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Kapitel 1 und 2 - ETH

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Atmosphäre<br />

Herbstsemester 2013<br />

Heini Wernli <strong>und</strong> Thomas Peter<br />

<strong>Kapitel</strong> 1-5 basierend auf Vorlesungsnotizen von Eszter Barthazy


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Die Atmosphäre 5<br />

1.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

1.2 Zusammensetzung der Atmosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

1.3 Massenverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

1.4 Die Schichtung der Atmosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />

a) Troposphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />

b) Stratosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />

c) Meso- <strong>und</strong> Thermosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

1.5 Die US-Standardatmosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

1.6 Entstehung der Atmosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

1.7 Luft als ideales Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

1.8 Barometerformel zur Beschreibung der vertikalen Druckabnahme . . . . . . 14<br />

2 Thermodynamik 17<br />

2.1 Die trockenadiabatische “lapse rate” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />

2.2 Potentielle Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

2.3 Statische Stabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />

a) Das Gr<strong>und</strong>prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />

b) Inversion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />

c) Rauchfahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />

2.4 Feuchte Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

a) Instrumente zur Messung der Luftfeuchtigkeit . . . . . . . . . . . . 21<br />

b) Spezifische <strong>und</strong> relative Feuchte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

c) Sättigungsdampfdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

d) Die Konsequenzen des Unterschiedes des Sättigungsdampfdruckes<br />

über Wasser <strong>und</strong> Eis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />

e) Die feuchtadiabatische “lapse rate” . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />

f) Temperaturverteilung in der Troposphäre . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

3


4 INHALTSVERZEICHNIS


<strong>Kapitel</strong> 1<br />

Die Atmosphäre<br />

1.1 Motivation<br />

In dieser Vorlesung machen Sie sich mit ausgewählten, gr<strong>und</strong>legenden Phänomenen <strong>und</strong><br />

physikalischen <strong>und</strong> chemischen Prozessen in der Atmosphäre der Erde vertraut. In dieser<br />

dünnen Gashülle spielt sich eine ausserordentliche Vielfalt von Vorgängen ab, mit ganz<br />

unterschiedlicher räumlicher Ausdehnung <strong>und</strong> zeitlicher Dauer, unter anderem:<br />

• der Einfall von Strahlungsenergie von der Sonne mit einem Tagesgang <strong>und</strong> jahreszeitlichen<br />

Schwankungen,<br />

• variable Wetterphänomene wie Hitze <strong>und</strong> Kälte, Wind <strong>und</strong> Sturm, Schnee <strong>und</strong> Regen,<br />

• Unwetter wie Starkniederschläge, Tornados oder Hagel,<br />

• natürliche Klimaschwankungen wie zum Beispiel das El Niño Southern Oscillation<br />

(ENSO) Phänomen,<br />

• Wechselwirkungen mit dem Ozean, demEis (Kryosphäre), dem Boden(Pedosphäre)<br />

<strong>und</strong> der Vegetation,<br />

• Veränderungen der Zusammensetzung der Atmosphäre durch Vulkanausbrüche <strong>und</strong><br />

anthropogene Aktivitäten (z.B. Verkehr <strong>und</strong> Industrie),<br />

• globale <strong>und</strong> regionale, langzeitliche Klimaänderungen.<br />

Die Inhalte dieser Vorlesung werden Ihnen eine erste Gr<strong>und</strong>lage liefern, um diese <strong>und</strong><br />

andere Aspekte der Atmosphärenwissenschaften <strong>und</strong> ihre Zusammenhänge verstehen zu<br />

können. Die Atmosphärenwissenschaften sind in den letzten Jahrzehnten zu einem zentralen<br />

Teil der sogenannten Geowissenschaften geworden, die sich mit den verschiedenen<br />

Kompartimenten des Erdsystems <strong>und</strong> ihren Wechselwirkungen beschäftigen. Viele Aspekte<br />

der Forschung in diesem Gebiet sind von grossem gesellschaftlichen Interesse, wie zum<br />

Beispiel FragennachderzukünftigenKlimaänderung,derLuftqualität,derSchutzwirkung<br />

5


6 KAPITEL 1. DIE ATMOSPHÄRE<br />

Aitken-Kerne<br />

10 9<br />

Wolkentröpfchen<br />

Anzahl pro m 3<br />

10 6<br />

Grosse Kerne<br />

Riesen-Kerne<br />

10 3 1<br />

10 µm<br />

Regentropfen<br />

Hagelkörner<br />

10 nm 100 nm 1 µm 100 µm 1 mm 10 mm 100 mm Durchmesser<br />

Abbildung 1.1: Grössenverteilung von Aerosolen, Wolkentröpfchen <strong>und</strong> Hydrometeoren.<br />

der stratosphärischen Ozonschicht oder der Verbesserung der Vorhersage von schadensverursachenden<br />

Wetterereignissen.<br />

1.2 Zusammensetzung der Atmosphäre<br />

Die Luft ist ein Gemisch verschiedener Gase. Mengenmässig dominieren Stickstoff (N 2 ,<br />

78%) <strong>und</strong> Sauerstoff (O 2 , 21%) sowie das Edelgas Argon (Ar, 1%). Im weiteren enthält<br />

die Luft sogenannte Spurengase, d.h. Gase die nur in sehr geringen Konzentrationen vorhanden<br />

sind, wie z.B. Ozon (O 3 ), Kohlendioxid (CO 2 ), Methan (CH 4 ) <strong>und</strong> Schwefeldioxid<br />

(SO 2 ).Einwichtiger <strong>und</strong>starkvariablerBestandteil derAtmosphäreistderWasserdampf:<br />

sein Anteil kann in sehr warmer Luft in den Tropen bis zu 4% betragen. Der Wasserdampf<br />

führt durch Kondensation zu Wolkenbildung <strong>und</strong> Niederschlag (siehe <strong>Kapitel</strong> 4). Die Tabelle<br />

1.1 gibt eine detaillierte Übersicht der Luftzusammensetzung. In der letzten Kolonne<br />

sind für einige Gase die typischen Aufenthaltszeiten in der Atmosphäre aufgeführt. Einige<br />

dieser Gase, insbesondere Wasserdampf, Kohlendioxid <strong>und</strong> Methan sind sogenannte<br />

“Treibhausgase” (siehe <strong>Kapitel</strong> 7) <strong>und</strong> spielen für die zukünftige Klimaentwicklung eine<br />

entscheidende Rolle.<br />

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Atmosphäre sind Aerosole, d.h. winzige flüssige<br />

oder feste Partikel natürlichen oder anthropogenen Ursprunges. Die Kondensation von<br />

Wasser <strong>und</strong> die Bildung von Eis ist auf Aerosole als Kondensationskeime bzw. Eiskeime<br />

angewiesen (siehe <strong>Kapitel</strong> 4). Die Abbildung 1.1 gibt einen Überblick über die verschiedenen<br />

Grössen von Aerosolen, Wolkentröpfchen <strong>und</strong> Niederschlagsteilchen (die auch<br />

Hydrometeore genannt werden), sowie ihretypischen Konzentrationeninder Atmosphäre.


1.3. MASSENVERHÄLTNISSE 7<br />

Hauptbestandteile Volumen-% Aufenthaltszeit<br />

Stickstoff N 2 78.09 10 7 Jahre<br />

Sauerstoff O 2 20.95<br />

Argon Ar 0.93<br />

Spuren mit einer Lebensdauer von Jahren<br />

Neon Ne 18 ppm<br />

Helium He 5 ppm 10 6 Jahre<br />

Krypton Kr 1 ppm<br />

Xenon Xe 0.09 ppm<br />

Kohlendioxid CO 2 400ppm 5-200 Jahre<br />

Methan CH 4 1.75 ppm Jahre<br />

Kohlenmonoxid CO 0.1 ppm Jahre<br />

Wasserstoff H 2 0.5 ppm Jahre<br />

Distickstoffoxid N 2 O 0.3 ppm Jahre<br />

Spuren variabel, mit einer Lebensauer von Tagen<br />

Ozon O 3 bis 10 ppm in Stratosphäre<br />

30 ppb Reinluft (Boden)<br />

500 ppb Stadtluft (Boden)<br />

Schwefelwasserstoff H 2 S 0.2 ppb Land Tage<br />

Schwefeldioxid SO 2 0.2 ppb Land Tage<br />

Ammoniak NH 3 6 ppb Land Tage<br />

Stickstoffdioxid NO 2 1-100 ppb Tage<br />

Formaldehyd CH 2 O 0-10 ppb Tage<br />

Wasserdampf H 2 O 0-4%<br />

Aerosole<br />

Tabelle 1.1: Zusammensetzung der Atmosphäre. Die Einheiten ppm <strong>und</strong> ppb stehen für<br />

parts per million/billion, also Teilchen pro Million bzw. pro Milliarde.<br />

1.3 Massenverhältnisse<br />

Der weitaus grösste Teil der Masse unseres Planeten ist in der festen Materie der Erde<br />

konzentriert; die Massen von Wasser, Eis <strong>und</strong> Atmosphäre sind im Vergleich dazu<br />

verschwindend gering.<br />

Erde : 5976 × 10 21 kg<br />

Wasser : 1.4 × 10 21 kg<br />

Eis : 0.024 × 10 21 kg<br />

Atmosphäre : 0.005 × 10 21 kg<br />

FolgendesBeispiel ausdemTierreich solldieseMassenverhältnisse verdeutlichen: DieErde<br />

sei so schwer wie ein Orca, dann sind das Wasser, das Eis <strong>und</strong> die Atmosphäre so schwer<br />

wie ein Huhn, eine Feldmaus <strong>und</strong> ein Kolibri. Trotz ihrer scheinbar geringen Masse spielt<br />

die Atmosphäre für die Lebendbedingungen auf der Erde eine entscheidende Rolle.


