Flasche:<br />

CHF 1.13.<br />

− Bei Parallelimport, Lieferung in den Keller, Preis pro Flasche: CHF<br />

0.79.<br />

Was die Gegner der Mo. Birrer-Heimo wollen, ist somit<br />

verfassungswidriger Strukturschutz.<br />

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25.02.2013<br />

Rechtswissenschaftliches Institut<br />

IV. Gewährleistung des freien Einkaufs im Ausland<br />

7. Widerlegung von Einwänden (2) stichwortartig<br />

b) Der Erlass eines Art. 7a (neu) KG sei vom Kartellartikel der Verfassung<br />

(Art. 96 Abs. 1 BV) nicht gedeckt. Das ist – wie schon der Text von Art.<br />

96 Abs. 1 BV zeigt – falsch.<br />

c) Ein Zwang für Unternehmen im Ausland, auch die Nachfrage aus der<br />

Schweiz zu beliefern, verletze die Wirtschaftsfreiheit. Das ist falsch.<br />

Das Kartellgesetz muss in gewissen Fällen zur Gewährleistung der<br />

Wirtschaftsfreiheit die Vertragsfreiheit einschränken. Das ist bereits<br />

geltendes Recht (Art. 13 Bst. b sowie Art. 7 Abs. 2 KG).<br />

d) Ein Art. 7a (neu) KG könne im Ausland nicht durchgesetzt werden. Das<br />

ist falsch (siehe Verfügungen der Weko: Volkswagen, Gaba/Elmex,<br />

Nikon, BMW).<br />

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Rechtswissenschaftliches Institut<br />

IV. Gewährleistung des freien Einkaufs im Ausland<br />

7. Widerlegung von Einwänden (3) stichwortartig<br />

e) Es sei nicht zulässig, Unternehmen im Ausland zu verpflichten, zu den<br />

im Ausland geltenden Preisen in die Schweiz zu liefern. Darum geht es<br />

nicht. Es geht darum, dass Unternehmen im Ausland auch die<br />

Nachfrage aus der Schweiz im Ausland zu den dort von ihnen<br />

praktizierten Preisen beliefern.<br />

Bsp:<br />

Das Engadiner Hotel kauft das Ersatzgeschirr in München, zahlt den<br />

dort geltenden Preis und transportiert das gekaufte Geschirr selbst<br />

nach St. Moritz.<br />

f) Ein Art. 7a (neu) KG widerspreche dem Recht der EU. Das ist falsch,<br />

siehe Anhang 6.<br />

26.02.2013 Veranstaltung des <strong>AGV</strong> Arbeitgeber Verbands des <strong>Rheintal</strong>s – Referat <strong>Prof</strong>. em. Dr. R. Zäch<br />

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25.02.2013<br />

Rechtswissenschaftliches Institut<br />

V. Schluss<br />

1) Am 3. März 2013 haben wir Gelegenheit an der Urne gegen Abzockerei<br />

zu stimmen (Minderinitiative und Gegenvorschlag des Parlaments). Diese<br />

Abzockerei empört zwar viele zu Recht, sie schädigt aber kaum jemanden<br />

finanziell.<br />

Der «Zuschlag Schweiz» ist die «andere Abzockerei» (Hansueli Schöchli,<br />

NZZ vom 7.9.2012). Diese betrifft demgegenüber viele von uns finanziell<br />

und sie gefährdet Arbeitsplätze in der Schweiz (vorn, Folie 23). Da sich das<br />

Parlament gegen Abzockerei ausgesprochen hat, ist zu hoffen, dass es<br />

auch Massnahmen gegen den «Zuschlag Schweiz» beschliessen wird.<br />

2) Braucht es ein Gesetz für gerechte Preise? Nein, aber ein Gesetz zur<br />

Gewährleistung des freien Einkaufs im Ausland, ein Gesetz, das vor allem<br />

bei importierten Produktionsmitteln zu Wettbewerbspreisen führt, ein Gesetz<br />

gegen diese «andere Abzockerei» ist sinnvoll.<br />

26.02.2013 Veranstaltung des <strong>AGV</strong> Arbeitgeber Verbands des <strong>Rheintal</strong>s – Referat <strong>Prof</strong>. em. Dr. R. Zäch<br />

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Rechtswissenschaftliches Institut<br />

