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Zeitmacher 30.1.14

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Igor Kapajev war ein Mann von kleiner Statur mit üblichem<br />

Respektbalken unter der Nase, den er des Nachts immer unter einer<br />

Binde versteckte. Mit seinen stechenden Augen, konnte er seine<br />

Diskussionspartner regelrecht löchern, und sie förmlich zu<br />

Zugeständnissen zwingen. Er wuchs mit drei Schwestern wohlbehütet<br />

auf, und galt als besonders cleverer Geschäftsmann, der auch<br />

Neuerungen keineswegs ablehnend gegenüberstand. Gleich Boris<br />

hatte auch er die Firma seines Vaters übernommen, ein großes<br />

Werk, welches Lokomotiven und Eisenbahnwaggons herstellte, und<br />

deren Nachfrage nach Ausbruch des Krieges ständig stieg. Die<br />

Armee des Zaren verfügte über die erstaunliche Anzahl von sechs<br />

Millionen Mann und diese mussten irgendwie an die Front gelangen.<br />

Sein Werk wurde von immer wiederkehrenden Streiks heimgesucht und<br />

die Lösung dieses Problems bestand darin, dass man die<br />

streikenden Arbeiter kurzerhand an die Front schickte, und sie<br />

damit den deutschen Kanonen zum Fraß vorwarf. Außer der<br />

zahlenmäßigen Überlegenheit hatte die russische Armee denn auch<br />

nichts vorzuweisen, was sie auch nur im Entferntesten<br />

berechtigte, in diesem fürchterlichen Krieg mitzumischen. Nur ein<br />

kleiner Bruchteil der Soldaten verfügte überhaupt über eine<br />

soldatische Ausbildung. Die Waffen, die sie benutzten, waren<br />

veraltet, litten großteils an Ladehemmungen und die Kanonen<br />

gehörten bestenfalls ins nächste Museum. Dazu kamen die<br />

Offiziere, die schon allein ihrer Herkunft wegen, seit Geburt<br />

diesen Titel trugen und vom Kriegshandwerk so viel verstanden,<br />

wie ein Bauer vom Rosenzüchten. Das Problem wurde dadurch gelöst,<br />

indem man Soldaten, welche die stumpfsinnigen Befehle<br />

missachteten, kurzerhand erschoss oder an den nächsten Galgen<br />

hängte. Wer also nicht unter feindlichen Kugeln erstickte, wurde<br />

von den eigenen Leuten beseitigt. Zu allem Übel waren es immer<br />

wieder Igors beste Arbeiter, die auf diesem Weg an die Front<br />

kamen, und so bekundete er bald einmal größte Mühe, die<br />

geforderte Produktion aufrechtzuerhalten.<br />

Seit 1913 war er Mitglied der Duma, einer grauenhaften<br />

Ansammlung arroganter Zeitgenossen, und dort dem liberalen Flügel<br />

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