Januar/Februar 2013 - Schweizer Radio und Fernsehen
Januar/Februar 2013 - Schweizer Radio und Fernsehen
Januar/Februar 2013 - Schweizer Radio und Fernsehen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
25<br />
<strong>Januar</strong>/<strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />
Mittwoch, 30.01.<strong>2013</strong>, 20.00 Uhr, SRF 2 Kultur<br />
ArtOrt Hörspiel / Das weisse Lauschen<br />
Manna in die Damen<br />
von Konrad Bayer<br />
«Und ich geh hin <strong>und</strong> zieh den Vorhang zur Seite, <strong>und</strong> da trifft mich gleich der Sonnenstrahl mit zirka<br />
dreih<strong>und</strong>erttausend Kilometer pro Sek<strong>und</strong>e ins Auge, <strong>und</strong> da dreh ich mich um <strong>und</strong> leg mich wieder<br />
ins Bett.» Konrad Bayers Prosatexte sind aberwitzige Situationsbeschreibungen <strong>und</strong> skurrile<br />
Geschichten.<br />
Der Wiener Dichter stellt seine Gesellschaft als eine unendliche Liste von Leuten dar, die sich die<br />
Hand geben – in unendlicher Fre<strong>und</strong>lichkeit. Er holt dann aber die unterschwelligen Tendenzen eben<br />
dieser Gesellschaft ans Licht. So etwa einen auch nach dem Zweiten Weltkrieg ungebrochenen<br />
Rassismus. Der Kindsmissbrauch in honorigem Dekor taucht ebenso auf wie der notorische Hang<br />
zum Grossartigen: Ein Bericht über das Wachsen eines nicht näher definierten Gegenstandes, zum<br />
Beispiel, liegt zwischen begeisterter Fussballreportage <strong>und</strong> faschistischer Rhetorik. – Da steht einer<br />
am Rand <strong>und</strong> schüttelt den Kopf.<br />
Bayers avantgardistische Sprachverfahren waren keineswegs nur ästhetisches Spiel, sondern auch<br />
gesellschaftspolitischer Kampf. Ostentativ wurde eine literarische Richtung weiterverfolgt, die unter<br />
den Nationalsozialisten verboten <strong>und</strong> nach 1945 durchaus noch verpönt war. Als Ziel der Literatur<br />
galt Bayer, übernommene Denkschablonen ad absurdum zu führen <strong>und</strong> – nicht zuletzt durch einen<br />
grossen Humor – Lust auf neue, ungewohnte, eigene Sichtweisen zu machen.<br />
Mit: Herbert Fritsch<br />
Hörspielfassung: Herbert Fritsch <strong>und</strong> Claude Pierre Salmony<br />
Regie: Claude Pierre Salmony<br />
Produktion: SRF 1983<br />
Dauer: 46‘<br />
Konrad Bayer,1932 in Wien geboren. Bayer war befre<strong>und</strong>et mit Schriftstellern wie Oswald Wiener,<br />
Gerhard Rühm, H. C. Artmann <strong>und</strong> Friedrich Achleitner, die er ab 1951 im Art Club kennengelernt<br />
hatte. Von 1954 bis 1960 bildeten sie die Wiener Gruppe. Nach einem Besuch bei der Gruppe 47 im<br />
Jahr 1964, in der seine präsentierten Werke eine äusserst kritische Aufnahme gef<strong>und</strong>en hatten,<br />
setzte Bayer seinem Leben ein Ende.<br />
Im Anschluss:<br />
Das weisse Lauschen<br />
Jeden letzten Mittwoch im Monat präsentieren wir einen Beitrag von unserer Onlineplattform<br />
www.dasweisselauschen.ch. Dort können Autorinnen, Musiker <strong>und</strong> Künstlerinnen ihre akustischen<br />
Arbeiten präsentieren. Ob Kurzhörspiel, Klangoperette, akustisches Experiment, Field Recording oder<br />
Spoken Word: «Das weisse Lauschen» ist grenzenlos <strong>und</strong> steht allen offen.<br />
Dauer: ca. 10'