Chancen und Möglichkeiten von AbsolventInnen der sozial ... - ibw
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<strong>ibw</strong>-Mitteilungen, Jänner 2004, Gertraud Seiser<br />
GERTRAUD SEISER 1<br />
<strong>Chancen</strong> <strong>und</strong> Möglichkeiten <strong>von</strong> <strong>AbsolventInnen</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>sozial</strong>- <strong>und</strong> kulturwissenschaftlichen<br />
Studienrichtungen am Arbeitsmarkt<br />
am Beispiel <strong>der</strong> Ethnologie, Kultur- <strong>und</strong> Sozialanthropologie<br />
Ethnologie, Kultur- <strong>und</strong> Sozialanthropologie (Völkerk<strong>und</strong>e)<br />
wird immer noch gerne <strong>der</strong> Rubrik „Orchideenfächer“<br />
zugeordnet, insgesamt etwa 2000 Studierende<br />
<strong>und</strong> inzwischen 50-80 <strong>AbsolventInnen</strong> jährlich<br />
bedeuten allerdings bereits eine Herausfor<strong>der</strong>ung für<br />
Institut <strong>und</strong> Arbeitsmarkt. Der Sammelband „Explorationen<br />
ethnologischer Berufsfel<strong>der</strong>“<br />
setzt sich intensiv mit den<br />
<strong>der</strong>zeitigen beruflichen Einmündungen<br />
sowie den <strong>Chancen</strong> <strong>und</strong><br />
Möglichkeiten <strong>der</strong> <strong>AbsolventInnen</strong><br />
dieser <strong>sozial</strong>- <strong>und</strong> kulturwissenschaftlichen<br />
Studienrichtung auseinan<strong>der</strong>.<br />
Neue Anwendungsorientierungen<br />
im Studium selbst<br />
<strong>und</strong> die Überzeugung, dass<br />
interkulturelle Kompetenz in <strong>der</strong><br />
sich globalisierenden Arbeitswelt<br />
in verschiedensten Berufsfel<strong>der</strong>n<br />
nutzbringend eingebracht werden<br />
können, stecken den Rahmen<br />
des 2003 erschienen Rea<strong>der</strong>s ab.<br />
Explorationen ethnologischer Berufsfel<strong>der</strong>.<br />
<strong>Chancen</strong> <strong>und</strong> Risken<br />
für UniversitätsabsolventInnen<br />
Gertraud Seiser, Julia<br />
Czarnowski, Petra Pinkl, Andre<br />
Gingrich (Hg.)<br />
Wien: WUV-Verlag, 2003<br />
€ 21, 80; ISBN 3-85114-722-7<br />
Neue Berufsfel<strong>der</strong> für StudienabsolventInnen werden<br />
selten an den Universitäten kreiert. Sie entstehen, entwickeln<br />
<strong>und</strong> verän<strong>der</strong>n sich außerhalb <strong>der</strong> Mauern des<br />
Elfenbeinturms, <strong>und</strong> es dauert oft lange, bis sie auf<br />
Lehre <strong>und</strong> Forschung zurückwirken. Ist dies doch in<br />
einem größeren Ausmaß <strong>der</strong> Fall, kommen die Impulse<br />
dazu oft <strong>von</strong> <strong>AbsolventInnen</strong>, <strong>der</strong> Wirtschaft o<strong>der</strong> aus<br />
<strong>der</strong> Politik.<br />
Das Institut für Ethnologie, Kultur- <strong>und</strong> Sozialanthropologie<br />
2 <strong>der</strong> Universität Wien, das einzige dieses<br />
Faches in Österreich, hat sich in den letzten 4 bis 5<br />
Jahren sehr intensiv mit den <strong>Chancen</strong> <strong>und</strong> Möglichkeiten<br />
seiner <strong>AbsolventInnen</strong> auseinan<strong>der</strong>gesetzt.<br />
Einen wesentlichen Anstoß dazu bildeten die hochschulpolitischen<br />
Diskussionen<br />
<strong>der</strong> 90er Jahre <strong>und</strong> die Neugestaltung<br />
des Studienrechts.<br />
Die <strong>von</strong> <strong>der</strong> Politik formulierte<br />
For<strong>der</strong>ung nach einer stärkeren<br />
Praxis- <strong>und</strong> Anwendungsorientierung<br />
wurde zeitgleich <strong>von</strong> den<br />
<strong>AbsolventInnen</strong> <strong>und</strong> Studierenden<br />
erhoben. Auch letztere verlangen<br />
im Studium eine stärkere<br />
Konzentration auf außerwissenschaftliche,<br />
aber fachnahe berufliche<br />
Anwendungsfel<strong>der</strong> in interkulturellen<br />
Kontexten.<br />
Dies hat ganz wesentlich mit <strong>der</strong><br />
quantitativen Entwicklung am<br />
Wiener Institut für Ethnologie,<br />
Kultur- <strong>und</strong> Sozialanthropologie<br />
zu tun. Die Studienrichtung<br />
Völkerk<strong>und</strong>e hat in den letzten<br />
20 Jahren einen enormen Zuwachs<br />
an Studierenden <strong>und</strong><br />
<strong>AbsolventInnen</strong> zu verzeichnen.<br />
Im Studienjahr 2003/04 haben mehr als 500 Personen<br />
ein Studium <strong>der</strong> Völkerk<strong>und</strong>e begonnen, in den 80er<br />
Jahren sind es durchschnittlich nur 90 Personen<br />
jährlich gewesen. 1972/73 hat im Vergleich dazu die<br />
Gesamtzahl aller EthnologiestudentInnen erstmals die<br />
