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<strong>intern</strong> 5 / 20<strong>13</strong><br />
Saarland<br />
Landesvertretung<br />
Wie eine Frau trotz Lähmung Felsen<br />
erklimmt<br />
Die 33-jährige Dunja Fuhrmann aus<br />
Saarbrücken, stellvertretende Leiterin<br />
der Landesvertretung Saarland, gelähmt<br />
vom zwölften Brustwirbel abwärts, ist zu<br />
einzigartigen Leistungen beim Klettern<br />
fähig. Die Gerätschaften dazu hat sie<br />
sich selbst zusammengebaut. Wenn<br />
Dunja Fuhrmann senkrechte Wände<br />
hoch- und runterklettert, etwa den<br />
„Unglücksfelsen“ am Kirkeler Felsenpfad<br />
(Schwierigkeitsgrad 6), dann sieht das<br />
für flüchtige Beobachter „normal“ aus.<br />
Die Bewegungen der Sportlerin mit<br />
dem langen blonden Zopf in dem gut<br />
zehn Meter hohen Sandstein sind flink,<br />
gezielt, geschmeidig und kraftvoll. Wer<br />
genau hinsieht, wird aber bemerken,<br />
dass die 33-jährige fürs Vorankommen<br />
deutlich mehr arbeiten muss als ihre<br />
Sportkameraden. Auffällig ist ihre<br />
Eigenart, vor jedem Schritt eine Hand<br />
aus dem Fels zu lösen, ein Band am<br />
Oberschenkel zu greifen, damit ein Bein<br />
heranzuziehen und in Nischen der Wand<br />
abzustellen.<br />
Die Erklärung für diesen einzigartigen<br />
Stil ist ebenso einfach wie phänomenal:<br />
Dunja Fuhrmann ist gelähmt, ab dem<br />
zwölften Brustwirbel abwärts. Sie bewegt<br />
sich und ihre 52 Kilo Körpergewicht<br />
ausschließlich mit der Kraft aus dem<br />
Oberkörper. Da sie die gefühllosen Beine<br />
und Füße aber benötigt, um am Berg<br />
Halt zu finden, holt sie die Gliedmaßen<br />
zu sich und platziert sie mit der Hand.<br />
Wenn sie sicher stehen, klettert sie einen<br />
Armzug weiter und zieht das Bein erneut<br />
nach. Ihr Trainer und Kletterpartner<br />
Bernd Eichenseer, 37 Jahre, ein Bayer,<br />
der schon viele Stile gesehen hat, findet<br />
diese Leistung „absolut einzigartig,<br />
verrückt.<br />
Dunja hängt nur an den Armen,<br />
manchmal hat sie 80 Prozent ihres<br />
Gewichtes auf einer Hand, das kann kein<br />
Mann“. Für den Fall eines Sturzes ist<br />
Dunja Fuhrmann natürlich durch Seile<br />
und den Trainer gesichert. Umgekehrt<br />
ist sie aber auch schon so versiert, den<br />
Kletterkameraden abzusichern; Dunja<br />
Nur mit der Kraft ihres Oberkörpers bezwingt die gelähmte Dunja Fuhrmann den Kirkeler<br />
„Unglücksfelsen“. Ihre Beine zieht sie nach.<br />
Fuhrmann könnte also in Seilschaften in<br />
den Bergen „mitgehen“.<br />
Die diplomierte Sozialarbeiterin Dunja<br />
Fuhrmann sitzt seit dem 16. Lebensjahr<br />
im Rollstuhl. Wegen eines genetischen<br />
Defektes hatte sie nach einem Zeckenbiss<br />
eine Rückenmarkserkrankung erlitten.<br />
Obwohl ihre Beinmuskeln taub<br />
sind, verfügen sie über eine nicht<br />
beeinflussbare Eigenspannung. Diese<br />
so genannte „Spastik“ kann ihr große<br />
Beschwerden bereiten, führt aber<br />
auch dazu, dass die Gliedmaßen nicht<br />
erschlaffen. Dank der Spastik halten<br />
die Beine die Spannung und sind beim<br />
Klettern kurzzeitig belastbar.<br />
Stets darauf bedacht, ihr Leben<br />
möglichst selbstständig zu führen,<br />
hielt sich Dunja Fuhrmann immer mit<br />
Bewegung und Sport in Form und<br />
erwarb sich dabei einen sehr muskulösen<br />
Körper. Zum Klettern kam sie erst vor<br />
anderthalb Jahren, fing in der Halle an<br />
einer künstlichen Wand an und ist nun<br />
auf den Geschmack des Felskletterns<br />
gekommen.<br />
Da es im Fachhandel für ihre<br />
Bedürfnisse keine Ausrüstung zu kaufen<br />
gibt, konstruierte sie ihr „Geschirr“<br />
selbst, und zwar mit einfachsten<br />
Mitteln. An Füßen, Unterschenkeln und<br />
Oberschenkeln knapp über dem Knie<br />
sind Taschenbänder und – tatsächlich!<br />
– Hundehalsbänder (für klitzekleine<br />
und mittlere Hunde) so miteinander<br />
verknüpft, dass die Beine exakt an<br />
die gewünschte Position geführt werden<br />
können. Das Anlegen der Utensilien<br />
dauert fast 30 Minuten, Fuhrmann wird<br />
die Bänder demnächst an ihre Hose (eine<br />
eng sitzende Reiterhose) annähen, um<br />
sich die Arbeit zu sparen.<br />
Mit dem Klettern will die 33-jährige,<br />
die sich ehrenamtlich in vielfacher<br />
Weise für Behindertenrechte einsetzt,<br />
keine „Botschaft“ vermitteln, keine<br />
Wettkämpfe gewinnen (es gäbe ohnehin<br />
keine Gegner) und auch keine anderen<br />
Leute zu irgendetwas Ähnlichem<br />
bewegen. Es geht ihr um nicht mehr<br />
und nicht weniger als um „Sport,<br />
mentales Training, Erlebnis“, und wie<br />
jedem anderen Bergsteiger um die<br />
„Begeisterung für die Züge“ im Berg.<br />
Ein Video auf Youtube zeigt, wie Dunja<br />
Fuhrmann eine Felswand erklimmt:<br />
youtube.com/ watch?v=LgNx03aJRyc<br />
Quelle: Saarbrücker Zeitung vom 7.9.<strong>13</strong><br />
© Fuhrmann<br />
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