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Kennzeichnungspflicht erneut in der Presse - DPolG Kreisverband ...

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<strong>DPolG</strong>-KV Mannheim/Heidelberg/Mosbach Ausgabe Nr. 43 / 2013 vom 04.11.2013<br />

Stand<br />

punkt<br />

Informationsblatt <strong>der</strong> Deutschen Polizeigewerkschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kurpfalz<br />

<strong>Kennzeichnungspflicht</strong> <strong>erneut</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Presse</strong><br />

Von Walter Krech, <strong>DPolG</strong> Mannheim<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Walter Krech, Mannheim 1<br />

<strong>Kennzeichnungspflicht</strong> <strong>erneut</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Presse</strong><br />

Herbert Adam, Mannheim 2<br />

Diszipl<strong>in</strong>arverfahren und die Jubiläumsgabenverordnung<br />

Michael Schöfer, Mannheim 3<br />

LPVG im Landtag<br />

<strong>DPolG</strong>-KV Heidelberg 5<br />

″Neue Welt 2014″<br />

Rolf-Joachim Christiani, MA 6<br />

Unglaublich, ke<strong>in</strong>e Information für<br />

die Polizei<br />

Standpunktredaktion 6<br />

″Staatsallianz″ for<strong>der</strong>t Kurskorrektur<br />

Standpunktredaktion 8<br />

Justizm<strong>in</strong>isterium beruft Ralf Kusterer<br />

an den VGH BW<br />

Standpunktredaktion 8<br />

<strong>DPolG</strong> <strong>in</strong> aller Kürze<br />

Kurt Sandrisser 9<br />

Hier hätte e<strong>in</strong>e Distanzwaffe hilfreich<br />

se<strong>in</strong> können<br />

Herbert Adam 9<br />

Infos für Ruheständler<br />

Adam, Karl, Raufel<strong>der</strong> 10<br />

Er<strong>in</strong>nerungen an die Mannheimer<br />

Polizei<br />

Der Koalitionsvertrag <strong>der</strong> grün-roten Landesregierung hatte sich klar ausgedrückt.<br />

Der Standpunkt hatte bereits kurz nach Veröffentlichung des Vertrages<br />

im Mai 2011 auf die Absicht <strong>der</strong> "E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>dividualisierten anonymisierten<br />

Kennzeichnung <strong>der</strong> Polizei bei Großlagen" h<strong>in</strong>gewiesen und h<strong>in</strong>terfragt,<br />

wie man e<strong>in</strong>e solche Absicht unter <strong>der</strong> Überschrift "Gewalt gegen Polizei stoppen"<br />

verkaufen will (Standpunkt 16/2011). Immer wie<strong>der</strong> gab es Diskussionen<br />

und <strong>DPolG</strong>-Stellungnahmen zu dieser politischen Absichtserklärung, doch war<br />

es <strong>in</strong> letzter Zeit eher ruhig um das Thema geworden. Die Stuttgarter Zeitung<br />

griff diesen Passus des Koalitionsvertrages <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Ausgabe vom 29.10.2013<br />

nun wie<strong>der</strong> auf und führte aus, dass die For<strong>der</strong>ung überhaupt erst per Än<strong>der</strong>ungsantrag<br />

<strong>der</strong> Grünen im Vertrag landete. Von Seiten <strong>der</strong> Grünen würde nun<br />

am Jahrestag des "Schwarzen Donnerstag", dem Polizeie<strong>in</strong>satz im Stuttgarter<br />

Schlossgarten zur Sicherung <strong>der</strong> Baumfällarbeiten beim Bauprojekt Stuttgart<br />

21, "gedrängt, endlich zu handeln".<br />

In den Ausführungen des Redakteurs Andreas Müller f<strong>in</strong>den sich nun aber e<strong>in</strong><br />

paar Passagen, die e<strong>in</strong> Aufgreifen auch im Standpunkt nahelegen. So wird die<br />

S<strong>in</strong>nhaftigkeit e<strong>in</strong>er <strong>Kennzeichnungspflicht</strong> mit <strong>der</strong> Abschlussbilanz zu dem genannten<br />

Polizeie<strong>in</strong>satz begründet.<br />

Fortsetzung auf Seite 2<br />

Aus weniger ruhigen Zeiten im Bereich <strong>der</strong> Baustelle zum Bahnprojekt Stuttgart 21 stammt<br />

die For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Grünen, bei <strong>der</strong> Polizei e<strong>in</strong>e anonymisierte Kennzeichnung e<strong>in</strong>zuführen.<br />

(Bild: <strong>DPolG</strong> Mannheim)


Fortsetzung von Seite 1<br />

Standpunkt Nr. 43 / 2013 - Seite 2 -<br />

Die Zeitung führt aus: "156 Verfahren<br />

gegen unbekannte Polizeibeamte<br />

– mehr als doppelt so viele wie<br />

gegen unbekannte Projektgegner –<br />

musste die Staatsanwaltschaft danach<br />

e<strong>in</strong>stellen, weil 'ke<strong>in</strong> Beschuldigter<br />

identifiziert werden konnte'<br />

o<strong>der</strong> ke<strong>in</strong> strafbares Verhalten feststellbar<br />

war. So blieb <strong>der</strong> Vorwurf –<br />

meistens Körperverletzung im Amt –<br />

<strong>in</strong> diesen Fällen fast durchweg ungeklärt.<br />

Nur fünf Verfahren gegen<br />

identifizierte Beamte landeten vor<br />

Gericht o<strong>der</strong> werden dort noch verhandelt."<br />

E<strong>in</strong>e Aussage, die zwei völlig unterschiedliche<br />

Aspekte zusammenfasst<br />

und daher gar nichts zu den e<strong>in</strong>zelnen<br />

Teilen aussagt. Denn die Verfahren,<br />

<strong>in</strong> denen ke<strong>in</strong> strafbares<br />

Verhalten feststellbar war, wären<br />

auch bei Identifizierung <strong>der</strong> Beamten<br />

e<strong>in</strong>zustellen gewesen. Und dass<br />

das <strong>in</strong> den meisten Fällen <strong>der</strong> Fall<br />

gewesen se<strong>in</strong> dürfte, ergibt sich daraus,<br />

dass auch bei den bekannten<br />

Beamten "nur" fünf Verfahren zu e<strong>in</strong>er<br />

Anklage führten, die meisten<br />

aber e<strong>in</strong>zustellen waren. Und von<br />

diesen fünf Verfahren werden <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

die gegen die Wasserwerferbesatzungen<br />

gerichteten unter<br />

den Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> <strong>DPolG</strong> noch<br />

sehr kritisch gesehen.<br />

Ich hege Zweifel, dass es bei diesem<br />

E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> Stuttgart im fiktiven<br />

Falle e<strong>in</strong>er bereits vorhandenen anonymisierten<br />

Kennzeichnung zu vielen<br />

zusätzlichen Identifizierungen<br />

mit anschließen<strong>der</strong> Anklage gekommen<br />

wäre. Immerh<strong>in</strong> berichtet <strong>der</strong><br />

Artikel <strong>der</strong> Stuttgarter Zeitung vom<br />

Ergebnis e<strong>in</strong>es Gutachtens <strong>der</strong> Freien<br />

Universität Berl<strong>in</strong>: Dort habe die<br />

bereits 2008 e<strong>in</strong>geführte <strong>Kennzeichnungspflicht</strong><br />

"die Ermittlungen gegen<br />

Polizisten nicht wesentlich erleichtert."<br />

In Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz wurde e<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige<br />

Kennzeichnung auch im Koalitionsvertrag<br />

vere<strong>in</strong>bart. Wir berichteten<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Rubrik "<strong>in</strong> aller Kürze"<br />

13.02.2012 von <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung<br />

<strong>der</strong> Kennzeichnung. Wie die Stuttgarter<br />

Zeitung hierzu ausführt, wurde<br />

dort die E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> Kennzeichnung<br />

allerd<strong>in</strong>gs von <strong>der</strong> E<strong>in</strong>igungsstelle<br />

beim Innenresort abgelehnt.<br />

Die E<strong>in</strong>igungsstelle ist e<strong>in</strong>e<br />

E<strong>in</strong>richtung nach dem Personalvertretungsrecht<br />

mit Vertretern <strong>der</strong><br />

Dienststelle und des Hauptpersonalrates,<br />

<strong>der</strong> Streitfälle unter dem Vorsitz<br />

e<strong>in</strong>es Unparteiischen mit dem<br />

Recht zum Richteramt entscheidet.<br />

Im Ergebnis berichtet <strong>der</strong> Artikel<br />

noch, dass <strong>der</strong> Elan des Innenm<strong>in</strong>isters<br />

ziemlich erlahmt sei und führt<br />

dies auf die Proteste aus den Reihen<br />

<strong>der</strong> Polizei, namentlich auf den<br />

Protest <strong>der</strong> <strong>DPolG</strong> und ihres Landesvorsitzenden<br />

Joachim Lautensack,<br />

zurück. Auch M<strong>in</strong>isterpräsident<br />

W<strong>in</strong>fried Kretschmann bekundete<br />

gegenüber <strong>der</strong> <strong>Presse</strong>, dass<br />

das Thema <strong>der</strong>zeit "nicht aufgerufen"<br />

sei.<br />

E<strong>in</strong> Zustand, mit dem wir als <strong>DPolG</strong><br />

gut leben können.<br />

Diszipl<strong>in</strong>arverfahren und die Jubiläumsgabenverordnung<br />

Von Herbert Adam, <strong>DPolG</strong> Mannheim<br />

Das Land Baden-Württemberg<br />

will Sie für<br />

25, 40 o<strong>der</strong> gar<br />

50 Jahre Zugehörigkeit<br />

zum<br />

öffentlichen<br />

Dienst ehren.<br />

Sie sollen für<br />

25 Jahre Dienste<br />

bei <strong>der</strong> Polizei<br />

300 Euro,<br />

für 50 Jahre 400 Euro und – was<br />

aber bei <strong>der</strong> Polizei wohl niemand erreicht<br />

– für 50 Jahre 500 Euro (davon<br />

geht noch die Steuer ab), e<strong>in</strong>en Tag<br />

Son<strong>der</strong>urlaub und e<strong>in</strong>e Dankesurkunde<br />

erhalten. So sieht es jedenfalls<br />

die Jubiläumsgabenverordnung<br />

(JubGVO) aus dem Jahr 2002 vor.<br />

Alle aus Ihrem Jahrgang haben<br />

schon die E<strong>in</strong>ladung zu e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en<br />