Marke <strong>von</strong> 100 Personen überschritten, <strong>der</strong>zeit studieren<br />
etwa 2000 Personen Völkerk<strong>und</strong>e. Nach einer<br />
in den letzten vier, fünf Jahren annähernd gleichbleibenden<br />
durchschnittlichen Studiendauer <strong>von</strong> 8<br />
1
<strong>ibw</strong>-Mitteilungen, Jänner 2004, Gertraud Seiser<br />
Jahren absolvierten seit 1998 jährlich etwa 50<br />
Personen das Studium <strong>der</strong> Völkerk<strong>und</strong>e, 2002 waren<br />
es sogar 80. Trotz <strong>der</strong> Einführung <strong>von</strong> Studiengebühren<br />
im Wintersemester 2001 stieg – an<strong>der</strong>s als in<br />
den meisten Fächern – die Zahl <strong>der</strong> AnfängerInnen <strong>und</strong><br />
jene <strong>der</strong> <strong>AbsolventInnen</strong> nimmt sogar dramatisch zu.<br />
Dies hängt mit einer deutlichen Erhöhung <strong>der</strong><br />
Erfolgsquote bei gleichzeitigem Sinken <strong>der</strong> Studiendauer<br />
zusammen. Die <strong>Chancen</strong> dieser <strong>AbsolventInnen</strong><br />
eine bezahlte Einstiegsmöglichkeit in Wissenschaft <strong>und</strong><br />
Forschung zu finden liegen bei etwa 1:100.<br />
Dadurch sah sich das Institut für Ethnologie, Kultur<strong>und</strong><br />
Sozialanthropologie <strong>der</strong> Universität Wien vor<br />
gr<strong>und</strong>sätzliche Fragen gestellt:<br />
Können <strong>und</strong> wollen wir Kompetenzen anbieten, nach<br />
denen ein gesamtgesellschaftlicher <strong>und</strong> auch außerwissenschaftlicher<br />
Bedarf besteht <strong>und</strong> worin liegt<br />
dieser?<br />
Wie muss das Fach / die Ausbildung aussehen, damit<br />
unsere Studierenden auch berufliche Zukunftsperspektiven<br />
haben?<br />
Ausgehend <strong>von</strong> <strong>der</strong> Überzeugung, dass Sozial- <strong>und</strong><br />
Kulturanthropologie bei entsprechen<strong>der</strong> Fokussierung<br />
in Lehre <strong>und</strong> Forschung zur Lösung gesellschaftlicher<br />
Probleme beitragen kann, initiierte <strong>der</strong> damalige Vorsitzende<br />
<strong>der</strong> Studienkommission Andre Gingrich<br />
zwischen 1998 <strong>und</strong> Juni 2001 eine intensive Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
darüber, wie die Ausbildung im Fach<br />
Ethnologie, Kultur- <strong>und</strong> Sozialanthropologie in Zukunft<br />
aussehen soll. An diesem Prozess waren alle Institutsmitglie<strong>der</strong>,<br />
beson<strong>der</strong>s auch die externen LektorInnen<br />
<strong>und</strong> viele <strong>AbsolventInnen</strong> engagiert beteiligt. Ein<br />
vorläufiger Abschluss <strong>der</strong> Debatte liegt mit dem neuen<br />
Studienplan vor, <strong>der</strong> seit Wintersemester 2002/2003 in<br />
Kraft ist.<br />
Ziel bei <strong>der</strong> Studienplanentwicklung war, eine f<strong>und</strong>ierte<br />
methodische Gr<strong>und</strong>ausbildung zu bieten, inhaltlich am<br />
Stand <strong>der</strong> internationalen Entwicklung zu sein <strong>und</strong><br />
gleichzeitig auch eine akzeptable berufliche Orientierung<br />
zu ermöglichen.<br />
Ein Ergebnis <strong>der</strong> Diskussionen um den neuen<br />
Studienplan war die Entwicklung <strong>von</strong> „Modulen“, die in<br />
fachnahe aber außerwissenschaftliche Anwendungsfel<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Ethnologie einführen sollen. Unter Modulen<br />
werden dabei aufeinan<strong>der</strong> aufbauende Bündel <strong>von</strong><br />
Lehrveranstaltungen verstanden, in denen explizit<br />
versucht wird, BerufspraktikerInnen in die Ausbildung<br />
<strong>der</strong> Studierenden miteinzubeziehen. Vorläufig werden<br />
sechs solcher Module angeboten, wo<strong>von</strong> die Studierenden<br />
mindestens eines <strong>und</strong> maximal zwei zu<br />
absolvieren haben. Alle Module haben ein Ausmaß <strong>von</strong><br />
10 Semesterwochenst<strong>und</strong>en 3 <strong>und</strong> können durch ein<br />
Berufspraktikum sowie Zusatzausbildungen im Rahmen<br />
<strong>der</strong> „Freien Wahlfächer“ ergänzt werden.<br />
Die Module im neuen Studienplan<br />
CROCO (Cross Cultural<br />
Organizations)<br />
Das Modul CROCO soll Studierenden <strong>der</strong> Völkerk<strong>und</strong>e<br />
Einblicke in mögliche Einsatzfel<strong>der</strong> im „Human<br />
Resource Management“ geben. Interkulturelle Fragestellungen<br />
in international tätigen Unternehmungen<br />
stehen dabei im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>.<br />
Mögliche Einsatzfel<strong>der</strong> sind Expatriate Betreuung,<br />
