Kapitel 7 - ETH
Kapitel 7 - ETH
Kapitel 7 - ETH
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Kapitel</strong> 6<br />
Stoffkreisläufe und atmosphärische<br />
Chemie<br />
6.1 Die Sphären<br />
Unser Planet lässt sich in sechs verschiedene Zonen oder Sphären unterteilen. Diese<br />
sind die Lithosphäre, d. h. die Erdkruste bis maximal etwa 120 Kilometer Tiefe,<br />
die Biosphäre, d. h. Flora und Fauna, die Hydrosphäre, die Anthroposphäre, die Pedosphäre,<br />
also die obersten Meter des Erdbodens und die Atmosphäre. Diese sechs<br />
Sphären stehen in einer ständigen Wechselwirkung miteinander welche in der Abb. 6.1<br />
symbolisiert werden soll.<br />
Die Sphären<br />
Sphaira = Kugel<br />
Atmosphäre<br />
Atmos = Dampf<br />
Hydrosphäre<br />
Hydor = Wasser<br />
Biosphäre<br />
Bios = Leben<br />
Pedosphäre<br />
Pedon = Erdboden<br />
Anthroposphäre<br />
Anthropos = Mensch<br />
Lithosphäre<br />
Lithos = Stein<br />
Abbildung 6.1: Wechselwirkungen zwischen den Sphären.<br />
Ein Beispiel für die Wechselwirkung Anthroposphäre −→ Atmosphäre ist die Verbrennung<br />
von fossilen Brennstoffen (Kohle, Erdöl, Erdgas) aus der Lithosphäre. In Abb.<br />
68
Atmosphäre 69<br />
6.2 ist die Zunahme des Verbrauchs an fossilen Brennstoffen zwischen 1800 und 2000<br />
dargestellt. Um 1860 wurden dadurch jährlich 0.5 Milliarden Tonnen Kohlendioxid an<br />
die Atmosphäre abgegeben, heute sind es rund 20 Milliarden Tonnen im Jahr.<br />
Abbildung 6.2: Kohlenstoffeintrag in die Atmosphäre in Form von CO 2 durch den<br />
Verbrauch verschiedener fossiler Brennstoffe zwischen 1800 und 2000. [Global Warming<br />
Art project, Originaldaten: Marland, G., T.A. Boden, and R. J. Andres, 2003.]<br />
Ein Beispiel für die Wechselwirkung Biosphäre −→ Atmosphäre ist der im Jahresgang<br />
schwankende Gehalt an Kohlendioxid in der Luft. Das Absinken des Kohlendioxidgehaltes<br />
der Luft während den Sommermonaten wird durch das Speichern von<br />
Kohlenstoff im Blattwerk der Laubbäume verursacht. In den Wintermonaten, der Ruheperiode<br />
der Vegetation, steigt dann der Gehalt von CO 2 in der Luft wieder an. Im<br />
Abschnitt 6.3 wird dies detailiert erläutert.<br />
Aufgewirbelter Staub, der in der Atmosphäre verfrachtet wird und an anderer Stelle<br />
wieder abgelagert wird, stellt eine Wechselwirkung zwischen der Pedosphäre und der<br />
Atmosphäre dar.<br />
6.2 Der Wasserkreislauf<br />
6.2.1<br />
Wasser und die Entwicklung der Atmosphäre<br />
Das Vorkommen grosser Mengen von flüssigem Wasser ist eines der wichtigsten Merkmale<br />
des Planeten Erde, das ihn von allen anderen Planeten des Sonnensystems unterscheidet.<br />
Transport und Verteilung des Wassers sind zudem zwei der wichtigsten<br />
Kennzeichen des Klimas auf der Erde. Eigentlich sind es die schwankenden Temperaturen<br />
in der Atmosphäre und an der Erdoberfläche, die das Wasser veranlassen, ständig
Atmosphäre 70<br />
zwischen festen, flüssigen und gasförmigen Aggregatszuständen zu wechseln. Dies wiederum<br />
gestattet es den Lebewesen, auf der Erde zu existieren.<br />
Die terrestrischen Planeten<br />
Venus Erde Mars<br />
Bahn<br />
(Mio km)<br />
<br />
(km)<br />
(10 23 kg)<br />
(K)<br />
(atm)<br />
CO 2<br />
(%)<br />
N 2<br />
(%)<br />
O 2<br />
(%)<br />
H 2<br />
O (%)<br />
108<br />
0.6<br />
6100<br />
49<br />
730<br />
91<br />
96<br />
3.4<br />
0.007<br />
0.3<br />
150<br />
0.31<br />
6400<br />
60<br />
289<br />
1<br />
0.04<br />
78<br />
21<br />
1<br />
228<br />
0.25<br />
3400<br />
6.4<br />
220<br />
0.007<br />
95<br />
2.7<br />
0.13<br />
0.04<br />
rad<br />
(K) 271 256 219<br />
Strahlungsbilanz:<br />
2<br />
4<br />
( <br />
<br />
) 2 (1 – <br />
) = 4 2<br />
<br />
4<br />
<br />
Abbildung 6.3: Die Strahlungsbilanz dreier terrestrischer Planeten und der Zusammenhang<br />
des Treibhauseffekts mit den Aggregatszuständen des Wassers auf der Erde.<br />
Bei den terrestrischen Planeten kann davon ausgegangen werden, dass Wasser in<br />
einer Form existiert oder zumindest in der Planetenentstehung einmal vorhanden war.<br />
Beim Ausstoss von Wasserdampf durch vulkanische Aktivitäten war die vorherrschende<br />
Temperatur des Planeten entscheidend, in welchem Aggregatszustand das Wasser<br />
danach vorwiegend auftrat. Wasserdampf in der Atmosphäre erzeugt einen Treibhauseffekt,<br />
der die Temperatur des Planeten nachhaltig ändert und somit auch das Gleichgewicht<br />
der Wasserverteilung zwischen den verschiedenen Phasen verschiebt. Es entsteht<br />
eine mehrheitlich positive Rückkopplung, welche im Falle des Planeten Venus<br />
vermutlich zu einem so genannten runaway greenhouse effect“ führte, worauf alles<br />
”<br />
Wasser verdampfte und schliesslich der Atmosphäre entwich. In Abb. 6.3 ist die Temperaturentwicklung<br />
