Weil der Mensch was lernen muss ... - H. TH. WENNER · Antiquariat
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Wido Spratte<br />
<strong>Weil</strong> <strong>der</strong> <strong>Mensch</strong><br />
<strong>was</strong> <strong>lernen</strong> <strong>muss</strong> ...<br />
Kleine Geschichten von Lehrern und<br />
Schülern<br />
H. Th. Wenner
ISBN 978-87898-418-4<br />
© Wido Spratte 2010<br />
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung<br />
außerhalb <strong>der</strong> engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des<br />
Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbeson<strong>der</strong>e für Kopie, Nachdruck, Bildentnahme,<br />
Übersetzung, Mikroverfilmung, Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen<br />
Systemen.
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort · · · · · · · · · · · · · · · · · · 7<br />
Ein Schulweg · · · · · · · · · · · · · · · · 9<br />
Und auf <strong>der</strong> Klappe ein Pferdchen · · · · · · · 25<br />
Direkt o<strong>der</strong> indirekt? · · · · · · · · · · · · 33<br />
Der Besserwisser · · · · · · · · · · · · · · 41<br />
Regina · · · · · · · · · · · · · · · · · · 49<br />
Klasse 7 baut eine Krippe. · · · · · · · · · · 53<br />
Das Bad in <strong>der</strong> Menge · · · · · · · · · · · · 61<br />
Frollein Droa· · · · · · · · · · · · · · · · 71<br />
»Da es ihm gestern schlecht ging« · · · · · · · 73<br />
»Das ging noch einmal gut.« · · · · · · · · · 79<br />
»Dein Leben sei fröhlich und heiter.«· · · · · · 89<br />
Liebe Patentante! · · · · · · · · · · · · · 101<br />
»Ich bekam den Bereich Große Straße.« · · · · 107<br />
»Bei mir wird morgens gebetet!« · · · · · · · 111<br />
»Wo steckt <strong>der</strong> Fehler?«· · · · · · · · · · · 117<br />
Werner · · · · · · · · · · · · · · · · · · 123<br />
»Die Eroberung von Peru« · · · · · · · · · 131<br />
»Sicher erinnerst du dich noch.« · · · · · · · 137<br />
Danksagung, Literatur, Bildverzeichnis · · · · 143
Vorwort 7<br />
Vorwort<br />
Wenn die eigenen Kin<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Schule und ihren<br />
Lehrern erzählen o<strong>der</strong> Eltern als Erziehungsberechtigte<br />
in schulisches Geschehen einbezogen werden, dann<br />
mögen auch Erinnerungen an die persönliche Schulvergangenheit<br />
mit all ihren vielgestaltigen Erlebnissen und<br />
Erfahrungen wie<strong>der</strong> auftauchen und lebendig werden.<br />
Sie können zuweilen nachträglich den Blick öffnen und<br />
Verständnis wecken für Entwicklungen in <strong>der</strong> eigenen<br />
Kindheit und Jugend.<br />
Die Mehrzahl <strong>der</strong> hier vorgelegten Geschichten von<br />
Lehrern und Schülern sind freie Erzählungen, haben<br />
jedoch reale Hintergründe. Dabei handelt es sich überwiegend<br />
um schulisches Geschehen in <strong>der</strong> Region Osnabrück.<br />
Mit den Texten »Ein Schulweg« - »Liebe Patentante«<br />
- »Ich bekam den Bereich Große Straße.« - »Bei<br />
mir wird morgens gebetet!« - »Wo steckt <strong>der</strong> Fehler?« -<br />
»Werner« und »Die Eroberung von Peru« wird versucht,<br />
tatsächliche Ereignisse und Schicksale von Personen<br />
darzustellen.<br />
Der überwiegende Teil <strong>der</strong> Texte reicht zeitlich bis<br />
etwa 1950, also bis in jene Jahre, in denen mit Hilfe verdienstvoller<br />
britischer Education-Offiziere zwar neue<br />
Lehr- und Lernpläne mit demokratischen Bildungsidealen<br />
aufgestellt werden konnten, aber die praktische<br />
Unterrichtsarbeit noch ganz erheblich belastet war<br />
durch Lehrermangel, Raumprobleme, große Schülerzahlen,<br />
Schichtunterricht, fehlende Bücher und Lehrmittel.<br />
Sowohl bei extremen Lernschwierigkeiten als<br />
auch bei massiven sozialen und erzieherischen Problemen<br />
stand kaum fachliche Beratung durch Schulpsychologen<br />
zur Verfügung.