Consulting, Betriebs– <strong>und</strong> Organisationsanthropologie.<br />
ENTOUR<br />
(Entwicklungszusammenarbeit,<br />
angepasste Technologien,<br />
Umweltfragen, sanfter Tourismus)<br />
ENTOUR vermittelt die theoretischen <strong>und</strong> praktischen<br />
Gr<strong>und</strong>kenntnisse <strong>der</strong> internationalen Entwicklungszusammenarbeit.<br />
Dabei wird beson<strong>der</strong>s das Konzept<br />
des „Sustainable Human Development“ berücksichtigt.<br />
Mögliche Einsatzfel<strong>der</strong> liegen in <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />
<strong>und</strong> im Tourismus.<br />
IIMA (Integration, Identität,<br />
Migration, Asyl)<br />
Hier werden die theoretischen Positionen in den<br />
Bereichen Integration, Identität, Migration <strong>und</strong> Asyl<br />
vorgestellt sowie eine Einführung in bereits bestehende<br />
Praxisfel<strong>der</strong> geboten.<br />
Mögliche Einsatzfel<strong>der</strong> bestehen in <strong>der</strong> Migrationsforschung,<br />
in themenspezifischer Sozialberatung <strong>und</strong><br />
Mediation sowie spezialisierter Verwaltung im österreichischen<br />
sowie EU-Kontext.<br />
2
<strong>ibw</strong>-Mitteilungen, Jänner 2004, Gertraud Seiser<br />
INGORAPS (International Non<br />
Governmental Organizations,<br />
Rechtsanthropologie, Internationale<br />
Einsätze, Peace Studies)<br />
Dieses Modul soll die Fähigkeiten för<strong>der</strong>n, spezifisch<br />
ethnologische Kenntnisse <strong>und</strong> Lösungsansätze bei<br />
internationalen Organisationen <strong>und</strong> Einsätzen einzubringen<br />
<strong>und</strong> somit zwischen unterschiedlichen Normensystemen<br />
zu vermitteln.<br />
Mögliche Anwendungen sind Internationale Einsätze,<br />
Internationale Organisationen <strong>und</strong> NGOs.<br />
MAKOTRA (Medical Anthropology,<br />
Körperbewusstsein,<br />
Transkulturalität)<br />
Das Modul MAKOTRA ist im Schnittfeld <strong>von</strong> Ethnologie,<br />
Medizin <strong>und</strong> Gesellschaft angesiedelt. Im<br />
Zentrum steht anwendungsorientiertes Wissen über<br />
kulturspezifische Vorstellungen <strong>und</strong> Praktiken hinsichtlich<br />
Ges<strong>und</strong>heit/ Krankheit.<br />
Mögliche Einsatzfel<strong>der</strong> erstrecken sich <strong>von</strong> <strong>der</strong> Weiterbildung<br />
im Ges<strong>und</strong>heitsbereich über die Entwicklungszusammenarbeit,<br />
Medien- <strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbeit bis<br />
zur Policy Beratung.<br />
MAPOB (Museum, Ausstellung, Public<br />
Events, Öffentlichkeitsarbeit,<br />
Bildung)<br />
Die Vermittlung <strong>von</strong> ethnologischem <strong>und</strong> <strong>sozial</strong>anthropologischem<br />
Wissen im Rahmen <strong>von</strong> Bildungseinrichtungen<br />
verschiedener Art – einschließlich Museen,<br />
Ausstellungen, an<strong>der</strong>en öffentlichen Ereignissen –<br />
gehört zu den traditionellen Berufsfel<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Ethnologie.<br />
Das Modul MAPOB bezweckt eine gezielte Vorbereitung<br />
auf diesen wissenschaftsnahen Anwendungsbereich.<br />
Der Großteil <strong>der</strong> Lehrenden kommt direkt aus diesen<br />
Praxisfel<strong>der</strong>n, in <strong>der</strong> Umsetzung werden die Module<br />
aber <strong>von</strong> am Institut angestellten WissenschafterInnen<br />
koordiniert. Dies soll neue Formen <strong>der</strong> Kooperation <strong>und</strong><br />
Wechselwirkung zwischen außerwissenschaftlichen<br />
Berufsfel<strong>der</strong>n <strong>und</strong> <strong>der</strong> Forschung am Institut ermöglichen.<br />
Aus Son<strong>der</strong>auswertungen eines Forschungsprojekts<br />
verfügt das Fach inzwischen auch über recht brauchbare<br />
Daten zu den Berufseinmündungen <strong>von</strong> EthnologInnen<br />
im Jahr 2000 4 .<br />
Um die außerwissenschaftlichen aber fachnahen Anwendungsfel<strong>der</strong><br />
überhaupt greifbar zu machen, hat<br />
Német versucht, die <strong>der</strong>zeitigen Berufe entlang <strong>der</strong> für<br />
den Studienplan neu konzipierten Module zu kategorisieren.<br />
Zusätzlich wurde noch ein weiterer ethnologischer<br />
Tätigkeitsbereich konstruiert: Journalismus <strong>und</strong><br />
Medien mit Bezug zur Ethnologie. Berufstätigkeiten, die<br />
in eines dieser Module passten, wurden als berufstätig<br />
im Bereich <strong>der</strong> Ethnologie gezählt. Von den außerwissenschaftlich<br />
tätigen Befragten arbeiten demgemäß<br />
38 % innerhalb des Bereichs <strong>der</strong> Ethnologie, 54%<br />