8 KAPITEL 1. DIE ATMOSPHÄRE<br />

1.4 Die Schichtung der Atmosphäre<br />

Die Atmosphäre kann auf Gr<strong>und</strong> des vertikalen Verlaufs der Temperatur <strong>und</strong> der Ozonkonzentration<br />

in Schichten mit stark unterschiedlichen Eigenschaften eingeteilt werden<br />

(siehe Abbildung 1.2). Für Wetter <strong>und</strong> Klima spielen die beiden untersten Schichten, die<br />

Tropo- <strong>und</strong> die Stratosphäre die eindeutig wichtigste Rolle <strong>und</strong> damit konzentriert sich<br />

der grösste Teil der Atmosphärenforschung auf die untersten ca. 50km der Atmosphäre.<br />

a) Troposphäre<br />

DasuntersteStockwerkistdieTroposphäre(“tropos”istgriechischfür“Drehung”<strong>und</strong>damit<br />

ist die Troposphäre die “wechselhafte” Schicht). Eine Charakteristik der Troposphäre<br />

besteht in der Abnahme der Lufttemperatur mit zunehmender Höhe, in Mitteleuropa um<br />

durchschnittlich 0.6K/100m. In der Troposphäre befindet sich fast der gesamte Wasserdampf<br />

der Erdatmosphäre, so dass es praktisch nur in dieser Schicht Wolken <strong>und</strong> Niederschlag<br />

gibt; sie ist daher die eigentliche Wetterschicht. Wegen der starken vertikalen<br />

Temperaturabnahme ist die Troposphäre nicht sehr stabil geschichtet (siehe <strong>Kapitel</strong> 2)<br />

<strong>und</strong> dadurch vertikal stark durchmischt. Der unterste Teil der Troposphäre ist die planetare<br />

Grenzschicht. In ihr ist der Tagesgang der Temperatur anden meisten Tagen deutlich<br />

spürbar; sie ist turbulent <strong>und</strong> ihre Höhe ist stark variabel (100m bis 5km). An der oberen<br />

Grenze der Troposphäre befindet sich eine scharfe Trennfläche, die besonders durch einen<br />

Knick im vertikalen Temperaturverlauf, sowie einem Sprung im Gehalt an gewissen Spurengasen<br />

(inklusive Wasserdampf) markiert ist. Man nennt sie die Tropopause. Wichtig<br />

ist, dass man sich die Tropopause nicht als quasi-fixierte Trennfläche vorstellt; ihre Höhe<br />

unterliegt starken Variationen in Raum <strong>und</strong> Zeit <strong>und</strong> sie spielt für die Entwicklung von<br />

Wettersystemen eine sehr wichtige Rolle.<br />

Die Höhe der Tropopause ist stark variabel <strong>und</strong> abhängig von a) der geographischen<br />

Breite (im Mittel 16km am Äquator <strong>und</strong> 8-9km in Polargebieten), b) der Jahreszeit<br />

(die Tropopause liegt im Sommer <strong>und</strong> Herbst höher als im Winter <strong>und</strong> Frühjahr) <strong>und</strong><br />

c) der täglichen Wetterlage. Trotz der geringen Höhe der Troposphäre verglichen mit der<br />

gesamten Atmosphäre sind in ihr 80% der Masse der gesamten Atmosphäre konzentriert.<br />

b) Stratosphäre<br />

Das zweite Stockwerk wird Stratosphäre genannt (“stratum” ist griechisch für “Schicht”).<br />

Diese Schicht zeichnet sich durch einen hohen Ozongehalt <strong>und</strong> in ihrem oberen Teil mit<br />

zunehmender Höhe wieder ansteigenden Temperaturen aus. Durch Einwirkung des ultravioletten<br />

Sonnenlichtes aufdenSauerstoff wirdOzon(O 3 ) gebildet (siehe <strong>Kapitel</strong> 6.5). Die<br />

durch die Absorption von UV-Strahlung <strong>und</strong> in geringerem Masse auch von sichtbarem<br />

Licht freiwerdende Wärme ist für diesen Temperaturanstieg verantwortlich. Das Temperaturmaximum<br />

bei ca. 50km Höhe bildet die als Stratopause bezeichnete Abgrenzung<br />

gegen die Mesosphäre.


1.4. DIE SCHICHTUNG DER ATMOSPHÄRE 9<br />

zunehmende Entmischung<br />

1000°C<br />

F-Schicht<br />

2-300 km<br />

100<br />

90<br />

homogene<br />

Atmosphäre<br />

Thermosphäre<br />

Meteore<br />

Nordlichter<br />

E-Schicht<br />

Reflexion<br />

von<br />

Radiowellen<br />

Ionosphäre<br />

80<br />

leuchtende Nachtwolken<br />

Mesopause<br />

D-Schicht<br />

70<br />

Mesosphäre<br />

60<br />

Meteorologische<br />

Raketen<br />

Höhe in km<br />

50<br />

40<br />

Stratopause<br />

Aufheizung<br />

Absorption der tödlichen<br />

UV-Strahlung der Sonne<br />

Filter<br />

Ozon<br />

30<br />

Radio-<br />

Sonden<br />

Stratosphäre<br />

Ozonschicht<br />

20<br />

Temperatur<br />

Überschall<br />

Luftverkehr<br />

Ozongehalt<br />

10<br />

0<br />

Jet stream<br />

80% der Luftmasse<br />

planetare Grenzschicht<br />

= maximale<br />

Windgeschwindigkeit<br />

Wasserdampf<br />

Niederschläge<br />

Strahlflugzeuge<br />

Wolken<br />

-100° -80° -60° -40° -20° 0° 20°<br />

Tropopause<br />

Troposphäre<br />

=Wetterschicht<br />

Temperatur<br />

0<br />

1 2 3 4 5 6 7<br />

Mischungsverhältnis Ozon/Luft in ppm<br />

Abbildung 1.2: Der Aufbau der Atmosphäre mit typischen vertikalen Profilen der Temperatur<br />

(in ◦ C) <strong>und</strong> des Ozongehalts (in ppm).


10 KAPITEL 1. DIE ATMOSPHÄRE<br />

In der Stratosphäre ist der Gehalt an Wasserdampf klein, es gibt somit fast keine<br />

Wolken; die wenigen Wolken, die in der Stratosphäre in den Polargebieten auftreten, sind<br />

die sogenannten Perlmuttwolken oder polaren Stratosphärenwolken (“polar stratospheric<br />

clouds”). Sie spielen bei der stratosphärischen Ozonchemie, insbesondere bei der Bildung<br />

des Ozonlochs, eine entscheidende Rolle (siehe <strong>Kapitel</strong> 7.5).<br />

c) Meso- <strong>und</strong> Thermosphäre<br />

In der Mesosphäre nimmt die Temperatur nach oben wieder ab bis zu einem Minimum,<br />

welches Mesopause genannt wird. Über dem Polargebiet, wo schon die Stratopause relativ<br />

hoch liegt, nimmt im Sommer die Temperatur in der Mesosphäre besonders stark ab,<br />

so dass hier an der Mesopause die tiefsten in der Atmosphäre überhaupt beobachteten<br />

Temperaturwerte (ca. −130 ◦ C) gemessen werden. Paradoxerweise liegen im Polargebiet<br />

die Temperaturen an der Mesopause im Winter nur bei etwa −60 ◦ C. In der Mesopause<br />

gibt es eine interessante Erscheinung: die leuchtenden Nachtwolken. Die meist silbrig bis<br />

bläulich-weiss leuchtenden Gebilde über den sommerlichen Polargebieten werden sichtbar<br />

wenn die Sonne 6-16 ◦ unter dem Horizont steht.<br />

Im vierten Stockwerk der Atmosphäre, der Thermosphäre, treten positiv geladene<br />

Ionen <strong>und</strong> freie Elektronen auf. Sie wird daher auch Ionosphäre genannt. Der Gr<strong>und</strong> für<br />

diesogenannteIonisationistdieEinwirkungvonUV-StrahlungaufdieSauerstoffmoleküle:<br />

