Für ein Alter in Würde - AWO Landesverband Bayern
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Für <strong>e<strong>in</strong></strong> <strong>Alter</strong> <strong>in</strong> Würde – die Leistungen der Freien<br />
Wohlfahrt <strong>in</strong> der Pflege<br />
Dr. Thomas Beyer, MdL<br />
Landesvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong><br />
I. Die Pflegeversicherung nach SGB XI<br />
Die 1995 mit dem Sozialgesetzbuch XI <strong>e<strong>in</strong></strong>geführte Pflegeversicherung sichert das<br />
Risiko der Pflegebedürftigkeit als fünfte Säule des Sozialversicherungssystems<br />
solidarisch ab.<br />
Seit 1. Januar 2013 gilt <strong>e<strong>in</strong></strong> Beitragssatz <strong>in</strong> Höhe von 2,05 Prozent des Brutto<strong>e<strong>in</strong></strong>kommens<br />
– die Beitragsbemessungsgrenze der Gesetzlichen Krankenversicherung<br />
(GKV) f<strong>in</strong>det Anwendung, ab 2013 3.937,50 € monatlich. Die F<strong>in</strong>anzierung erfolgt<br />
grundsätzlich paritätisch durch Arbeitgeber und Beschäftigte. Allerd<strong>in</strong>gs wurden die<br />
Arbeitgeber dadurch entlastet, dass der Buß- und Bettag als Feiertag gestrichen<br />
wurde, so dass die Arbeitnehmer die Hauptlast tragen. Auch Rentner zahlen <strong>in</strong> die<br />
Pflegeversicherung <strong>e<strong>in</strong></strong>, seit 2004 den kompletten Beitragssatz. Seit 2005 zahlen<br />
K<strong>in</strong>derlose, die das 23. Lebensjahr vollendet haben, <strong>e<strong>in</strong></strong>en 0,25 Prozent höheren<br />
Beitragssatz als Pflegeversicherte mit K<strong>in</strong>dern.<br />
Angesiedelt ist die Pflegeversicherung bei den Krankenkassen der GKV und bei<br />
privaten Krankenversicherungen. Anders als bei der Krankenversicherung s<strong>in</strong>d die<br />
Leistungen von gesetzlicher und privater Pflegeversicherung identisch.<br />
Durch die Pflegeversicherung sollte u. a. erreicht werden, dass<br />
• weniger Pflegebedürftige abhängig von Sozialhilfe werden,
• die kommunalen Haushalte dadurch entlastet werden,<br />
• die häusliche Pflege gegenüber der Unterbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> stationären E<strong>in</strong>richtungen<br />
gestärkt wird,<br />
• die Pflege durch Angehörige oder andere Ehrenamtliche auch f<strong>in</strong>anziell anerkannt<br />
und abgesichert wird.<br />
Seit 1995 s<strong>in</strong>d über 250.000 neue Arbeitsplätze <strong>in</strong> der Pflege entstanden und die<br />
Pfleg<strong>e<strong>in</strong></strong>frastruktur konnte verbessert werden. Pflegende Angehörige oder Ehrenamtliche<br />
erhalten <strong>e<strong>in</strong></strong> monatliches Pflegegeld als Anerkennung für ihre Tätigkeit.<br />
Hatte die E<strong>in</strong>führung der Pflegeversicherung die Sozialhilfebedürftigkeit erheblich<br />
reduziert, so ist mittlerweile wieder <strong>e<strong>in</strong></strong>e steigende Tendenz festzustellen. In den<br />
E<strong>in</strong>richtungen der <strong>AWO</strong> <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> liegt der Anteil der sozialhilfebedürftigen<br />
Bewohner<strong>in</strong>nen und Bewohnern zurzeit bei im Mittel 36 Prozent (Umfrage zum<br />
Dezember 2012). Den höchsten Wert erreicht der Regierungsbezirk Oberbayern mit<br />
41 Prozent.<br />
II. Leistungen der Pflegeversicherung<br />
(Stand: 1. Januar 2012)<br />
Ambulant<br />
(Pflegesachleistungen bis zu monatlich … Euro)<br />
Pflegestufe I<br />
