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SOTE 2007_1 - IFZ

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Neue Biotechnologien<br />

als Zusatzstoffe werden (weiterhin) gekennzeichnet,<br />

Hinweise auf die Herstellung mit<br />

GVM werden vorsaussichtlich ebenfalls<br />

nicht realisiert.<br />

Vor allem in Hinblick auf letzteren Punkt<br />

ergeben sich Berührungspunkte bzw.<br />

Schnittstellen mit der Verordnung 1829/<br />

2003 zu genetisch veränderten Lebens- und<br />

Futtermitteln. Die Nichterwähnung des<br />

Gentechnikaspektes im Kennzeichnungsregime<br />

für Lebensmittelenzyme muss daher<br />

auch im Zusammenhang mit den jüngsten<br />

Klarstellungen der Kommission zu Fermentationsprodukten<br />

gesehen werden. 6 Danach<br />

sind Enzyme mit GVM nicht kennzeichnungspflichtig,<br />

während dasselbe als Zusatzstoff<br />

verwendete Enzym aus genetisch<br />

veränderten Pflanzen hergestellt sehr wohl<br />

als aus GVO stammend zu kennzeichnen<br />

wäre. Hierbei geht man vom impliziten<br />

Prinzip der Verordnung 1829/2003, dass<br />

Kennzeichnung nicht von der Nachweisbarkeit,<br />

sondern von der Anwendung der Gentechnik<br />

bestimmt wird, ab. Wie weit man<br />

hier den Anwendungsbegriff fasst, wird bei<br />

der umstrittenen Nicht-Kennzeichnung von<br />

tierischen Produkten deutlich, die mit Futtermitteln<br />

aus GVO gefüttert wurden oder<br />

von GVM, deren Nährmedien Bestandteile<br />

aus GVO enthalten. Bei Enzymen und anderen<br />

Fermentationsprodukten aus GVM<br />

versucht man eine weitere Grenzziehung,<br />

die nicht nur aus den oben genannten Aspekten<br />

das Potenzial für Kontroversen hat.<br />

Diese vollständige Herausnahme von Enzymen<br />

und Zusatzstoffen aus GVM aus der<br />

Kennzeichnungspflicht könnte auch mittel-<br />

und langfristige Nebeneffekte auf die<br />

Versorgung mit gentechnikfreien Lebensmitteln<br />

und Lebensmittelzutaten haben.<br />

Enzyme und gentechnikfreie<br />

Lebensmittel<br />

Gentechnikfrei hergestellte Enzyme und<br />

Zusatzstoffe sind bislang eine unbedingtes<br />

Erfordernis für bio- und (nach der Definition<br />

des österreichischen Lebensmittelkodex)<br />

gentechnikfreie Produkte. In der Herstellung<br />

dieser Stoffe ist allerdings ein seit<br />

nahezu zwei Jahrzehnten andauernder<br />

starker Trend in Richtung des Einsatzes<br />

von GVM zu beobachten. Raschere Innovationszyklen,<br />

eine nahezu unbeschränkte<br />

Verfügbarkeit von Enzymen und weitere<br />

technische und ökonomische Vorteile haben<br />

die Gentechnik zu einer dominanten<br />

Innovationsstrategie gemacht. Dass es mit<br />

der Verfügbarkeit von Enzymen nicht<br />

schlecht steht, liegt nicht unwesentlich an<br />

der starken Nachfrage aus der konventionellen<br />

Lebensmittelproduktion, während<br />

sich aus der Sicht der Enzymhersteller Biound<br />

Gentechnikfreiheit als Nischenmarkt<br />

darstellen. Diese Nachfrage aus der konventionellen<br />

Lebensmittelproduktion zumindest<br />

in Österreich, Deutschland und der<br />

Schweiz scheint einem antizipierten KonsumentInneninteresse<br />

entgegenzukommen.<br />

Möglich ist aber auch, dass man aufgrund<br />

der Erfahrungen mit der schrittweisen Ausweitung<br />

der Kennzeichnung von Gentechniklebensmitteln<br />

in den letzten 10 Jahren<br />

vermeiden wollte, bei einer eventuell weiteren<br />

Ausweitung der Kennzeichnung auf Enzyme<br />

und/oder Zusatzstoffe plötzlich viele<br />

Produkte kennzeichnen zu müssen. Und<br />

kennzeichnungspflichtige Produkte scheint<br />

man vorerst vermeiden zu wollen.<br />

Zunehmende Akzeptanz von<br />

gentechnisch hergestellten<br />

Enzymen und Zusatzstoffen?<br />

Diese Vermeidungsstrategie scheint nun<br />

nicht länger erforderlich. Als ein weiterer<br />

Indikator sind Signale von Seiten des Biolandbaus<br />

und des KonsumentInnenschutzes<br />

in Richtung einer zunehmenden Akzeptanz<br />

von Enzymen und Zusatzstoffen aus<br />

GVM zu sehen. Hier beginnt man deutlicher<br />

zwischen dem Anbau von genetisch<br />