Feierstunde. Sie fragen sich, warum<br />

habe ich noch ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ladung?<br />

In aller Regel gibt es drei Gründe,<br />

weshalb man Sie nicht e<strong>in</strong>geladen<br />

hat:<br />

► Gegen Sie werden strafrechtliche<br />

25<br />

40<br />

50<br />

Ermittlungen geführt, ist Anklage <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Strafrechtssache erhoben worden<br />

o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>geleitetes Strafverfahren<br />

ist noch nicht unanfechtbar<br />

abgeschlossen worden.<br />

► Gegen Sie ist e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>geleitetes<br />

Diszipl<strong>in</strong>arverfahren noch nicht unanfechtbar<br />

abgeschlossen worden.<br />

► Sie haben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Diszipl<strong>in</strong>arverfahren<br />

als Ahndung e<strong>in</strong>e Geldbuße<br />

von mehr als 150 Euro, e<strong>in</strong>e Kürzung<br />

<strong>der</strong> Bezüge o<strong>der</strong> gar Zurückstufung<br />

erfahren.<br />

In diesen Fällen gelten ab dem Zeitpunkt<br />

<strong>der</strong> Unanfechtbarkeit <strong>der</strong> Entscheidung<br />

die im Landesdiszipl<strong>in</strong>argesetz<br />

verankerten Fristen (§ 42<br />

LDG BW – zwischen drei und sieben<br />

Jahren), Bei dieser H<strong>in</strong>ausschiebung<br />

<strong>der</strong> Ehrung hat <strong>der</strong> Arbeitgeber nicht<br />

den ger<strong>in</strong>gsten Ermessensspielraum.<br />

Es ist bewusst von e<strong>in</strong>em H<strong>in</strong>ausschieben<br />

<strong>der</strong> Maßnahme die Rede.<br />

S<strong>in</strong>d die genannten Zeiten abgelaufen,<br />

wird die "Ehrung" dann nachgeholt.<br />

Quelle <strong>der</strong> Grafik: OpenClipart


Standpunkt Nr. 43 / 2013 - Seite 3 -<br />

Landespersonalvertretungsgesetz im Landtag<br />

Von Michael Schöfer, <strong>DPolG</strong> Mannheim<br />

Am 7. November steht die Novellierung<br />

des Landespersonalvertretungsgesetz<br />

(LPVG) auf <strong>der</strong> Tagesordnung<br />

des Stuttgarter Landtags<br />

(Drucksache 15/4224). Der<br />

e<strong>in</strong>gebrachte Gesetzentwurf unterscheidet<br />

sich nur unwesentlich von<br />

den bislang vorgelegten Entwürfen,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Geschlechterquote<br />

bleibt deshalb nach wie<br />

vor e<strong>in</strong> großes Fragezeichen.<br />

"Besteht <strong>der</strong> Personalrat aus m<strong>in</strong>destens drei Mitglie<strong>der</strong>n,<br />

sollen im Personalrat Frauen und Männer entsprechend<br />

ihren Anteilen an den <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel Beschäftigten<br />

<strong>der</strong> Dienststelle vertreten se<strong>in</strong>. S<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Dienststelle<br />

Beamte und Arbeitnehmer beschäftigt, sollen<br />

Frauen und Männer <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Gruppe, <strong>der</strong> mehr als e<strong>in</strong><br />

Sitz im Personalrat zusteht, entsprechend ihrem Anteil<br />

an den <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel beschäftigten Gruppenangehörigen<br />

vertreten se<strong>in</strong>", lautet <strong>der</strong><br />

geän<strong>der</strong>te § 15 Abs. 1.<br />

Absatz 2 wird dann konkreter:<br />

"Der Wahlvorstand<br />

stellt fest, wie hoch <strong>der</strong> Anteil<br />

<strong>der</strong> Frauen und <strong>der</strong><br />

Männer an den <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />

Beschäftigten <strong>in</strong>sgesamt<br />

und <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

Gruppen ist. Er errechnet<br />

nach den Grundsätzen<br />

<strong>der</strong> Verhältniswahl die<br />

Verteilung <strong>der</strong> Sitze<br />

1. im Personalrat auf die<br />

Gruppen,<br />

2. im Personalrat auf die<br />

Geschlechter,<br />

3. <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Gruppe,<br />

<strong>der</strong> mehr als e<strong>in</strong> Sitz im<br />

Personalrat zusteht, auf die Geschlechter."<br />

Da es im Tarifbereich <strong>der</strong> Landespolizei e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>en<br />

hohen Frauenanteil gibt (fast 80 %) und an<strong>der</strong>erseits<br />

aufgrund des ger<strong>in</strong>gen Anteils an den Beschäftigten nur<br />

wenig Sitze an die Gruppe <strong>der</strong> Arbeitnehmer vergeben<br />

werden, könnte das dazu führen, dass nur weibliche Tarifbeschäftigte<br />

<strong>in</strong> den Personalrat e<strong>in</strong>ziehen. Nach den<br />

Grundsätzen <strong>der</strong> Verhältniswahl fallen nämlich bei zwei<br />

o<strong>der</strong> drei Sitzen sämtliche Sitze an Frauen. Männer bleiben<br />

damit, unabhängig vom Stimmergebnis, außen vor.<br />

Das führt unter Umständen zu e<strong>in</strong>er grotesken Missachtung<br />

des Wählerwillens.<br />

Auch <strong>der</strong> Landtag ist auf e<strong>in</strong>en Interimsplenarsaal angewiesen.<br />

Derzeit tagt er <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kuppel des Kunsthaus am Schlossplatz.<br />

(Quelle: Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0-Lizenz. Urheber:<br />

Ensl<strong>in</strong>)<br />

In <strong>der</strong> Begründung des Gesetzentwurfs heißt es allerd<strong>in</strong>gs:<br />

Es "soll angestrebt werden, dass beide Geschlechter<br />

im Personalrat entsprechend ihrem Anteil an<br />

den Beschäftigten <strong>der</strong> Dienststelle sowie <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Gruppe<br />

(Arbeitnehmer / Beamte) berücksichtigt werden. Zudem<br />

soll e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong> Geschlechtergerechtigkeit<br />

konkret an <strong>der</strong> E<strong>in</strong>reichung <strong>der</strong> Wahlvorschläge ansetzen<br />

(vgl. § 17 Absatz 4a). Die Geschlechtergerechtigkeit<br />

soll h<strong>in</strong>gegen nicht kraft gesetzlicher Regelungen<br />

die Wahlentscheidung <strong>der</strong> Wahlberechtigten durch e<strong>in</strong>e<br />

b<strong>in</strong>dende, die Sitzverteilung bestimmende Geschlechterquote<br />

verän<strong>der</strong>n. (…) Die Verpflichtung, die Geschlechterquote<br />

zu beachten, trifft die E<strong>in</strong>reicher beziehungsweise<br />

Träger von Wahlvorschlägen, sie gilt nicht<br />

für die Bekundung des Wählerwillens. Es soll den Wahlberechtigten<br />

unbenommen von e<strong>in</strong>er Geschlechterquote<br />

frei stehen, welchen Frauen und Männern sie bei <strong>der</strong><br />

Wahl ihr Vertrauen schenken wollen. Insbeson<strong>der</strong>e sollen<br />

auch die Möglichkeit des Kumulierens und Panaschierens<br />

nicht durch die verb<strong>in</strong>dliche Beachtung von<br />

Geschlechterquoten beschränkt werden."<br />

Kann man damit Entwarnung geben? Haben die Proteste<br />

also etwas genutzt? Ke<strong>in</strong>eswegs, denn <strong>der</strong> vorgelegte<br />

Gesetzentwurf ist zum<strong>in</strong>dest höchst missverständlich.<br />

Die strittige Passage <strong>in</strong> Bezug<br />

auf die Geschlechterquote<br />

steht <strong>in</strong> § 15 (Vertretung<br />

nach Gruppen und<br />

Geschlechtern). Wäre er<br />

bloß e<strong>in</strong>e unverb<strong>in</strong>dliche<br />

Richtschnur, wie es die Begründung<br />

behauptet,<br />

müsste er von <strong>der</strong> Systematik<br />

her <strong>in</strong> § 17 (Wahl<br />

des Personalrats) stehen.<br />

Dort, wo es tatsächlich um<br />

die E<strong>in</strong>reichung <strong>der</strong> Wahlvorschläge<br />

geht. Die Wahlvorstände<br />

haben überdies<br />

bei ihrer Arbeit nur den re<strong>in</strong>en<br />

Gesetzestext vorliegen.<br />

Die Begründung, was<br />

<strong>der</strong> Gesetzgeber mit dem<br />

Gesetzeswerk eigentlich<br />

wollte, geht daher womöglich völlig unter. Erfahrene<br />

Wahlvorstände sagen, sie würden sich zunächst am<br />

Gesetzestext und an den dar<strong>in</strong> zum Ausdruck gebrachten<br />

"Grundsätzen <strong>der</strong> Verhältniswahl" bei <strong>der</strong> "Sitzverteilung"<br />

orientieren. Alle<strong>in</strong> aus dem Gesetzestext erschließe<br />

sich ihnen nicht, dass sich die Geschlechterquote<br />

nur auf die E<strong>in</strong>reichung <strong>der</strong> Wahlvorschläge beziehen<br />

soll.<br />

Außerdem ist im öffentlichen Recht e<strong>in</strong>e Soll-Vorschrift<br />

ebenso verb<strong>in</strong>dlich wie e<strong>in</strong>e Muss-Vorschrift, sie lässt<br />

aber bei Vorliegen beson<strong>der</strong>er (atypischer) Umstände<br />

ausnahmsweise e<strong>in</strong>e Abweichung von <strong>der</strong> gesetzlich<br />

angeordneten Regelung zu. Die Soll-Vorschrift nimmt<br />

e<strong>in</strong>e Zwischenstellung zwischen <strong>der</strong> Kann- und <strong>der</strong><br />