auf der Erde schematisch dargestellt. Ausgehend von einer Erde<br />
ohne Atmosphäre liegt die Temperatur beim Strahlungsgleichgewicht viel tiefer als die<br />
heutige globale Durchschnittstemperatur. Die Differenz wurde durch den Treibhauseffekt,<br />
resp. die Existenz einer dichten Atmosphäre, erzeugt, insbesondere durch den<br />
Wasserdampf in der Atmosphäre.<br />
Ozeane 97%<br />
Gletscher und Schnee 2.4%<br />
Grundwasser 0.6%<br />
Flüsse und Seen 0.02%<br />
Atmosphäre 0.001%<br />
Tabelle 6.1: Wasserverteilung auf der Erde<br />
Die Verteilung des Wassers auf seine unterschiedlichen Reservoire wird in Tabelle<br />
6.1 wiedergegeben. Über 97% des Wassers befinden sich in den Meeren; nahezu der
Atmosphäre 71<br />
gesamte Rest ist auf den Kontinenten und in den polaren Eiskappen gespeichert. Die<br />
grundwasserführenden Schichten enthalten insgesamt sehr wenig Wasser, aber viel mehr<br />
als die Flüsse und Seen zusammen. In der Biosphäre ist noch weniger Wasser vorhanden,<br />
es ist hier aber von grösster Bedeutung, da es etwa die Hälfte der lebenden Materie<br />
stellt und das Transportmedium für wichtige Nährstoffe und Abfallprodukte ist.<br />
Abbildung 6.4: Eigenschaften des gesamten hydrologischen Kreislaufes der Erde [Graedel<br />
et al.].<br />
6.2.2<br />
Prozesse und Stationen des Wasserkreislaufes<br />
Die Menge an Wasser, die als Dampf und in kondensiertem Zustand in der Atmosphäre<br />
vorhanden ist, unterliegt beträchtlichen Schwankungen. Sie kann so reichlich vorkommen<br />
wie in den warmen Tropen mit einigen Prozenten oder auch so knapp bemessen<br />
sein wie in der kalten unteren Stratosphäre mit wenigen Millionstel Anteilen.<br />
Der Wasserkreislauf beinhaltet viele Prozesse, wie Abbildung 6.4 andeutet. Der<br />
Grundkreislauf wird angeregt durch die Verdunstung über dem Lande und dem Meer;<br />
die Kondensation von Wasserdampf zu Wolken erhält ihn aufrecht, und schliesslich erfolgt<br />
die Rückkehr des Wassers zur Oberfläche durch Niederschläge in unterschiedlicher<br />
Form.<br />
Oberflächenwasser verdunstet, falls der Sättigungsdampfdruck der Wassertemperatur<br />
an der Oberfläche den Wasserdampfdruck in der Atmosphäre übersteigt. Den
Atmosphäre 72<br />
grössten Teil des Wassers in der Atmosphäre liefern die Ozeane, aber auch Seen und<br />
Flüsse, feuchter Boden und feuchte Vegetation sind beteiligt.<br />
Wasserdampf bleibt durchschnittlich etwa 10 Tage in der Atmosphäre und kann sich<br />
tausende von Kilometern weit bewegen, bevor Kondensation eintritt. Wird ungesättigte<br />
Luft gekühlt, erreicht sie bald den Taupunkt und es lagert sich bei weiterer Abkühlung<br />
Wasserdampf an Kondensationskeimen ab. Die Wolkentröpfchen, die sich aufgrund<br />
dieses Kondensationsvorganges bilden, wachsen durch weitere Wasserdampfaufnahme.<br />
Sind Tropfengrössen von etwa 10 bis 20 μm erreicht, ist der verfügbare Wasserdampf<br />
normalerweise erschöpft, und eine stabile Wolke hat sich gebildet.<br />
Fortwährende Kondensation in aufsteigenden Luftmassen führt ebenso wie Kollisionen<br />
und Verschmelzungen zwischen Wolkentröpfchen zu zunehmend grösseren Tröpfchen.<br />
Schliesslich werden einige Tröpfchen so gross, dass ihre Fallgeschwindigkeit die<br />
Aufwindgeschwindigkeit in den Wolken überwindet, und sie zu Boden fallen. Dieser<br />
Vorgang in der Entwicklung des Niederschlages ist vor allem in den Tropen häufig. In<br />
kühleren Regionen beginnt der Niederschlag oft mit dem Gefrieren weniger Wolkentröpfchen.<br />
Eine weitere wichtige Funktion des Wassers in der Atmosphäre, ist die Ermöglichung<br />
chemischer Reaktionen in den Wolkentröpfchen, in flüssigen Aerosolpartikeln<br />
und auf Eisoberflächen, die in der Gasphase nicht stattfinden würden. Beispielweise<br />
wird so gasförmiges Schwefeldioxid in mehreren Reaktionsschritten in Schwefelsäure<br />
umgewandelt, welche vorwiegend in den Partikeln gebunden bleibt.<br />
Niederschläge ”<br />
waschen“ die Atmosphäre in und unterhalb der Wolken. Troposphärische<br />
Aerosole (inkl. Feinstaub) und wasserlösliche Gase werden bei Regen oder Schneefall<br />
zu beträchtlichen Teilen ausgewaschen, weshalb die Fernsicht nach einem Niederschlagsereignis<br />
meistens erheblich besser ist.<br />
Jährlich verdunstet an der Erdoberfläche eine Menge von durchschnittlich 100 cm<br />
flüssigen Wassers (d. h. 1 m 3 H 2 O pro Quadratmeter Oberfläche) und kondensiert anschliessend<br />
in der Atmosphäre, woraus Niederschlag entsteht. Die Verdunstungsmenge<br />
ist jedoch regional sehr unterschiedlich und hängt von Faktoren wie Temperatur, Sonnenscheindauer,<br />
relativer Luftfeuchte, Vegetation und dynamischen Transportprozessen<br />
ab.<br />
6.3 Der Kohlenstoff-Kreislauf<br />
