Gemeindebrief - Evang.-Luth. Kirchengemeinde Erding
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Unbezahlt, aber nicht umsonst.<br />
Was bringt Menschen dazu, sich ehrenamtlich zu engagieren? Eine persönliche Antwort<br />
Von Herdana von Fraunberg<br />
Man begegnet ihnen überall: Morgens an<br />
Ampeln und Übergängen, in den Bergen,<br />
am Badesee, auf Straßen und Autobahnen,<br />
in den politischen und kirchlichen<br />
Gemeinden, den Sport- und Kulturvereinen,<br />
im Krankenhaus und Altenheim, bei<br />
Festen und Gottesdiensten, sogar in Gerichtssälen.<br />
Ohne sie wäre unser Gemeinwesen<br />
nicht das, was es ist. Ich wage<br />
sogar zu behaupten: es würde nicht funktionieren.<br />
Selbst diesen <strong>Gemeindebrief</strong><br />
hätten Sie nicht, wenn es sie nicht gäbe:<br />
Die Ehrenamtlichen! Frauen und Männer<br />
als Schulweghelfer, bei der Bergrettung,<br />
Wasserwacht und freiwilligen Feuerwehr,<br />
in den Gemeinderäten, als Trainer und<br />
Betreuer, im Besuchsdienst und der Seelsorge,<br />
als Sänger und Musiker im Gottesdienst<br />
oder im kulturellen Leben, als<br />
Gruppen- und Vereinsleiter, als Schöffen<br />
bei Gericht, im Kindergottesdienst und<br />
der Jugendarbeit, als Mitarbeiter und<br />
Austräger dieses <strong>Gemeindebrief</strong>s und<br />
und ...<br />
Wer sind sie, diese „Ehrenamtlichen?“<br />
Einfachste Antwort: Menschen, die freiwillig<br />
und unbezahlt arbeiten.<br />
Nur - warum tun sie das? Hier wird’s<br />
schon schwieriger mit der Antwort.<br />
Warum setzen Frauen und Männer jeden<br />
Alters, von Jugendlichen bis zu Senioren,<br />
Zeit, Kraft und Talente unbezahlt ein, ja,<br />
zahlen sogar oft selbst dafür: Für Ausrüstung,<br />
Instrumente, Fortbildung, Fahrtkosten<br />
– und können das nicht einmal<br />
steuerlich geltend machen, obwohl die<br />
Allgemeinheit davon profitiert?<br />
„Ich bin unbezahlt berufstätig.“<br />
Diese Frage stelle ich mir einfach mal<br />
selbst. Ich habe fast von Kind an ehrenamtlich<br />
gearbeitet. Angefangen hat es mit<br />
Haussammlungen für den Tierschutzverein.<br />
Warum? Weil ich Tiere mochte (und<br />
mag) und wollte, dass sie geschützt werden.<br />
Dann kamen der Schulchor und das<br />
Schulorchester dazu.<br />
Warum? Weil ich gerne gesungen habe,<br />
nicht ganz so gerne Geige gespielt, aber<br />
umso lieber in der Gruppe und bei meinem<br />
heimlich verehrten Musiklehrer mitgemacht<br />
habe.<br />
In unserer Zeit in Brasilien durfte ich beruflich<br />
nicht tätig sein, ehrenamtlich aber<br />
durchaus. Und es gab mehr als genug<br />
zu tun: Kindergottesdienst, Konfirmandenarbeit,<br />
Frauenarbeit, Besuchsdienst<br />
im Krankenhaus, Erwachsenenbildung.<br />
Manchmal habe ich spaßeshalber gesagt:<br />
„Ich bin unbezahlt berufstätig.“ Es hat mir<br />
Freude gemacht, meine Interessen, Begabungen<br />
und Erfahrungen einzusetzen<br />
und zu entwickeln. Das ist das Reizvolle<br />
am Ehrenamt: Ohne den Druck, damit<br />
Geld verdienen oder Karriere machen zu<br />
müssen, Herausforderungen anzunehmen,<br />
etwas Nützliches zu tun und Kontakte<br />
mit Gleichgesinnten zu knüpfen. Ich<br />
habe selbst unglaublich viel dabei gelernt,<br />
mehr, als ich weitergeben konnte. Nur eines<br />
nicht: Was das mit „Ehre“ zu tun hat.<br />
Bis heute finde ich den Begriff „Ehrenamt“<br />
seltsam.<br />
„Amt“ ja, denn ich habe es immer auch<br />
als Verpflichtung angesehen – und tue<br />
das noch – wenn ich eine Aufgabe übernommen<br />
habe. Das kann schon mal zur<br />
Last werden. Doch es stehen ja nie die<br />
berufliche Existenz oder die Karriere auf<br />
dem Spiel. Der Einsatz ist und bleibt freiwillig<br />
und ich kann das Amt auch wieder<br />
abgeben, die Mitarbeit beenden. Aber<br />