Pflegestufe II<br />
Pflegestufe III<br />
450 Euro<br />
1.100 Euro<br />
1.550 Euro<br />
Pflegegeld bei Pflege durch Angehörige<br />
(monatlich pauschal)<br />
Pflegestufe I<br />
Pflegestufe II<br />
Pflegestufe III<br />
235 Euro<br />
440 Euro<br />
700 Euro<br />
2
Vollstationär<br />
(monatlich pauschal)<br />
Pflegestufe I<br />
Pflegestufe II<br />
Pflegestufe III<br />
1.023 Euro<br />
1.279 Euro<br />
1.550 Euro<br />
III. Die Pflegebedürftigen<br />
(Dezember 2011; Quelle: Statistisches Bundesamt 2013, Pflegestatistik 2011).<br />
Die Zahl der Pflegebedürftigen <strong>in</strong> Deutschland steigt kont<strong>in</strong>uierlich. Ende 2011 waren<br />
bundesweit 2,50 Millionen Menschen als pflegebedürftig <strong>e<strong>in</strong></strong>gestuft. Den Angaben<br />
zufolge s<strong>in</strong>d das 163.000 oder 7,0 Prozent mehr als zwei Jahre zuvor. Im Vergleich<br />
zur ersten Erhebung dieser Art 1999 bedeutet die Zahl sogar <strong>e<strong>in</strong></strong>en Anstieg von 24,1<br />
Prozent. 1<br />
Weil die Lebenserwartung steigt, werden auch mehr Menschen pflegebedürftig.<br />
83 Prozent der Betroffenen s<strong>in</strong>d den Angaben zufolge 65 Jahre und älter, gut <strong>e<strong>in</strong></strong><br />
Drittel (36 Prozent) sogar m<strong>in</strong>destens 85 Jahre alt. Mit 65 Prozent ist die große<br />
Mehrheit der Pflegebedürftigen Frauen.<br />
Dass mit zunehmendem <strong>Alter</strong> das Risiko steigt, pflegebedürftig zu werden, belegt<br />
auch die Aufschlüsselung der Statistik.<br />
Während im Dezember 2011 bei den 70- bis unter 75-Jährigen jeder 20. pflegebedürftig<br />
im S<strong>in</strong>ne des Sozialgesetzbuchs war, wurde für die ab 90-Jährigen die<br />
höchste Pflegequote ermittelt: Der Anteil der Pflegebedürftigen an allen Menschen<br />
dieser <strong>Alter</strong>sgruppe betrug 58 Prozent.<br />
Mehr als zwei Drittel (70 Prozent oder 1,76 Millionen) aller Pflegebedürftigen <strong>in</strong><br />
Deutschland wurden zu Hause versorgt. Davon erhielten 1,18 Millionen Betroffene<br />
ausschließlich Pflegegeld.<br />
1 Durch <strong>e<strong>in</strong></strong>e <strong>e<strong>in</strong></strong>geschränkte Vergleichbarkeit der Daten kommt es teilweise zu Überzeichnungen.<br />
3
Das bedeutet, sie wurden <strong>in</strong> der Regel zu Hause all<strong>e<strong>in</strong></strong> von Angehörigen gepflegt.<br />
Weitere 576.000 Pflegebedürftige lebten ebenfalls <strong>in</strong> Privathaushalten. Bei ihnen<br />
übernahmen die Pflege jedoch zum Teil oder vollständig ambulante Pflegedienste.<br />
Mit 743.000 wurde nur <strong>e<strong>in</strong></strong> knappes Drittel der Betroffenen <strong>in</strong> Pflegeheimen betreut.<br />
IV. Die Pflegestatistik <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong><br />
(Dezember 2011; Quelle: Bay. Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung,<br />
Statistische Berichte, Pflege<strong>e<strong>in</strong></strong>richtungen und Pflegegeldempfänger <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong>)<br />
Von 329.341 Pflegebedürftigen werden versorgt:<br />
1. Zuhause 224.520 (68,2 Prozent)<br />
1.1 durch Pflegedienste (ambulante Pflege)<br />
• 73.459 Pflegebedürftige<br />
<br />
<br />
<br />
39.406 <strong>in</strong> Pflegestufe I<br />
23.903 <strong>in</strong> Pflegestufe II<br />
10.150 <strong>in</strong> Pflegestufe III<br />
- davon 272 Härtefälle<br />
• davon 48.895 Frauen (66,6 Prozent)<br />