Ionisation : O 2 +hν → O + 2 +e − .<br />

Eine weitere Reaktion der Thermosphäre, welche aber nicht zu geladenen Teilchen führt,<br />

ist die Dissoziation:<br />

Dissoziation :<br />

O 2 +hν → O+O.<br />

Eine Rekombination ist in beiden Fällen möglich, verläuft aber viel weniger rasch als<br />

in tieferliegenden Schichten, wo Ionisation <strong>und</strong> Dissoziation in kleinerem Ausmass zwar<br />

auch vorkommen, aber gerade wegen der hohen Rekombinationsrate zu keiner wesentlichen<br />

Ionendichte führen können. Die Ionosphäre ist keine einheitliche Schicht, in welcher<br />

die Ionen gleichmässig verteilt sind, sondern es bilden sich je nach Tages- <strong>und</strong> Jahreszeit<br />

mehrere Schichten verschieden starker Ionenkonzentration aus, die als D-, E- <strong>und</strong><br />

F-Schicht bezeichnet werden.<br />

1.5 Die US-Standardatmosphäre<br />

Für den Flugverkehr ist eine Standardatmosphäre mit folgenden Eigenschaften definiert<br />

worden:


1.6. ENTSTEHUNG DER ATMOSPHÄRE 11<br />

Höhe (km)<br />

100<br />

90<br />

Thermosphäre<br />

80<br />

Mesopause<br />

70<br />

Mesosphäre<br />

60<br />

50<br />

Stratopause<br />

40<br />

30<br />

Stratosphäre<br />

20<br />

10 Tropopause<br />

Troposphäre<br />

0<br />

160 180 200 220 240 260 280 300<br />

Temperatur (K)<br />

0.001<br />

0.002<br />

0.005<br />

0.01<br />

0.02<br />

0.05<br />

0.1<br />

0.2<br />

0.5<br />

1<br />

2<br />

5<br />

10<br />

20<br />

50<br />

100<br />

200<br />

500<br />

1000<br />

Druck (mbar)<br />

Abbildung 1.3: Temperaturverlauf<br />

<strong>und</strong> Stockwerkeinteilung<br />

der US-Standardatmosphäre<br />

[Wallace and Hobbs].<br />

Luftdruck auf Meeresniveau : 1013.2hPa<br />

Temperatur auf Meeresniveau : +15 ◦ C<br />

Temperaturabnahme in der Troposphäre : −0.65K/100m<br />

Tropopausenhöhe<br />

: 11km<br />

Tropopausentemperatur : −56.5 ◦ C<br />

Temperatur von 11 bis 20km : isotherm, d.h. T=const.<br />

Temperaturzunahme von 20 bis 47km : +0.2K/100m<br />

Diese Atmosphäre findet sich näherungsweise im Mittel im Sommerhalbjahr in den mittleren<br />

Breiten. Der Verlauf der Temperatur <strong>und</strong> die Stockwerkeinteilung der US-Standardatmosphäre<br />

sind in Abbildung 1.5 dargestellt. Es ist wichtig zu beachten, dass die in den<br />

Abbildungen 1.2 <strong>und</strong> 1.5 dargestellten Temperaturprofile stark vereinfachte (idealisierte)<br />

zeitlich gemittelte Profile darstellen. Das Temperaturprofil an einem bestimmten Ort zu<br />

einer bestimmten Zeit kann davon recht stark abweichen <strong>und</strong> deutlich mehr Strukturen<br />

aufweisen (siehe später im <strong>Kapitel</strong> 2).<br />

1.6 Entstehung der Atmosphäre<br />

Möglicherweise hatte die Erde kurz nach ihrer Geburt vor etwa 4.5 Milliarden Jahren<br />

eine Atmosphäre die mit ihr zusammen gebildet wurde, deren Zusammensetzung wir aber<br />

nicht kennen. Diese Atmosphäre ging verloren, einerseits durch die Erhitzung der Erde<br />

durchdasBombardement mitinterplanetarischenKörpern,anderseitsdurchdenextremen<br />

Sonnenwind der beimEinsetzten der Kernfusion der Sonne durch dasSonnensystem fegte.<br />

Erst im Laufe der Zeit hat sich durch vulkanische Tätigkeit eine neue Atmosphäre gebildet.<br />

DiegasförmigenEmissionen vonVulkanensindinetwa aus85%Wasserdampf, 10%


12 KAPITEL 1. DIE ATMOSPHÄRE<br />

Abbildung 1.4: Sauerstoff- <strong>und</strong> Ozongehalt (zu beachten ist die logarithmische Skala)<br />

während der Entwicklung der Erde.<br />

Kohlendioxid, Stickstoff <strong>und</strong> Schwefelverbindungen zusammengesetzt. Sauerstoff wird also<br />

bei Vulkanausbrüchen nicht freigesetzt. Sobald Wasserdampf in genügenden Mengen<br />

in die Atmosphäre gelangt war, müssen sich Wolken <strong>und</strong> Niederschläge <strong>und</strong> dadurch das<br />

flüssige Wasser auf der Erdoberfläche gebildet haben, denn die Atmosphäre kann nur sehr<br />

wenig Wasser speichern. Heute sind etwa 0.001% der gesamten Wassermenge der Erde in<br />

Form von Wasserdampf <strong>und</strong> Wolken in der Atmosphäre enthalten.<br />

Sauerstoff war, wie schon erwähnt, in der Atmosphäre zunächst nicht vorhanden. Es<br />

gibt mindestens zwei Quellen für die Bildung von atmosphärischem Sauerstoff:<br />

1. Die Dissoziation von Wasser: 2H 2 O+hν → 2H 2 +O 2<br />

2. Die Photosynthese: H 2 O+CO 2 +hν → {CH 2 O}+O 2<br />

Während allgemein anerkannt wird, dass erhebliche Mengen an Sauerstoff durch die Photosynthese<br />

gebildet wurden, ist die Rolle der Dissoziation von Wasser nicht ganz klar. Um<br />

bei diesem Prozess Sauerstoff zu gewinnen, muss der Wasserstoff durch seine thermische<br />

Energie in den Weltraum entfliehen <strong>und</strong> damit für eine allfällige Rekombination verloren<br />

gehen. Ist die Fluchtrate von Wasserstoff viel kleiner als die Produktionsrate, so wird der<br />

gebildete Sauerstoff wieder zu Wasser rekombinieren.<br />

Wenn man die nahezu vollständige Absenz von Sauerstoff in den Atmosphären der<br />

unbelebten Planeten Mars <strong>und</strong> Venus betrachtet, ist man versucht, die Photosynthese als


1.7. LUFT ALS IDEALES GAS 13<br />

Hauptprozess für dieBildung vonSauerstoff anzusehen. Zumindest auf dem Mars, welcher<br />

mit grosser Wahrscheinlichkeit grosse Wasservorkommen in Form von Eis an den Polen<br />

besitzt, hätte durch die Dissoziation von Wasser reichlich Sauerstoff entstehen können.<br />

Früh im Lebenskreislauf der Erde tauchten die ersten Lebensformen auf. Diese waren<br />

anaerobe Bakterien, die dadurch am Leben blieben, dass sie Moleküle unter sauerstofffreien<br />

Bedingungen zerlegten. Allmählich, vor etwa 3.5 bis 3.8 Milliarden Jahren begannen<br />

einige Bakterien mit der Entwicklung einer Photosynthesefähigkeit. Diese frühen Lebewesen<br />

mussten sich im Wasser entwickeln, tief genug um vor der tödlichen UV-Strahlung<br />

der Sonne geschützt zu sein, aber nahe genug zur Oberfläche um Zugang zu dem für die<br />

Photosynthese benötigten Sonnenlicht zu haben.<br />

Nach <strong>und</strong> nach, mit dem Ansteigen des Sauerstoffgehaltes der Atmosphäre, hat sich<br />

auch die Ozonschicht gebildet. Diese wiederum begann die gefährlichen UV-Strahlen der<br />

Sonne auszufiltern, was einen immer besseren Lebensraum auf der Erde geschaffen hat.<br />

Die Lebewesen konnten immer näher zur Wasseroberfläche überleben, bis den Pflanzen<br />

vor etwa 400 Millionen Jahren der Sprung vom Wasser auf das Festland gelungen ist.<br />

DieEntwicklungsgeschichte desmolekularenSauerstoffeskannmanausderchemischen<br />

Zusammensetzung datierter Gesteine ableiten. In Abbildung 1.4 sind der Sauerstoff- <strong>und</strong><br />

der Ozongehalt der Atmosphäre früherer Zeiten im Vergleich zu heute dargestellt.<br />

1.7 Luft als ideales Gas<br />

Der Druck p (in Pa), das Volumen V (in m 3 ) <strong>und</strong> die Temperatur T (in K) eines Materials<br />

stehen zueinander in Beziehung, ausgedrückt durch eine sogenannte Zustandsgleichung.<br />

