Brunnenviertlers - Wiener Einkaufsstraßen
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Schreiben, Zeichnen,<br />
Frederic Morton: Wetterleuchten Wien<br />
1913/1914<br />
übersetzt aus dem Englischen von Johannes<br />
Eidlitz, Karl-Erwin Lichtenecker, Deuticke Verlag,<br />
1998, 336 Seiten, € 22,10<br />
ISBN 978-3-216-30147-5<br />
Wetterleuchten<br />
Wien 1913/1914<br />
Alles Walzer – beim „Insolventen-Ball“<br />
des <strong>Wiener</strong> Bankbeamtenclub waren<br />
dünne Männer als Einlagen, dicke als<br />
Abbuchungen kostümiert, andere traten<br />
als Hypothek auf. Die Aristokratie<br />
feierte beim Fürst Auersperg in Originalkleidern<br />
von Schäfern, Sennerinnen,<br />
Schneiderinnen ... Im Kellerlager<br />
eines Gemüsehändlers spielte ein<br />
Blinder auf geliehener Geige zum Tanz<br />
auf.<br />
Im Café Central konnte man auf Leo<br />
Trotzki beim Studium ausländischer<br />
Zeitungen oder im Gespräch mit Viktor<br />
Adler über Stefan Zweigs neues<br />
Feuilleton treffen. Stalin aber mied<br />
diese Wohnzimmer der Literaten und<br />
Intellektuellen die ganzen 4 Wochen<br />
seines Wienaufenthaltes. Im Männerheim<br />
in der Meldemannstraße<br />
schwenkte ein anderer, der ebenfalls<br />
zu unrühmlichem Ruhm gelangen<br />
sollte, seinen Pinsel.<br />
Wir gewinnen Einblick in die Gefühle<br />
und Gedanken des Seelenforschers<br />
Sigmund Freud und der Militärs. Dringen<br />
vor in die Welt des greisen Kaisers<br />
Franz Josef, seines Kronprinzen<br />
Erzherzog Franz Ferdinand. Wir geraten<br />
in den Strudel der Ereignisse, die<br />
dem tödlichen Attentat auf ihn und<br />
seine Gattin Sophie am 28. Juni 1914<br />
in Sarajevo folgten. Viele, auch Intellektuelle,<br />
hofften, ein reinigendes<br />
Gewitter würde die Spannungen der<br />
Zeit und der Monarchie des Vielvölkerstaates<br />
Österreich-Ungarn lösen.<br />
Doch der Funke zündete und leitete<br />
den Kanonendonner des 1. und in<br />
der Folge den des 2. Weltkriegs ein.<br />
Frederic Morton liest am 18. Juni<br />
um 19.30 Uhr aus seinem Roman<br />
„Wetterleuchten Wien 1913/1914“ in<br />
der Hauptbücherei am Gürtel, Urban<br />
Loritz-Platz 2a, 1070 Wien<br />
Alles auf einmal – Mädchenlesung<br />
Im gut besuchten Kunstraum Ewigkeitsgasse<br />
lasen Mädchen Texte, die<br />
sie im Rahmen der Textwerkstatt des<br />
Café Peppa erarbeitet hatten. Berührend,<br />
dass junge Schriftstellerinnen<br />
mit Migrationshintergrund gerade in<br />
den Räumen lesen, aus denen der<br />
damals etwa gleich alte Frederic<br />
Morton vor 75 Jahren flüchten musste.<br />
Kinderzeichnungen<br />
1907 bis heute<br />
Im Österreichischen Dokumentationszentrum<br />
für Bildnerisches Gestalten<br />
von Kindern und Jugendlichen wurlt<br />
es jeden Dienstag zwischen 16 und<br />
18 Uhr ab Oktober bis Mitte Juni von<br />
sechs- bis 15-Jährigen, die gerne<br />
zeichnen und malen. Die Vorbereitungen<br />
zur Jahresausstellung laufen auf<br />
Hochtouren, StudentInnen, die eine<br />
Arbeit zum Thema schreiben, beobachten<br />
und stellen Fragen. Und ein<br />
Archiv von an die 10.000 Kinderzeichnungen<br />
aus 13 Sammlungen, die ältesten<br />
aus dem Jahre 1907, lagern in<br />
den überfüllten Räumen.<br />
In Zürich befindet sich mit 50.000<br />
Stück eine der umfangreichsten<br />
Sammlungen von Kinderzeichnungen<br />
in Europa. In Chemnitz sind es 1.000,<br />
im Düsseldorfer Stadtmuseum 2.000.<br />
Überall beginnt man mit der Digitalisierung<br />
der Bestände.<br />
„Wir stehen eher vor dem Aus als am<br />
Beginn einer Aufarbeitung. All unsere<br />
Tätigkeit ist ehrenamtlich. Aber die<br />
5.000.- € für Miete und Betriebskosten,<br />
die bis letztes Jahr von der Stadt<br />
Wien getragen wurden, können wir<br />
nicht aufbringen.“ Ilse Graschopf, eine<br />
engagierte pensionierte Lehrerin, ist<br />
über diese Situation recht verzweifelt.<br />
Es ist ihr ein Anliegen, Kinder in ihrer<br />
Kreativität zu fördern. Sie ist über-<br />
12 brunnenviertler | Juni 2013