• durch 1.829 ambulante Pflegedienste<br />
<br />
mit 38.594 Beschäftigten<br />
<br />
davon 33.765 Frauen (87,5 Prozent)<br />
1.2 <strong>in</strong> häuslicher Pflege durch Angehörige<br />
• 151.061 Pflegebedürftige<br />
4
92.034 <strong>in</strong> Pflegestufe I<br />
44.447 <strong>in</strong> Pflegestufe II<br />
14.580 <strong>in</strong> Pflegestufe III<br />
• davon 87.453 Frauen (57,9 Prozent)<br />
2. <strong>in</strong> Heimen 104.821 (31,8 Prozent)<br />
2.1 Vollstationäre Dauerpflege<br />
• 101.791 Pflegebedürftige<br />
<br />
<br />
<br />
38.079 <strong>in</strong> Pflegestufe I<br />
38.301 <strong>in</strong> Pflegestufe II<br />
23.921 <strong>in</strong> Pflegestufe III<br />
- davon 456 Härtefälle<br />
<br />
1.490 ohne Pflegestufe<br />
• davon 75.932 Frauen (74,6 Prozent)<br />
• <strong>in</strong> 1.704 Pflegeheimen<br />
<br />
mit 94.501 Beschäftigten<br />
<br />
davon 80.945 Frauen (85,7 Prozent)<br />
2.2 Kurzzeitpflege<br />
• 3.030 Pflegebedürftige<br />
5
V. Der Bedarf <strong>in</strong> der Pflege steigt weiter<br />
1. Überdurchschnittlicher Zuwachs <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong><br />
Der Dritte Bericht der Staatsregierung zur Sozialen Lage <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> (2012, S. 372)<br />
verdeutlicht <strong>e<strong>in</strong></strong>en dramatisch wachsenden Bedarf an Leistungen der Pflege <strong>in</strong> den<br />
nächsten Jahren.<br />
Bis 2020 erwartet die Staatsregierung 411.000 Pflegebedürftige, 29 Prozent mehr als<br />
2009. Für das Jahr 2030 rechnet der Dritte Sozialbericht (2012, S. 372) mit rund<br />
486.000 pflegebedürftigen Menschen, <strong>e<strong>in</strong></strong>e Zunahme um mehr als 50 Prozent im<br />
Vergleich zu 2009.<br />
2. Die Freie Wohlfahrtspflege bleibt unverzichtbar<br />
Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (2005) verdeutlicht <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong></strong>er Prognose die<br />
Erwartungen, auch zur künftigen Rolle der Wohlfahrtsverbände als Heimträger. Das<br />
iwd erwartet für das Jahr 2020 <strong>in</strong> Deutschland <strong>e<strong>in</strong></strong>en Bedarf an rund 1,12 Millionen<br />
Pflegeheimplätzen. Der Anteil von Plätzen bei privaten Trägern soll dabei von 31<br />
Prozent im Jahr 2003 auf 42 Prozent im Jahr 2020 steigen.<br />
Obwohl sich dadurch der Anteil der Pflegeheimplätze <strong>in</strong> frei-gem<strong>e<strong>in</strong></strong>nütziger<br />
Trägerschaft von 60 Prozent im Jahr 2003 auf 53 Prozent im Jahr 2020 verr<strong>in</strong>gert,<br />
ergibt sich <strong>e<strong>in</strong></strong> deutlich gestiegener Bedarf an Heimplätzen, die durch die Freie<br />
Wohlfahrtspflege vorzuhalten s<strong>in</strong>d: Von 384.000 <strong>in</strong> 2003 auf 595.000 <strong>in</strong> 2020.<br />
Für 2050 geht die Prognose von <strong>e<strong>in</strong></strong>em Gesamtbedarf an Pflegeheimplätzen von<br />
2,426 Millionen aus. 55 Prozent davon werden nach Erwartung des iwd dann durch<br />
private Träger gestellt. Die frei-gem<strong>e<strong>in</strong></strong>nützigen Träger werden 44 Prozent der<br />
Heimplätze vorhalten. Dies bedeutet <strong>e<strong>in</strong></strong>e absolute Zahl von Pflegeheimplätzen <strong>in</strong><br />
frei-gem<strong>e<strong>in</strong></strong>nütziger Trägerschaft von 1,067 Millionen.<br />
6
Entgegen dem vorgeblichen – gerade durch die Bayerische Staatsregierung<br />