außerhalb, <strong>und</strong> etwa 9% waren zum Befragungszeitpunkt<br />
nicht berufstätig. Interessant ist in diesem<br />
Zusammenhang auch, dass „jüngere <strong>AbsolventInnen</strong>“ –<br />
im Sinne <strong>von</strong> Lebensalter <strong>und</strong> nicht, wie lange <strong>der</strong><br />
Studienabschluss zurückliegt – wesentlich öfter innerhalb<br />
des ethnologischen Bereichs tätig sind.<br />
Die Verteilung <strong>der</strong> beruflichen Tätigkeiten nach den<br />
einzelnen Modulen zeigt folgendes Bild: Spitzenreiter<br />
ist das Modul MAPOB mit etwa 40%, an zweiter Stelle<br />
liegt mit etwa 20 % ENTOUR. Erstaunlich stark<br />
vertreten sind mit 16% INGORAPS <strong>und</strong> mit 12 % IIMA.<br />
Weitere 12 % arbeiten in Medien mit Ethnologiebezug.<br />
Für Berufstätigkeiten, die MAKOTRA <strong>und</strong> CROCO<br />
zuzuordnen wären, fanden sich in <strong>der</strong> Erhebung keine<br />
Belege.<br />
„Explorationen ethnologischer<br />
Berufsfel<strong>der</strong>“<br />
Das vorliegende Buch ist im Zuge <strong>der</strong> Bemühungen,<br />
die Studienplangestaltung stärker auf neue berufliche<br />
Anwendungsfel<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ethnologie abzustellen, entstanden.<br />
Im Wintersemester 1999/2000 <strong>und</strong> im<br />
Sommersemester 2000 haben Andre Gingrich <strong>und</strong> ich<br />
zwei Seminare mit dem Thema „Explorationen<br />
ethnologischer Berufsfel<strong>der</strong>“ durchgeführt. Aufgabe <strong>der</strong><br />
Studierenden war es, Recherchen über größere mögliche<br />
Berufsbereiche anzustellen <strong>und</strong> mit den dort<br />
Tätigen Interviews zu führen. Dabei wurde ein großes<br />
Spektrum <strong>von</strong> Berufssparten entdeckt, in die nach<br />
Ansicht <strong>der</strong> SeminarteilnehmerInnen ethnologische<br />
Kompetenz sinnvoll eingebracht werden könnte.<br />
„Explorationen ethnologischer Berufsfel<strong>der</strong>“ besteht<br />
aus drei Teilen: Die ersten Beiträge befassen sich mit<br />
EthnologInnen am österreichischen Arbeitsmarkt, den<br />
3
<strong>ibw</strong>-Mitteilungen, Jänner 2004, Gertraud Seiser<br />
allgemeinen Tendenzen <strong>und</strong> Strategien, im zweiten Teil<br />
werden klassische Beschäftigungsfel<strong>der</strong> unter neuen<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen untersucht <strong>und</strong> im dritten Teil wird<br />
versucht Perspektiven für neue Beschäftigungsfel<strong>der</strong><br />
zu entwerfen.<br />
Der erste Teil bietet einen allgemeinen Überblick über<br />
die <strong>AbsolventInnen</strong> des Fachs <strong>und</strong> ihre Positionierungen<br />
am Arbeitsmarkt, wobei durchaus unterschiedliche<br />
Blickwinkel gewählt werden. Zum Einstieg legt<br />
Német quantitative Auswertungen über die Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Berufstätigkeit <strong>von</strong> EthnologieabsolventInnen <strong>der</strong><br />
letzten Jahrzehnte vor. Mittels Zuordnung <strong>von</strong> Angaben<br />
aus einer <strong>AbsolventInnen</strong>befragung über die aktuelle<br />
Berufstätigkeit zu den Modulen im neuen Studienplan<br />
versucht er ein ungefähres Bild <strong>von</strong> Tätigkeiten im<br />
fachnahen außerwissenschaftlichen Bereich zu<br />
zeichnen. Den Abschluss des Artikels bilden die<br />
Auswertungen <strong>der</strong> Arbeitslosenstatistik. Auf diese doch<br />
eher ernüchternde Bilanz folgen zusammengefasst<br />
unter „Ethnologie – eine brotlose Kunst?“ drei<br />
Stellungnahmen <strong>von</strong> Arbeitsmarktexperten zu den Zukunftsaussichten<br />
<strong>von</strong> KulturwissenschafterInnen. Der<br />
gemeinsame Nenner <strong>der</strong> drei aus sehr unterschiedlichen<br />
Interessenspositionen Sprechenden (Arbeitsmarktservice,<br />
Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer)<br />
wird <strong>von</strong> Michael Tölle auf den Punkt gebracht: es ist<br />
ein „Risiko“, Ethnologie zu studieren, aber ein<br />
klassisches berufsorientiertes Studium wie Medizin<br />
o<strong>der</strong> Jus kann „gefährlich“ werden. Ein Risiko ist kalkulierbar,<br />
eine Gefahr tritt hingegen unkalkulierbarer, weil<br />
plötzlich <strong>und</strong> unvermittelt auf. In diesem Abschnitt<br />
werden zudem viele nützliche Tipps gegeben, wie<br />
Studierende <strong>und</strong> <strong>AbsolventInnen</strong> ihre Berufseinstiegschancen<br />
vergrößern können. Flexibilität <strong>und</strong> Mobilität<br />
scheinen dabei die zentralsten Anfor<strong>der</strong>ungen für die<br />
Zukunft zu sein. Im Anschluss daran bemühen sich<br />