Da sich Luft in sehr guter Näherung wie ein ideales Gas verhält, gilt in der Atmosphäre<br />

die ideale Gasgleichung, die in der folgenden Form geschrieben werden kann:<br />

pV = nRT.<br />

Dabei bezeichnet R = 8.314JK −1 Mol −1 die universelle Gaskonstante <strong>und</strong> n die Anzahl<br />

Mole.<br />

EinMolistdefinitionsgemäss dieMengeeinesStoffeswelche N A = 6.022·10 23 Moleküle<br />

enthält. N A wird Avogadro oder Loschmidt’sche Zahl genannt. DieMasse eines Mols eines<br />

Stoffes wird Molmasse M genannt. Die Masse m von n Molen eines Stoffes ist damit<br />

gegeben durch m = n·M. Gemäss der idealen Gasgleichung nimmt ein Mol (n = 1) eines<br />

beliebigen Gases bei gleichem Druck (p = const.) <strong>und</strong> gleicher Temperatur (T = const.)<br />

dasgleicheVolumen(V =const.)ein.BeisogenanntenNormalbedingungen, T = 273.15K<br />

<strong>und</strong> p = 1013.25hPa, ergibt sich für das Molvolumen eines Gases gemäss der idealen<br />

Gasgleichung V = 0.022414m 3 = 22.414l.<br />

FüreinGemisch von Gasen,wie zumBeispiel Luft,gilt dasGesetz vonDalton,welches<br />

besagt, dass der Gesamtdruck p eines Gasgemisches gleich der Summe der Partialdrucke<br />

p i der einzelnen Gase ist<br />

p = ∑ p i .<br />

i


14 KAPITEL 1. DIE ATMOSPHÄRE<br />

Analog kann die mittlere Molmasse M der Luft aus den einzelnen Bestandteilen des<br />

Gemischs berechnet werden:<br />

M = ∑ x i M i ,<br />

i<br />

wobei x i der relative Anteil des i-ten Bestandteils der Luft ist <strong>und</strong> M i die Molmasse dieses<br />

Bestandteils. Die Summe aller Anteile ergibt 1: ∑ ix i = 1. Für die mittlere Molmasse von<br />

trockener Luft ergibt sich damit<br />

M d = 0.78·M(N 2 )+0.21·M(O 2 )+0.01·M(Ar) ≃ 29gMol −1 .<br />

Beachte, dass feuchte Luft (ein Gemisch aus trockener Luft <strong>und</strong> Wasserdampf) leichter<br />

ist als trockene Luft, da die Molmasse von Wasser (M(H 2 O) = 18gMol −1 ) kleiner ist als<br />

diejenige von trockener Luft.<br />

Die ideale Gasgleichung für trockene Luft kann damit in der folgenden Form geschrieben<br />

werden:<br />

p = ρ d R d T. (1.1)<br />

Dabei haben wir die Gaskonstante für trockene Luft, R d = R/M d = 287JK −1 kg −1 ,<br />

eingeführt, ebenso wie die Dichte trockener Luft, ρ d = m d /V = nM d /V.<br />

1.8 Barometerformel zur Beschreibung der vertikalen<br />

Druckabnahme<br />

Für ruhende Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gase gilt für die Druckänderung dp bei der Änderung der<br />

Höhe dz die hydrostatische Gr<strong>und</strong>gleichung:<br />

dp = −gρdz, (1.2)<br />

wobei g die Erdbeschleunigung bezeichnet. Das Minuszeichen bedeutet, dass der Druck<br />

mit der Höhe abnimmt. Diese Beziehung ist auch in der bewegten Atmosphäre eine<br />

sehr gute Näherung. Abweichungen treten aber z.B. im Innern von Gewitterwolken auf,<br />

wo grosse vertikale Beschleunigungen auftreten können. Man spricht dann von nichthydrostatischen<br />

Effekten. Die Beziehung drückt aus, dass der Druck auf ein Flächenelement<br />

AdurchdasGewicht der darüberliegenden LuftsäulezuStandekommt (dasGewicht<br />

eines Elements der Luftsäule mit der Höhe dz <strong>und</strong> Fläche A ist gleich gdm = gρdV =<br />

gρAdz).<br />

Die Integration dieser Differentialgleichung ergibt im Prinzip den vertikalen Druckverlauf<br />

p(z). Sowohl die Dichte ρ wie auch g sind jedoch im allgemeinen nicht konstant,<br />

was eine geschlossene Lösung nur für Spezialfälle erlaubt. Die Erdbeschleunigung variiert<br />

leicht mit der geographischen Breite <strong>und</strong> der Höhe, wie in der folgenden Tabelle gezeigt.<br />

In den meisten Anwendungen können wir jedoch mit einem konstanten Wert von 9.8ms −2<br />

rechnen.


1.8. BAROMETERFORMELZURBESCHREIBUNGDERVERTIKALENDRUCKABNAHME15<br />

Auf Meeresniveau am Äquator: 9.780ms −2<br />

am Pol: 9.832 ms −2<br />

in 30 km Höhe am Äquator: 9.689ms −2<br />

am Pol: 9.740ms −2<br />

Die räumliche Abhängigkeit der Dichte ρ ist eine Folge der Variation von sowohl Druck<br />

wie auch Temperatur.<br />

Für den Spezialfall einer trockenen, isothermen Atmosphäre (T = const.) lässt sich die<br />

hydrostatische Gr<strong>und</strong>gleichung mit Hilfe der idealen Gasgleichung in der Formp = ρ d R d T<br />

leicht integrieren (ρ d bezeichnet die Dichte trockener Luft):<br />

dp<br />

= −gρ d = − g<br />

dz R d T p (1.3)<br />

(<br />

p(z) = p 0 exp − gz )<br />

= p 0 exp(−z/H), (1.4)<br />

R d T<br />

wobei man H = R d T/g als Skalenhöhe bezeichnet (auf der Höhe H ist der Druck gegenüber<br />

dem Bodendruck p 0 um einen Faktor 1/e reduziert). Dies ist die sogenannte<br />

Barometerformel. Sie beschreibt die exponentielle Druckabnahme mit der Höhe einer isothermen<br />

Atmosphäre. Die Druckabnahme ist umso stärker, je kleiner die Skalenhöhe H<br />

ist, d.h. je kälter die Atmosphäre. Da in Wirklichkeit T = const. kaum je erfüllt ist, wird<br />

die Gleichung entweder näherungsweise verwendet (mit einer gemittelten Temperatur,<br />

z.B. T = 270K für die Troposphäre im Sommer) oder abschnittweise, für jeweils kleine<br />

Höhenbereiche mit einem jeweils anderen Temperaturwert.


16 KAPITEL 1. DIE ATMOSPHÄRE


<strong>Kapitel</strong> 2<br />

Thermodynamik<br />

2.1 Die trockenadiabatische “lapse rate”<br />

Hier möchten wir verstehen, wie sich die Temperatur eines Luftpakets ändert, wenn es<br />

in der Atmosphäre aufsteigt oder absinkt. Bei einem solchen Vorgang wird es sich auf<br />

Gr<strong>und</strong> der Änderung des äusseren Drucks ausdehnen oder komprimieren <strong>und</strong> dadurch<br />

seine Temperatur ändern. Der erste Hauptsatz der Thermodynamik hilft uns, diese Temperaturänderung<br />

zu berechnen.<br />

Der erste Hauptsatz besagt folgendes: Die innere Energie idU eines Systems (hier einer<br />

Menge Luft) ändert sich entweder durch Zuführung einer bestimmten Wärmemenge dQ<br />

oder durch Arbeit dW, die am System geleistet wird.<br />

dU = dQ+dW. (2.1)<br />

Wir betrachten nun die Bedeutung dieser Beziehung für ein Luftpaket, das wir ohne<br />

Wärmezufuhr (dQ = 0) vertikal anheben. Solche Vorgänge, bei denen kein Wärmeaustausch<br />

mit der Umgebung stattfindet, werden als adiabatisch bezeichnet. Um ein Luftpaket<br />

mit der Masse m von einer Höhe z auf die neue Höhe z +dz anzuheben, muss gegen<br />

die Gravitationskraft Arbeit verrichtet werden <strong>und</strong> die potentielle Energie des Luftpakets<br />

nimmt zu. Dabei dehnt sich das Luftpaket aus <strong>und</strong> die am System (Luftpaket) verrichtete<br />

Arbeit ist deshalb gegeben durch dW = −pdV. Das negative Vorzeichen drückt aus, dass<br />

nicht Arbeit von aussen in das System investiert wird, sondern dass das System selbst<br />

durch die Ausdehnung Arbeit verrichtet. Gemäss dem ersten Hauptsatz muss sich die innere<br />

Energie dU um den gleichen Betrag ändern (da dQ = 0, ist dU = dW), was zu einer<br />