Anhang 1<br />

Formulierungsvorschlag für Art. 7a (neu) KG (1)<br />

1<br />

Unternehmen verhalten sich vorbehaltlich Absatz 3 unzulässig, wenn sie<br />

Nachfrager aus der Schweiz mit Waren oder Leistungen im EWR zu den<br />

dort geltenden Preisen und Geschäftsbedingungen nicht bedienen, soweit:<br />

a. diese Waren oder Leistungen [in vergleichbarer Ausprägung] auch in der<br />

Schweiz angeboten werden; und<br />

b. diese Unternehmen dort einen Verkaufspreis öffentlich bekannt geben<br />

oder die Nachfrager aufgrund der Erwartungen ihrer Kunden, eines<br />

langfristigen Systementscheids oder eines früheren Kaufentscheids auf<br />

diese Waren oder Leistungen angewiesen sind.<br />

26.02.2013 Veranstaltung des <strong>AGV</strong> Arbeitgeber Verbands des <strong>Rheintal</strong>s – Referat <strong>Prof</strong>. em. Dr. R. Zäch<br />

16


25.02.2013<br />

Rechtswissenschaftliches Institut<br />

Anhang 1<br />

Formulierungsvorschlag für Art. 7a (neu) KG (2)<br />

2<br />

Unternehmen verhalten sich vorbehaltlich Absatz 3 unzulässig, wenn sie<br />

hinsichtlich Waren oder Leistungen, die auch in der Schweiz angeboten<br />

werden, Massnahmen treffen, um zu verhindern, dass Dritte unaufgefordert<br />

an sie herangetragenen Bestellungen aus der Schweiz nachkommen<br />

können.<br />

3<br />

Eine Verweigerung ist aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz<br />

gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen in Artikel 5 Absatz 3 (E-KG) erfüllt<br />

sind. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn andere Preise oder<br />

Geschäftsbedingungen in Nachbarländern notwendig sind, um diese als<br />

neue Exportmärkte zu erschliessen.<br />

26.02.2013 Veranstaltung des <strong>AGV</strong> Arbeitgeber Verbands des <strong>Rheintal</strong>s – Referat <strong>Prof</strong>. em. Dr. R. Zäch<br />

17


Rechtswissenschaftliches Institut<br />

Anhang 1<br />

Formulierungsvorschlag für Art. 7a (neu) KG (1)<br />

1<br />

Unternehmen verhalten sich vorbehaltlich Absatz 3 unzulässig, wenn sie<br />

Nachfrager aus der Schweiz mit Waren oder Leistungen im EWR zu den<br />

dort geltenden Preisen und Geschäftsbedingungen nicht bedienen, soweit:<br />

a. diese Waren oder Leistungen [in vergleichbarer Ausprägung] auch in der<br />

Schweiz angeboten werden; und<br />

b. diese Unternehmen dort einen Verkaufspreis öffentlich bekannt geben<br />

oder die Nachfrager aufgrund der Erwartungen ihrer Kunden, eines<br />

langfristigen Systementscheids oder eines früheren Kaufentscheids auf<br />

diese Waren oder Leistungen angewiesen sind.<br />

26.02.2013 Veranstaltung des <strong>AGV</strong> Arbeitgeber Verbands des <strong>Rheintal</strong>s – Referat <strong>Prof</strong>. em. Dr. R. Zäch


Rechtswissenschaftliches Institut<br />

Anhang 1<br />

Formulierungsvorschlag für Art. 7a (neu) KG (2)<br />

2<br />

Unternehmen verhalten sich vorbehaltlich Absatz 3 unzulässig, wenn sie<br />

hinsichtlich Waren oder Leistungen, die auch in der Schweiz angeboten<br />

werden, Massnahmen treffen, um zu verhindern, dass Dritte unaufgefordert<br />

an sie herangetragenen Bestellungen aus der Schweiz nachkommen<br />

können.<br />

3<br />

Eine Verweigerung ist aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz<br />

gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen in Artikel 5 Absatz 3 (E-KG) erfüllt<br />

sind. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn andere Preise oder<br />

Geschäftsbedingungen in Nachbarländern notwendig sind, um diese als<br />

neue Exportmärkte zu erschliessen.<br />

26.02.2013 Veranstaltung des <strong>AGV</strong> Arbeitgeber Verbands des <strong>Rheintal</strong>s – Referat <strong>Prof</strong>. em. Dr. R. Zäch


Kantonsrat St.Gallen 61.12.28<br />

Einfache Anfrage Hoare-St.Gallen vom 24. August 2012<br />

Überteuerte Importprodukte – besteht Handlungsbedarf auch für die<br />

St.Galler Regierung?<br />

Schriftliche Antwort der Regierung vom 9. Oktober 2012<br />

Susanne Hoare-St.Gallen nimmt in ihrer Einfachen Anfrage vom 24. August 2012 Bezug auf<br />