Nöbauer <strong>und</strong> Zuckerhut um ein soziologisches Profil<br />
<strong>der</strong> EthnologInnen nach Beschäftigungsformen für<br />
1999/2000, wobei ihr Schwerpunkt auf jenen liegt, die<br />
versucht haben, sich innerhalb wie außerhalb <strong>der</strong><br />
Universität wissenschaftlich zu etablieren. Dazu analysieren<br />
sie die Gruppe <strong>der</strong> <strong>AbsolventInnen</strong> nach Geschlecht,<br />
ethnischer <strong>und</strong> religiöser Zugehörigkeit, Alter,<br />
Verpflichtungen gegenüber Kin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Alten sowie<br />
die <strong>sozial</strong>e Herkunft <strong>der</strong> Eltern. Dieses quantitative Bild<br />
<strong>der</strong> <strong>sozial</strong>en Verortung zeigt eines sehr deutlich:<br />
jüngere weiße Männer österreichischer Staatsbürgerschaft<br />
mit „gehobener“ <strong>sozial</strong>er Herkunft <strong>und</strong> ohne<br />
Unterstützungsverpflichtungen gegenüber Kin<strong>der</strong>n o<strong>der</strong><br />
4<br />
sonstigen abhängigen Personen finden deutlich bessere<br />
Ein- <strong>und</strong> Aufstiegsmöglichkeiten in wissenschaftliche<br />
Berufsfel<strong>der</strong> vor. Diese Bef<strong>und</strong>e sind keineswegs<br />
ethnologiespezifisch, aber nur die Kenntnis <strong>von</strong> <strong>der</strong>artigen<br />
Schwachstellen macht solche auch überwindbar.<br />
Die <strong>Chancen</strong> <strong>und</strong> Möglichkeiten, die aus einem<br />
kritischen Potenzial erwachsen, zeigt insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong><br />
Artikel <strong>von</strong> Gingrich. An zwei Fel<strong>der</strong>n, jenem <strong>der</strong><br />
Wissenschaft <strong>und</strong> dem <strong>der</strong> Friedensarbeit, zeigt er,<br />
dass sich die Infragestellung des Status quo als<br />
richtungsweisend <strong>und</strong> zukunftsträchtig erweisen kann.<br />
Die Forschungsleistungen <strong>der</strong> Wiener Ethnologie sind<br />
dadurch <strong>der</strong>zeit auf europäischem Spitzenniveau <strong>und</strong><br />
über konkrete Anwendungsorientierungen wie im<br />
Bereich <strong>der</strong> Friedensarbeit ist es möglich geworden,<br />
dieses Wissen auch gesellschaftlich nutzbringend einzusetzen.<br />
Im zweiten Teil des Bandes werden die „klassischen“<br />
Beschäftigungsfel<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ethnologie vorgestellt <strong>und</strong><br />
hinsichtlich neuer Herausfor<strong>der</strong>ungen unter die Lupe<br />
genommen. Wissensvermittlung, Forschung <strong>und</strong><br />
Medien sowie Tätigkeiten in den Bereichen <strong>der</strong><br />
internationalen Zusammenarbeit werden wohl auch in<br />
naher Zukunft die primären Berufsfel<strong>der</strong> darstellen.<br />
Ackermann <strong>und</strong> Pantucek beschäftigen sich mit den<br />
Arbeits- <strong>und</strong> Lebenssituationen wissenschaftlich tätiger<br />
EthnologInnen, ihren Einstiegssituationen, den Verdienstmöglichkeiten<br />
<strong>und</strong> den Frustrationen. Insgesamt<br />
liefert dieser Artikel ein facettenreiches <strong>und</strong> konkretes<br />
Bild <strong>der</strong> Arbeit <strong>von</strong> EthnologInnen im Feld <strong>der</strong><br />
Wissenschaft, <strong>der</strong> Leidenschaft, mit <strong>der</strong> diese betrieben<br />
wird, <strong>und</strong> <strong>der</strong> Schwierigkeiten, die man/frau dafür in<br />
Kauf nimmt. Ein weiterer wichtiger Arbeitsbereich sind<br />
die Lehrtätigkeit <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Formen <strong>der</strong> Wissensvermittlung<br />
in Einrichtungen <strong>der</strong> Erwachsenenbildung,<br />
an Museen o<strong>der</strong> neue, kreative Formen <strong>der</strong> Kulturvermittlung.<br />
Meindl <strong>und</strong> Pinkl stellen unter dem Titel<br />
„EthnologInnen im österreichischen Kulturbetrieb" zunächst<br />
die wesentlichsten Trägerinstitutionen <strong>der</strong><br />
Erwachsenenbildung vor. Dann präsentieren sie die<br />
Selbstdarstellungen dreier Ethnologinnen – Ingrid<br />
Rauch, Verena Träger <strong>und</strong> Eva Kolm –, die ihre<br />
Tätigkeit im Bildungswesen zwischen den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> Auftraggeber <strong>und</strong> dem, was sie aus<br />
ihrem Studium mitgebracht haben, kritisch reflektieren.<br />
Auch im Bereich <strong>der</strong> Medien sind Ethnologinnen in<br />
Österreich durchaus vertreten: im ORF, in etlichen<br />
Massenprintmedien ebenso wie in alternativen Medien<br />
sind <strong>AbsolventInnen</strong> dieses Faches mit Erfolg tätig.