Muss-Vorschrift e<strong>in</strong>. (Quelle: Prof. Dr. Ferd<strong>in</strong>and Kirchhof,<br />

Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Vorlesung<br />

Öffentliches Recht IV (Allgeme<strong>in</strong>es Verwaltungsrecht),<br />

Universität Tüb<strong>in</strong>gen 2000/2001)<br />

Fortsetzung auf Seite 4


Die Soll-Vorschrift ist somit die<br />

schwächste Form <strong>der</strong> Ermessense<strong>in</strong>räumung.<br />

Welchen Ermessensspielraum<br />

die Wahlvorstände sehen,<br />

steht daher <strong>in</strong> den Sternen. Die Antwort<br />

könnte höchst unterschiedlich<br />

ausfallen - je nachdem, wer im<br />

Wahlvorstand ist und wie dieser das<br />

Gesetz <strong>in</strong>terpretiert.<br />

Im Bereich des Rechts gibt es den<br />

Begriff <strong>der</strong> Normenklarheit, d.h.<br />

dass e<strong>in</strong> Gesetz klar verständlich<br />

Standpunkt Nr. 43 / 2013 - Seite 4 -<br />

se<strong>in</strong> muss. "Das Gebot <strong>der</strong> Normenbestimmtheit<br />

und <strong>der</strong> Normenklarheit<br />

(...) soll die Betroffenen befähigen,<br />

die Rechtslage anhand <strong>der</strong> gesetzlichen<br />

Regelung zu erkennen,<br />

damit sie ihr Verhalten danach ausrichten<br />

können. (…) Zu den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

gehört es, dass h<strong>in</strong>reichend<br />

klare Maßstäbe für Abwägungsentscheidungen<br />

bereitgestellt<br />

werden." (Urteil des Ersten Senats<br />

des Bundesverfassungsgerichts<br />

vom 26.07.2005, 1 BvR 782/94) Die<br />

Wahlvorstände müssen gewissermaßen<br />

auf den ersten Blick erkennen,<br />

was sie zu tun haben. Der vorliegende<br />

Gesetzentwurf des LPVG<br />

wird dem lei<strong>der</strong> nicht gerecht. Wenn<br />

es dem Gesetzgeber wirklich nur<br />

um die E<strong>in</strong>reichung <strong>der</strong> Wahlvorschläge<br />

g<strong>in</strong>ge, müsste er dies klar<br />

und deutlich durch e<strong>in</strong>e entsprechende<br />

Formulierung im Gesetzestext<br />

zum Ausdruck br<strong>in</strong>gen. An<strong>der</strong>nfalls<br />

lädt er nur zu Missverständnissen<br />

und Unklarheiten e<strong>in</strong>.<br />

Mail-Anfrage an die Abgeordneten<br />

des Landtags von Baden-Württemberg<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

werte Landtagsabgeordnete,<br />

ich würde Ihnen <strong>in</strong> Bezug auf die geplante Än<strong>der</strong>ung<br />

des LPVG, über die Sie demnächst abstimmen, gerne<br />

e<strong>in</strong>e Frage stellen.<br />

Die Situation ist folgende: Ich arbeite als Arbeitnehmer<br />

beim Polizeipräsidium Mannheim und b<strong>in</strong> dort seit 1997<br />

im Personalrat, bei den letzten Personalratswahlen im<br />

Jahr 2010 habe ich auf me<strong>in</strong>er Liste 185 von <strong>in</strong>sgesamt<br />

254 Stimmen bekommen (= 72,8 %) und somit von den<br />

Wähler<strong>in</strong>nen und Wählern <strong>erneut</strong> das Vertrauen geschenkt<br />

bekommen.<br />

Wir haben bei den Arbeitnehmern <strong>der</strong> Landespolizei<br />

e<strong>in</strong>en recht hohen Frauenanteil (ungefähr 80 %), bekommen<br />

jedoch wegen <strong>der</strong> wesentlich größeren Anzahl<br />

<strong>der</strong> Beamten <strong>in</strong> den Personalratsgremien nur wenig Sitze<br />

(<strong>in</strong> den künftigen Regionalpräsidien lediglich zwei<br />

o<strong>der</strong> drei). Beides zusammen hat aber, wenn ich den<br />

beabsichtigten § 15 Abs. 2 LPVG (Vertretung nach<br />

Gruppen und Geschlechtern) beim Wortlaut nehme, die<br />

fatale Wirkung, dass ich bei den nächsten Wahlen - unabhängig<br />

vom Stimmergebnis - gar nicht gewählt werden<br />

kann.<br />

Nach den "Grundsätzen <strong>der</strong> Verhältniswahl", nach denen<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Gruppen die Verteilung <strong>der</strong> Sitze zwischen<br />

Männern und Frauen vorgenommen wird, gehen<br />

nämlich bei den Arbeitnehmern alle drei Sitze an Frauen.<br />

Nach den "Grundsätzen <strong>der</strong> Verhältniswahl" g<strong>in</strong>ge<br />

erst <strong>der</strong> vierte Sitz, den es aber <strong>in</strong> den Personalräten<br />

wegen <strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gen Anzahl an Arbeitnehmern gar nicht<br />

gibt, an e<strong>in</strong>en Mann.<br />

Übertrage ich bei identischem Wählerverhalten das<br />

Wahlergebnis von 2010 auf die nächste Personalratswahl,<br />

so habe ich ke<strong>in</strong>e Chance, überhaupt gewählt zu<br />

werden, obgleich ich beim letzten Mal mit großem Abstand<br />

die meisten Stimmen bekommen habe und - falls<br />

die Wähler<strong>in</strong>nen und Wähler wollen - vielleicht auch<br />

künftig bekommen werde. Dadurch wird mir faktisch das<br />

passive Wahlrecht entzogen. Und das nur aufgrund<br />

me<strong>in</strong>es Geschlechts.<br />

Das kann doch eigentlich nicht se<strong>in</strong>. Hat man die Wirkung<br />

des Gesetzes denn nicht durchgerechnet? Sicherlich<br />

handeln Sie mit bester Absicht, aber ich habe angesichts<br />

<strong>der</strong> konkreten Folgen große Zweifel, ob das Ganze<br />

noch mit dem Wählerwillen und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e mit <strong>der</strong><br />

Verfassung <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang zu br<strong>in</strong>gen ist (Artikel 3 Abs. 3<br />

Grundgesetz: "Niemand darf wegen se<strong>in</strong>es Geschlechtes<br />

(...) benachteiligt o<strong>der</strong> bevorzugt werden"). Der<br />

Landtag als Gesetzgeber zw<strong>in</strong>gt mich ja förmlich, gegen<br />

die Novellierung des LPVG - notfalls bis zum Verfassungsgericht<br />

- zu klagen.<br />

Vielleicht können Sie mir erklären, weshalb man trotz etlicher<br />

E<strong>in</strong>wände unbeirrt an dieser <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en Augen<br />

höchst fragwürdigen Regelung festhält.<br />

Mit freundlichen Grüßen, Michael Schöfer<br />

E<strong>in</strong>e weitere Frage<br />

Von Walter Krech, <strong>DPolG</strong> Mannheim<br />

E<strong>in</strong>e weitere Frage ergibt sich aus dem von Michael<br />

Schöfer dargestellten Inhalt <strong>in</strong> Bezug auf das Ziel <strong>der</strong><br />

″Verbesserung <strong>der</strong> Geschlechtergerechtigkeit″, wie sie<br />

das Vorwort zur Gesetzesvorlage beschreibt. Im mehrfach<br />

zitierten § 15 gibt es auch e<strong>in</strong>en Absatz 3. Hier wird<br />

im Rahmen e<strong>in</strong>es ″M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenschutzes″ <strong>der</strong> Gruppe<br />

e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>destanspruch zugestanden, die ansonsten zahlenmäßig<br />

ger<strong>in</strong>ger berücksichtigt bliebe.<br />

Ist es tatsächlich für die Geschlechtergerechtigkeit bedeutsam,<br />

dass das stärker vertretene Geschlecht auch<br />

mehr Mitglie<strong>der</strong> des Personalrates stellen soll?<br />

O<strong>der</strong> wäre nicht e<strong>in</strong>e Formulierung angebracht, nach<br />

<strong>der</strong> dem ger<strong>in</strong>ger vertretenen Geschlecht m<strong>in</strong>destens<br />

die anteilige Sitzzahl zustehen soll?