veränderten Pflanzen auf freiem Feld und<br />

der Produktion von Stoffen durch GVM in<br />

geschlossenen Industrieanlagen zu differenzieren.<br />

Im Rahmen der Überarbeitung der<br />

EU-Bioverordnung wird diskutiert, fallspezifische<br />

Ausnahmen vom strikten Gentechnikverbot<br />

für Zusatzstoffe zu machen, die<br />

nicht mehr anderweitig verfügbar sind (tatsächlich<br />

trifft dies auf einzelne Vitamine<br />

und Aminosäuren bereits zu). Dies könnte<br />

sich dann auch in der Überarbeitung der<br />

Definition zur Gentechnikfreiheit im Rahmen<br />

des österreichischen Lebensmittelkodex<br />

niederschlagen. Von Seiten des KonsumentInnenschutzes<br />

scheint man nicht länger<br />

geschlossen an einer möglichst weitreichenden<br />

Kennzeichnung festzuhalten, zumindest<br />

manche nationale Organisationen<br />

geben sich diesbezüglich pragmatischer.<br />

Würde nun die Nachfrage des konventionellen<br />

Lebensmittelsektors nach gentechnikfreien<br />

Lebensmittelenzymen und -zusatzstoffen<br />

nachlassen, könnte dies die Verfügbarkeit<br />

dieser Produkte weiter einschränken<br />

und die Nischenmärkte Bio- und Gentechnikfrei<br />

stärker unter Druck bringen. Zudem<br />

könnten für Enzymhersteller neue Kosten<br />

durch das Zulassungsverfahren in geschätzter<br />

Höhe von bis zu 350.000 Euro entstehen,<br />

was es erschweren oder unmöglich<br />

machen würde, kleinvolumige gentechnikfreie<br />

Nischenprodukte auf den Markt zu<br />

bringen bzw. zu halten. Damit könnte sich<br />

eine Spirale in Gang setzen, die letztlich auf<br />

eine schrittweise Akzeptanz von Enzymen<br />

und Zuatzstoffen aus GVM in konventionellen<br />

Produkten, aber auch in Bio- und Gentechnikfrei-Produkten<br />

hinauslaufen könnte.<br />

Allerdings ist hier noch von keiner Seite das<br />

letzte Wort gesprochen. Es ist noch offen,<br />

ob die Interpretation der Kommission von<br />

GVM als Verarbeitungshilfsstoffe nicht<br />

doch mehr als weniger Probleme und Inkonsistenzen<br />

schafft. Auch ist anzunehmen,<br />

dass es unter den EU-Mitgliedstaaten unterschiedliche<br />

Sichtweisen zur Kennzeichnung<br />

des Gentechnikaspektes von Enzymen gibt,<br />

und es ist nicht auszuschließen, ob nicht<br />

doch Kriterien gefunden werden, die eine<br />

Kennzeichnung von bestimmen Enzymen<br />

als sinnvoll erscheinen lassen.<br />

Anmerkungen<br />

1 Spök, A., W. Aberer, A. Boyer, G. Getzinger,<br />

P. Krajnik, B. Kränke, M. Preiss, B. M.<br />

Scherbler, J. Steindl, J. Suschek-Berger, F.<br />

Weinberger: Enzyme in Wasch- und Reinigungsmitteln.<br />

Technikfolgenabschätzung<br />

und -bewertung unter besonderer Berücksichtigung<br />

der Anwendungen der Gentechnologie.<br />

Wien: BMJUF 1998 (= Schriftenreihe<br />

des Bundesministeriums für Umwelt,<br />

Jugend und Familie 29).<br />

2 Federal Environment Agency/Inter-University<br />

Research Centre for Technology<br />

Work, and Culture: Collection of Information<br />

on Enzymes. Final Report. Luxembourg:<br />

European Commission 2002;<br />

http://europa.eu.int/comm/environment/<br />

dansub/enzymerepcomplete.pdf.<br />

3 Spök, A., M. Proksch: Lebensmittelenzyme<br />

in der EU – Herstellung, Anwendungen,<br />

Marktsituation und rechtliche Regelungen.<br />

Projektendbericht. <strong>IFZ</strong>: Graz 2006.<br />

4 European Commission: Proposal for a<br />

Regulation of the European Parliament<br />

and of the Council on food enzymes and<br />

amending Council Directive 83/417/EEC,<br />

Council Regulation (EC) No 1493/1999,<br />

Directive 2000/13/EC, and Council Directive<br />

2001/112/EC. COM(2006) 425 final.<br />

28.7.2006.<br />

5 Siehe Anmerkung 2.<br />

6 European Commission: Report from the<br />

Commission to the Council and the European<br />

Parliament on the implementation of<br />

Regulation (EC) No 1829/2003 of the European<br />

Parliament and of the Council on genetically<br />

modified food and feed.<br />

COM(2006) 626 final. ■<br />

Soziale Technik 1/<strong>2007</strong><br />

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