Aktueller Artikel: Plastikmüll im Meer - IFZ
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Neue Biotechnologien<br />
von gv-Pflanzen und ihre Verteilung auf die<br />
Wirtschaftsakteure der Pflanzenproduktionskette<br />
(Saatguthersteller, Landwirte, Lebensmittel-<br />
und Futtermittelhersteller,<br />
Konsument/innen). Diese auf Modellrechnungen<br />
beruhenden Studien gehen jedoch<br />
in ihren Ergebnissen weit auseinander – je<br />
nach gewählten Modellparametern.<br />
Ein interessantes Merkmal sozioökonomischer<br />
Informationen und Abschätzungen ist<br />
ihre Abhängigkeit vom jeweiligen geografischen,<br />
(agrar-)ökonomischen und soziokulturellen<br />
Kontext. Bei gesundheitlichen Auswirkungen<br />
war dies bislang kaum ein Thema.<br />
Bei Umweltauswirkungen war die Rolle<br />
von kl<strong>im</strong>atischen, geographischen und<br />
agronomischen Aspekten schon wichtiger.<br />
Notwendigkeit von Leitlinien<br />
Ähnlich wie bei der Risikoabschätzung wird<br />
man sich daher bei der Abschätzung von<br />
sozioökonomischen Auswirkungen auf Eingrenzungen<br />
und Leitlinien einigen müssen,<br />
um zu vergleich- und diskutierbaren Bewertungen<br />
zu kommen. Die Notwendigkeit<br />
solcher Leitlinien wird auch durch die widersprüchlichen<br />
Ergebnisse und Schlussfolgerungen<br />
vorliegender Studien deutlich.<br />
Bei der Frage nach der Reichweite von sozioökonomischen<br />
Bewertungen wird es<br />
z. B. darum gehen, ob Auswirkungen auf<br />
Drittländer, insbesondere Länder des Südens,<br />
mit einbezogen werden, wie dies derzeit<br />
in der Gentechnikgesetzgebung Norwegens<br />
vorgesehen ist.<br />
Hat man einmal den Abschätzungsrahmen<br />
definiert, wäre abzust<strong>im</strong>men, welche Indikatoren<br />
herangezogen, welche Methoden<br />
empfohlen werden und auf welcher normativen<br />
Grundlage bewertet wird. Auch<br />
letztere spiegelt eine gewisse Kontextspezifität<br />
wider. Die niederländische Gentechnikkommission<br />
COGEM hat beispielsweise<br />
konventionelle Landwirtschaft als Referenzgrundlage<br />
für Bewertungen vorgeschlagen.<br />
Darunter wäre für die Niederlande<br />
allerdings eher eine industrielle<br />
Landwirtschaft und für Österreich eher<br />
eine kleinstrukturierte, bäuerliche und<br />
nachhaltige Landwirtschaft, deren multifunktionelle<br />
Rolle bereits seit Jahrzehnten<br />
ein zentrales Thema der Landwirtschaftsund<br />
Regionalpolitik ist, zu verstehen.<br />
Wo sollte eine solche Abschätzung<br />
verortet sein?<br />
Diese Kontextspezifität erfordert spezifische<br />
nationale und regionale Detailkenntnisse.<br />
Eine Abschätzung auf EU-Ebene alleine<br />
ist daher wohl nicht realistisch, eine<br />
Beteiligung der Mitgliedstaaten unumgänglich.<br />
Um den Anforderungen eines<br />
EU-Verfahrens zu genügen, müssen solche<br />
Abschätzungen trotzdem auf EU-Ebene diskutierbar<br />
sein. Hilfreich wäre daher zum<br />
Beispiel, auf der EU-Ebene Leitlinien für<br />
die Durchführung solcher Abschätzungen<br />
auf nationaler Ebene zu formulieren.<br />
Unklar ist, in welcher EU-Institution derartige<br />
Arbeiten verortet sein könnten. Aus<br />
der Sicht mancher Kommentatoren können<br />
sozioökonomische Auswirkungen in<br />
analoger Form wie gesundheitliche und<br />
umweltbezogene Auswirkungen durch ein<br />
entsprechend zusammengesetztes wissenschaftliches<br />
Komitee untersucht werden –<br />
eventuell könnte dafür eine Social Science<br />
Unit bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit<br />
(EFSA) eingerichtet<br />
werden. Andere sehen hierbei Probleme<br />
mit dem allgemeinen Lebensmittelrecht<br />
der EU 3 . Hinzu kommt, dass die EFSA in<br />
den Augen mancher Stakeholder und Mitgliedsländer<br />
<strong>im</strong> Zusammenhang mit GVO<br />
wenig Vertrauen genießt. Alternativ wäre<br />
eine Einrichtung ähnlich des europäischen<br />
Expertenrates „European Group on Ethics<br />
in Science and New Technologies” eine<br />