Standpunkt Nr. 43 / 2013 - Seite 5 -<br />

"Neue Welt" 2014<br />

<strong>DPolG</strong>-<strong>Kreisverband</strong> HD tagte im Jugenddorf Seckach-Kl<strong>in</strong>ge<br />

Das gewerkschaftspolitische Sem<strong>in</strong>ar<br />

des <strong>DPolG</strong>-<strong>Kreisverband</strong>es Heidelberg<br />

ist bereits zur Tradition geworden,<br />

und so fand diese Veranstaltung<br />

wie<strong>der</strong> viel Resonanz beim<br />

Vorstand und bei den Vertrauensleuten<br />

des KV Heidelberg.<br />

Schwerpunktthema des ersten Tages<br />

war zwangsläufig das neue<br />

Polizeipräsidium Mannheim und die<br />

daraus resultierenden Verän<strong>der</strong>ungen<br />

für die amtierenden ÖPR-Mitglie<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> PD Heidelberg. Wie setzt<br />

sich <strong>der</strong> künftige Übergangspersonalrat<br />

zusammen und welche neuen<br />

Aufgabengebiete wird es <strong>in</strong> den<br />

neuen Strukturen geben?<br />

M<strong>in</strong>destens genauso gewichtig war<br />

das 2. Thema dieses Tages, welches<br />

lautete "Novellierung/Neufassung<br />

des LPVG".<br />

Was bei <strong>der</strong> Betrachtung beson<strong>der</strong>s<br />

<strong>in</strong>teressierte waren Fragen wie: wird<br />

<strong>der</strong> Personalrat nach dieser Neuerung<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Rechten beschnitten<br />

o<strong>der</strong> gew<strong>in</strong>nt er sogar an Mitbestimmungskompetenzen?<br />

Abschließend konnte das beim jetzigen<br />

Sachstand nicht geklärt werden.<br />

Weil natürlich erst die Neufassung<br />

des LPVG vorliegen muss, um zu<br />

sehen, was nun tatsächlich von den<br />

Vorhaben <strong>der</strong> Landesregierung <strong>in</strong><br />

den Gesetzestext e<strong>in</strong>geflossen ist.<br />

Der erste Tagungstag stand also<br />

ganz im Zeichen <strong>der</strong> Reform und<br />

<strong>der</strong> damit verbundenen Auswirkungen<br />

auf den Personalrat.<br />

Am Abend stieß Dieter Berberich,<br />

Landesvorsitzen<strong>der</strong> des Seniorenverbandes<br />

öffentlicher Dienst Baden-Württemberg<br />

zu <strong>der</strong> Veranstaltung.<br />

Dieter berichtete <strong>in</strong> gewohnt<br />

kurzweiliger Art über die Absichten<br />

<strong>der</strong> grün-roten Landesregierung, bei<br />

den Beamtenpensionen noch e<strong>in</strong>schneiden<strong>der</strong><br />

den Rotstift ansetzen<br />

zu wollen.<br />

Von <strong>der</strong> Absenkung <strong>der</strong> Pensionsansprüche<br />

auf 65 Prozent bis h<strong>in</strong> zu<br />

E<strong>in</strong>schnitten bei <strong>der</strong> Beihilfe war hier<br />

die Rede. Was dazu führte, dass die<br />

Emotionen bei den Sem<strong>in</strong>arteilnehmern<br />

hochkochten und hitzige Diskussionen<br />

entstehen ließen. Dieter<br />

verstand es, die Teilnehmer so zu<br />

fesseln, dass es e<strong>in</strong>iger Überredungskunst<br />

des Tagungsleiters bedurfte,<br />

um gg. 22.00 Uhr den gemütlichen<br />

Teil des Abends e<strong>in</strong>zuläuten.<br />

E<strong>in</strong>es aber war allen klar, dieser<br />

Landesregierung ist nicht zu trauen<br />

und es werden noch e<strong>in</strong>ige Grausamkeiten<br />

aus <strong>der</strong> grün-roten<br />

Schublade gezogen werden, denen<br />

wir uns mit Vehemenz entgegenstellen<br />

müssen.<br />

Am zweiten Sem<strong>in</strong>artag konnten wir<br />

unseren stellv. <strong>DPolG</strong> -Landesvorsitzenden<br />

Ralf Kusterer begrüßen.<br />

Auch er hatte reichlich Information<br />

rund um die Polizeireform aus Sicht<br />

des Landesvorstandes/HPR im Gepäck.<br />

Viele Fragen zum Übergangspersonalrat<br />

und <strong>der</strong> Zukunft <strong>der</strong><br />

Kreisverbände Heidelberg und<br />

Mannheim wurden mit Ralf erörtert.<br />

Beson<strong>der</strong>s hilfreich war hierbei,<br />

dass die Kollegen Walter Krech und<br />

Michael Schöfer, beide Vertreter<br />

des <strong>DPolG</strong> KV Mannheim und Vertreter<br />

des ÖPR Mannheim, unserer<br />

E<strong>in</strong>ladung gefolgt waren und nun<br />

lebhaft mitdiskutieren konnten.<br />

Denn schließlich sollte dieses Sem<strong>in</strong>ar<br />

auch für die Zusammenarbeit<br />

zwischen Heidelberg und Mannheim,<br />

sowohl auf gewerkschaftlicher<br />

Ebene wie auch auf personalrätlicher<br />

Schiene, hilfreich se<strong>in</strong>.<br />

Abschließend bleibt festzustellen,<br />

dass die Tagung e<strong>in</strong>e gelungene<br />

Veranstaltung war und alle Teilnehmer<br />

mit viel neuem Wissen im Gepäck<br />

den Heimweg antreten konnten.<br />

(Bild: <strong>DPolG</strong> Heidelberg)<br />

Impressum<br />

Der Standpunkt ist das Informationsblatt <strong>der</strong> Deutschen Polizeigewerkschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Kurpfalz (Kreisverbände Mannheim / Heidelberg / Mosbach)<br />

Herausgeber: <strong>DPolG</strong> <strong>Kreisverband</strong> Mannheim<br />

V. i. S. d. P.: Walter Krech, L 6,1 68161 Mannheim, Telefon: (0621) 174-2020<br />

E-Mail: Standpunktredaktion@gmx.de Internet: www.dpolg-mannheim.de<br />

Redaktionsteam: Herbert Adam, Christiane Eiermann, Michael Ellwanger, Walter<br />

Krech, Manfred Riehl, Michael Schöfer, Günter Troschka. Fotos: soweit nicht an<strong>der</strong>weitig<br />

vermerkt von Siggi Offen.Graphische Unterstützung: Arm<strong>in</strong> Süss.<br />

Das Redaktionsteam freut sich über e<strong>in</strong>gesandte Beiträge, Reaktionen und Leserbriefe.<br />

Hier können Sie sich auch <strong>in</strong> den E-Mail-Verteiler e<strong>in</strong>tragen lassen:<br />

Standpunktredaktion@gmx.de


Standpunkt Nr. 43 / 2013 - Seite 6 -<br />

UNGLAUBLICH, ke<strong>in</strong>e Informationen für die Polizei<br />

Von Rolf-Joachim Christiani, <strong>DPolG</strong>-Mannheim<br />

Die ″Achtundvierzigste Verordnung<br />

zur Än<strong>der</strong>ung straßenverkehrsrechtlicher<br />

Vorschriften″ (48.StVRÄndV)<br />

ist zum 01.08.2013 <strong>in</strong> Kraft getreten,<br />

nachdem sie zuvor im ″Bundesgesetzblatt<br />

Jahrgang 2013 Teil I Nr.<br />

43, ausgegeben zu Bonn am 31.<br />

Juli 2013″ veröffentlicht worden war.<br />

Geän<strong>der</strong>t wurden dabei 28 Paragrafen,<br />

8 Anlagen/Anhang und 5 Verordnungen.<br />

Wenn ich nicht durch Zufall <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er<br />

Privatzeit während Recherchen<br />

im Internet auf diese 48.StVRÄndV<br />

gestoßen wäre, g<strong>in</strong>ge es mir so, wie<br />

wohl den meisten (o<strong>der</strong> gar allen?)<br />

Angehörigen <strong>der</strong> Polizei: Ich wäre<br />

ahnungslos geblieben.<br />

Was dies bei <strong>der</strong> spezialisierten<br />

Verkehrsüberwachung für Auswirkungen<br />

haben kann, möchte ich an<br />

e<strong>in</strong>em konkreten Beispiel darstellen:<br />

E<strong>in</strong>e (z.B. landwirtschaftliche) Fahrzeugkomb<strong>in</strong>ation,<br />

bestehend aus e<strong>in</strong>er<br />

Zugmasch<strong>in</strong>e (z.B. Traktor) und<br />

zwei Anhängern, Gesamtlänge<br />

18,75 m, wird aktuell zur Verkehrskontrolle<br />

angehalten. Nach ″alter″<br />

StVZO war für diese Komb<strong>in</strong>ation<br />

e<strong>in</strong>e max. zulässige Höchstlänge<br />

von 18,00 m vorgeschrieben. Hätte<br />

<strong>der</strong> unwissende Kollege jetzt die<br />

Weiterfahrt <strong>in</strong> dieser Komb<strong>in</strong>ation<br />

untersagt, hätte er e<strong>in</strong>e rechtswidrige<br />

Handlung begangen, die e<strong>in</strong>ige<br />

unliebsame Folgen nach sich gezogen<br />

hätte.<br />

Auf dienstlichen Wegen erreichte<br />

mich selbst bei me<strong>in</strong>er Fachdienststelle<br />

diese Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> gesetzlichen<br />

Grundlage <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Aufgabenbereich<br />

Verkehrsüberwachung<br />

aber nicht. Und das sche<strong>in</strong>t we<strong>der</strong><br />

am PP Mannheim, noch an <strong>der</strong> LPD<br />

Karlsruhe zu liegen: Denn an<strong>der</strong>e<br />

Dienststellen im ″Ländle″ s<strong>in</strong>d genauso<br />

ahnungslos.<br />

E<strong>in</strong> Vorgang, den ich, vorsichtig<br />

ausgedrückt, als UNMÖGLICH bezeichnen<br />

muss.<br />

Man sollte eigentlich erwarten, dass<br />

″<strong>der</strong> Dienstherr″ zentral die Än<strong>der</strong>ungen<br />

aufarbeitet und zur Verfügung<br />

stellt; und zwar so rechtzeitig,<br />

dass man sich zum Stichtag schon<br />

mit <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung hatte vertraut machen<br />

können.<br />

Unter ″Aufarbeitung″ verstehe ich<br />

dabei e<strong>in</strong>e Gegenüberstellung <strong>der</strong><br />

Texte ″ALT - NEU″ als übersichtliche<br />

Arbeitsgrundlage für alle, die<br />

″draußen″ arbeiten. Denn die im<br />

Bundesgesetzblatt veröffentlichten<br />

Än<strong>der</strong>ungen s<strong>in</strong>d für e<strong>in</strong>e Umsetzung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis denkbar ungeeignet,<br />

bestehen sie doch i.d.R. aus<br />

folgenden Texten: ″§ XX Absatz X<br />

wird wie folgt geän<strong>der</strong>t: <strong>in</strong> Nr. X wird<br />

<strong>der</strong> Punkt durch e<strong>in</strong> Komma ersetzt<br />

und folgende Nr. X wird angefügt″.<br />

Damit kann man aber nicht arbeiten!<br />

Als Beispiel für e<strong>in</strong>e solche Gegenüberstellung<br />

möchte ich die Fleißarbeit<br />

e<strong>in</strong>es Kollegen <strong>der</strong> PD Konstanz<br />

anführen, <strong>der</strong> genau das bzgl.<br />

<strong>der</strong> zum 01.04.2013 geän<strong>der</strong>ten<br />

StVO gemacht hatte und über ″Polizei-onl<strong>in</strong>e″<br />

allen zur Verfügung stellte,<br />

obwohl es die Arbeit an<strong>der</strong>er gewesen<br />

wäre.<br />

"Staatsallianz" for<strong>der</strong>t Kurskorrektur<br />

Die Standpunktredaktion <strong>in</strong>formiert - Quelle: dbb<br />

Aus Sorge vor wachsen<strong>der</strong> Staatsverdrossenheit<br />

des öffentlichen<br />

Dienstes haben sich dbb beamtenbund<br />

und tarifunion, Deutscher<br />

Bundeswehrverband<br />

und Deutscher Richterbund<br />

als führende Interessenvertretungen<br />

<strong>der</strong> Beschäftigten<br />

zu e<strong>in</strong>er "Staatsallianz" zusammengeschlossen<br />

und<br />

e<strong>in</strong>e Kurskorrektur bei E<strong>in</strong>stellungs-,<br />

Bezahlungs- und<br />

Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen gefor<strong>der</strong>t.<br />