Abkühlung desLuftpakets führt(dU < 0),imEinklang mit der Tatsache, dassidealeGase<br />

bei einer Expansion abkühlen. Die Änderung der inneren Energie eines Luftpakets kann<br />

ausgedrückt werden durch dU = mc v dT, wobei c v die spezifische Wärmekapazität bei<br />

konstantem Volumen bezeichnet. Für trockene Luft ist c v = 717JK −1 kg −1 . Wir erhalten<br />

damit die Beziehung<br />

mc v dT = −pdV. (2.2)<br />

Mit einigen Umformungen (siehe Vorlesung) – unter anderem bilden wir das Differential<br />

der idealen Gasgleichung (aus pV = nRT folgt, dass dpV +pdV = nRdT) <strong>und</strong> benutzen<br />

17


18 KAPITEL 2. THERMODYNAMIK<br />

die Beziehung c p = c v +R, wobei c p nun die spezifische Wärmekapazität bei konstantem<br />

Druck bezeichnet – kann diese Gleichung in folgende Form gebracht werden:<br />

c p dT = −gdz. (2.3)<br />

Diese Gleichung gibt uns an, wie sich die Temperatur eines Luftpakets ändert, wenn es<br />

angehoben (dz > 0) oder abgesenkt (dz < 0) wird:<br />

− dT<br />

dz = g c p<br />

≡ Γ d ,<br />

wobei Γ d alstrockenadiabatischer Temperaturgradient(englisch“dryadiabaticlapserate”)<br />

bezeichnet wird.<br />

Durch Einsetzen von g = 9.8ms −2 <strong>und</strong> c p = 1004Jkg −1 K −1 in die obige Beziehung<br />

erhält man für die trockenadiabatische lapse rate ungefähr den Wert Γ d = 1K(100m) −1 .<br />

Trockenadiabatisch bedeutet hier, dass dem betrachteten Luftpaket weder Wasserdampf<br />

entzogen (Kondensation) noch zugeführt wird (Verdunstung). Es heisst aber nicht, dass<br />

die Luft absolut trocken sein muss, Wasserdampf ist in der Atmosphäre immer vorhanden.<br />

Diese lapse rate besagt nun, dass die Temperatur eines Luftpaketes um ca. 1K sinkt wenn<br />

das Luftpaket um 100m angehoben wird <strong>und</strong> um etwa 1K steigt wenn das Luftpaket um<br />

100m absinkt. Eine solche adiabatische Erwärmung beim Absinken tritt zum Beispiel bei<br />

Föhnströmungen auf.<br />

2.2 Potentielle Temperatur<br />

Eine sehr nützliche Grösse in den Atmosphärenwissenschaften ist die sogenannte potentielle<br />

Temperatur θ. Sie bezeichnet die Temperatur, die ein Luftpaket hätte, wenn man<br />

es adiabatisch vom aktuellen Druck p auf einen Standarddruck p 0 = 1000hPa bringen<br />

würde. Zur Berechnung von θ nutzen wir wiederum den ersten Hauptsatz der Thermodynamik,<br />

d.h. wir benutzen die hydrostatische Gleichung (1.2) <strong>und</strong> schreiben Gleichung<br />

(2.3) in der folgenden Form:<br />

c p dT = −gdz = 1 ρ d<br />

dp.<br />

Wir teilen diese Gleichung durch p = ρ d R d T <strong>und</strong> integrieren von p bis p 0 , bzw. von T bis<br />

θ: ∫ θ ∫<br />

c p dT<br />

T R d T = p0<br />

dp<br />

p p .<br />

DurchIntegration<strong>und</strong>Umformung (beachte, dassa·lnb = lnb a )findet manden folgenden<br />

Ausdruck für die gesuchte potentielle Temperatur:<br />

( ) κ<br />

p0<br />

θ = T , (2.4)<br />

p<br />

mit κ = R d /c p = 0.286. Gemäss der Definition ist θ = T für ein Luftpaket, das sich auf<br />

1000hPa befindet (p = p 0 ). Für ein Luftpaket auf einem niedrigeren Druck (d.h. p < p 0 )<br />

ist die potentielle Temperatur immer grösser als die normale Temperatur (θ > T).


2.3. STATISCHE STABILITÄT 19<br />

2.3 Statische Stabilität<br />

a) Das Gr<strong>und</strong>prinzip<br />

Die Strömungen in der freien Atmosphäre sind in erster Linie horizontal (siehe <strong>Kapitel</strong><br />

5). Horizontalwinde erreichen z.B. in 10km Höhe Geschwindigkeiten bis zu 100ms −1 ;<br />

Vertikalwinde sind typischwerweise sehr viel kleiner (∼ cms −1 ), ausser in Gewitterwolken<br />

wo sie einige ms −1 gross sein können oder in der Nähe von Gebirgen, wo die Luft zum<br />

raschen Aufsteigen gezwungen wird.<br />

Zu einer solchen Bergüberströmung machen wir ein Gedankenexperiment: es kann die<br />

Situation auftreten, dass sich das aufsteigende Luftpaket so stark abkühlt (siehe oben),<br />

dass es kälter ist als seine Umgebungsluft, von der wir annehmen, dass sie sich vertikal<br />

nicht bewegt hat. Das aufgestiegene Luftpaket hat dann eine höhere Dichte als seine<br />

Umgebung <strong>und</strong> wird deshalb wieder absinken. Eine solche Situation nennen wir “statisch<br />

stabil” (die Atmosphäre ist “stabil geschichtet”): vertikale Auslenkungen eines Luftpakets<br />

führen zu einer rückstellenden Kraft, so dass das Luftpaket auf seine ursprüngliche<br />

Höhe zurückkehrt. Falls das Luftpaket dabei über seine Gleichgewichtsposition (da wo es<br />

die selbe Temperatur hat wie seine Umgebung) hinausschiesst, entsteht eine Oszillation<br />

des Luftpakets. Dieser physikalische Prozess ist die Gr<strong>und</strong>lage der Schwerewellen in der<br />

Atmosphäre (engl. “gravity waves”).<br />

Bei einem anderen vertikalen Temperaturprofil der Umgebung kann es jedoch dazu<br />

kommen, dass das aufsteigende Luftpaket wärmer ist als seine Umgebung. In einem solchen<br />

Fall hat es eine geringere Dichte als die Umgebungsluft, es spürt eine Auftriebskraft<br />

<strong>und</strong> wird deshalb nach oben weiter beschleunigt. Diese Situation nennt man “statisch instabil”:<br />

Eine anfänglich kleine vertikale Auslenkung kann dazu führen, dass ein Luftpaket<br />

über grosse Höhen beschleunigt wird <strong>und</strong> immer weiter aufsteigt. Dieser Prozess ist oft<br />

der Auslöser der Bildung von Wolken mit einer grossen vertikalen Ausdehnung (Cumulus,<br />

Cumulonimbus).<br />

Auf Gr<strong>und</strong>dieser Gedankenexperimente verstehen wir, dassdiestatische Stabilitätder<br />

trockenen Atmosphäre davon abhängt, wie stark die Temperatur in der Atmosphäre mit<br />

der Höheabnimmt, imVergleich zur trockenadiabatischen lapse rate.(Für einesehr feuchte<br />

Atmosphäre, in der Kondensation <strong>und</strong> Wolkenbildung einsetzen, müssen wir die Stabilitätsbetrachtung<br />

anschliessend noch etwas modifizieren.) Wir bezeichnen mit Γ = dT/dz<br />

den in der Atmosphäre gemessenen vertikalen Temperaturgradienten. Die Atmosphäre ist<br />

dann statisch stabil, falls Γ < Γ d <strong>und</strong> statisch instabil falls Γ > Γ d . Im Falle von Γ = Γ d<br />

sprechen wir von einer neutralen Schichtung (siehe Abb. 2.1). Wir vergleichen hier also die<br />

vertikale Temperaturabnahme in einem aufsteigenden Luftpaket (Γ d ) mit der vertikalen<br />

Temperaturabnahme in der, so nehmen wir an, durch den Aufstieg des Luftpakets nicht<br />

gestörten Umgebung (Γ).