CO 2 aus der AtmosphärewirdvondenOzeaneningelöster Form aufgenommen. Auch<br />
in der Biosphäre (Flora und Fauna) wird CO 2 gebunden und nach dem Absterben der<br />
Individuen in die Pedosphäre überführt. Mit diesem Prozess wurde im Laufe von vielen<br />
Millionen Jahren ein Grossteil des in der Uratmosphäre vorhandenen Kohlendioxides<br />
gebunden. Die riesigen Mengen an Erdöl und Kohle aber auch die immensen Schieferablagerungen<br />
sind die Überreste der Biomasse vergangener Generationen. In Abb. 6.5<br />
sind die Kohlenstoffvorkommen auf der Erde aufgelistet.<br />
Mit dem Beginn der Förderung und der Nutzung fossiler Energieträger wurde der<br />
Abbauprozess des atmosphärischen Kohlendioxides gestoppt und ein gegenteiliger Prozess<br />
gestartet. Der CO 2 -Gehalt der Luft steigt heutzutage kontinuierlich an und das<br />
CO 2 wirkt als Treibhausgas auf die globale Temperatur. Obwohl die ablaufenden Prozesse<br />
sehr komplex sind und ausser CO 2 noch andere Gase eine Rolle spielen, wird
Atmosphäre 73<br />
Kohlenstoff-Reservoire<br />
relativ zur Atmosphäre<br />
Atmosphäre 1<br />
Ozeane ~ 50<br />
Terrestrische<br />
Biosphäre ~ 3<br />
Aquatische<br />
Biosphäre ~ 0.002<br />
Lithosphäre > 100‘000<br />
Fossile<br />
Energieträger ~ 5<br />
Abbildung 6.5: Kohlenstoffgehalt der wichtigsten Reservoire der Erde. [IPCC, UNEP,<br />
WMO]<br />
für das kommende Jahrhundert ein Temperaturanstieg prognostiziert. Als einer der<br />
Hauptverursacher wird dabei der CO 2 -Anstieg angesehen.<br />
Abbildung 6.6: Schwankender CO 2 -Gehalt der Luft während den letzten Glazialen<br />
und Interglazialen. Die heutige CO 2 -Konzentration übersteigt alle Maxima der letzten<br />
400’000 Jahre bei weitem - wahrscheinlich sogar jene der letzten 10 Millionen Jahre!<br />
[Global Warming Art, http://www.globalwarmingart.com/ (GNU free license)].<br />
Die jüngsten 400’000 Jahre der Erdgeschichte waren klimatisch geprägt durch die
Atmosphäre 74<br />
verschiedenen Glaziale (Eiszeiten) und die dazwischenliegenden Warmperioden. Dieses<br />
Schema lässt sich auch am Verlauf der atmosphärischen CO 2 -Konzentration in Abb. 6.6<br />
wiedererkennen. Die Wechsel zwischen Eiszeit und Warmzeit wurden vorwiegend durch<br />
periodische, geometrische Veränderungen der Erdumlaufbahn und Erdachse ausgelöst,<br />
die so genannten Milankovitch Zyklen. Die globale Temperatur und die atmosphärische<br />
CO 2 -Konzentration sind via die Biosphäre, die Ozeane, die Anthroposphäre und den<br />
Treibhauseffekt gekoppelt. Dieses komplexe Zusammenspiel hielt während tausenden<br />
von Jahren die CO 2 -Konzentration der Atmosphäre in einem gewissen Schwankungsbereich.<br />
Seit der industriellen Revolution und der damit einhergehenden Verbrennung<br />
fossiler Energieträger steigt die Konzentration in der Luft stetig an, wie Langzeitmessungen<br />
an verschiedenen Orten der Erde zeigen.<br />
In Abb. 6.7 (a) sind sowohl der Trend als auch die unterschiedlich starken saisonalen<br />
Schwankungen des CO 2 -Gehalts in den Hemisphären erkennbar.<br />
(a)<br />
(b)<br />
Mauna Loa, Hawaii<br />
South Pole<br />
Cape Grim; Australia<br />
Point Barrow, Alaska<br />
Abbildung 6.7: CO 2 -Konzentration und deren saisonale Schwankungen auf der Nordund<br />
Südhemisphäre. Rechts ist der gobale Verbrauch fossiler Brennstoffe dem CO 2 -<br />
Anstieg in der Atmosphäre gegenübergestellt. Die Dreiecke bezeichnen starke El Niño-<br />
Southern Oscillation (ENSO) Episoden. Nur nach den Vulkanausbrüchen von El<br />
Chichón (1982) und Pinatubo (1991) sind die Kurven mit ENSO unkorreliert [IPCC<br />
2001].<br />
Vergleicht man die Kohlenstoff-Emissionen in Form von CO 2 , CO und CH 4 aus<br />
der Nutzung von Erdöl, Erdgas und Kohle mit dem Anstieg im atmosphärischen<br />
Kohlenstoff-Gehalt (Abb. 6.7 (b)), so ist erkennbar, dass ein Teil der Emissionen nicht<br />
in der Atmosphäre verbleibt, sondern auch die Ozeane und die Biosphäre einen gewissen<br />
Anteil aufnehmen. Grossskalige Klimaphänomene wie die El Niño - Southern Oscillation<br />
(ENSO) Ereignisse, sind auch mit dem atmosphärischen CO 2 -Signal korreliert.<br />
Dieser Zusammenhang lässt sich vereinfacht mit der veränderten Ozeanoberflächentemperatur<br />
und der damit veminderten Löslichkeit von CO 2 im Wasser erklären. Die<br />
Bilanz dieser kurzfristigen Verteilung des CO 2 in die Hydro-, Bio- und Atmosphäre, ist<br />
in Abb. 6.8 für die Zeitspanne von 1990 bis 2000 dargestellt. Auf längere Sicht spielen<br />
auch die Umverteilung des Oberflächewasser in die tiefen Ozeanschichten und der Aufbau<br />
carbonathaltiger Sedimente eine Rolle. Die Geschwindigkeit dieser dynamischen<br />
Vorgänge ist entscheidend mitverantwortlich dafür, wieviel CO 2 in Zukunft durch die<br />
Ozeane aufgenommen werden kann.