"In e<strong>in</strong>em Moment, <strong>in</strong> dem <strong>in</strong><br />

Deutschland die politischen<br />

Weichen neu gestellt werden,<br />

mahnen wir e<strong>in</strong>e dr<strong>in</strong>gend<br />

notwendige konsequente<br />

Stärkung des öffentlichen<br />

Dienstes an", sagte <strong>der</strong><br />

dbb Bundesvorsitzende<br />

Klaus Dau<strong>der</strong>städt anlässlich<br />

<strong>der</strong> Vorstellung des Staatsallianz-Papiers<br />

"10 Thesen für e<strong>in</strong>en<br />

starken öffentlichen Dienst" am 28.<br />

Oktober 2013 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Beamte,<br />

Vorstellung <strong>der</strong> "Staatsallianz" vor <strong>der</strong> Bundespressekonferenz.<br />

von l<strong>in</strong>ks: Klaus Dau<strong>der</strong>städt, dbb Bundesvorsitzen<strong>der</strong>,<br />

Oberst Ulrich Kirsch, Vorsiten<strong>der</strong> des Deutschen Bundeswehrverbandes,<br />

Christoph Frank, Vorsitzen<strong>der</strong> des Deutschen<br />

Richterbundes (Foto: dbb / Marco Urban)<br />

Soldaten, Richter, Staatsanwälte<br />

und Arbeitnehmer im öffentlichen<br />

Dienst sicherten die staatliche Infrastruktur,<br />

Dase<strong>in</strong>svorsorge<br />

und Wettbewerbsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Wirtschaft <strong>in</strong> Deutschland.<br />

Sie stellten die äußere<br />

und <strong>in</strong>nere Sicherheit her<br />

und garantierten gleichwertige<br />

Lebens-, Rechts- und<br />

Standortbed<strong>in</strong>gungen, so<br />

Dau<strong>der</strong>städt. All das sei nun<br />

"aufgrund von Sparrunden,<br />

Privatisierungswellen und<br />

Reformaktionismus <strong>in</strong> akuter<br />

Gefahr. Motivation und Leistungsfähigkeit<br />

des öffentlichen<br />

Dienstes s<strong>in</strong>d stark beschädigt,<br />

unter den Staatsdienern<br />

macht sich Staatsverdrossenheit<br />

breit", warnte<br />

<strong>der</strong> dbb Chef.<br />

Fortsetzung auf Seite 5


Standpunkt Nr. 43 / 2013 - Seite 7 -<br />

Fortsetzung von Seite 4<br />

"Wir brauchen umgehend e<strong>in</strong>e Kurskorrektur,<br />

wenn Deutschlands öffentlicher<br />

Dienst auch <strong>in</strong> Zukunft dafür<br />

sorgen soll, dass dieses Land an<br />

365 Tagen im Jahr rund um die Uhr<br />

funktioniert", for<strong>der</strong>te Dau<strong>der</strong>städt.<br />

"Mit Geduld und Leidensfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Beschäftigten alle<strong>in</strong> ist ke<strong>in</strong><br />

Staat mehr zu machen – das Maß<br />

des Erträglichen ist voll. Politik, Wirtschaft<br />

und Gesellschaft müssen<br />

endlich e<strong>in</strong>sehen, dass es öffentliche<br />

Dienstleistungen nicht zum Nulltarif<br />

gibt."<br />

In ihrem Thesenpapier for<strong>der</strong>n die<br />

Verbände <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e e<strong>in</strong>e Stärkung<br />

des Berufsbeamtentums und<br />

e<strong>in</strong>e Korrektur <strong>der</strong> Fö<strong>der</strong>alismusreform,<br />

die zu e<strong>in</strong>em Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>driften<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommens- und Beschäftigungsbed<strong>in</strong>gungen<br />

im öffentlichen<br />

Dienst geführt hat. Zudem erwarten<br />

die Gewerkschaften nachhaltige<br />

Maßnahmen, um dem Personalund<br />

Fachkräftemangel zu begegnen.<br />

E<strong>in</strong>e klare Absage erteilen sie<br />

Bürgerversicherung und gesetzlich<br />

festgeschriebener Tarife<strong>in</strong>heit. Gefor<strong>der</strong>t<br />

werden zudem e<strong>in</strong>e Lösung<br />

<strong>der</strong> Altschuldenproblematik und e<strong>in</strong>e<br />

nachhaltige Sicherung <strong>der</strong> Alterse<strong>in</strong>kommen.<br />

Die ″Staatsallianz″: 10 Thesen für e<strong>in</strong>en starken öffentlichen Dienst<br />

1. Berufsbeamtentum stärken!<br />

Die Beamten, Soldaten, Richter und Staatsanwälte garantieren<br />

e<strong>in</strong>e effektive, unabhängige und verlässliche<br />

Erledigung hoheitlicher Aufgaben. Um die Konkurrenzfähigkeit<br />

des öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber im<br />

Wettbewerb um die besten Köpfe auf dem Arbeitsmarkt<br />

zu sichern, müssen ihre Besoldung und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />

verbessert werden. Das Streikverbot darf nicht<br />

angetastet werden.<br />

2. Personal- und Fachkräftemangel überw<strong>in</strong>den!<br />

Dem öffentlichen Dienst fehlen über 30.000 qualifizierte<br />

Fachkräfte (v.a. Ingenieure, IT-Spezialisten, Techniker,<br />

Ärzte, Naturwissenschaftler, Lehrer). In <strong>der</strong> Justiz fehlen<br />

bundesweit mehr als 2.000 Richter und Staatsanwälte,<br />

und die Bundeswehr alle<strong>in</strong> benötigt <strong>der</strong>zeit Jahr<br />

um Jahr etwa 60.000 Bewerber, um daraus die Besten<br />

für den Dienst als Soldat auszuwählen. Die Personalausstattung<br />

ist aufgrund <strong>der</strong> massiven Stellenkürzungspolitik<br />

<strong>der</strong> vergangenen Jahre auf e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>imalmaß geschrumpft,<br />

auf das die demografische Unwucht voll<br />

durchschlagen wird: In den kommenden Jahren verlassen<br />

mehr als 700.000 Beschäftigte altersbed<strong>in</strong>gt den<br />

öffentlichen Dienst. Wer ihre Arbeit übernehmen soll, ist<br />

unklar. E<strong>in</strong>e weitere Verdichtung von Aufgaben ist unmöglich<br />

und dem verbliebenen Personal nicht zumutbar.<br />

Um auf e<strong>in</strong>em zunehmend umkämpften Arbeitsmarkt<br />

konkurrenzfähig bleiben zu können, müssen E<strong>in</strong>stellungs-,<br />

E<strong>in</strong>kommens- und Arbeitssituation durchgreifend<br />

verbessert werden.<br />

3. Fö<strong>der</strong>alismusreform korrigieren!<br />

Der „Wettbewerbsfö<strong>der</strong>alismus“ gefährdet die flächendeckende<br />

Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes.<br />

Wir brauchen e<strong>in</strong>heitliche Standards bei Besoldungs-,<br />

Versorgungs- und Laufbahnrecht. E<strong>in</strong> überzogener Fö<strong>der</strong>alismus<br />

hat hier ebenso negative Auswirkungen wie<br />

das Kooperationsverbot im Bildungsbereich.<br />

4. Staatsf<strong>in</strong>anzen konsolidieren!<br />

Die F<strong>in</strong>anzbeziehungen zwischen Bund, Län<strong>der</strong>n und<br />

Geme<strong>in</strong>den müssen zukunftsfest gemacht werden.<br />

Gleichzeitig ist es e<strong>in</strong> Gebot <strong>der</strong> Generationengerechtigkeit,<br />

das Altschuldenproblem zu lösen.<br />

5. Renten und Pensionen sichern!<br />

E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heitsrentenversicherung für alle ist ke<strong>in</strong> Beitrag<br />

zur Stabilisierung <strong>der</strong> Alterssicherungssysteme und<br />

nicht f<strong>in</strong>anzierbar. Vielmehr müssen die betriebliche<br />

Altersversorgung und die partielle Kapitaldeckung <strong>in</strong> allen<br />

Versorgungssystemen gestärkt werden. Das gilt<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch für die eigenständige Beamten- und<br />

Soldatenversorgung. Pensionäre und Rentner müssen<br />

an <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>kommensentwicklung teilhaben<br />