20 KAPITEL 2. THERMODYNAMIK<br />

h<br />

stabil instabil neutral<br />

h<br />

h<br />

Γ t Γ Γ<br />

gemessen<br />

t<br />

t<br />

gemessen<br />

gemessen<br />

T<br />

T<br />

T<br />

Abbildung 2.1: Stabile, instabile <strong>und</strong> neutrale Temperaturschichtungen der Atmosphäre<br />

(gestrichelte Linien). Die durchgezogenen Linien zeigen die trockenadiabatische lapse rate<br />

(beschriftet mit Γ d ).<br />

b) Inversion<br />

Liegt eine stabile Luftschicht über einer instabilen so spricht man von einer Inversion; aufsteigenden<br />

Luftpakete können nicht mehr weiter aufsteigen <strong>und</strong> konvektive LuftbewegungenbleibenaufdieinstabileuntereSchicht<br />

beschränkt. DieAbbildung 2.2zeigteinesolche<br />

Inversion. Das Luftpaket kann vom Boden aus so weit aufsteigen bis seine Temperatur der<br />

Umgebungstemperatur entspricht, in diesem Fall bis auf etwa 2.6km Höhe. Schiesst das<br />

Luftpaket aufgr<strong>und</strong> seiner vertikalen Geschwindigkeit über diese Grenze hinaus, so wird<br />

es kälter <strong>und</strong> dichter als die Umgebungsluft <strong>und</strong> sinkt wieder ab. Je nachdem auf welcher<br />

Höhe ein Luftpaket seinen Aufstieg beginnt, wird es mehr oder weniger weit oberhalb der<br />

Inversion im Gleichgewicht mit seiner Umgebung sein. Im obigen Beispiel würde ein Luftpaket<br />

welches auf 1km Höhe startet <strong>und</strong> beim Aufstieg gemäss der trockenadiabatischen<br />

lapse rate von 1K/100m abkühlt bei der Inversion eine Temperatur von -10 ◦ C erreichen<br />

<strong>und</strong> weiter bis auf etwa 2.3km Höhe aufsteigen wo es im Gleichgewicht wäre.<br />

c) Rauchfahnen<br />

Mit der Abbildung 2.3 sollen am Beispiel einer Rauchfahne eines hohen Schornsteins noch<br />

einmal die Begriffe stabile, instabile <strong>und</strong> neutrale Schichtung der Atmosphäre illustriert<br />

werden.<br />

a) Die Schichtung ist stabil, der Rauch bleibt über weite Strecken in etwa derselben<br />

Höhe.<br />

b) Die untere Atmosphäre ist instabil geschichtet, der Rauch kann bis auf den Boden<br />

sinken, die Inversion (stabile Schichtung) oberhalbdes Schornsteins verhindert aber,<br />

dass der Rauch aufsteigen kann.


2.4. FEUCHTE LUFT 21<br />

Höhe (km)<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Luftpaket wird<br />

kälter als Umgebung<br />

instabile<br />

untere<br />

Atmosphäre<br />

-15°C<br />

-5°C<br />

5°C<br />

15°C<br />

Land<br />

-10°C<br />

-15°C<br />

0°C<br />

15°C<br />

Temperatur der Atmosphäre<br />

Temperaturgradient<br />

-5°/km<br />

Inversion<br />

Temperaturgradient<br />

15°/km<br />

-15°C -10°C -5°C 0°C 5°C 10°C 15°C<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Höhe (km)<br />

Abbildung 2.2: Trockenadiabatisch aufsteigendes Luftpaket in einer Atmosphäre mit einer<br />

Inversion. Rechts sind der vertikale Temperaturgradient dieser Atmosphäre (gestrichelte<br />

Linie) <strong>und</strong> der trockenadiabatische Temperaturgradient (dicke Linie) aufgetragen. Die<br />

Inversion liegt auf einer Höhe von 2km, darunter ist die Schichtung instabil, darüber<br />

stabil [Eagleman].<br />

c) Inder instabil geschichteten AtmosphärekannderRauchsowohl aufsteigenwieauch<br />

absinken.<br />

2.4 Feuchte Luft<br />

Wie im <strong>Kapitel</strong> 1.2 besprochen, enthält die Luft immer einen gewissen Anteil an Wasserdampf.<br />

Diese Luftfeuchtigkeit kann auf ganz verschiedene Weisen gemessen werden.<br />

a) Instrumente zur Messung der Luftfeuchtigkeit<br />

• Das organische Absorptionshygrometer (z.B. Haarhygrometer) ist die einfachste<br />

Methode Luftfeuchtigkeit zu messen. Dieses Instrument hat, auch wenn es häufig<br />

nachgeeichtwird,nureineGenauigkeitvonbestenfalls±5%.Messungenmitwährend<br />

längererZeitnicht kontrollierten Gerätensindwertlos. Stattdemmenschlichen Haar<br />

könnenauchgewisseHäutevonTieren(z.B.einesogenannteGoldschlägerhaut)oder<br />

künstliche Fasern verwendet werden. Organische Absorptionshygrometer haben nur<br />

noch eine untergeordnete Bedeutung <strong>und</strong> man findet sie vor allem in Geräten für<br />

den häuslichen Bedarf als formschöne Zeigerinstrumente.<br />

• Für elektrische Messungen (z.B. in einfachen Radiosonden) werden anorganische


22 KAPITEL 2. THERMODYNAMIK<br />

a<br />

stabil<br />

b<br />

stabil<br />

instabil<br />

c<br />

instabil<br />

d<br />

e<br />

indifferent<br />

instabil<br />

stabil<br />

Abbildung 2.3: Rauchfahnen in unterschiedlichen<br />

Schichtungen der Atmosphäre.<br />

Die Abbildungen links zeigen<br />

die vertikalen Profile der Temperatur<br />

(dicke Linien) <strong>und</strong> die trockenadiabatische<br />

lapse rate (gestrichelte Linien)<br />

[Eagleman].<br />

Absorptionshygrometer, sogenannte Hygristoren verwendet. Dabei wird in einfacheren<br />

Geräten der elektrischer Widerstand eines halbleitenden Films (z.B. LiCl)<br />

gemessen, dessen Widerstand feuchtigkeitsabhängig ist. Höherwertige Geräte messen<br />

die Veränderung der Dielektrizitätskonstante des Polymers als Veränderung der<br />

Kapazität der Anordnung. Messungen nahe 100% relativer Luftfeuchte sind schwierig<br />

<strong>und</strong> die Genauigkeit stark abhängig von der Qualität des Instrumentes.<br />

• Beim Psychrometer (Schleuder- oder Aspirationspsychrometer) basiert das Messprinzip<br />

auf der Verdunstungsenergie von Wasser. Mit zwei Thermometern werden<br />

die Temperatur <strong>und</strong> die sogeannte Feuchttemperatur gemessen. Zur Messung der<br />

Feuchttemperatur wird ein Thermometer mit einem feuchten Lappen umwickelt<br />

<strong>und</strong> ventiliert. Das verdunstende Wasser entzieht dem Thermometer Wärme, so<br />

dass eine tiefere Temperatur angezeigt wird als beim trockenen Thermometer. Die<br />

Differenz steigt mit abnehmender Luftfeuchtigkeit. Diese Geräte sind sehr genau,<br />

bei tiefen Temperaturen (T < 0 ◦ C) wird die Anwendung jedoch schwierig.<br />

• Mit einem Taupunkt-, bzw. Frostpunktspiegel wird die Sättigungstemperatur<br />

gemessen, indembeobachtetwird,beiwelcher TemperatursicheinSpiegelbeschlägt.<br />

Dieses Messprinzip ist sehr genau. Das Frostpunkthygrometer ist bisher das einzige<br />

auch bei sehr tiefen Temperaturen <strong>und</strong> entsprechend sehr geringer absoluter Feuchtigkeit<br />

(z.B. in der Stratosphäre) noch brauchbare Gerät.<br />

• Soll via Fernerk<strong>und</strong>ung (Satelliten) die Luftfeuchte gemessen werden, kommen


2.4. FEUCHTE LUFT 23<br />

optische Methoden zum Zug. Dabei wird die Absorption des Wasserdampfes im<br />

Infraroten benützt um den Wasserdampfgehalt der Atmosphäre zu messen. Der<br />

Wasserdampf wirdüberdenganzenStrahlweg integriert, punktuelle Messungen sind<br />

nicht möglich.<br />

b) Spezifische <strong>und</strong> relative Feuchte<br />

Es werden verschiedene Masse verwendet, um die Feuchtigkeit der Atmosphäre zu charakterisieren.<br />

Die spezifische Feuchte (engl. “specific humidity”) q bezeichnet den Massenanteil<br />

des Wasserdampfs in der Luft, q = m H2 O/m air , <strong>und</strong> wird in kgkg −1 oder gkg −1 angegeben.<br />

An feuchten Sommertagen werden bei uns spezifische Feuchten von über 10gkg −1<br />

erreicht.<br />

Wie im nächsten Abschnitt diskutiert, gibt es bei einer gewissen Temperatur eine<br />

maximale Menge an Wasserdampf, die von der Luft aufgenommen werden kann. Diese<br />

maximale Menge wird als spezifische Sättigungsfeuchte q s (engl. “saturation specific humidity”)<br />

bezeichnet. Nun kann auch der Begriff der relativen Feuchte eingeführt werden.<br />

Als relative Feuchtigkeit definiert man das Verhältnis<br />

f = 100 q q s<br />

.<br />

Sie gibt die Menge des vorhandenen Wasserdampfes in Prozenten derjenigen Menge an,<br />

welche bei dieser Temperatur maximal vorhanden sein könnte. Relative Feuchten in der<br />