8 Vorwort<br />
Die Geschichte »Regina« wurde dem Buch »Nach all<br />
den Jahren« von Johann Spratte entnommen.<br />
Die Texte werden durch Verse aus Poesiealben verschiedener<br />
Jahrzehnte ergänzt. Auch im Zeitalter von<br />
Computer und Internet sind sie immer noch nicht aus<br />
<strong>der</strong> Mode gekommen, wenn sich auch Formen und Formate<br />
im Laufe <strong>der</strong> Jahrzehnte geän<strong>der</strong>t haben. Ein<br />
Poesiealbum zählt in mancher »Tonne« auch heute<br />
noch zu den ganz persönlichen Dokumenten, beson<strong>der</strong>s<br />
bei den Mädchen.<br />
Wido Spratte<br />
Vor<strong>der</strong>seite eines Stundenplanes, um 1920
Ein Schulweg 9<br />
Ein Schulweg<br />
Die Schulwege bedeuteten für Kin<strong>der</strong> zu allen Zeiten<br />
wichtige Abschnitte des Tages. Manche Schülerinnen<br />
und Schüler, beson<strong>der</strong>s in ländlichen Gebieten, hatten<br />
an jedem Morgen und nach Ende des Unterrichts Fußwege<br />
bis zu einer Stunde o<strong>der</strong> noch darüber hinaus zu<br />
bewältigen. Und das auch im Winter, bei je<strong>der</strong> Wetterlage<br />
und Wegen, die manchmal nur in Holzschuhen zu<br />
betreten waren.<br />
»Der Schulbesuch ist im Sommer, mit ganz vereinzelten<br />
Ausnahmen, ein regelmäßiger. Bei schlechtem<br />
Wetter und großer Kälte im Winter dagegen - namentlich<br />
unter den Kleinen - ist er infolge schlechter Wege<br />
o<strong>der</strong> infolge weiter Entfernungen - ein unregelmäßiger«,<br />
lautet ein Vermerk des Jahres 1895 in <strong>der</strong> Haster<br />
Schulchronik. Zu dieser Zeit war <strong>der</strong> heutige Osnabrücker<br />
Stadtteil Haste noch eine selbständige Landgemeinde.<br />
Hatten die Kin<strong>der</strong>, viele in den erwähnten klappernden<br />
Holzschuhen, endlich ihr Ziel erreicht, erwartete<br />
sie im Klassenraum ein oft rauchen<strong>der</strong> großer Ofen,<br />
<strong>der</strong> mit Brennholz o<strong>der</strong> Piesberger Anthrazit gefüttert<br />
werden <strong>muss</strong>te und nicht gerade zur Verbesserung <strong>der</strong><br />
Atemluft beitrug. Größere Jungen hatten hier »Spannund<br />
Hilfsdienste« zu leisten. Volksschulen in abgelegenen<br />
Regionen warteten wohl bis in die sechziger Jahre<br />
auf eine Zentralheizung und den eigenen Hausmeister,<br />
<strong>der</strong> alle Arbeiten übernehmen konnte.<br />
Ausgebaute Pausenhallen o<strong>der</strong> Überdachungen im<br />
Bereich des Schulhofes wurden erst geplant und durchgeführt,<br />
als die größte Schulraumnot behoben und Klas-
10 Ein Schulweg<br />
Blick von <strong>der</strong> Bramscher Straße in die Bramstraße, um 1910. Die<br />
Jungen im Vor<strong>der</strong>grund tragen Holzschuhe. Diese waren für die<br />
meisten von ihnen auch auf dem Weg zur weit im Hintergrund<br />
liegenden Schule eine tägliche Selbstverständlichkeit.<br />
sengrößen von über sechzig Kin<strong>der</strong>n zur Ausnahme geworden<br />
waren.<br />
*<br />
In den ersten Jahren nach Ende des Zweiten Weltkrieges<br />
war das Netz <strong>der</strong> öffentlichen Verkehrsmittel<br />
noch nicht weit ausgebaut. Nur wenige Kin<strong>der</strong> waren<br />
stolze Besitzer eines eigenen Fahrrades. Schülerinnen<br />
o<strong>der</strong> Schüler, die von ihren Eltern in einem Auto gebracht<br />
wurden, galten als Attraktion und sorgten an<br />
jedem Morgen für neugieriges Staunen <strong>der</strong> am Hoftor<br />
stehenden Kin<strong>der</strong>. Der Begriff »Kostenlose Schülerbeför<strong>der</strong>ung«<br />
war damals nicht einmal als Fremdwort<br />
bekannt.<br />
Frostabweisende wärmende Kleidung und winterliches<br />
Schuhwerk waren vor <strong>der</strong> Währungsreform im<br />
Handel kaum zu haben. Wie gut, wenn Familien eine<br />
<strong>der</strong> hochgeachteten Hausschnei<strong>der</strong>innen kannten, die<br />
aus heruntergekommenen alten Stoffresten und Teilen<br />
einer Soldatenuniform brauchbare neue Kleidungsstücke<br />
zaubern konnte.