6. Bürgerversicherung verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n!<br />

Mit e<strong>in</strong>er Bürgerversicherung wäre <strong>der</strong> Weg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heitsversicherung<br />

vorgezeichnet, die die demografisch<br />

bed<strong>in</strong>gten F<strong>in</strong>anzprobleme von Kranken- und Pflegeversicherungen<br />

nicht lösen kann. Ohne Wettbewerb<br />

würde das Leistungsniveau für alle s<strong>in</strong>ken, das zeigen<br />

Beispiele aus an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n, die diesen Weg beschritten<br />

haben. E<strong>in</strong>e Preisgabe von Beihilfe, Heilfürsorge<br />

und unentgeltlicher truppenärztlicher Versorgung<br />

würde zudem die Attraktivität des öffentlichen Dienstes<br />

massiv beschädigen und die öffentlichen Kassen zusätzlich<br />

erheblich belasten.<br />

7. Koalitionsfreiheit ist unantastbar!<br />

E<strong>in</strong>e gesetzlich erzwungene Tarife<strong>in</strong>heit wi<strong>der</strong>spricht<br />

<strong>der</strong> Pluralität unserer Gesellschaft und verstößt gegen<br />

die Koalitionsfreiheit im Grundgesetz – e<strong>in</strong>e Verfassungsklage<br />

wäre unausweichlich.<br />

8. Öffentliche Dienste für ganz Deutschland!<br />

Der Rückzug des Staates <strong>in</strong> die Ballungsräume muss<br />

gestoppt werden. Auch <strong>in</strong> den ländlichen Räumen haben<br />

die Bürger e<strong>in</strong> Recht auf e<strong>in</strong> flächendeckendes<br />

Leistungsangebot des Staates, auf die Versorgung mit<br />

Sicherheit, Bildung, Gesundheitsdiensten sowie auf<br />

e<strong>in</strong>e bürgernahe Justiz.<br />

9. Öffentliches Dienstrecht mo<strong>der</strong>nisieren!<br />

Die E<strong>in</strong>stiegsbed<strong>in</strong>gungen für qualifizierten Nachwuchs<br />

s<strong>in</strong>d zu verbessern, <strong>der</strong> Ausstieg aus dem Berufsleben<br />

ist zu flexibilisieren. Das Potential von Frauen ist verstärkt<br />

zu nutzen; mo<strong>der</strong>ne familien- und karrierefreundliche<br />

Arbeitszeit- und Arbeitsplatzmodelle s<strong>in</strong>d auszubauen.<br />

10. Personalvertretungsrechte ausbauen!<br />

E<strong>in</strong> leistungsfähiger öffentlicher Dienst und e<strong>in</strong>e starke<br />

Dritte Gewalt brauchen e<strong>in</strong>e umfassende Mitbestimmung<br />

<strong>der</strong> Beschäftigten an sozialen, personellen und<br />

organisatorischen Entscheidungen. Das Beteiligungsniveau<br />

muss angehoben und <strong>der</strong> Themenkatalog erweitert<br />

werden.


Standpunkt Nr. 43 / 2013 - Seite 8 -<br />

Justizm<strong>in</strong>isterium beruft Ralf Kusterer an den Verwaltungsgerichthof Baden-Württemberg<br />

Die Standpunktredaktion <strong>in</strong>formiert<br />

Ralf Kusterer, Stellv. <strong>DPolG</strong>-Bundesvorsitzen<strong>der</strong><br />

und Erster Stell.<br />

Landesvorsitzen<strong>der</strong> Baden-Württemberg,<br />

wurde mit Wirkung vom 1.<br />

Oktober 2013 für die Dauer von weiteren<br />

5 Jahren zum ehrenamtlichen<br />

Richter/Beamtenbeisitzer an das<br />

oberste Verwaltungsgericht Baden-<br />

Württembergs, den Verwaltungsgerichtshof<br />

<strong>in</strong> Mannheim berufen. Bereits<br />

seit 2008 übt Ralf Kusterer dieses<br />

Amt aus. Er wird <strong>in</strong> Verfahren<br />

aus dem Bereich <strong>der</strong> staatlichen Innenverwaltung<br />

e<strong>in</strong>schließlich Polizei<br />

<strong>in</strong> Hauptverhandlungen des 13. Senats<br />

beim Verwaltungsgerichtshof<br />

(Diszipl<strong>in</strong>arsenat) e<strong>in</strong>gebunden werden.<br />

Der VGH Baden-Württemberg <strong>in</strong><br />

Mannheim ist das oberste Verwaltungsgericht<br />

im Land und für die<br />

Entscheidungen über Rechtsmittel<br />

gegen Urteile und Beschlüsse <strong>der</strong><br />

Verwaltungsgerichte, so auch <strong>der</strong><br />

Diszipl<strong>in</strong>arkammern <strong>der</strong> Verwaltungsgerichte,<br />

zuständig. Der 13.<br />

Senat ist als sogenannter Diszipl<strong>in</strong>arsenat<br />

für alle Sachen aus dem<br />

Bundesdiszipl<strong>in</strong>argesetz und des<br />

Landesdiszipl<strong>in</strong>argesetzes zuständig.<br />

Die Beamtenbeisitzer/ehrenamtlichen<br />

Richter des Diszipl<strong>in</strong>arsenats<br />

sollen dem Verwaltungszweig,<br />

e<strong>in</strong>er von ihnen <strong>der</strong> Laufbahngruppe<br />

des Beamten angehören, <strong>der</strong> im<br />

Mittelpunkt e<strong>in</strong>es Diszipl<strong>in</strong>arverfahrens<br />

steht.<br />

Für Justizm<strong>in</strong>ister Ra<strong>in</strong>er Stickelberger<br />

ist die Tätigkeit <strong>der</strong> ehrenamtlicher<br />

Richter/ Beamtenbeisitzer von<br />

großer Bedeutung: ″Ehrenamtliche<br />

Richter<strong>in</strong>nen und Richter übernehmen<br />

mit ihrem Amt e<strong>in</strong>e wichtige<br />

und verantwortungsvolle Aufgabe<br />

bei den Verwaltungsgerichten. Die<br />

Tätigkeit als ehrenamtliche Richter<strong>in</strong><br />

o<strong>der</strong> ehrenamtlicher Richter verlangt<br />

im E<strong>in</strong>zelfall die Bewältigung von<br />

Konfliktsituationen, denen auch Berufsrichter<strong>in</strong>nen<br />

und Berufsrichter<br />

immer wie<strong>der</strong> ausgesetzt s<strong>in</strong>d. Ihre<br />

Lebens- und Berufserfahrung und<br />

ihr natürliches Rechtsempf<strong>in</strong>den<br />

s<strong>in</strong>d für die Verwaltungsgerichte unverzichtbar.″<br />

(Quelle. <strong>DPolG</strong> BW)<br />

<strong>DPolG</strong> – <strong>in</strong> aller Kürze<br />

Die Standpunktredaktion <strong>in</strong>formiert<br />

Trunkenheitsfahrt: fällt <strong>der</strong> Richtervorbehalt?<br />

Am Rande <strong>der</strong> Verhandlungen zur großen Koalition ist<br />

e<strong>in</strong> Thema auf dem Tisch, das uns schon seit Jahren<br />

beschäftigt. Die Innenpolitiker von Bund und <strong>der</strong> Län<strong>der</strong><br />

wollen auf Grund e<strong>in</strong>er Initiative <strong>der</strong> CDU als Ziel <strong>in</strong> ihrer<br />

Vere<strong>in</strong>barung den Fall des Richtervorbehalt bei Trunkenheitsfahrten<br />

im Straßenverkehr e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen. E<strong>in</strong>e<br />

Konsultation e<strong>in</strong>es Richters vor <strong>der</strong> Blutentnahme wäre<br />

dann nicht mehr erfor<strong>der</strong>lich. Dies würde e<strong>in</strong> spürbare<br />

Entlastung im täglichen Geschäft für die Polizei, aber<br />

auch für die (Bereitschafts-) Richter bedeuten. Da es sicher<br />

ke<strong>in</strong> Kernpunkt <strong>der</strong> Koalitionsvere<strong>in</strong>barung se<strong>in</strong><br />

wird, hoffen wir, das mit Aufnahme <strong>der</strong> Regierungsgeschäfte<br />

dieser Punkt sehr schnell umgesetzt wird. Laut<br />

e<strong>in</strong>em Bericht im ″Focus″ sollen sich SPD und CDU bereits<br />

<strong>in</strong> dieser Angelegenheit e<strong>in</strong>ig se<strong>in</strong>. (HA)<br />

Die Sache mit <strong>der</strong> Kritik<br />

In Vietnam erhielt jetzt e<strong>in</strong> Mann e<strong>in</strong>e Haftstrafe von 15<br />

Monaten, wegen e<strong>in</strong>es Kommentars auf Facebook. Die<br />

Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Er hatte die<br />

Freilassung se<strong>in</strong>es Bru<strong>der</strong>s gefor<strong>der</strong>t, <strong>der</strong> nach Verteilung<br />

von Flugblättern mit kritischen Anmerkungen zur<br />

Partei und Politik zu 8 Jahren Haft verurteilt wurde. Der<br />

Fall sorgte für Aufregung, da die Behörden erstmalig<br />

Social Media <strong>in</strong>s Visier nahmen. Laut Mitteilung des Anwalts<br />

des Beschuldigten, sei dieser wegen “Missbrauchs<br />

demokratischer Freiheiten“ verurteilt worden.<br />

Für uns e<strong>in</strong> unvorstellbares Urteil. Wobei ich mich<br />

manchmal nicht des E<strong>in</strong>drucks erwehren kann, dass<br />

man auch <strong>in</strong> unseren Breitengraden kritische Stimmen<br />

am liebsten wegsperren möchte. (GT)<br />

Trunkenheitsfahrt auf E-Bike<br />

Die 0,5 Promillegrenze muss nicht unbed<strong>in</strong>gt für den<br />

Fahrer e<strong>in</strong>es E-Bikes gelten. Dies hat das OLG Hamm<br />

zwischenzeitlich entschieden. Da für Fahrradfahrer e<strong>in</strong>e<br />

Promillegrenze von 1,6 gilt, muss <strong>der</strong> Verkehrsrichter<br />

sorgfältig prüfen, ob es sich um e<strong>in</strong> Fahrrad o<strong>der</strong> e<strong>in</strong><br />