<strong>ibw</strong>-Mitteilungen, Jänner 2004, Gertraud Seiser<br />
Einige <strong>der</strong> dort gemachten Erfahrungen fassen Dirtl<br />
<strong>und</strong> Obenaus in ihrem Beitrag für diesen Band mithilfe<br />
<strong>von</strong> Interviews so zusammen, dass auch jüngere<br />
<strong>AbsolventInnen</strong> da<strong>von</strong> profitieren können. Zu Wort<br />
kommt die Chefredakteurin des "Südwind" <strong>und</strong> eine<br />
Mitarbeiterin des "Standard", die aus ihrer beruflichen<br />
Praxis im Spannungsfeld zwischen ethnologischen<br />
Interessen <strong>und</strong> medialer Professionalität berichten.<br />
5<br />
Zumindest in Deutschland folgt als nächste unmittelbare<br />
berufliche Assoziation zur Ethnologie die<br />
Entwicklungszusammenarbeit. Burger-Scheidlin,<br />
Fraunlob <strong>und</strong> Schwaighofer interviewten maßgebliche<br />
VertreterInnen <strong>und</strong> PraktikerInnen <strong>der</strong> österreichischen<br />
Entwicklungszusammenarbeit <strong>und</strong> stellten dabei fest,<br />
dass EthnologInnen zwar über eine für die EZA<br />
notwendige interkulturelle Sensibilität <strong>und</strong> die entsprechende<br />
regionale Kompetenz verfügen, aber vergleichsweise<br />
selten in den EZA-Institutionen beschäftigt<br />
werden. Die Autorinnen zeigen viele konkrete<br />
Ansatzpunkte auf, wie diese Situation in Zukunft<br />
geän<strong>der</strong>t werden könnte. Humanitäres <strong>und</strong> <strong>sozial</strong>es<br />
Engagement ist eine häufige Motivation bei <strong>der</strong><br />
Studienwahl für Ethnologie, Sozial- <strong>und</strong> Kulturanthropologie,<br />
was vielleicht erklärt, warum beson<strong>der</strong>s<br />
viele EthnologInnen in NGO’s, Vereinen <strong>und</strong> <strong>sozial</strong>en<br />
Organisationen im Umwelt-, Migrations- <strong>und</strong> Flüchtlingsbereich<br />
tätig sind. Arbeitsplatzsicherheit <strong>und</strong> gute<br />
Verdienstaussichten sind nämlich keine Charakteristika<br />
dieses Feldes, wie Gönitzer, Zoubek <strong>und</strong> Warta<br />
anhand <strong>von</strong> Interviews mit langjährigen Profis in <strong>der</strong><br />
NGO-Szene herausarbeiten. Mit <strong>der</strong> „beson<strong>der</strong>en<br />
Qualität“ <strong>von</strong> EthnologInnen beschäftigt sich auch<br />
Smutnys Beitrag über Friedenseinsätze internationaler<br />
Organisationen. Ethnologisches Fachwissen, Sensibilität<br />
bezüglich kultureller o<strong>der</strong> ethnischer Unterschiede<br />
<strong>und</strong> das sogenannte Fingerspitzengefühl sind gute<br />
Voraussetzungen <strong>von</strong> EthnologInnen für die Friedensarbeit.<br />
Sei es zur Menschenrechtsbeobachtung <strong>und</strong><br />
Demokratisierung, zur Wahldurchführung <strong>und</strong> -beobachtung,<br />
bei humanitären Hilfsaktionen o<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />
Flüchtlingsarbeit, den weitreichenden Beschäftigungsmöglichkeiten<br />
im Feld <strong>der</strong> internationalen Organisationen<br />
scheinen auch aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> steigenden Gewalt<strong>und</strong><br />
Kriegsbereitschaft keine Grenzen gesetzt zu sein.<br />
Wie regionales Schwerpunktwissen <strong>und</strong> lokale Sprachkenntnisse,<br />
gepaart mit praktischen Erfahrungen durch<br />
eine Feldforschung <strong>von</strong> Vorteil sein können, zeigt<br />
beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Bericht <strong>von</strong> Hazdra, <strong>der</strong> mit einem<br />
internationalen Beobachterteam <strong>der</strong> Vereinten Nationen<br />
die Entwaffnung <strong>von</strong> Kombattanten in Zentralkambodscha<br />
beaufsichtigt hat.<br />
Der letzte Abschnitt beschäftigt sich mit jenen Berufsfel<strong>der</strong>n,<br />
bei denen es sich in Hinkunft beson<strong>der</strong>s<br />
"lohnen" dürfte, dass EthnologInnen sich um ihre<br />
Erschließung bemühen. Zunächst wird das Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
behandelt, da hier schon verschiedentlich<br />
Bedarf nach interkulturellen VermittlerInnen angemeldet<br />
worden ist. Siegert <strong>und</strong> Czarnowski untersuchen<br />
ausgewählte, konkrete Einsatzbereiche, wie Therapie,<br />
medizinisch-<strong>sozial</strong>e Dienste o<strong>der</strong> medizinisches<br />
Consulting. Dabei kommen ExpertInnen mit <strong>und</strong> ohne<br />
ethnologische Ausbildung zu Wort, <strong>der</strong>en Einschätzungen<br />
für solche ethnologischen Einsätze <strong>der</strong><br />
Leserschaft als Orientierungshilfen dienen sollen. Ein<br />
an<strong>der</strong>er Berufssektor, in dem ethnologische Expertise<br />
für die hier immer wie<strong>der</strong> auftretenden Spannungen<br />
durchaus benötigt werden könnte, ist jener <strong>der</strong> Polizei.<br />
Der Artikel <strong>von</strong> Digruber <strong>und</strong> Strasser beschäftigt sich<br />