Atmosphäre 75<br />
The missing sink<br />
Abbildung 6.8: Zusammenhang zwischen der Verbrennung fossiler Energieträger und<br />
der kurzfristigen CO 2 -Speicherung in den verschiedenen Sphären [IPCC 2001].<br />
6.4 Der Treibhauseffekt<br />
Die bedeutenste Wärmequelle im globalen Klimasystem ist die Sonne. Sie sendet Energie<br />
in Form kurzwelliger (sichtbarer und UV) Strahlung aus. Unter Annahme, dass sich<br />
das Erdklima in einem Gleichgewicht befindet, sich also die gespeicherte Energie in den<br />
Ozeanen und der Atmosphäre nicht mit der Zeit ändert, muss eine äquivalente Energiemenge<br />
wieder zurück ins Universum gestrahlt werden. Etwa 30% der eintreffenden<br />
Strahlung wird direkt von der Erde reflektiert, die verbleibenden 70% werden absorbiert,<br />
erwärmen den Boden, die Atmosphäre und die Meere und versorgen die Lebensformen<br />
auf der Erde mit Energie. Diese Energie wird dann teilweise als fühlbare und<br />
latente Wärme an die Atmosphäre abgegeben und teils nach dem Stefan-Boltzmann-<br />
Gesetz (siehe <strong>Kapitel</strong> 5), der Temperatur entsprechend, als Infrarotstrahlung zurückgestrahlt.<br />
Auch die Atmosphäre selbst, resp. deren Moleküle, senden Infrarotstrahlung<br />
in alle Richtungen aus. Somit wird ein Teil der Infrarotstrahlung von der Atmosphäre<br />
wieder zum Boden gestrahlt.<br />
Der springende Punkt beim Treibhauseffekt ist die Eigenschaft der Lufthülle, relativ<br />
transparent für sichtbare solare Strahlung zu sein, bei Wellenlängen der thermischen<br />
Infrarotstrahlung des Bodens und der Atmosphäre jedoch stark zu absorbieren. Die
Atmosphäre 76<br />
Budget relative to incoming energy flux<br />
-31 100 %<br />
-69<br />
20<br />
49 -30<br />
-114<br />
95<br />
Adapted from IPCC 2001<br />
Abbildung 6.9: Die jährlich gemittelte globale Energiebilanz. Ein Teil der eintreffenden<br />
Strahlung wird an Wolkenoberseiten, an Aerosolen, durch kalte Regionen der Atmosphäre<br />
oder den Erdboden zurück ins Weltall reflektiert. 49% (168 Wm −2 ) der eintreffenden,<br />
kurzwelligen Solarstrahlung, wird durch die Erdoberfläche absorbiert. Diese<br />
Strahlungsenergie wird, in Form von fühlbarer Wärme, als Evapotranspiration (latente<br />
Wärme) und als Infrarotstrahlung, wieder an die Atmosphäre abgegeben. Der grösste<br />
Teil dieser langwelligen Strahlung wird wiederum durch die Atmosphäre absorbiert,<br />
welche ihrerseits Strahlung nach oben und unten emittiert. Dies erzeugt einen Treibhauseffekt.<br />
[Kiehl and Trenberth, 1997, Bull. Am. Met. Soc. 78, 197-208]<br />
sichtbare Sonnenstrahlung erwärmt vor allem die Erdoberfläche, nicht die Atmosphäre.<br />
Hingegen stammt die meiste Infrarotstrahlung, welche ins Weltall abgestrahlt wird, aus<br />
höheren Luftschichten, aber nicht von der Erdoberfläche. Die langwelligen Photonen,<br />
die vom Boden emittiert wurden, werden grösstenteils durch die Treibhausgase der<br />
Atmosphäre absorbiert und nicht direkt ins All abgegeben.<br />
In Abb. 6.10 ist der gemittelte Strahlungsantrieb (engl.: radiative forcing) der wichtigsten<br />
veränderlichen Komponenten im Klimasystem angegeben. Das wissenschaftliche<br />
Verständnis der einzelnen Beiträge geht von ”<br />
hoch“ bis ”<br />
sehr gering“ und entsprechend<br />
verschieden ist auch die Notwendigkeit nach mehr Untersuchungen in den jeweiligen<br />
Gebieten. Insbesondere der indirekte Aerosol-Effekt, also der Zusammenhang zwischen<br />
den Aerosolen und der Wolkenbildung und deren Effekt aufs Klima, ist noch nicht gut<br />
verstanden. Vereinfachend kann man sagen, dass die hochliegende Cirrusbewölkung<br />
einen wärmenden Effekt hat, die optisch dichteren, tiefen Wolken einen kühlenden.<br />
Definitionsgemäss (nach IPCC) ist der ”<br />
Strahlungsantrieb“ die Nettostrahlungsänderung<br />
(kurzwellig plus langwellig; in Wm −2 ; gemessen an der Tropopause) des Systems<br />
Erdboden-Troposphäre, bewirkt durch die Änderung einer Komponente, z.B. einer<br />
Treibhausgaskonzentration (nachdem man der stratosphärischen Temperatur erlaubt
)<br />
)<br />
2<br />
1<br />
.<br />
.<br />
6<br />
6<br />
Atmosphäre 77<br />
Quelle: IPCC 2001<br />
Abbildung 6.10: Global gemittelter Strahlungsantrieb des Klimasystems heute (2000)<br />
relativ zu 1750 [IPCC 2001].<br />
hat, sich auf das neue Strahlungsgleichgewicht einzubalancieren, während die Bodenund<br />
Troposphärentemperaturen und Zustände auf dem Vorwert fixiert wurden).<br />
6.5 Die Ozonchemie<br />
6.5.1<br />
Stratosphärisches Ozon<br />
Ozon wird sowohl in der Stratosphäre als auch in der Troposphäre gebildet, doch sind<br />
die Bildungsprozesse unterschiedlich.<br />
Sydney Chapman schlug in den 1930-er Jahren einen einfachen Reaktionsmechanismus<br />
vor, der das Vorhandensein einer Ozonschicht erklären konnte und dies auf die<br />
Photolyse von molekularem Sauerstoff zurückführte. Die Bindungsenergie des Sauerstoffmoleküls<br />
(498 kJ mol −1 ) entspricht der Energie eines 242 nm Photons, sodass nur<br />
solare Strahlung bei Wellenlängen λ
)<br />
3<br />
.<br />
6<br />
Atmosphäre 78<br />
(a)<br />
(b)<br />
Abbildung 6.11: Vertikale Ozonverteilung in Volumen-Mischungsverhältnis resp. Partialdruck,<br />
mit den Maxima auf verschiedenen Höhen (a). Für die Absorption der UV-<br />
Strahlung entscheidend ist nicht das Volumenmischungsverhältnis sondern die Konzentration.<br />
(b) zeigt das berechnete Ozonprofil unter Berücksichtigung der Reaktionen<br />
nach Chapman im Vergleich zur Beobachtung. [(a) Daniel D. Jacob: Introduction to Atmospheric<br />
Chemistry, Princeton University Press (1999); (b) D. Brunner: Einführung<br />
in die Chemie und Physik der Atmosphäre (Skript 05/06)].<br />
In der obigen Reaktion ist M ein unreaktiver Stosspartner (z.B. N 2 ), welcher als dritter<br />
Stossparameter zur Bildung von Ozon benötigt wird. Gleichzeitig erfolgt aber auch ein<br />
Abbau von Ozon via die drei folgenden Reaktionen:<br />
O 3 + hν (λ
Atmosphäre 79<br />
