Antrag - DIE LINKE. Landesverband Hamburg
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Drucksache 20/9338<br />
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt <strong>Hamburg</strong> – 20. Wahlperiode<br />
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 831 – Drucksache 17/14600<br />
macht, dass das alles schon irgendwie seine Richtigkeit<br />
haben wird“,<br />
sagt Semiya Şimşek. Was fehlte, war der Eindruck, dass<br />
die Hinweise aus dem Kreis der Angehörigen auf einen<br />
möglichen rassistischen Hintergrund der Taten von den<br />
Ermittlern wirklich ernst genommen werden. Was ebenfalls<br />
fehlte, war der Eindruck,<br />
„dass irgendwer versuchte, bei alldem wenigstens<br />
rücksichtsvoll zu sein.“<br />
Statt Mitgefühl mussten die Angehörigen zum Teil jahrelanges<br />
Misstrauen erleben. Sie alle teilen dasselbe Schicksal.<br />
Sie alle sind in doppelter Weise traumatisiert. Traumatisiert<br />
durch die Tat an sich, traumatisiert aber auch<br />
durch die darauf folgenden Verdächtigungen und Fehler<br />
bei den Ermittlungen.<br />
„Döner-Morde“ – zu Recht Unwort des Jahres 2011<br />
Unter der Überschrift „Döner-Mord – Nun wird bei Banken<br />
gefahndet“ veröffentlichte die Nürnberger Zeitung<br />
am 31. August 2005 einen Artikel zum Stand der Ermittlungsarbeit<br />
der Staatsanwaltschaft Nürnberg. Damit war<br />
ein Schlagwort für die „Česká“-Mordserie geprägt.<br />
In der Folgezeit wird das Schlagwort von der Frankfurter<br />
Allgemeinen Zeitung bis zur Neuen Züricher Zeitung über<br />
Jahre hinweg immer wieder aufgegriffen. Unter diesem<br />
zynischen und bagatellisierenden Begriff wurde über die<br />
die begangenen Mordtaten an Menschen, von denen überhaupt<br />
nur zwei in einem Dönerimbiss arbeiteten, fortan<br />
berichtet.<br />
„Der Ausdruck war herabwürdigend und beleidigend<br />
gegenüber den Opfern, die so unterschiedliche<br />
Biographien hatten“,<br />
sagt Semiya Şimşek. Unglaublich wütend sei sie gewesen,<br />
als sie erstmals 2006 in einer Zeitung auf den Begriff<br />
stieß, neben einem Foto ihres Vaters, des Blumengroßhändlers.<br />
Der Begriff wurde 2011 völlig zu Recht zum „Unwort des<br />
Jahres“ gewählt. „Mit der sachlich unangemessenen,<br />
folkloristisch-stereotypen Etikettierung einer rechtsterroristischen<br />
Mordserie werden ganze Bevölkerungsgruppen<br />
ausgegrenzt und die Opfer selbst in höchstem Maße diskriminiert,<br />
indem sie aufgrund ihrer Herkunft auf ein<br />
Imbissgericht reduziert werden“, heißt es in der damaligen<br />
Begründung der Jury.<br />
Der Untersuchungsausschuss –<br />
eine richtige Entscheidung als Instrument der Aufklärung<br />
Nach Bekanntwerden der Verantwortung der Terrorgruppe<br />
für die Česká-Mordserie und weiterer brutaler Straftaten<br />
war sich die Politik einig in der Forderung nach lückenloser,<br />
gründlicher und vollständiger Aufklärung des<br />
staatlichen Versagens. Allein über den Weg dorthin bestanden<br />
anfangs unterschiedliche Auffassungen. Zunächst<br />
waren nicht alle Abgeordneten im Bundestag der Überzeugung,<br />
dass die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses<br />
des Deutschen Bundestages der richtige Weg sei.<br />
Schon am 26. Januar 2012 aber wurde der Untersuchungsausschuss<br />
als erster in der Geschichte des Bundestages<br />
aufgrund eines gemeinsam formulierten <strong>Antrag</strong>s<br />
aller Fraktionen einstimmig eingesetzt.<br />
Die Einigkeit der Fraktionen nicht nur bei der Einsetzung,<br />
sondern auch der breite Konsens, mit dem der Ausschuss<br />
seinem Auftrag nachgegangen ist, hat bei allen Fraktionen<br />
die Überzeugung gefestigt, dass die Entscheidung für den<br />
Untersuchungsausschuss richtig war. Der Ausschuss<br />
begann seine Arbeit in dem von allen geteilten Verständnis,<br />
dass es nicht die Aufgabe sei, untereinander um kleinliche<br />
parteipolitische Vorteile zu streiten, sondern gemeinsam<br />
für Aufklärung und damit auch für die Demokratie<br />
zu streiten. Dieser Leitgedanke hat sich durch den<br />
gesamten Zeitraum der Untersuchung erhalten.<br />
Sämtliche Beweisbeschlüsse, sämtliche Zeugenbenennungen<br />
und sämtliche Verfahrensanträge wurden einstimmig<br />
verabschiedet – also ohne Durchsetzung des<br />
Mehrheitsprinzips oder Rückgriff auf Minderheitenrechte.<br />
Erst diese kooperative Zusammenarbeit machte es möglich,<br />
die massiven Versäumnisse, Fehlleistungen und<br />
Fehleinschätzungen der deutschen Strafverfolgungs- und<br />
Sicherheitsbehörden erkennbar werden zu lassen.<br />
Das Signal, dass der Deutsche Bundestag hier „mit einer<br />
Stimme sprach“, dürfte sich auch auf die Bereitschaft der<br />
zur Vorlage von Akten und Unterlagen nach dem Grundgesetz<br />
und dem PUAG verpflichteten Behörden von Bund<br />
und Ländern ausgewirkt haben, die Aufklärung durch den<br />
Ausschuss zu unterstützen. Während anfangs noch unter<br />
dem Gesichtspunkt der föderalen Zuständigkeitsverteilung<br />
Bedenken gegen die Herausgabe von Akten erhoben<br />
wurden, wurden dem Ausschuss – entgegen aller Skepsis<br />
und Ankündigungen, insbesondere einiger Länder, zu<br />
Beginn seiner Arbeit – im Verlauf der Untersuchungen<br />
die angeforderten, noch vorhandenen Akten zur Verfügung<br />
gestellt.<br />
Die Bereitschaft, zur Aufklärung beizutragen, unterstreichen<br />
die großen Anstrengungen, die viele Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter der betroffenen Behörden des Bundes<br />
und der Länder auf sich genommen haben, damit dem<br />
Ausschuss umfangreiche Akten zur Verfügung stehen<br />
konnten. Für dieses Engagement soll ausdrücklich Dank<br />
gesagt werden.<br />
Hervorhebung verdient zum einen die Entscheidung Thüringens,<br />
die vollständigen Aktenbestände des LfV Thüringen<br />
zum Phänomenbereich Rechts aus dem Untersuchungszeitraum<br />
einer Auswertung zugänglich zu machen,<br />
zum anderen die Bereitschaft des Freistaats Bayern, die<br />
zur Auswertung dieser Akten erforderlichen rund 150<br />
Verfahren zur Freigabe von Verschlusssachen mit den<br />
jeweils zuständigen Behörden von Bund und Ländern zu<br />
koordinieren.<br />
Der Ausschuss verkennt nicht, dass die Bereitschaft der<br />
Behörden zur Zusammenarbeit mit dem Ausschuss auch<br />
der kontinuierlichen Begleitung und der breiten Berichterstattung<br />
durch die Medien zu verdanken ist.<br />
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