Kraftfahrzeug handelt. Dem Betroffenen wurde zur Last<br />

gelegt, se<strong>in</strong> E-Bike mit e<strong>in</strong>er BAK von 0,8 Promille geführt<br />

zu haben. Um das E-Bike <strong>in</strong> Bewegung zu setzen,<br />

müssen se<strong>in</strong>e Pedale getreten werden. Danach kann<br />

das E-Bike mit dem Elektromotor angetrieben und über<br />

e<strong>in</strong>en Griff am Lenkrad beschleunigt werden. Für das<br />

Amtsgericht gab es ke<strong>in</strong>e Zweifel, dass es sich bei dem<br />

E-Bike um e<strong>in</strong> KFZ handelt. Aus diesem Grunde verurteilte<br />

es den Fahrer zu e<strong>in</strong>er Geldbuße von 750.- Euro,<br />

sowie e<strong>in</strong>em dreimonatigen Fahrverbot. Dem OLG<br />

reichte jedoch die abstrakte Bewertung nicht aus. E<strong>in</strong>e<br />

rechtliche E<strong>in</strong>ordnung ob das E-Bike als Fahrrad o<strong>der</strong><br />

als KFZ gelte, sei bislang nicht geklärt. Aus diesem<br />

Grund müsse e<strong>in</strong> Richter <strong>in</strong> jedem E<strong>in</strong>zelfall prüfen, wegen<br />

welcher Eigenschaften er das E-Bike als KFZ e<strong>in</strong>stuft.<br />

E<strong>in</strong>e solche E<strong>in</strong>stufung hatte das AG <strong>in</strong> ihrem Urteil<br />

jedoch nicht. Um die Strafe und das Fahrverbot kam<br />

<strong>der</strong> Fahrer lei<strong>der</strong> auch noch herum. Im neuen Verfahren<br />

erklärte <strong>der</strong> Fahrer, dass das E-Bike nicht mehr vorhanden<br />

sei. Da das Gericht das Bike nicht mehr <strong>in</strong> Augensche<strong>in</strong><br />

nehmen konnte, stellte es das Verfahren e<strong>in</strong>.<br />

(Aktenzeichen 77 Ds 35/13) Ob KFZ o<strong>der</strong> Fahrzeug. Am<br />

sichersten ist immer noch, promillefrei zu fahren. (GT)


Standpunkt Nr. 43 / 2013 - Seite 9 -<br />

Hier hätte e<strong>in</strong>e Distanzwaffe hilfreich se<strong>in</strong> können<br />

Von Kurt Sandrisser, <strong>DPolG</strong> Mannheim<br />

Die Berl<strong>in</strong>er Polizei veröffentlichte am 29.10.2013,<br />

16.25 Uhr folgende <strong>Presse</strong>mitteilung:<br />

Heute Morgen erlitt e<strong>in</strong> Mann <strong>in</strong> Lankwitz durch e<strong>in</strong>e<br />

Schussabgabe e<strong>in</strong>es Polizeibeamten e<strong>in</strong>e Verletzung<br />

am Be<strong>in</strong>. Gegen 7.10 Uhr wurde die Polizei zum Kamenzer<br />

Damm gerufen, weil dort nach den bisherigen<br />

Erkenntnissen e<strong>in</strong> Mann Passanten mit e<strong>in</strong>em Messer<br />

bedrohte. Unter den Bedrohten soll sich auch e<strong>in</strong>e Autofahrer<strong>in</strong><br />

befunden haben, die den 33-Jährigen beim<br />

Wegfahren erfasst haben soll. Der Mann hörte auch<br />

beim E<strong>in</strong>treffen <strong>der</strong> Polizei nicht auf, mit dem Messer<br />

zu drohen und g<strong>in</strong>g auf die Beamten los. Das E<strong>in</strong>setzen<br />

e<strong>in</strong>es Reizstoffsprühgerätes ließ den Mann unbee<strong>in</strong>druckt.<br />

Er g<strong>in</strong>g weiter drohend auf die Polizisten zu,<br />

woraufh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Beamter von se<strong>in</strong>er Schusswaffe Gebrauch<br />

machte und auf den Mann schoss. Er kam mit<br />

e<strong>in</strong>er Schussverletzung am Be<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Krankenhaus.<br />

Wie bei e<strong>in</strong>er Schussabgabe e<strong>in</strong>es Polizisten üblich,<br />

hat e<strong>in</strong>e Mordkommission die weiteren Ermittlungen<br />

übernommen.<br />

Folgen, die aus <strong>der</strong> Entfernung betrachtet bei <strong>der</strong> Verfügbarkeit<br />

e<strong>in</strong>er Distanzwaffe möglicherweise glimpflicher<br />

gewesen wären.<br />

Der <strong>DPolG</strong>-<strong>Kreisverband</strong> Mannheim for<strong>der</strong>t, dass die Polizei Baden-Württemberg bis auf<br />

die Ebene <strong>der</strong> Streifendienste mit e<strong>in</strong>er polizeitauglichen Distanzwaffe ausgerüstet wird.<br />

Infos für Ruheständler und solche, die es bald werden<br />

Von Herbert Adam, <strong>DPolG</strong> Mannheim<br />

E<strong>in</strong>e Waffe wird stumpf<br />

″Wer uns quält, wird nicht gewählt″, so lautete die Parole<br />

des dbb bw und se<strong>in</strong>er angeglie<strong>der</strong>ten E<strong>in</strong>zelgewerkschaft,<br />

sowie auch des Seniorenverbandes. Nun, so<br />

sche<strong>in</strong>t es, wird diese Waffe stumpf.<br />

Das Wahlergebnis zw<strong>in</strong>gt zu Koalitionsverhandlungen<br />

zwischen zwei Parteien, die sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen grundsätzlichen<br />

Positionen doch wesentlich unterscheiden. Solche<br />

Verhandlungen führen immer wie<strong>der</strong> zu Kompromissen.<br />

E<strong>in</strong>e <strong>der</strong> für das Beamtentum wesentliche Frage ist, ob<br />

es im Gesundheitswesen beim dualen System bleibt. Im<br />

Wahlkampf war die CDU grundsätzlich für die Beibehaltung<br />

des <strong>der</strong>zeitigen Systems. Die SPD will die Bürgerversicherung<br />

quasi als E<strong>in</strong>heitsversicherung. Bereits<br />

während des Wahlkampfs tendierten auch schon e<strong>in</strong>ige<br />

CDU-Politiker <strong>in</strong> diese Richtung. Ich gehe davon aus,<br />

dass die E<strong>in</strong>heitsversicherung kommt, trotz gegenteiliger<br />

Aussagen <strong>der</strong> CDU im Wahlkampf. Die Gruppe <strong>der</strong><br />

Beamten ist nun e<strong>in</strong>mal die Institution, die sich am wenigsten<br />

gegen diese elementare Än<strong>der</strong>ung im Gesundheitssystem<br />

wehren kann. Wir werden wohl Opfer auf<br />

dem Altar <strong>der</strong> Koalitionsvere<strong>in</strong>barung werden.<br />

Grundsätzlich verschieden waren bei den Parteien auch<br />

die Standpunkte zur Versorgungsfrage. Die SPD – ich<br />

er<strong>in</strong>nere hier nur an das TV-Duell Merkel vs. Ste<strong>in</strong>brück<br />

– will die Angleichung an das Rentensystem. E<strong>in</strong>e Absenkung<br />

auf e<strong>in</strong> Pensionsniveau bei 65 Prozent ist hier<br />

im Gespräch. Wer glaubt, mit <strong>der</strong> CDU sei das nicht zu<br />

machen, den darf ich daran er<strong>in</strong>nern, dass die CDU, für<br />

viele Wertkonservative unvorstellbar, <strong>in</strong> den letzten Jahren<br />

ihre Positionen bei <strong>der</strong> Energiepolitik, bei <strong>der</strong> Abschaffung<br />

<strong>der</strong> Wehrpflicht o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familienpolitik<br />

<strong>der</strong>art stark verän<strong>der</strong>t hat, wie es sich eigentlich niemand<br />

ernsthaft vorstellen konnte. Das Wahlergebnis bei<br />

<strong>der</strong> letzten Bundestagswahl hat, wie bereits erwähnt,<br />

die Drohung des dbb und des Seniorenverbandes<br />

stumpf werden lassen.<br />

Die Koalitionsverhandlungen laufen <strong>in</strong> vielen Punkten<br />

nach dem Motto Adenauers: „Was kümmert mich me<strong>in</strong><br />

Geschwätz von gestern.“ Für den dbb und den Seniorenverband<br />

gilt es, sich noch besser als bislang auf für<br />

e<strong>in</strong>e Abwehrschlacht <strong>der</strong> Grausamkeiten zu positionieren.<br />

Die Broschüren zum Thema, ″Fakten gegen die Bürgerversicherung″ von den privaten Krankenversicherungen<br />

und ″7 Irrtümer zur Beamtenversorgung″ s<strong>in</strong>d auf <strong>der</strong> Homepage <strong>der</strong> <strong>DPolG</strong> Mannheim auf dem<br />

blauen Brett unter www.dpolg-mannheim.de/blaues_brett.html abrufbar!<br />

Term<strong>in</strong>e<br />

Polizeipensionäre Mannheim:<br />

Mittwoch, 20. November 2013 ab 15.00 Uhr, Monatstreff PSV-Clubhaus<br />

Seniorenkreisverbände im öffentlichen Dienst Wiesloch, Heidelberg:<br />

Donnerstag, 05. Dezember 2013, 15.00 Uhr, Leimen, Gasthaus „Zum Bären“, Rathausstraße 20, Adventsfeier<br />

Seniorenkreisverbände im öffentlichen Dienst Mannheim und Schwetz<strong>in</strong>gen:<br />

Donnertag, 21. November 2013, 14.30 Uhr, Mannheim, Bürgerhaus Neckarstadt-West, Lutherstraße 15-17, Vortrag<br />

von Peter Kußmann, ″Fernöstliche Impressionen″.