Die Quellregion des Ozons liegt in den Tropen, wo die Sonneneinstrahlung am intensivsten<br />
ist. Dort gebildetes Ozon wird in der grossskaligen Brewer-Dobson-Zirkulation<br />
zu den Polen hin verfrachtet.<br />
Brewer-Dobson-Zirkulation<br />
(oder mittlere meridionale Zirkulation)<br />
Höhe<br />
50 km<br />
45<br />
40<br />
Ozon<br />
Quellregion<br />
35<br />
30<br />
25<br />
Jet<br />
Jet<br />
20<br />
15<br />
Tropopause<br />
Sommerpol Äquator Winterpol<br />
Geographische Breite<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Abbildung 6.12: Die Brewer-Dobson-Zirkulation in der Stratosphäre.<br />
Chapman konnte mit seinem Reaktionsschema eine Ozonschicht beschreiben, allerdings<br />
war die berechnete Ozonkonzentration viel höher als die beobachtete und das<br />
Maximum lag auch weiter oben (Abb. 6.11 (b)). Daraus konnte man schliessen, dass<br />
noch weitere Senken für Ozon vorhanden sein müssen. In der Folge stellte Crutzen<br />
1970 einen katalytischen Ozon-Abbauprozess durch die Reaktion mit NO x -Radikalen<br />
vor (Abb. 6.13). Molina und Rowland zeigten 1974 einen ähnlichen Abbauweg durch<br />
die Reaktion mit Chlorradikalen (ClO x˙), welche vorwiegend durch Emissionen von<br />
FCKW’s in die Stratosphäre gelangen und dort durch die energiereiche UV-Strahlung<br />
ihre Reaktivität entfalten können.<br />
Nebst den in Abb. 6.13 gezeigten Reaktionen gibt es noch weitere katalytische Ozonabbauwege<br />
durch Radikale der Form YO x ,wobeiYfür Cl, Br, N oder H steht. Die<br />
Quellgase für diese Radikale werden in der Troposphäre nicht, oder nur sehr wenig<br />
abgebaut und verteilen sich deshalb global mehr oder weniger gleichmässig. Viele sind<br />
ausschliesslich anthropogenen Ursprunges (FCKW, Halone (d. h. bromhaltige Gase)),<br />
andere haben auch natürliche Quellen, z.B. Lachgas N 2 O, oder stammen in erster Linie<br />
aus natürlichen Prozessen (Methylchlorid, CH 3 Cl). Von besonderer Bedeutung für die<br />
stratosphärische Ozonschicht sind die chemisch sehr stabilen Fluorchlorkohlenwasserstoffgase<br />
(FCKWs) CFCl 3 und CF 2 Cl 2 . In einem Zeitraum von wenigen Jahren bewegen<br />
sich diese Gase von ihren Emissionsorten von der Erdoberfläche in die Stratosphäre.<br />
Abbildung 6.14 zeigt in einer schematischen Übersicht die wichtigsten Quellgase,<br />
Reservoirspezies und Senken im Ozonchemie-System. Oberhalb von etwa 20 bis 25 km
Atmosphäre 80<br />
Crutzen, 1970<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Netto <br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Molina & Rowland, 1974<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Netto: <br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Solomon et al., 1986<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
(Crutzen und Arnold, 1986<br />
Toon et al., 1986)<br />
<br />
Molina & Molina, 1987<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Netto:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Abbildung 6.13: Schema der katalytischen Chemie des Ozonabbaus in der Stratosphäre.<br />
Extrem kalte Temperaturen ermöglichen die Entstehung von Polaren Stratosphärenwolken<br />
(PSC) auf deren Partikeloberflächen dann desaktivierte Chlorradikale reaktiviert<br />
werden. Dadurch kann die katalytische Ozonzerstörung über dem Pol fortgesetzt<br />
werden und ein “Ozonloch“ entstehen.<br />
H 2 O<br />
(langsamer)<br />
Abbildung 6.14: Quellen, Senken, Reservoire und bedeutende Spurengase der für die<br />
stratosphärische Ozonchemie wichtigen Familien HO x ,ClO x und NO x [T. Koop].<br />
Höhe ist die vorhandene solare Strahlung genügend intensiv um sie zu zerlegen und<br />
dadurch Chlorradikale freizusetzen. Diese Radikale wirken beim Abbau von Ozon als<br />
Katalysatoren. Dargestellt ist dies in Abb. 6.13, z.B. beim Zyklus beschrieben durch
Atmosphäre 81<br />
Molina und Rowland (1974). In dieser Reaktionskette wird das Chlorradikal wieder<br />
gebildet und kann weitere Ozonmoleküle zerstören. Netto wird nur Ozon, unter Absorption<br />
von UV-Licht, in molekularen Sauerstoff umgewandelt. In der Stratosphäre<br />
ist der Ozonabbau durch Chlorradikale um einiges effizienter als durch Stickoxidradikale.<br />
Der katalytische Abbau kann chemisch nur durch so genannte Abbruchreaktionen,<br />
Reaktionen zwischen Radikalen, welche ein weit stabileres und passiveres Zwischenprodukt<br />
bilden, gestoppt werden. Dies wird als Desaktivierung bezeichnet. Diese stabilen<br />
Moleküle werden auch Reservoirspezies genannt. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer<br />
der Luft in der Stratosphäre beträgt ca. 2-4 Jahre. Auf dieser Zeitskala werden also<br />
auch Reservoirgase aus der Stratosphäre dynamisch in die Troposphäre transportiert<br />
und dort durch Deposition endgültig aus der Atmosphäre entfernt.<br />
6.5.2<br />
Die schützende Ozonschicht<br />
Ultraviolette Strahlung mit einer Wellenlänge von über 242 nm wird durch die Photodissoziation<br />
von O 2 , nicht mehr absorbiert und kann tief in die Atmosphäre eindringen,<br />
bis sie in der Stratosphäre auf die Ozonschicht stösst. Hier wird diese UV-Strahlung<br />
mit einer Wellenlänge bis zu 310 nm in der Reaktion beschrieben durch Gl. 6.4 absorbiert.<br />
Das bei dieser Reaktion gebildete freie Sauerstoffatom, ist elektronisch angeregt.<br />
Es rekombiniert mit einem O 2 -Molekül wieder zu Ozon. Chemisch gesehen hat sich<br />
bei dieser Reaktion nichts verändert, das Ozon bleibt weiterhin vorhanden. Diese UV-<br />
Absorption durch das Ozon liefert jedoch die Energie zur Erwärmung der Stratosphäre<br />
und erzeugt dadurch das stabile Temperaturprofil in der Stratosphäre (Abb. 1.2).<br />
Dort wo die Intensität der UV-Strahlung unterhalb 242 nm am grössten ist, in der<br />
Stratosphäre über den Tropen, befindet sich das wichtigste Bildungsgebiet (Hauptquelle)<br />
des stratosphärischen Ozons. Dieses frisch gebildete Ozon wird durch die Brewer-<br />