Möglichkeit – allerdings eher für globale<br />
und nicht für routinemäßige Abschätzungen<br />
<strong>im</strong> Rahmen von Marktzulassungen.<br />
Ausblick<br />
Die Etablierung einer sozioökonomischen<br />
Abschätzung von GVO auf EU-Ebene ist<br />
mit Sicherheit eine komplexe Herausforderung<br />
und wäre mit einem schwierigen und<br />
langen Einigungsprozess verbunden, speziell<br />
dann, wenn – ähnlich wie in Norwegen<br />
– eine solche als verpflichtendes Verfahren<br />
parallel zur Risikoabschätzung zu<br />
durchlaufen wäre. Selbst wenn man sich<br />
einmal auf gemeinsame Leitlinien geeinigt<br />
hat, ist weiterhin zu erwarten, dass Vorund<br />
Nachteile auf unterschiedlichen Ebenen<br />
der Bewertung von den einzelnen EU-<br />
Mitgliedstaaten auch unterschiedlich gewichtet<br />
werden. Ob daraus mehr Einigkeit<br />
abgeleitet werden kann, ist daher in Zweifel<br />
zu ziehen.<br />
Eine alternative Wendung könnte das<br />
Thema durch die Koppelung mit der laufenden<br />
Diskussion über eine „Renationalisierung“<br />
des Anbaus von gv-Pflanzen erhalten.<br />
Ein entsprechender Kommissionsvorschlag<br />
sieht die Möglichkeit eines nationalen<br />
Aussetzens von Anbauzulassungen<br />
explizit als auf Basis sozioökonomischer<br />
Auswirkungen begründbar 4 : zum<br />
Beispiel mit Schwierigkeiten und ökonomischen<br />
Nachteilen durch Koexistenzmaßnahmen<br />
oder dem Schutz der Diversität<br />
landwirtschaftlicher Produktion, dem<br />
Schutz der Saatgutreinheit. Eine derartige<br />
Etablierung von sozioökonomischen Abschätzungsprozessen<br />
in einer optionalen<br />
Form und auf nationaler Ebene erscheint<br />
angesichts der genannten Schwierigkeiten<br />
deutlich aussichtsreicher zu sein.<br />
Wie ein Damoklesschwert schwingt über<br />
den europäischen Diskussionen allerdings<br />
noch eine ganz andere Frage, die hier aus<br />
Platzgründen nicht ausgeführt werden<br />
kann: Was wird die Welthandelsorganisation<br />
WTO zu dieser Art von Vermarktungseinschränkungen<br />
auf Basis sozioökonomischer<br />
Argumente sagen? Hierzu gehen die<br />
Meinungen von FachexpertInnen derzeit<br />
diametral auseinander.<br />
Der Endbericht zum von Armin Spök 2010<br />
<strong>im</strong> Auftrag des BMG und des BMLFUW<br />
zum Thema durchgeführten Projekts ist<br />
unter http://www.bmg.gv.at/home/<br />
Schwerpunkte/Gentechnik/<br />
Fachinformation_Allgemeines/Studie_<br />
Assessing_Socio_Economic_Impacts_of_<br />
GMOs abrufbar. Dieser <strong>Artikel</strong> ist eine<br />
stark bearbeitete und gekürzte Version eines<br />
Beitrags für den Genethischen Informationsdienst<br />
(GID), erschienen in der<br />
Ausgabe 207/2011.<br />
Anmerkungen<br />
1 Europäische Kommission (2011): Bericht<br />
der Kommission an das Europäische Parlament<br />
und den Rat über die sozioökonomischen<br />
Auswirkungen des Anbaus von GVO<br />
auf der Grundlage der Beiträge der Mitgliedstaaten<br />
gemäß den Schlussfolgerungen des<br />
Rates „Umwelt“ vom Dezember 2008.<br />
2 European Commission (2011): Commission<br />
staff Working Paper. Accompanying<br />
document to the Report from the Commission<br />
to the European Parliament and<br />
the Council on socio-economic <strong>im</strong>plications<br />
of GMO cultivation on the basis of<br />
Member States contributions, as requested<br />
by the Conclusions of the Environment<br />
Council of December 2008.<br />
3 Siehe auch die Ergebnisse des EU-Projektes<br />
SAFEFOODS zu Food Safety Governance<br />
unter http://www.safefoods.nl/.<br />
4 European Parliament-Committee on the<br />
Environment, Public Health and Food<br />
Safety (2011): Report on the proposal for a<br />
regulation of the European Parliament and<br />
of the Council amending Directive<br />
2001/18/EC as regards the possibility for<br />
the Member States to restrict or prohibit<br />
the cultivation of GMOs in their territory. ■<br />
Soziale Technik 3/2011<br />
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