„Ehre?“<br />
Wir haben viele Begabungen und<br />
Talente<br />
Ich suche nach einer Antwort, vielleicht finde<br />
ich sie so:<br />
Jeder Mensch hat viel mehr Gaben und Fähigkeiten,<br />
als in Beruf und Alltag eingesetzt<br />
und ausgeschöpft werden können. Da ist<br />
das freiwillige Engagement für eine Sache,<br />
die einem selbst wichtig ist, die auch Freude<br />
macht, eine Chance, diese Talente nicht ungenutzt<br />
verkümmern zu lassen, sondern sie<br />
sinnvoll für sich und andere einzubringen.<br />
All diese Gaben und Talente haben wir<br />
schließlich gratis bekommen. In einem unserer<br />
schönsten Weihnachtslieder heißt es:<br />
„Ich komme, bring und schenke dir, was<br />
du mir hast gegeben.“ Das ist sicher die<br />
schönste Antwort auf die Frage, warum sich<br />
Menschen freiwillig und unbezahlt einsetzen:<br />
Sie geben etwas von dem zurück, was<br />
sie selbst geschenkt bekommen haben.<br />
Lexikon: Ehrenamt<br />
Der Begriff „Ehrenamt“ verdankt sich der<br />
Demokratisierung. Als im 19. Jahrhundert<br />
der Einfluss des Adels zurückging,<br />
konnten normale Bürger öffentliche Ämter<br />
übernehmen. Ein Beispiel ist die Preußische<br />
Städteordnung von 1808. Hier konnten<br />
Bürger (bis 1912 nur Männer) Mandatsträger<br />
werden und Ämter wie Schöffe<br />
oder Wahlhelfer übernehmen. Sie hatten<br />
aber keinerlei Anspruch auf Entgelt.<br />
Das soziale Ehrenamt entstammt derselben<br />
Zeit. Vorbild für das soziale Ehrenamt<br />
wurde das Elberfelder Modell von 1853<br />
(Elberfeld ist heute ein Ortsteil von Wuppertal).<br />
Nach diesem Modell wurden zur<br />
Durchführung der öffentlichen Armenpflege<br />
die Städte in Bezirke und diese wieder<br />
in Quartiere eingeteilt. Für jedes Quartier<br />
wurde ein ortsansässiger ehrenamtlicher<br />
Pfleger bestellt.<br />
In der Bibel gibt es dazu ein Gleichnis<br />
(Matth. 25, 14- 27). Jesus erzählt darin von<br />
drei Knechten, denen ihr Herr ein Kapital<br />
(Pfunde, Silber) anvertraut, in manchen<br />
Übersetzungen steht für dies Kapital „Gaben“<br />
oder „Talente“, also etwas, das jeder<br />
von uns in der einen oder anderen Form bekommen<br />
hat. Der Herr erwartet, dass seine<br />
Knechte dies anvertraute Kapital während<br />
seiner Abwesenheit sinnvoll einsetzen und<br />
dadurch vermehren. Zwei tun das auch und<br />
werden belohnt. Der Dritte vergräbt seine<br />
Gaben. Er macht nichts daraus und wird<br />
bestraft.<br />
Wieder denke ich daran, wie viele Gaben<br />
wir alle haben, Begabungen und Talente,<br />
die uns und anderen nur dann nutzen, wenn<br />
wir sie auch einsetzen. Nicht aus Angst vor<br />
Strafe, sondern aus Freude an dem, was<br />
uns gegeben ist und was wir einfach weiterschenken<br />
können, unbezahlt, aber bestimmt<br />
nicht umsonst. Oder, wenn man es<br />
denn so sagen will: Zum Wohle aller und<br />
Gott zur Ehre.<br />
Das Ehrenamt ist ein Wahlamt mit Rechten<br />
und Pflichten. „Ehrenamt“ heißt es,<br />
weil es die Gewählten zu ehrenwerten<br />
Mitbürgern und Mitbürgerinnen macht.<br />
Daneben wird heute oft der Begriff „Freiwilligenarbeit“<br />
verwendet. Dieser ist jünger<br />
und ohne geschichtliche Vorbelastung.<br />
Er betont weniger das Amt als das<br />
Sammeln neuer Erfahrungen oder das<br />
Ausprobieren eigener Talente als Motiv<br />
für die Tätigkeit. Ist das Ehrenamt zudem<br />
auf eine gewisse Dauer hin angelegt ist<br />
(für die man ernannt oder gewählt wurde),<br />
kann Freiwilligenarbeit und Freiwilligendienst<br />
nach einer Zeit wieder beendet<br />
werden. Er wird darum gerne benutzt,<br />
wenn man jüngere Leute oder Menschen<br />
in Großstädten ansprechen will.<br />
-ao-<br />
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