Dobson-Zirkulation vom Äquator polwärts transportiert. Im Südwinter, von April bis<br />
September, transportieren die stratosphärischen Westwinde – sie weisen eine südwärts<br />
gerichtete Komponente auf – das Ozon aus der tropischen Quellregion nach Süden. Im<br />
Nordwinter sind die Transportwege entsprechend umgekehrt (Abb. 6.12).<br />
Die Ozonschicht sorgt mit ihrer UV-absorbierenden Eigenschaft für einen Schutz<br />
gegen Photonen mit Wellenlängen bis etwa 310 nm, die für biologische Mutationen,<br />
Sonnenbrand, Hautkrebs (λ: 280–310 nm) und andere physiologische Effekte verantwortlich<br />
sind. Daher führt ein Verlust an stratosphärischem Ozon zu einer Zunahme<br />
der gefährlichen UV-Strahlung auf der Erdoberfläche, wie in Abb. 6.15 dargestellt.<br />
6.5.3<br />
Das Ozonloch über dem Südpol<br />
In der extrem kalten Umgebung des polaren Winters (T < 195 K) gefriert Salpetersäure<br />
und entfernt dadurch Stickoxid aus der Gasphase. Das hat zur Folge, dass die Umwandlung<br />
der ozonzerstörenden ClO x -Radikale in das Reservoirgas Chlornitrat stark eingeschränkt<br />
wird. Unter diesen Bedingungen können zudem auch Wolken aus flüssigen<br />
oder festen Partikeln entstehen, die sowohl Wasser (Eis) als auch Schwefelsäure und<br />
Salpetersäure in gelöster und teilweise hochkonzentrierter Form (Hydrate) enthalten.<br />
ClONO 2 +HCl<br />
an Partikel<br />
−→ HNO 3(gefriert) +Cl 2 (gasförmig) ( 6 . 6 )
Atmosphäre 82<br />
1.0<br />
Empfindlichkeit gegen<br />
Sonnenbrand<br />
0.8<br />
Sonnenstrahlung ausserhalb<br />
der Atmosphäre<br />
Globalstrahlung am<br />
Boden<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
bei wenig O 3<br />
1 % weniger O 3<br />
bedeutet etwa 1.5 %<br />
mehr UV am Boden<br />
bei normalem O 3<br />
0.0<br />
290 300 310 320 330<br />
Wellenlänge (nm)<br />
Abbildung 6.15: Biologische Bedeutung der Ozonschicht als UV-Strahlenschutz-Schild.<br />
Auf den Oberflächen der Partikel dieser polaren Stratosphärenwolken (PSCs), finden<br />
Reaktionen statt, die Chlornitrat (ClONO 2 ) wieder in potentiell gefährliches Cl 2<br />
umwandeln (Gl. 6.6). Das bei der Reaktion entstandene Chlormolekül entweicht als<br />
Gas und bleibt, wegen fehlenden Reaktionspartnern, in der Stratosphäre zurück. Mit<br />
dem Anbrechen des Frühjahrs kehrt das Sonnenlicht in die Polarregion zurück. Ist wieder<br />
genügend UV-Strahlung vorhanden, werden diese Chlormoleküle photochemisch<br />
gespalten und beginnen ihrerseits das Ozon zu zerstören. Erst mit der allmählichen<br />
Erwärmung der Stratosphäre im antarktischen Frühsommer, beginnt auch die Salpetersäure<br />
zu sublimieren, sodass dem ClO x nun verschiedene Reaktionspartner zur<br />
Verfügung stehen und damit die rasche Ozonzerstörung aufhört. Die Folgen sind ein<br />
im Mittel verstärkter Ozonabbau über dem Pol und damit die Entstehung eines ”<br />
Ozonlochs“,<br />
also einer stark reduzierten Dicke der Ozonschicht. Dadurch kann die lebensfeindliche<br />
harte UV-Strahlung bis zum Erdboden gelangen.<br />
Die Hauptlieferanten für Chlorradikale, die FCKW-Gase, werden nur sehr langsam<br />
(über Zeiträume von 60 bis 120 Jahren) aus der Atmosphäre entfernt; in dieser<br />
Zeitspanne liefern sie ständig Chlorgas resp. ClO x -Radikale nach, die zum Abbau des<br />
Ozons führen.<br />
Ein wesentlicher Grund für das Ozonloch in der Antarktis sind die tiefen Temperaturen<br />
während dem Winter, bei denen Salpetersäure gefrieren kann. In der Stratosphäre<br />
über dem Norpol wird es im Winter, im Gegensatz zum Südpol, weniger oft<br />
genügend kalt und die Kälteperioden dauern weniger lange an. Ein weiterer Grund für<br />
das ausgeprägtere Ozonloch im Süden und den Unterschied zum Norpol, ist der sehr<br />
stabile Tiefdruckwirbel im Winter über dem Südpol. Dieser Wirbel verhindert nahezu<br />
jede Durchmischung mit Luftmassen gemässigter Breiten und trägt damit zu den sehr<br />
tiefen Temperaturen bei.<br />
In Abb. 6.18 ist die längste Messreihe der Ozonsäule dargestellt. Demnach kann<br />
man Ende des 2O Jh. auch in den gemässigten Breiten eine Abnahme im Gesamtozon<br />
beobachten. Die totale Ozonsäule wird in Dobson Units (DU) angegeben. Eine<br />
DU entspricht einer Schichtdicke von 0.01 mm reinen Ozongases bei 1013 hPa und<br />
0 ◦ C. Würde man die gesamte Menge and Ozon in der vertikalen Säule einsammeln<br />
und auf Standarddruck und 0 ◦ C komprimieren, dann würde man eine Schicht von nur<br />
etwa 3.2 mm Dicke (= 320 DU) erhalten. Zum Schutz der Ozonschicht wurde 1989
Atmosphäre 83<br />
Maximale Ausdehnung des Ozonlochs im September / Oktober<br />
1983 1987<br />
1993 1997<br />
[ Quelle: Total Ozone Mapping Spectrometer (TOMS) Webpage:<br />
http://toms.gsfc.nasa.gov/ ]<br />
11. Sept. 2003<br />
Abbildung 6.16: Minimale Ozonschichtdicken über der Antarktis (Ozonsäule in Dobson-<br />
Einheiten) während verschiedenen Südfrühlingen. Die Messungen stammen von Satelliten<br />
des TOMS-Projekts. Im September 2003 war das Ozonloch besonders ausgeprägt<br />
[NASA ozone hole watch, http://ozonewatch.gsfc.nasa.gov].<br />
(a)<br />
(b)<br />
Abbildung 6.17: Saisonale Variation der gesamten Ozonsäule (a) resp. der Ozonlochausdehnung<br />
(b) im Vergleich über die letzten 26 Jahre. Anfangs Oktober 2006 erreichte<br />
das Ozonloch über dem Südpol eine neuen Negativrekord! [NASA TOMS,<br />
http://jwocky.gsfc.nasa.gov].<br />
das Montreal-Protokoll in Kraft gesetzt. Dieses Umweltabkommen regelt weltweit den<br />
Umgang mit ozonzerstörenden Stoffen. Die Unterzeichnerstaaten verpflichteten sich<br />
zur Reduzierung und schliesslich zur vollständigen Abschaffung der Emissionen von<br />
chlor- und bromhaltigen Chemikalien, die stratosphärisches Ozon zerstören. Dieses internationale<br />
Abkommen und seine nachfolgenden Konkretisierungen werden als eine<br />
sehr erfolgreiche, internationale Massnahme zum Schutz der Umwelt angesehen. Man<br />
erhofft sich dadurch eine baldige Trendumkehr im stratosphärischen Ozongehalt.