Ein Schulweg 11<br />
Schreibwarengeschäft Marquard,<br />
gegenüber von St.<br />
Angela. Hier konnten Schülerinnen<br />
und Schüler etwa seit<br />
1950 nicht nur Unterrichtsmaterial,<br />
son<strong>der</strong>n auch Süßigkeiten<br />
kaufen.<br />
Ein weiteres Problem war neben <strong>der</strong> Kleidung für<br />
viele Kin<strong>der</strong> <strong>der</strong> Besitz einer angemessenen Schultasche.<br />
So wurden in kin<strong>der</strong>reichen Familien alte Tornister oft<br />
von Geschwistern zu Geschwistern weitergereicht,<br />
wenn sie nicht, falls aus Le<strong>der</strong>, ihren aktiven Schuldienst<br />
längst beim Schuster beendet hatten, <strong>der</strong> damit Schuhe<br />
reparieren konnte. Die Bezeichnung »Tonne« sollte sich<br />
erst viel später durchsetzen.<br />
Einige Jungen besaßen Umhängetaschen aus fester<br />
grüner Leinwand, die vorher von deutschen Soldaten<br />
geschleppt worden waren. Aus Militärbeständen<br />
stammten auch die Kochgeschirre, die glückliche Besitzer<br />
statt zerbeulter Konservendosen für die von<br />
amerikanischen Quäkern gestiftete Schulspeisung mit in<br />
den Unterricht schleppten.<br />
*<br />
Für viele Kin<strong>der</strong> war <strong>der</strong> gemeinsame Schulweg nicht<br />
einfach nur eine Strecke, die pflichtgemäß und pünktlich<br />
zurückgelegt werden <strong>muss</strong>te, son<strong>der</strong>n auch ein<br />
Stück erlebnisbetonter Gemeinsamkeit. Es entwickelten
Und auf <strong>der</strong> Klappe ein Pferdchen 25<br />
Und auf <strong>der</strong> Klappe ein Pferdchen<br />
»Poss ock schien uuf ei d’r Schule on tu ock gutt<br />
lanna! On red nee asu viel wie d’r heeme! Haal ock<br />
erscht amool ’s Klappala, du kleener Wirrwatz!« 1<br />
Es waren auch noch an<strong>der</strong>e gut gemeinte Ratschläge,<br />
die Tante Emma in sudetendeutscher Mundart ihrer<br />
Nichte Klein-Ingrid am ersten Schultag mit auf den<br />
Weg gab. Das Mädchen hörte die Silbe »Klein« vor<br />
seinem Namen aber überhaupt nicht gern. Da war ja<br />
noch ihre Freundin, die heute ebenfalls zur Schule<br />
<strong>muss</strong>te, auch Ingrid hieß und gar nicht größer war als<br />
sie.<br />
Klein-Ingrid hatte die wichtigsten Sachen für den<br />
Start in den »Ernst des Lebens« gut vorbereitet: Ihr Tornister<br />
aus »echtem« Le<strong>der</strong>, mit dem eingeprägten Bild<br />
eines Pferdchens auf <strong>der</strong> Klappe, hatte die richtige<br />
Größe und barg die wichtigsten Dinge: einen Zeichenblock,<br />
die Schiefertafel mit Schreiblinien auf <strong>der</strong> einen<br />
und Rechenkästchen auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite. Rechts im<br />
hölzernen Rahmen befand sich eine runde Öffnung für<br />
zwei Schnüre, an denen ein nasser Schwamm und ein<br />
trockener Lappen angebunden waren. Während des<br />
Transportes hing beides aus dem Tornister heraus, um<br />
an<strong>der</strong>e Gegenstände nicht zu beschädigen. Die Griffel<br />
und <strong>der</strong> wichtige Anspitzer waren zusammen mit Bleistift,<br />
Radiergummi und Buntstiften in einem hölzernen<br />
Griffelkasten mit buntem Schiebedeckel untergebracht,<br />
den schon <strong>der</strong> Vater während seiner Schulzeit im Sudetenland<br />
benutzt hatte. Bei <strong>der</strong> Vertreibung war er seltsamerweise<br />
zusammen mit an<strong>der</strong>en Habseligkeiten den<br />
1 Pass gut auf in <strong>der</strong> Schule und lerne fleißig! Und rede nicht so viel wie zu<br />
Hause! Halt man erst einmal dein Schnäuzchen, du kleiner Wirrwatz!