Standpunkt Nr. 43 / 2013 - Seite 10 -<br />

Geschichte(n) und Er<strong>in</strong>nerungen an die Mannheimer Polizei<br />

Zusammengestellt von Herbert Adam, Gerhard Karl und Klaus Raufel<strong>der</strong><br />

Mannheimer Polizeipräsidenten<br />

Dem SS–Mann und Polizeipräsidenten<br />

von Mannheim, Dr. Hermann<br />

Ramsperger, folgte offiziell im August<br />

1940 e<strong>in</strong> SA–Mann als Polizeipräsident<br />

<strong>in</strong> Mannheim: Friedrich<br />

Habenicht. Der am 6.6.1896 <strong>in</strong> Riede<br />

bei Bremen Geborene darf als<br />

e<strong>in</strong>e für die Nazizeit typische Karriere<br />

gelten. Und trotzdem wies sie e<strong>in</strong>ige<br />

Beson<strong>der</strong>heiten auf. Der SA–<br />

Mann war von 1919 bis 1933 Beamter<br />

bei <strong>der</strong> Reichspost <strong>in</strong> Bremen<br />

und zwar im Rang e<strong>in</strong>es Postsekretärs.<br />

In <strong>der</strong> NSDAP war er von 1925<br />

an Mitglied. Er war sofort bei <strong>der</strong>en<br />

Neuaufstellung <strong>in</strong> <strong>der</strong> SA aktiv und<br />

zählte zu den sogenannten alten<br />

Kämpfern. In <strong>der</strong> Partei selbst hatte<br />

er ke<strong>in</strong> Amt bekleidet und auch ke<strong>in</strong>en<br />

Rang <strong>in</strong>ne.<br />

1934 wurde er für se<strong>in</strong>e Verdienste<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> SA – angeblich ohne<br />

se<strong>in</strong> Zutun – zum Polizeipräsidenten<br />

<strong>in</strong> Wuppertal ernannt.<br />

Der Spruchkammerbescheid<br />

von 1947 beschreibt<br />

diesen Vorgang folgen<strong>der</strong>maßen:<br />

″Obwohl er <strong>in</strong> <strong>der</strong> Postverwaltung<br />

aufgewachsen war und<br />

ke<strong>in</strong>e Vorbildung für e<strong>in</strong>e exponierte<br />

Stellung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei<br />

hatte, wurde er auf den<br />

Posten e<strong>in</strong>es Polizeipräsidenten<br />

<strong>in</strong> Wuppertal berufen. Für<br />

diese Berufung war zugegebenermaßen<br />

<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie<br />

se<strong>in</strong>e langjährige Zugehörigkeit zu<br />

<strong>der</strong> Partei und se<strong>in</strong>er Tätigkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

SA maßgebend. Die persönliche<br />

Eignung spielte e<strong>in</strong>e untergeordnete<br />

Rolle, wenn auch die endgültige Ernennung<br />

erst nach 8 Monaten Probedienst<br />

erfolgte. Dieser Sachverhalt<br />

beweist, dass <strong>der</strong> Betroffene e<strong>in</strong><br />

eifriger, überzeugter und bewährter<br />

Nationalsozialist war, <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bewegung<br />

Verdienste erworben hatte<br />

und versprach, im S<strong>in</strong>ne des Nationalsozialismus<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Stellung zu<br />

handeln.″<br />

In <strong>der</strong> SA schaffte er es bis 1931<br />

zum Standartenführer. Dieser<br />

Dienstgrad entsprach dem Rang e<strong>in</strong>es<br />

Oberst. 1934 wurde Habenicht<br />

<strong>in</strong> Angleichung se<strong>in</strong>es Amtes zum<br />

Brigadenführer ernannt. Dieses Amt<br />

entsprach dem Rang e<strong>in</strong>es Generalmajors.<br />

Se<strong>in</strong> Amt <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> SA<br />

ließ er ab 1940 ruhen.<br />

Als Polizeipräsident von Wuppertal<br />

brach er mit dem damaligen Reichsführer<br />

SS und Chef <strong>der</strong> deutschen<br />

Polizei – He<strong>in</strong>rich Himmler – e<strong>in</strong>en<br />

Streit vom Zaun. Habenicht weigerte<br />

sich zum e<strong>in</strong>en <strong>der</strong> SS beizutreten,<br />

zum an<strong>der</strong>en wandte er sich mit e<strong>in</strong>er<br />

Denkschrift gegen die E<strong>in</strong>richtung<br />

e<strong>in</strong>er partei<strong>in</strong>ternen Dienststelle<br />

des SD <strong>in</strong> Wuppertal. Als Polizeipräsident<br />

von Wuppertal beschwerte<br />

er sich für die damalige Zeit <strong>in</strong><br />

recht scharfer Form gegen die Methoden<br />

und Bestrebungen <strong>der</strong> SS<br />

und <strong>der</strong> Gestapo. Es kam wie es<br />

vorhersehbar war: Habenicht verlor<br />

den Machtkampf gegen Himmler<br />

und wurde als Polizeipräsident von<br />

Wuppertal abgesetzt. Über das weitere<br />

Geschehen gibt es nun zwei<br />

Der im Text genannte Bunkerausbau ist noch heute für etliche<br />

Stufen im Erdgeschoss des Polizeipräsidiums ursächlich<br />

(Bild: <strong>DPolG</strong> Mannheim)<br />

verschiedene Versionen: Die e<strong>in</strong>e<br />

Version besagt, Habenicht hätte se<strong>in</strong>e<br />

weitere Verwendung als Polizeipräsident<br />

von Halle an <strong>der</strong> Saale<br />

gefunden (Romeyk und Bär: Verwaltungs-<br />

und Behördengeschichte <strong>der</strong><br />

Rhe<strong>in</strong>prov<strong>in</strong>z 1914-1945), und die<br />

zweite, wahrsche<strong>in</strong>lich richtige Version<br />

besagt, er sei - wie bereits dargelegt<br />

- von se<strong>in</strong>em Amt als Polizeipräsident<br />

enthoben worden. Außerdem<br />

sei gegen ihn zwecks endgültiger<br />

Amtsenthebung e<strong>in</strong> Strafverfahren<br />

e<strong>in</strong>geleitet worden (Quelle: Feststellungen<br />

im Spruchkammerbescheid).<br />

Durch den Kriegsbeg<strong>in</strong>n<br />

wurde das Ermittlungsverfahren allerd<strong>in</strong>gs<br />

zunächst unterbrochen und<br />

später nie<strong>der</strong>geschlagen und Habenicht<br />

schließlich 1940 als Polizeipräsident<br />

nach Mannheim versetzt.<br />

In Mannheim setzte er sich sofort<br />

weitblickend – so die Feststellungen<br />

<strong>der</strong> Spruchkammer – für den Bau<br />

zahlreicher Luftschutzbunker für die<br />

Bevölkerung e<strong>in</strong> und setzte se<strong>in</strong>e<br />

Auffassung über die Notwendigkeit<br />

solcher vorsorglicher Maßnahmen<br />

gegen die Haltung <strong>der</strong> Stadtverwaltung<br />

durch. Die Entwicklung des<br />

Krieges gab ihm recht. Es war weitgehendst<br />

se<strong>in</strong> ″Verdienst″, wenn die<br />

Verluste an Menschenleben bei<br />

mehr als 100 Großangriffen auf die<br />

Stadt Mannheim gegenüber an<strong>der</strong>en<br />

Städten sehr ger<strong>in</strong>g waren. Die<br />

Verstärkungsbauten für die eigene<br />

Befehlsstelle im Polizeipräsidium<br />

ließ er erst durchführen, nachdem<br />

die Unterbr<strong>in</strong>gung <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

<strong>in</strong> Bunkern gesichert war. Diese Sicherungsbauten<br />

gegen Bombenangriffe<br />

s<strong>in</strong>d im Hauptdienstgebäude<br />

des Polizeipräsidiums Mannheim<br />

heute noch zu sehen.<br />

Weiter aus den Feststellungen<br />

<strong>der</strong> Spruchkammerakte: ″Se<strong>in</strong><br />

Amt als Polizeipräsident hat er<br />

gewissenhaft geführt. Nach<br />

den übere<strong>in</strong>stimmenden Zeugenaussagen<br />

hat er sich für<br />

se<strong>in</strong>e Untergebenen ohne<br />

Rücksicht auf die Parteizugehörigkeit<br />

e<strong>in</strong>gesetzt. Für ihn<br />

war alle<strong>in</strong> die sachliche Leistung<br />

maßgebend.″<br />

Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten,<br />

dass Habenicht e<strong>in</strong><br />

überzeugter Nationalsozialist<br />

<strong>der</strong> ersten Stunde war und das Gedankengut<br />

<strong>der</strong> Nazis erheblich geför<strong>der</strong>t<br />

hat.<br />

Ende des Krieges floh Habenicht<br />

aus Mannheim. Am 5.5.1945 wurde<br />

er <strong>in</strong> Eglofs im Allgäu von den Alliierten<br />

verhaftet und <strong>in</strong> das Internierungslager<br />

Bal<strong>in</strong>gen verbracht. Die<br />

dortige Son<strong>der</strong>spruchkammer stufte<br />

ihn mit Urteil vom 1.4.1949 als ″M<strong>in</strong><strong>der</strong>belasteten″<br />

e<strong>in</strong> und sprach ihm<br />

die bei <strong>der</strong> Polizei erworbenen Beamtenrechte<br />

ab, sah aber ke<strong>in</strong>e Bedenken,<br />

ihn wie<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Post zu<br />

beschäftigen. E<strong>in</strong>e <strong>erneut</strong>e Beamtentätigkeit<br />

wurde allerd<strong>in</strong>gs von ihm<br />

später nicht mehr aufgenommen.<br />

Mit Wirksamkeit des ″Persilsche<strong>in</strong>s″<br />

wurde er aus dem Internierungslager<br />

nach Schriesheim entlassen.<br />

Dort starb er am 11.2.1963.

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