Atmosphäre 84<br />
total ozone at Arosa<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Abbildung 6.18: Zeitreihe des Gesamtozons der längsten Ozonmessreihe der Welt –<br />
jener aus Arosa. Seit 1970 sind Verluste im Gesamtozon erkennbar. Nach 1995 scheint<br />
eine Trendwende aufgrund der Auswirkungen des Montreal-Protokolls erkennbar zu<br />
sein. In den Jahren 1991 und 1992 ist der Einfluss des Ausbruchs von Mt. Pinatubo<br />
ersichtlich.<br />
6.5.4<br />
Chemie und Ozonbildung in der Troposphäre<br />
Auf dem Erdboden und in der Troposphäre ist die kurzwellige UV-Strahlung, hauptsächlich<br />
wegen ihrer Absorption bei der Dissoziation von O 2 und O 3 in der Stratosphäre, nicht<br />
mehr vorhanden. Es sind also keine Chlorradikale (ClO x )zurZerstörung von Ozon<br />
vorhanden. In verschmutzter, mit Stickoxiden belasteter Luft, kann aber langwellige<br />
UV-Strahlung NO 2 -Moleküle spalten, wodurch Ozon gebildet wird. Der Abbau von<br />
Ozon geschieht hauptsächlich via die Reaktion mit NO-Radikalen. Diese Reaktion gewinnt<br />
aber nur nahe der Emissionsquellen, vorwiegend während der Nacht Überhand.<br />
Für die Nettoproduktion von Ozon in Bodennähe braucht es noch weitere Gase wie<br />
flüchtige Kohlenwasserstoffe oder Kohlenmonoxid (CO). Die Endprodukte solcher Reaktionen<br />
wirken zum Teil, wie auch Ozon selber, stark reizend auf die Schleimhäute<br />
der Augen und der Atemwege.<br />
Im Folgenden werden einige Reaktionsketten vorgestellt, die entscheidend für den<br />
Abbau oder die Bildung von Ozon in der verschmutzten, bodennahen Luft sind.<br />
Eine allgemein wichtige Spezies in der Troposphärenchemie ist das hochreaktive Hydroxyl-<br />
Radikal (OH˙). Seiner Reaktivität mit den meisten Substanzen in der Luft (Abb. 6.19)<br />
verdankt es auch die Bezeichnung ”<br />
Waschmittel“ der Troposphäre.
Atmosphäre 85<br />
Abbildung 6.19: Illustration der verschiedenen Stationen und Prozesse, welche Luftschadstoffe<br />
in der Troposphäre durchlaufen. VOC steht für ”<br />
volatile organic compounds“<br />
- also flüchtige organische Verbindungen - die z.B. aus der unvollständigen<br />
Verbrennung von Treibstoffen stammen.<br />
Stellvertretend für eine ganze Palette von reaktiven organischen Gasen (ROGs) der<br />
Form RCH 3 (R = Kohlenwasserstoffrest) ist hier die Methan-Oxidation (R = H) als<br />
Start einer Kette von Gasphasenreaktionen beschrieben:<br />
CH 4 +OH˙ −→ CH 3˙+ H 2 O<br />
CH 3˙+ O 2 +M −→ CH 3 O 2˙+ M<br />
CH 3 O 2˙+ NO˙ −→ CH 3 O˙+ NO 2˙<br />
CH 3 O˙+ O 2 −→ CH 2 O+HO 2˙<br />
HO 2˙+ NO˙ −→ OH˙+ NO 2˙<br />
2[NO 2˙+ hν −→ NO˙+ O]<br />
2[O+O 2 +M −→ O 3 +M]<br />
Netto : CH 4 +4O 2 + hν −→ CH 2 O+2O 3 +H 2 O
Atmosphäre 86<br />
Das produzierte Formaldehyd (CH 2 O) wird photolytisch u. a. in CO zerlegt oder ebenfalls<br />
durch OH˙ oxidiert:<br />
CH 2 O+OH˙ −→ CHO˙+ H 2 O<br />
CHO˙+ O 2 −→ CO + HO 2˙<br />
HO 2˙+ NO˙ −→ OH˙+ NO 2˙<br />
NO 2˙+ hν −→ NO˙+ O<br />
O+O 2 +M −→ O 3 +M<br />
Netto : CH 2 O+2O 2 +hν −→ CO + O 3 +H 2 O<br />
Es folgt die Oxidation von Kohlenmonoxid, wiederum durch das Hydroxylradikal:<br />
CO+OH˙ −→ CO 2 +H˙<br />
H˙+ O 2 +M −→ HO 2˙+ M<br />
Ausgehend von diesen Reaktionsschritten kommt es nun auf die verfügbare NO x -<br />
Konzentration in der Luft an, ob, und wenn ja wieviel, Ozon gebildet oder abgebaut<br />
wird. Bei einem NO˙-Mischungsverhältnis > 10 ppt überwiegt die Ozonbildung:<br />
HO 2˙+ NO˙ −→ OH˙+ NO 2˙<br />
NO 2˙+ hν −→ NO˙+ O<br />
O+O 2 +M −→ O 3 +M<br />
Netto : CO + 2O 2 + hν −→ CO 2 +O 3
Atmosphäre 87<br />
In extrem NO x -armer Luft reagiert das Wasserstoffperoxyradikal (HO 2˙) hingegen vorwiegend<br />
mit vorhandenem Ozon:<br />
HO 2˙+ O 3 −→ OH˙+ 2O 2<br />
Netto : CO + O 3 −→ CO 2 +O 2<br />
Diese Kette von Reaktionen, ausgehend von der CH 4 -Oxidation, kann an verschiedenen<br />
Positionen unterbrochen resp. terminiert werden. Man spricht deshalb bei den<br />
folgenden Reaktionen auch von Kettenabbruchreaktionen. Dabei reagieren jeweils zwei<br />
Radikale miteinander und es entsteht ein nichtradikalisches, stabileres Endprodukt:<br />
OH˙+ NO 2˙+ M −→ HNO 3 +M<br />
HO 2˙+ HO 2˙ −→ H 2 O 2 +O 2<br />
CH 3 O 2˙+ HO 2˙ −→ CH 3 OOH + O 2<br />
Bei den photolytischen Reaktionsschritten wird Sonnenlicht benötigt, weshalb sich die<br />
Reaktionswege am Tag von jenen in der Nacht unterscheiden. Da aber auch die Emissionen<br />
der Vorläufersubstanzen vorwiegend am Tag (Strassenverkehr) stattfinden, können<br />
diese Reaktionen noch in der bodennahen Grenzschicht ablaufen. Stabilere Zwischenprodukte<br />
werden dann zum Teil über weite Strecken transportiert und mit unbelasteter<br />
Luft durchmischt. So kann man bei Südanströmung in manchen nördlichen Alpentälern<br />
die Abluftfahne vom Ballungsraum Mailand messen.<br />
Die Ozonwerte an Stadträndern und angrenzenden ländlichen Gebieten übersteigen<br />
im Sommer oft jene der Stadtzentren. Der Grund dafür liegt in der Reaktion von<br />
Stickoxid-Emissionen mit Ozon:<br />
NO˙+ O 3 −→ NO 2˙+ O 2<br />
Dadurch wird das Ozon lokal abgebaut, gleichzeitig werden aber auch NO 2 -Radikale<br />
geschaffen, welche teilweise wegtransportiert werden und dann andernorts durch Photolyse<br />
wieder zur Ozonbildung beitragen.<br />
Die Produktion und der Abbau von Ozon verläuft in der Troposphäre also nach<br />
anderen Mechanismen als in der Stratosphäre und aus Sicht des Menschen sind auch die<br />
Resultate unterschiedlich erwünscht. Während das stratosphärische Ozon durch seine<br />
absobierende Wirkung die energiereiche Sonnenstrahlung vom Erdboden fernhält und<br />
dadurch erst Leben an Land ermöglicht, ist das Ozon in der Troposphäre ein Zellgift<br />
und damit gesundheitsschädlich. Wie immer in der Chemie ist alles eine Frage des<br />
Gleichgewichts. Die Industriegesellschaft verschob und verschiebt dieses Gleichgewicht<br />
zu ihrem eigenen Nachteil – sowohl in der Stratosphäre als auch in der planetaren<br />
Grenzschicht.<br />
6.6 Andere Kreisläufe<br />
Nebst den Kreisläufen von Kohlenstoff und Wasser gibt es auch Kreisläufe für viele<br />
andere Stoffe, deren Einflüsse auf das globale Klima jedoch nicht so ausgeprägt sind.<br />
Viele dieser Stoffe werden hauptsächlich vom Menschen erzeugt und die Auswirkungen<br />
auf die Umwelt bleiben meist lokal bis regional, gelegentlich auch überregional, aber<br />
kaum je global.