Pressemeldungen, wonach von Spitälern, Universitäten, Hochschulen und der öffentlichen Verwaltung<br />

für benötigte Geräte, Instrumente, Hard- und Software, Upgrades von Software sowie<br />

Serviceleistungen ein aufgrund des Wechselkurses nicht gerechtfertigter «Zuschlag Schweiz»<br />

bezahlt werde und erkundigt sich in diesem Zusammenhang, ob auch der Kanton St.Gallen von<br />

dieser Problematik betroffen ist und ob sich die Regierung im Rahmen der laufenden Revision<br />

des Eidgenössischen Kartellgesetzes für eine entsprechende Bestimmung gegen nicht gerechtfertigte<br />

«Zuschläge Schweiz» einsetzen werde.<br />

Die Regierung antwortet wie folgt:<br />

Die in der Einfachen Anfrage angesprochene Wechselkursproblematik ist der Regierung bekannt.<br />

Unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten ist es äusserst unbefriedigend, wenn bei Importprodukten<br />

die Kaufkraft durch monopolisierte Importkanäle und andere Massnahmen, die den freien<br />

Wettbewerb beschränken, von den beteiligten Unternehmen abgeschöpft wird. Dies gilt zumindest<br />

dann, wenn sich die höheren Preise nicht rechtfertigen lassen durch etwaige in der Schweiz<br />

anfallende höhere Lohn-, Lager- oder Betriebskosten. In diesem Sinn unterstützt die Regierung<br />

im Grundsatz die im Raum stehende Änderung des Kartellgesetzes, die eine derart ungerechtfertigte<br />

Kaufkraftabschöpfung verhindern soll. Sie hat sich im Rahmen der Vernehmlassung zum<br />

Entwurf einer Änderung des Kartellgesetzes bereits im Jahr 2010 für eine entsprechende Regelung<br />

gegen sogenannte vertikale Absprachen ausgesprochen.<br />

Konkret sind die kantonale Verwaltung und die selbständigen öffentlich-rechtlichen Anstalten im<br />

Kanton St.Gallen wenig von der Problematik betroffen, wie eine Umfrage zeigt. Bestätigt wird die<br />

Problematik im Bereich des Gesundheitswesens und der Informatik. Bei der Beschaffung von<br />

medizin-technischen Geräten und medizinischem Verbrauchsmaterial, wie auch von Arzneimitteln<br />

spielen jedoch auch Faktoren wie Kundendienst, Verfügbarkeit und Unterstützung vor Ort eine<br />

grosse Rolle, sodass beim Einkauf nicht allein auf die Beschaffungskosten abgestellt werden kann.<br />

Drei der vier Spitalverbunde sind Mitglied in einer interkantonalen Einkaufsgemeinschaft, um medizinische<br />

Produkte des täglichen Bedarfs gemeinsam und damit aufgrund der gewährten Rabatte<br />

günstiger einzukaufen. Dadurch wird die Problematik eines allfälligen «Zuschlags Schweiz» gemindert.<br />

Sodann hat auch die Anwendung der Richtlinien des öffentlichen Beschaffungswesens<br />

einen dämpfenden Effekt auf die Preise. Es kann davon ausgegangen werden, dass bei allen<br />

Produkten und Dienstleistungen, für die ein Anbieterwettbewerb besteht, im Rahmen der Vergabe<br />

von öffentlichen Aufträgen kein «Zuschlag Schweiz» erhoben wird, da ein erhöhter Preis die<br />

Chance auf die Erteilung des Auftrags verringert. Allfälligen Vertikalabreden (z.B. Einhaltung von<br />

Preisbindungen oder Respektierung eines absoluten Gebietsschutzes) zwischen Unternehmungen<br />

ist jedoch mit den Regeln über das öffentliche Beschaffungswesen nicht beizukommen, sondern<br />

hier kommen griffige kartellrechtliche Bestimmungen zum Tragen.<br />

D:\RIS_DATA\RIS\PdfConverter\temp\tmpF6C.docx


Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt<br />

A n den G rossen Rat 1 2 .5 2 8 0 .0 2<br />

E D/P 125 28 0<br />

Basel, 7 . November 2012<br />

Regierungsratsbesc h luss<br />

vom 6 . November 2012<br />

Interp ellation N r. 9 3 D ieter W erth em ann b etreffend nic h t gerec h tfertigtem " Z usc h lag<br />