Atmosphäre von 20-40% empfinden wir als “trocken”, Werte von > 80% als (sehr) feucht.<br />

Bei einer relativen Feuchte von 100% bezeichnet man die Luft als “gesättigt”, bei Werten<br />

über 100% als “übersättigt”.<br />

c) Sättigungsdampfdruck<br />

Bringt man in einem geschlossenen Gefäss trockene Luft <strong>und</strong> Wasser zusammen, so wird<br />

das Wasser bei konstant gehaltener Temperatur T teilweise verdunsten. Den Partialdruck<br />

des in der Luft vorhandenen Wasserdampfes bezeichnet man als Dampfdruck e.<br />

Die Verdunstung hält an, bis ein Gleichgewichtszustand erreicht ist. In diesem geht für<br />

jede verdunstende Wassermenge die gleiche Menge Dampf in die flüssige Phase zurück.<br />

In diesem Gleichgewicht wird der maximale Dampfdruck e s , genannt Sättigungsdampfdruck,<br />

für eine bestimmte Temperatur T erreicht. Man sagt dann, dass die Luft mit<br />

Wasserdampf gesättigt ist. Der Sättigungsdampfdruck e s ist eine Funktion der Temperatur.<br />

Die Abhängigkeit des Sättigungsdampfdruckes von der Temperatur kann aus der<br />

Clausius-Clapeyron-Gleichung (CCG) abgeleitet werden:<br />

de s<br />

dT =<br />

L<br />

T( 1<br />

ρ D<br />

− 1<br />

ρ W<br />

)<br />

wobei L die spezifische Verdampfungswärme von Wasser ist, T die Temperatur des Systems<br />

Wasser/Luft <strong>und</strong> ρ D , ρ W die Dichte des Wasserdampfes <strong>und</strong> des Wassers bezeich-


24 KAPITEL 2. THERMODYNAMIK<br />

nen.DieseDifferentialgleichung lässt sichnurmitHilfevonzwei Vereinfachungen geschlossen<br />

lösen: (1) L sei konstant, in Wahrheit ist L = L(T) eine Funktion der Temperatur,<br />

(2) da 1/ρ W ≪ 1/ρ D ist, sei 1/ρ W = 0. Mit diesen beiden Vereinfachungen wird die CCG<br />

zu<br />

de s<br />

dT = L T ρ D<br />

<strong>und</strong> mit<br />

ρ D = M W<br />

RT p D = M W<br />

RT e de s<br />

s zu = LM W dT<br />

e s R T 2.<br />

Diese Differentialgleichung hat die Lösung<br />

{ ( MW L 1<br />

e s (T) = e s,0 ·exp − 1 )}<br />

,<br />

R T 0 T<br />

wobei e s,0 den Sättigungsdampfdruck bei der Temperatur T 0 bezeichnet. Weiter bezeichnenM<br />

W = 18gMol −1 dasMolekulargewicht vonWasser, L = 2.5·10 6 Jkg −1 dieVerdampfungswärme<br />

von Wasser <strong>und</strong> R wiederum die universelle Gaskonstante. Der Verlauf der<br />

Dampfdruckkurve ist in Abbildung 2.4 dargestellt <strong>und</strong> Zahlenwerte sind in der Tabelle 2.1<br />

aufgelistet. Wichtig ist der nichtlineare Verlauf der Kurve; bei steigenden Temperaturen<br />

nimmt der Zuwachs des Sättigungsdampfdrucks pro Grad Erwärmung zu.<br />

Setzt man in der CCG für L statt der spezifischen Verdampfungswärme die spezifische<br />

Sublimationswärme von Wasser ein, dann erhält man die Dampfdruckkurve bezüglich<br />

Eis, d.h. den Sättigungsdampfdruck über einer Eisfläche. Da die Sublimationswärme von<br />

Wasser grösser ist als die Verdampfungswärme, ist der Dampfdruck über Eis kleiner als<br />

derjenige über Wasser.<br />

d) Die Konsequenzen des Unterschiedes des Sättigungsdampfdruckes<br />

über Wasser <strong>und</strong> Eis<br />

Der Sättigungsdampfdruck über Eis ist durchwegs geringer als der Sättigungsdampfdruck<br />

über(unterkühltem) Wasser<strong>und</strong>zeigteinemaximaleDifferenzbeica.−15 ◦ C.Dieshatvor<br />

allem Konsequenzen für das Wachstum von Eiskristallen <strong>und</strong> die Niederschlagsbildung.<br />

Verschieden Formen der Eiskristalle<br />

Der Form von Eiskristallen hängt von ihrer Wachstumsgeschwindigkeit ab. Ist das Wachstum<br />

der Eiskristalle langsam, dann wächst der Kristall zu Nadeln <strong>und</strong> Säulen. Ist das<br />

Wachstum hingegen schnell, dann wächst der Kristall bevorzugt in die Breite <strong>und</strong> bildet<br />

Platten oder Sterne. Je schneller das horizontale Wachstum, desto feiner verästelt sind<br />

dabei die Arme der Sterne. In einer Wolke in der sowohl Eispartikel wie auch Wolkentropfen<br />

vorhanden sind ist die Wachstumsgeschwindigkeit der Kristalle abhängig von der<br />

Differenz zwischen Wassersättigung <strong>und</strong>Eissättigung. Dadiese um -15 ◦ C amgrössten ist,<br />

wird verständlich, weshalb gerade in diesem Temperaturbereich die schönsten Eissterne<br />

wachsen. Nahe Null Grad <strong>und</strong> bei sehr tiefen Temperaturen wachsen dagegen vor allem<br />

Nadeln <strong>und</strong> Säulen.


2.4. FEUCHTE LUFT 25<br />

1100<br />

1000<br />

900<br />

800<br />

700<br />

P [hPa]<br />

7.0<br />

6.0<br />

5.0<br />

4.0<br />

3.0<br />

2.0<br />

über Wasser<br />

über Eis<br />

P [hPa]<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

1.0<br />

0.0<br />

223 233 243 253 263 273<br />

T = 309 K (36 °C)<br />

e = 23.14 hPa<br />

e s = 58.88 hPa<br />

T d = 293 K<br />

RH = 39%<br />

T [K]<br />

0<br />

273 283 293 303 313 323 333 343 353 363 373<br />

T [K]<br />

Abbildung 2.4: Sättigungsdampfdruck über Wasser <strong>und</strong> Eis. Der Taupunkt (Taupunkttemperatur<br />

T d ) bei einer gewissen Temperatur <strong>und</strong> relativen Luftfeuchtigkeit bezeichnet<br />

die Temperatur, bei welcher der vorherrschende Dampfdruck dem Sättigungsdampfdruck<br />

entsprechen würde <strong>und</strong> die relative Luftfeuchtigkeit damit 100% betragen würde. Der<br />

Punkt in der Graphik stellt einen bestimmten Zustand (T, e) der Atmosphäre dar. Mit<br />

Hilfe der Dampfdruckkurve lässt sich nun der entsprechende Sättigungsdampfdruck e s<br />

<strong>und</strong> die relative Feuchte f sowie die zugehörige Taupunkttemperatur T d finden.<br />

Der Bergeron-Findeisen-Prozess<br />

Sind in einer Wolke sowohl Eiskristalle wie auch Wolkentropfen vorhanden, so findet der<br />

sogenannte Bergeron-Findeisen-Prozess statt. Da Wassertropfen vorhanden sind, muss die<br />

Luftfeuchtigkeit der Wassersättigung entsprechen (sonst wären die Tropfen verdunstet).<br />

Eine solche Umgebung ist für die Eiskristalle aber übersättigt, so dass sie mit grosser<br />

Geschwindigkeit wachsen. Da sie dabei Wasser aus der Dampfphase entziehen <strong>und</strong> damit<br />

die Luftfeuchtigkeit unter die Wassersättigung fällt, werden die Wassertröpfchen verdunsten.<br />

Ist das System Eiskristalle/Wolkentröpfchen abgeschlossen, wird ein Gleichgewicht<br />

erst dann erreicht, wenn alle Wolkentröpfchen verdunstet sind <strong>und</strong> die Eiskristalle mit der<br />

Dampfphase (bei Eissättigung) im Gleichgewicht sind.