mit <strong>der</strong> Exekutive <strong>und</strong> <strong>der</strong> Fähigkeit <strong>von</strong> EthnologInnen,<br />
als MediatorInnen zwischen Menschen mit unterschiedlichen<br />
Meinungen <strong>und</strong> Lebensentwürfen zu fungieren.<br />
Sie stellen kultursensible Trainingsprogramme in <strong>der</strong><br />
Polizeiausbildung vor. Es geht dabei nicht um das<br />
„richtige Verhalten“ <strong>der</strong> BeamtInnen per se, denn<br />
dieses muss an jeden Menschen <strong>und</strong> an jede Situation<br />
neu angepasst werden, son<strong>der</strong>n darum, Pauschalurteile<br />
zu reflektieren <strong>und</strong> eine interkulturelle Dialogfähigkeit<br />
zu schulen. Den Abschluss des Bandes bildet<br />
die Diskussion jenes weiten Feldes, in dem EthnologInnen<br />
in Österreich zwar bisher noch die wenigsten<br />
Erfahrungen gesammelt haben, für das aber zugleich<br />
beson<strong>der</strong>s interessante Möglichkeiten identifizierbar<br />
sind. Wrana <strong>und</strong> Schmidt befassen sich mit dem, was<br />
die Ethnologie, Sozial- <strong>und</strong> Kulturanthropologie Wirtschaftsbetrieben<br />
zu bieten hat. Sie zeigen ethnologische<br />
Potenziale im Bereich <strong>der</strong> Organisationsberatung<br />
auf, bringen ein ausführliches Interview mit<br />
dem Spitzenmanager des Wiener Zweiges eines<br />
internationalen Versicherungs- „Multis“ <strong>und</strong> bearbeiten<br />
letztlich ein Defizit, an dem EthnologInnen häufig<br />
leiden: Gemeint ist die Notwendigkeit einer stark<br />
verbesserten „Selbstvermarktung“ <strong>der</strong> <strong>AbsolventInnen</strong><br />
unseres Faches.<br />
Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> kaum vorhandenen Beschäftigungsmöglichkeiten<br />
im wissenschaftlichen Umfeld ist also ein<br />
dringen<strong>der</strong> Bedarf an Umorientierung geboten. Und<br />
genau dazu will dieser Sammelband auch beitragen. Er
<strong>ibw</strong>-Mitteilungen, Jänner 2004, Gertraud Seiser<br />
wendet sich daher nicht an die „scientific community“,<br />
die internationale Gemeinschaft <strong>der</strong> WissenschafterInnen<br />
in unserem Fach, son<strong>der</strong>n an MaturantInnen vor<br />
<strong>der</strong> Studienwahl, Studierende <strong>der</strong> Sozial- <strong>und</strong> Kulturanthropologie<br />
zur Unterstützung bei Entscheidungen<br />
während des Studiums <strong>und</strong> DiplomandInnen <strong>und</strong><br />
<strong>AbsolventInnen</strong>, da Eigeninitiative <strong>der</strong> angehenden<br />
EthnologInnen bei <strong>der</strong> Suche o<strong>der</strong> Entwicklung <strong>von</strong><br />
neuen beruflichen Anwendungsfel<strong>der</strong>n beson<strong>der</strong>s relevant<br />
ist. Eine weitere Zielgruppe sind potentielle ArbeitgeberInnen<br />
<strong>und</strong> dies aus zweierlei Gründen: Ethnologie/Völkerk<strong>und</strong>e<br />
hat immer noch mit einem Imageproblem<br />
zu kämpfen. Erstens wird das Fach <strong>von</strong> manchen<br />
als exotische „Orchideenwissenschaft“ gesehen<br />
<strong>und</strong> seine <strong>AbsolventInnen</strong> als unspezifische Akade-mikerInnen,<br />
die keine unmittelbar verwertbaren Kompetenzen<br />
mitbringen. Gerade hier geht es uns auch um<br />
ein Aufmerksammachen auf Einsatzmöglichkeiten,<br />
Kernkompetenzen <strong>und</strong> mittrainierte Soft-skills, die<br />
EthnologInnen sehr wohl <strong>von</strong> <strong>AbsolventInnen</strong> an<strong>der</strong>er<br />
Fachrichtungen unterscheiden. Zweitens hat die Universität<br />
als Ausbildungsstätte nur beschränkte Einflussmöglichkeiten<br />
auf die Schaffung <strong>und</strong> Etablierung<br />
außerwissenschaftlicher Berufsfel<strong>der</strong>. Wenn es gelingt,<br />
Institutionen <strong>und</strong> Betriebe beispielsweise für Praktikaplätze<br />
zu gewinnen <strong>und</strong> so <strong>von</strong> <strong>der</strong> Qualifikation <strong>von</strong><br />
EthnologInnen zu überzeugen, könnten neue Beziehungen<br />
zwischen Universität <strong>und</strong> Berufswelt zum<br />
bei<strong>der</strong>seitigen Nutzen zustande kommen.<br />
Ethnologie o<strong>der</strong> Völkerk<strong>und</strong>e ist schon lange nicht<br />
mehr das, womit sie noch <strong>von</strong> vielen Außenstehenden<br />
assoziiert wird. Die nicht-industrialisierten, schriftlosen<br />
Völker, die auf geheimnisvollen fremden Kontinenten<br />
leben <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Kultur <strong>und</strong> Lebensweise es zu<br />
erforschen gilt, sind verschw<strong>und</strong>en – sofern diesem<br />
Konstrukt jemals Realität innewohnte. Kulturelle <strong>und</strong><br />
gesellschaftliche Differenzen haben sich deswegen<br />
aber nicht aufgelöst, son<strong>der</strong>n sind gewissermaßen zu<br />
einem Bestandteil des Alltags hier <strong>und</strong> heute sowie<br />
überall geworden. So gesehen hat das Fach weiterhin -<br />
<strong>und</strong> viel unmittelbarer als zuvor – Zukunftsweisendes<br />