Sc h w eiz " b ei E ink ä ufen v on P roduk ten durc h den Kanton<br />

V or der Sitzung des Grossen Rates vom 17 . O k tober 2012 w urde nac h steh ende Interp ellation<br />

eingereic h t:<br />

„Der NZ Z vom 11. A ugust 2012, Seite 9 ist zu entneh men, dass fü r viele P roduk tionsmittel<br />

w ie Gerä te, Instrumente, H ard- und Softw are, U p grades von Softw are sow ie Servic eleistungen,<br />

die von Sp itä lern, U niversitä ten und H oc h sc h ulen und der ö ffentlic h en V erw altung benö<br />

tigt w erden, ein nic h t gerec h tfertigter "Z usc h lag Sc h w eiz" zu bezah len ist.<br />

Ic h erlaube mir, der Regierung in diesem Z usammenh ang folgende F ragen zu stellen:<br />

1. Stimmt es, dass auc h der Kanton Basel-Stadt fü r solc h e P roduk te und Dienstleistungen,<br />

die er eink aufen muss, gezw ungen ist, zu viel zu bezah len?<br />

2. W enn ja, ist der Regierungsrat bereit, sic h im Rah men der laufenden Revision des<br />

E idgenö ssisc h en Kartellgesetzes dafü r einzusetzen, dass auc h eine Bestimmung gegen<br />

nic h t gerec h tfertigte "Z usc h lä ge Sc h w eiz" erlassen w ird?<br />

Dieter W erth emann“<br />

W ir beantw orten diese Interp ellation w ie folgt:<br />

1 . A usgangslage<br />

Der vom Interp ellanten erw ä h nte Z eitungsartik el befasst sic h mit ü berteuerten Imp ortp roduk -<br />

ten. E in p olitisc h er V orstoss auf Bundesebene w ill solc h e P reisdifferenzierungen fü r unzulä<br />

ssig erk lä ren und verlangt eine entsp rec h ende E rgä nzung des Kartellgesetzes. Neu soll<br />

der Grundsatz gelten, dass U nterneh men, die Mark enp roduk te im A usland zu tieferen P reisen<br />

vertreiben als in der Sc h w eiz, sic h unzulä ssig verh alten, w enn<br />

• sie sic h w eigern, U nterneh men oder Konsumentinnen und Konsumenten aus der<br />

Sc h w eiz ü ber die im A usland gelegenen V ertriebsstellen zu den dort geltenden P reisen<br />

und Gesc h ä ftsbedingungen zu beliefern, oder<br />

• w enn sie Massnah men treffen, um zu verh indern, dass Dritte auf Nac h frage h in in die<br />

Sc h w eiz liefern k ö nnen.<br />

Der Bundesrat leh nte die Motion im J ah r 2011 ab, denn er w ill die H andlungsfreih eit des<br />

H erstellers nic h t stä rk er einsc h rä nk en, als dies das E U -Rec h t tut. Die anvisierte Norm w ü rde<br />

Den Mitgliedern des Grossen Rates des Kantons Basel-Stadt zugestellt am 9. November 2012.


Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt Seite 2<br />

zu einer umfassenden grenzü bersc h reitenden P reisregulierung fü h ren, und die W ettbew<br />

erbsbeh ö rde mü sste selbst in das V erh ä ltnis der Muttergesellsc h aft zu ih ren T oc h tergesellsc<br />

h aften einzugreifen. E ine solc h umfassende E ingreifk omp etenz steh t im W idersp ruc h<br />

zur international ü blic h en W ettbew erbsk onzep tion und der Bundesrat erac h tet sie desh alb<br />

als unverh ä ltnismä ssig.<br />

Der Nationalrat h at die Motion in der W intersession 2011 mit 113 zu 7 4 Stimmen angenommen.<br />

Die V orlage des Bundesrates zur Revision des Kartellgesetzes sow ie die Motion w erden<br />

derzeit in der Kommission fü r W irtsc h aft und A bgaben des Stä nderats beh andelt; im<br />

A ugust 2012 w urde mit der Detailberatung des Gesc h ä fts begonnen.<br />

2 . Beantw ortung der F ragen<br />

1. Stimmt es, dass auch der Kanton Basel-Stadt für solche Produkte und Dienstleistungen,<br />

die er einkaufen muss, gezwungen ist, zu viel zu bezahlen?<br />

Bei Besc h affungen von Gerä ten im k leineren bis mittleren P reissegment k ann in der P rax is<br />

davon ausgegangen w erden, dass die P reise in der Sc h w eiz h ö h er sind. A ufgrund der W ä h -<br />

rungsentw ic k lung w urden jedoc h in den vergangenen Monaten sow oh l dem Kanton als auc h<br />

den Sp itä lern W ä h rungsrabatte gew ä h rt.<br />

A uc h die U niversitä t Basel ist in einigen Besc h affungssituationen von der P roblematik ü berh<br />