26 KAPITEL 2. THERMODYNAMIK<br />

Temperatur Sättigungsdampfdruck Spezifische Sättigungsfeuchte<br />

über Wasser über Eis über Wasser über Eis<br />

T e W e E q s,W q s,E<br />

◦ C hPa hPa gkg −1 gkg −1<br />

-40 0.189 0.128 0.12 0.08<br />

-35 0.314 0.223 0.19 0.14<br />

-30 0.509 0.380 0.31 0.23<br />

-25 0.807 0.632 0.50 0.39<br />

-20 1.254 1.032 0.78 0.64<br />

-15 1.912 1.652 1.20 1.04<br />

-10 2.836 2.597 1.79 1.62<br />

-5 4.215 4.015 2.63 2.51<br />

0 6.108 6.107 3.80 3.80<br />

5 8.72 5.44<br />

10 12.27 7.67<br />

15 17.04 10.7<br />

20 23.37 14.7<br />

25 31.67 20.0<br />

30 42.43 26.9<br />

35 56.24 35.8<br />

40 73.78 47.3<br />

100 1013.25 ∞<br />

Tabelle 2.1: Sättigungsdampfdruck in Hektopascal <strong>und</strong> spezifische Feuchte bei Sättigung<br />

in Gramm Wasserdampf pro Kilogramm Luft über Wasser <strong>und</strong> über Eis.<br />

Der Seeder-Feeder-Prozess<br />

In der Natur ist der Bergeron-Findeisen-Prozess von grosser Bedeutung für die Niederschlagsbildung.<br />

Wolkenwasser lässt sich bis etwa −40 ◦ C unterkühlen bevor es spontan<br />

gefriert. Dadurch sind in einem weiten Bereich der Troposphäre reine Wasserwolken vorhanden.<br />

In solchen Wasserwolken sind die entstandenen Tröpfchen zunächst klein, so dass<br />

sich kein Niederschlag bilden kann. Eine solche Wolke kann lange bestehen bleiben ohne<br />

dass sie ausregnet. Fallen nun aus einer höheren Schicht Eiskristalle in die unterkühlte<br />

Wasserwolke, setzt der Bergeron-Findeisen-Prozess ein. Die Eiskristalle wachsen <strong>und</strong> bilden<br />

Schneeflocken; diese fallen aus <strong>und</strong> führen so zu doch noch zu Niederschlag aus der<br />

unterkühlten Wasserwolke.<br />

e) Die feuchtadiabatische “lapse rate”<br />

TrittineinemLuftpaketKondensationoderVerdunstungauf,danngiltdQ = 0nichtmehr<br />

<strong>und</strong> die lapse rate lässt sich nicht mehr so einfach berechnen wie für trockenadiabatische<br />

Vorgänge.<br />

DadieLuftinderTroposphäreWasserdampf enthält,gibtesinderAtmosphäreimmer<br />

wieder Regionen, in denen die Luft mit Wasserdampf gesättigt ist, d.h. die relative Feuchte<br />

100% ist. In diesen Regionen können also nicht mehr trockenadiabatische Verhältnisse<br />

angenommen werden. Um die feuchtadiabatische lapse rate abzuschätzen, soll als einfa-


2.4. FEUCHTE LUFT 27<br />

p -20 ◦ C 0 ◦ C 20 ◦ C<br />

1000hPa 0.86 0.56 0.43<br />

750hPa 0.83 0.59 0.39<br />

500hPa 0.78 0.51 0.33<br />

250hPa 0.66 0.39 0.27<br />

Tabelle 2.2: Die Temperatur- <strong>und</strong> Druckabhängigkeit<br />

der feuchtadiabatischen lapse<br />

rate Γ m (in K(100m) −1 ). Die schräg gesetzten<br />

Werte kommen in der Natur kaum vor.<br />

ches Beispiel ein mit Wasserdampf gesättigtes Luftpaket betrachtet werden. Steigt dieses<br />

Luftpaket auf, kühlt es ab <strong>und</strong> die relative Feuchte über Wasser würde auf mehr als 100%<br />

steigen. Da dies nicht möglich ist, wird ein Teil des Wasserdampfes kondensieren <strong>und</strong><br />

Kondensationswärme an das Luftpaket abgegeben. Das Luftpaket kühlt sich daher nicht<br />

so stark ab, wie wenn keine Kondensation stattgef<strong>und</strong>en hätte. Die lapse rate ist deshalb<br />

für feuchtadiabatische Vorgänge geringer als im trockenadiabatischen Fall. Je nach der<br />

Temperatur der Luft <strong>und</strong> damit je nach seiner Kapazität Feuchtigkeit aufzunehmen beträgt<br />

die feuchtadiabatische lapse rate Γ m ≃ 0.4−1.0K(100m) −1 ). Auf Englisch wird sie<br />

als “moist adiabatic lapse rate” bezeichnet.<br />

f) Temperaturverteilung in der Troposphäre<br />

Die Stabilitätsbetrachtungen in der trockenen Atmopshäre (siehe <strong>Kapitel</strong> 2.2a) können<br />

nun auf die feuchte Atmosphäre erweitert werden. Man bezeichnet die Schichtung der Atmosphäre<br />

als absolut stabil, falls der gemessene vertikalen Temperaturgradient kleiner ist<br />

als sowohl die feucht- wie auch die trockenadiabatische lapse rate, d.h. falls Γ < Γ m < Γ d .<br />

In einer solchen Situation wird sowohl ein trockenes wie auch ein gesättigtes Luftpaket bei<br />

einemAnhebenkälterseinalsseineUmgebung<strong>und</strong>wiederabsinken.Besondersinteressant<br />

sind die Situationen mit einer konditionell instabilen Schichtung, d.h. falls Γ m < Γ < Γ d .<br />

In einer solchen Situation ist die Atmosphäre stabil geschichtet falls das Luftpaket nicht<br />

gesättigt ist, d.h. entlang den Trockenadiabaten aufsteigt. Ist das Luftpaket hingegen<br />

gesättigt, dann steigt es entlang der Feuchtadiabaten auf <strong>und</strong> die Schichtung wird instabil.<br />

Solche Situationen, die zu (starken) Gewittern führen können, treten in Mitteleuropa<br />

an einzelnen Sommertagen auf. Wir sehen bei diesen Betrachtungen, dass es sehr wichtig<br />

ist, denvertikalen Temperaturverlauf inder Atmosphäregut zukennen, umihreStabilität<br />

<strong>und</strong> damit die Eintretenswahrscheinlichkeit von Gewittern abschätzen bzw. vorhersagen<br />

zu können.<br />

Genaue vertikale Temperaturverläufe innerhalb der Troposphäre werden mit Ballonsonden<br />

gewonnen. Ballonsonden sind Messgeräten der Temperatur <strong>und</strong> der Feuchte, die<br />

an mit Helium gefüllten Ballonen bis in die untere Stratosphäre aufsteigen. Ein Beispiel<br />

einer realenTemperaturverteilung inder Troposphäreist inAbbildung 2.5dargestellt. Die<br />

dicke Linie ist die Temperatur, die gestrichelte Linie die Taupunkttemperatur. Je näher<br />

sich auf einer bestimmten Höhe die Linien der Temperatur <strong>und</strong> der Taupunkttemperatur<br />

sind, desto feuchter ist die Luft. Die Temperaturdaten sind auf ein sogenanntes schiefes<br />

T-logp-Diagramm (engl. “skew T-logp diagram”) aufgetragen. Die Linien im Diagramm


28 KAPITEL 2. THERMODYNAMIK<br />

bedeuten folgendes. Ausgezogene horizontale Linien: konstanter Druck, ausgezogene Linien<br />

von links unten nach rechts oben: konstante Temperatur. Die Linien konstanter Temperatur<br />

sind schräg, um die Sondierung besser auf dem Blatt plazieren zu können. Die<br />

gestrichelten Linien von rechts unten nach links oben sind Trockenadiabaten. Ein Luftpaket<br />

das vertikal trockenadiabatisch verschoben wird wird sich parallel zu diesen Linien<br />

bewegen. Die Linien sind keine Geraden da die km-Achse nicht linear ist. Die gepunkteten<br />

Linien von rechts unten nach links oben sind die Feuchtadiabaten. Ist ein aufsteigendes<br />

Luftpaket gesättigt, dann bewegt es sich parallel zu den Feuchtadiabaten. Die Feuchtadiabaten<br />

sind in Bodennähe steiler als in der Nähe der Tropopause. Dies ist die Folge<br />

davon, dass die warme Luft am Boden mehr Feuchtigkeit enthält, die beim Kondensieren<br />

mehr Kondensationswärme an das Luftpaket abgibt. Die gestrichelten Linien von unten<br />

links nach oben rechts sind schliesslich Linien mit konstanter spezifischer Feuchte q (in<br />

Gramm Wasser pro Kilogramm Luft).


2.4. FEUCHTE LUFT 29<br />

200<br />

Payerne, 21 July 1995, 00 UTC<br />

11<br />

250<br />

10<br />

300<br />

9<br />

350<br />

8<br />

400<br />

7<br />

450<br />

500<br />

550<br />

2 3 4 5 6 8 10 12<br />

6<br />

5<br />

600<br />

650<br />

700<br />

4<br />

3<br />

750<br />

800<br />

850<br />

900<br />

950<br />

1000<br />

-20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 25 30<br />

2<br />

1<br />

Abbildung 2.5: Sondenaufstieg von Payerne. Die x-Achse ist die Temperaturachse, die<br />

y-Achse gibt den Druck in hPa (links) oder die ungefähre Höhe in km über Meer (rechts)<br />

an.

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