<strong>und</strong> Nützliches zu bieten, wenn auch die beruflichen<br />
Anwendungen im Sinne <strong>von</strong> abgegrenzten Berufsfel<strong>der</strong>n<br />
erst im Entstehen begriffen sind.<br />
Eine wesentliche For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> des<br />
Arbeitsmarktservice besteht in mehr Praxisrelevanz<br />
<strong>und</strong> mehr Praxisnachweis. In Deutschland ist demgemäß<br />
ein weit verbreitetes System <strong>von</strong> Praktikumplätzen<br />
<strong>und</strong> Volontariaten in Betrieben <strong>und</strong> öffentlichen<br />
Einrichtungen vorhanden. Eine Hamburger wie aktuelle<br />
Berliner <strong>AbsolventInnen</strong>befragungen zeigen deutlich,<br />
dass EthnologInnen, die während des Studiums<br />
Praktika absolvierten, signifikant bessere Berufseinstiegsmöglichkeiten<br />
vorfanden. In österreichischen<br />
Stellenangeboten wird zwar regelmäßig entsprechende<br />
Praxiserfahrung eingefor<strong>der</strong>t, Betriebe <strong>und</strong> öffentliche<br />
Institutionen zögern aber, geeignete Praktikaplätze<br />
anzubieten. Vielleicht kann dieser Artikel bzw das Buch<br />
beitragen, die eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Barriere abzubauen<br />
<strong>und</strong> neue Impulse zu setzen.<br />
6
<strong>ibw</strong>-Mitteilungen, Jänner 2004, Gertraud Seiser<br />
Abb. 6<br />
Tätigkeitsbereiche außerhalb Ethnologie<br />
Sonstiges<br />
11%<br />
Bildungswesen<br />
22%<br />
Wirtschaft/<br />
EDV<br />
28%<br />
öffentl.<br />
Verwaltung<br />
3%<br />
wissenschaftsnahe<br />
Einricht.<br />
11%<br />
Kunst/<br />
Medien<br />
11%<br />
Soziale<br />
Dienste<br />
14%<br />
Quelle: Mark Német: EthnologInnen im Beruf. Ein quantitativer Überblick. In: Explorationen ethnologischer Berufsfel<strong>der</strong> 23-38: 33<br />
Abb. 5<br />
Tätigkeitsbereiche innerhalb Ethnologie<br />
Integration,<br />
Identität,<br />
Migration, Asyl<br />
12%<br />
Medien -<br />
Ethnologiebezug<br />
12%<br />
Museen,<br />
Ausstellungen<br />
, Public<br />
Events,<br />
Öffentlichkeitsarbeit,<br />
Bildung<br />
40%<br />
Intern.nongovernmental<br />
Organis.,<br />
Rechtsanthr.,<br />
intern. Eins.,<br />
Peace Studies<br />
16%<br />
Entwickl.zusammenarbeit,<br />
angepaßte<br />
Techn.,<br />
Umwelt,<br />
Tourismus<br />
20%<br />
Quelle: Mark Német: EthnologInnen im Beruf. Ein quantitativer Überblick. In: Explorationen ethnologischer Berufsfel<strong>der</strong> 23-38: 32<br />
7
<strong>ibw</strong>-Mitteilungen, Jänner 2004, Gertraud Seiser<br />
1 Gertraud Seiser ist seit 2000 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ethnologie, Kultur- <strong>und</strong> Sozialanthropologie, davor<br />
12 Jahre im Wissenschaftsministerium in den Bereichen Studien- <strong>und</strong> Berufsinformation, Frauenför<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> Controlling<br />
tätig. Sie war am Institut in mehrere Arbeitsgruppen während <strong>der</strong> Studienplanerstellung <strong>und</strong> Implementierung involviert.<br />
Institut für Ethnologie, Kultur- <strong>und</strong> Sozialanthroplogie <strong>der</strong> Universität Wien, Universitätsstraße 7/IV, A-1010 Wien<br />
2 Zur Frage <strong>der</strong> Benennung <strong>der</strong> Disziplin: Der offizielle Name <strong>der</strong> Studienrichtung lautet <strong>der</strong>zeit noch „Völkerk<strong>und</strong>e“. Das für die<br />
Ausbildung verantwortliche Universitätsinstitut hat sich im Zuge <strong>der</strong> Universitätsreform in „Institut für Ethnologie, Kultur- <strong>und</strong><br />
Sozialanthropologie“ umbenannt. Eine entsprechende Umbenennung <strong>der</strong> Studienrichtung wurde bereits beantragt.<br />
3 Die Studienrichtung Völkerk<strong>und</strong>e hat nach neuem Studienplan eine Gesamtst<strong>und</strong>enzahl <strong>von</strong> 120 Semesterst<strong>und</strong>en, wo<strong>von</strong> 72<br />
auf „Völkerk<strong>und</strong>e“ <strong>und</strong> 48 Semesterst<strong>und</strong>en auf „Freie Wahlfächer“ entfallen. Ein explizites Zweitfach gibt es nicht mehr.<br />
4 Herta Nöbauer, Patrizia Zuckerhut: Differenzen. Einschlüsse <strong>und</strong> Ausschlüsse – Innen <strong>und</strong> Außen – Universität <strong>und</strong> freie<br />
Wissenschaft. Wien 2002. Da ein Bestandteil dieses Projektes die Ausfindigmachung aller bisherigen <strong>AbsolventInnen</strong> <strong>der</strong><br />
Ethnologie <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Einbeziehung in eine Fragebogenerhebung war, wurde dem Projektfragebogen noch eine Son<strong>der</strong>seite<br />
über die berufliche Situation <strong>der</strong> <strong>AbsolventInnen</strong> angehängt. Mark Német, <strong>der</strong> im Rahmen seiner Dissertation eine quantitative<br />
Bestandsaufnahme <strong>der</strong> österreichischen EthnologInnen durchführte, hat diesen Son<strong>der</strong>fragebogen ausgewertet.<br />
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