ö h ter P reise von Imp ortp roduk ten betroffen. Sc h w ierig sei es insbesondere dann, w enn<br />

h oc h sp ezialisierte F orsc h ungsgerä te besc h afft w erden, die nur von einem oder seh r w enigen<br />

auslä ndisc h en L ieferanten mit V erk aufsstelle in der Sc h w eiz angeboten w erden. Solc h e<br />

L ieferanten zw ingen die U niversitä t h ä ufig, ü ber ih re F ilialen in der Sc h w eiz einzuk aufen, mit<br />

einem Dik tat der P reise in Sc h w eizer F rank en. Die W ä h rungsgew inne w erden dabei aufgrund<br />

der Monop olstellung nic h t an die Kunden w eitergegeben.<br />

A uc h Im IT -Bereic h k ommen Situationen vor, w ie sie der Interp ellant sc h ildert. Begrü ndet<br />

w ird dies von den IT -F irmen meinst mit dem lok alen Sup p ort, dem A c c ount-Management<br />

usw . Gleic h zeitig feh lt eine lä nderü bergreifende P reis- und Kostentransp arenz. Mit einzelnen<br />

A nbietern h aben die Kantone jedoc h nac h langen V erh andlungen gemeinsam eine faire L ö -<br />

sung ausgeh andelt, die den k antonalen V erw altungen und insbesondere den Sc h ulen h oh e<br />

Rabatte garantiert, die nic h t tiefer als in vergleic h baren L ä ndern sind. E ine Studie des P reisü<br />

berw ac h ers belegt auc h , dass das P reisniveau der Sc h w eiz fü r H ard- und Standard-<br />

Softw are mit jenem des umliegenden A uslands vergleic h bar ist, teilw eise sind die P reise in<br />

der Sc h w eiz sogar tiefer.<br />

Bei medizinisc h em V erbrauc h smaterials w erden die P reise in der Regel an die Kaufk raft des<br />

entsp rec h enden A bsatzmark tes angep asst. A ls E rfah rungsw ert nennen die Sp itä ler eine<br />

P reisdifferenz zu Deutsc h land/Ö sterreic h von durc h sc h nittlic h 4 0 bis 5 5 P rozent. Die Sp itä ler<br />

sind jedoc h bestrebt, mittels E ink aufsk oop erationen oder Direk timp orten ih ren Druc k auf<br />

H ersteller und/oder L ieferanten zu erh ö h en, um so ein w irtsc h aftlic h es P reisniveau zu erreic<br />

h en.


Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt Seite 3<br />

Rah menbedingungen w ie die Medizinp roduk teverordnung, die eine Meldep flic h t fü r das erstmalige<br />

Inverk eh rbringen von Medizinp roduk ten bei Sw issmedic sow ie Konformitä tserk lä rungen<br />

vorsc h reibt, sow ie das Bundesgesetz ü ber die P roduk teh aftp flic h t ersc h w eren den Sp i-<br />

tä lern Direk timp orte.<br />

2 . W enn ja, ist der R egierungsrat bereit, sich im R ahmen der laufenden R evision des<br />

E idgenö ssischen Kartellgesetzes dafür einzusetzen, dass auch eine Bestimmung gegen<br />

nicht gerechtfertigte "Z uschlä ge Schweiz" erlassen wird?<br />

Selbstverstä ndlic h ist es dem Regierungsrat ein A nliegen, ü berh ö h te Imp ortp reise w o mö g-<br />

lic h und sinnvoll zu unterbinden. In diesem Z usammenh ang gilt aber, vorerst das E rgebnis<br />

der w eiteren Kommissions- und P arlamentsberatungen auf eidgenö ssisc h er E bene abzuw<br />

arten. Sobald feststeh t, w ie die k onk reten A nträ ge zur V ermeidung von ü berh ö h ten P reisen<br />

bei Imp ortp roduk ten lauten und w ie diese ins Kartellgesetz E ingang finden, w ird sic h der<br />

Regierungsrat eine absc h liessende Meinung bilden und sic h dazu verlauten lassen.<br />

Im Namen des Regierungsrates des Kantons Basel-Stadt<br />

Dr. Guy Morin<br />

Regierungsp rä sident<br />

Barbara Sc h ü p bac h -Guggenbü h l<br />

Staatssc h reiberin

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