behaupteten – Rückgang der Bedeutung der Freien Wohlfahrtspflege steht vielmehr<br />
tatsächlich zu erwarten, dass die frei-gem<strong>e<strong>in</strong></strong>nützigen Träger im Zeitraum von 2003<br />
bis 2050 die Zahl der von ihnen vorzuhaltenden Pflegeheimplätze nahezu verdreifachen<br />
müssen, um dem gesellschaftlichen Bedarf im Verbund mit privaten Trägern<br />
gerecht werden zu können.<br />
VI. Steigender Pflegebedarf als Jobmotor<br />
Nach <strong>e<strong>in</strong></strong>er Studie der Deutschen Bank Research wird die Zahl der Pflegebedürftigen<br />
von derzeit 2,25 Millionen Menschen auf über 4 Millionen im Jahr 2050 steigen.<br />
Entsprechend wird sich dann auch die Zahl der benötigten Pflegekräfte von derzeit<br />
500.000 deutschlandweit auf m<strong>in</strong>destens 1,5 Millionen im Jahr 2050 verdreifachen.<br />
Der Pflegesektor ist somit <strong>e<strong>in</strong></strong> Arbeitsmarkt mit Zukunftsperspektive. Deshalb gilt es<br />
nicht nur die Ausbildung stetig weiter zu entwickeln − beispielsweise mit speziellen<br />
Unterrichts<strong>e<strong>in</strong></strong>heiten, die auf die Bedürfnisse Demenzkranker <strong>e<strong>in</strong></strong>gehen. Außerdem<br />
muss verstärkt um den Nachwuchs geworben werden, um bereits mittelfristig den<br />
Bedarf decken zu können. Vor allem männliche Pflegekräfte gilt es für die Branche<br />
zu gew<strong>in</strong>nen. Bislang ist Altenpflege <strong>e<strong>in</strong></strong> klassischer Frauenberuf: Bis zu 87 Prozent<br />
der Beschäftigten s<strong>in</strong>d weiblich.<br />
7
VII. Die Arbeiterwohlfahrt <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> als Träger von E<strong>in</strong>richtungen<br />
und Diensten im Bereich Altenhilfe<br />
(Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung, Statistische<br />
Berichte, Pflege<strong>e<strong>in</strong></strong>richtungen und Pflegegeldempfänger <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> 2011,<br />
Dezember 2012)<br />
Die bayerische Arbeiterwohlfahrt ist <strong>e<strong>in</strong></strong> bedeutender Träger im Bereich der Altenhilfe.<br />
Die amtliche Statistik weist mit Stand 15. Dezember 2011 folgende Bedeutung der<br />
Freien Wohlfahrtspflege <strong>in</strong> der Altenhilfe aus: Von <strong>in</strong>sgesamt 1.600 Heimen der<br />
Altenhilfe <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> wurden zu diesem Zeitpunkt 767 durch die Freie Wohlfahrtspflege<br />
geführt, 137 davon durch die Arbeiterwohlfahrt.<br />
Die Bewohner<strong>in</strong>nen und Bewohner wurden betreut von <strong>in</strong>sgesamt 90.916 Beschäftigten,<br />
bei den Trägern der Freien Wohlfahrtspflege waren es 47.904, <strong>in</strong> den<br />
Heimen der Arbeiterwohlfahrt über 10.000 Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und Arbeitnehmer.<br />
Mit Stand März 2013 existierten bei der Arbeiterwohlfahrt <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> nach eigenen<br />
Erhebungen<br />
- 137 stationäre Altenpflege<strong>e<strong>in</strong></strong>richtungen<br />
- 46 ambulante Pflegedienste<br />
- 04 solitäre Kurzzeitpflegen (alle anderen stationären E<strong>in</strong>richtungen bieten die<br />
Möglichkeit der Kurzzeitpflege)<br />
- 50 Tagespflegen<br />
- 43 E<strong>in</strong>richtungen mit Seniorenwohnanlagen (<strong>e<strong>in</strong></strong>schl. Betreutes Wohnen)<br />
München, Juni 2013<br />
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