Atmosphäre 88<br />
6.6.1<br />
Der Schwefel-Kreislauf<br />
Nassdeposition<br />
SO 2<br />
28<br />
SO , SO<br />
Nassdeposition<br />
2 4<br />
3<br />
43<br />
63<br />
SO 2 , SO 4<br />
65 ?<br />
5<br />
44<br />
27<br />
Vulkane<br />
Industrie<br />
Zerfall<br />
Erosion<br />
SO 2 , H 2 S H<br />
SO 2 , SO<br />
2 S<br />
4 SO 4 Zerfall Gischt<br />
H 2 S SO 4<br />
Trockendeposition<br />
SO 2<br />
2<br />
Trockendeposition<br />
10<br />
Abbildung 6.20: Der Schwefel-Kreislauf. Die Zahlen geben die Masse Schwefel in<br />
Tg/Jahr an [Iribarne et al.].<br />
Ein Beispiel für einen solchen Stoff ist Schwefel. Knapp die Hälfte von allem in die<br />
Atmosphäre gelangten Schwefel hat ihren Ursprung in der Industrie, fast der gesamte<br />
Rest wird durch Verdunstung von Wasser, sei es in der Gischt der Ozeane, oder an den<br />
Ufern der Gewässer, verursacht. Der Hauptmechanismus zur Entfernung von Schwefel<br />
aus der Atmosphäre ist die nasse Deposition (d.h. Auswaschung durch Regen, Schnee),<br />
trockene Deposition entfernt das restliche Drittel. Der Transport von Schwefel vom<br />
Festland zum Meer ist verschwindend gering, auch über Land sind die Transportwege<br />
meist kurz. Die Belastung der Umwelt ist dementsprechend in der Nähe der Quellen<br />
am grössten. Abbildung 6.20 stellt die Quellen und Senken des atmosphärischen Schwefels<br />
dar. Die Zahlen geben dabei das Gewicht von Schwefel in Tg/Jahr (Teragramm<br />
=10 12 g pro Jahr) an. In den Gewichtsangaben ist nur der Anteil von Schwefel berücksichtigt,<br />
nicht aber das Gewicht anderer Elemente diverser Schwefelverbindungen, die<br />
letztendlich die chemischen Eigenschaften mitbestimmen.<br />
6.6.2<br />
Weitere Luftschadstoffe<br />
Luftschadstoffe haben Auswirkungen auf terrestrische und aquatische Ökosysteme deren<br />
Zusammenhänge sehr komplex sind und sich nicht mehr als einfache Kreisläufe<br />
darstellen lassen. In Abbildung 6.21 sind verschiedene Mechanismen zu solchen Auswirkungen<br />
zusammengefasst dargestellt:<br />
• Direkte Aufnahme und Absorption von gasförmigen Verunreinigungssubstanzen;<br />
insbesondere Schwefeldioxid kann durch Nadeln und Blätter der Bäume direkt
Atmosphäre 89<br />
Umwandlungsprozesse<br />
H 2 SO 4 , HNO 3 , Ozon<br />
Ammoniak<br />
Stickoxid<br />
NH 3<br />
NO x<br />
Schwefeloxid<br />
Salzsäure SO 2<br />
HCl<br />
1 Luft<br />
Nebel<br />
3<br />
2<br />
4<br />
5<br />
Abbildung 6.21: Luftschadstoffe und ihre Wirkung auf Ökosysteme.<br />
absorbiert werden. Die Anwesenheit von Ozon und von Sonnenlicht kann synergistisch<br />
wirken.<br />
• Der Regen transportiert im Wasser gelöste Gase und suspendierte Aerosole an<br />
die Vegetationsflächen.<br />
• Langsam absetzender oder durch Wind driftender Nebel bringt die Nebeltröpfchen<br />
an die Baumkronen; dort werden sie durch Nadeln und Blätter eingefangen<br />
und grössere Tropfen werden gebildet. Durch teilweise nachträgliche Verdunstung<br />
können die Schadstoffe noch aufkonzentriert werden.<br />
• Die sauren Depositionen können vor allem in kalkarmen Böden den Boden versauern<br />
und die Auswaschung der Basenkatione (Ca 2+ ,K + ) bewirken. Das bei<br />
tiefem pH frei werdende Aluminium kann die Baumwurzeln schädigen.<br />
• Atmosphärische Depositionen bringen grössere Mengen von Schadstoffen, insbesondere<br />
Schwermetalle und organische Verunreinigungen, in die Gewässer.<br />
Schadstoffe wie Schwefeldioxid, dessen anthropogener Anteil vor allem aus der Verbrennung<br />
schwefelhaltiger Kohle stammt, können durch die Nutzung alternativer Brennstoffe<br />
und verbesserter Technologien stark reduziert werden. In der Schweiz ist die SO 2 -<br />
Konzentration schon lange kein Thema mehr, in Schwellenländern wie China, Südostasien,<br />
Russland etc. ist die Luftbelastung durch Schwefeldioxid aber nach wie vor<br />
hoch. Dazu kommt gerade bei der Kohlenverbrennung die Entstehung von Russpartikeln<br />
mit gesundheitsschädlichen Folgen.