26 Und auf <strong>der</strong> Klappe ein Pferdchen<br />
Klein-Ingrids erster<br />
Schultag<br />
Oben am grünen Kleidchen<br />
hat Mutter eine weiße<br />
Rüsche angenäht, die<br />
eigentlich zu ihrem roten<br />
Kleid mit den weißen<br />
Punkten gehörte.<br />
tschechischen und polnischen »Kontrollen« entgangen<br />
und so in die neue Heimat gelangt.<br />
Wichtigster Gegenstand im Tornister war aber nicht,<br />
wie bei vielen Mitschülern, das von Mutter geschmierte<br />
Butterbrot, son<strong>der</strong>n ein eigenes Lesebuch mit dem verheißungsvollen<br />
Titel »Komm mit du frohe Kin<strong>der</strong>schar«.<br />
Ingrid hatte es schon am letzten Weihnachtsfest<br />
von ihren Eltern geschenkt bekommen und seit <strong>der</strong> Zeit<br />
immer wie<strong>der</strong> gerne hineingeschaut, die schönen Bil<strong>der</strong><br />
bewun<strong>der</strong>t, aber auch schon fleißig die mit je<strong>der</strong> Abbildung<br />
verbundenen Buchstaben, Silben und kleinen<br />
Wörter mit Hilfe <strong>der</strong> älteren Schwester erlernt. Das<br />
erste Bild zeigte einen Jungen, <strong>der</strong> sich am frisch vom<br />
Vater gestrichenen Zaun vollkommen zugeschmiert<br />
hatte. Der Buchstabe darunter konnte nur ein »I« sein.<br />
Auf <strong>der</strong> nächsten Seite erkannte man eine Mutter beim<br />
Ab<strong>was</strong>chen von Küchengeschirr. Ihr kleines Mädchen<br />
wollte helfen und ließ dabei ein schönes Tongefäß<br />
fallen, das in viele Stücke zersprang. »O« hieß <strong>der</strong> beziehungsreiche<br />
Buchstabe darunter. Ingrid kannte so vor
»Bei mir wird morgens gebetet!« 111<br />
»Bei mir wird morgens gebetet!«<br />
- Erinnerungen an eine Schule und ihren Lehrer -<br />
Mit Hilfe des Gustav-Adolf-Vereins wurde 1857 für<br />
die evangelischen Kin<strong>der</strong> aus Haste, Lechtingen und<br />
Rulle an <strong>der</strong> Oldenburger Landstraße, zwischen den<br />
Wäl<strong>der</strong>n des Piesberges und des Haster Berges, eine<br />
kleine Volksschule, die Honer Schule, erbaut. Vor dem<br />
ersten <strong>der</strong> beiden weiß gestrichenen Gebäude befand<br />
sich im Schatten einer riesigen Linde <strong>der</strong> Eingang zum<br />
Klassenraum. Das zweite Gebäude, es enthielt die<br />
Lehrerwohnung, war von einem großen Nutzgarten<br />
umgeben.<br />
Als mit Beginn <strong>der</strong> nationalsozialistischen Kulturpolitik<br />
deutsche Schulen keinen konfessionellen Status<br />
mehr hatten, wurde die Einrichtung als Außenstelle <strong>der</strong><br />
Volksschule Haste weiter benutzt. Der bisherige Lehrer<br />
Ernst Buermeyer blieb allerdings und behielt auch seine<br />
Wohnung.<br />
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges fand in Hone<br />
kein Unterricht mehr statt. Im unzerstörten Gebäude<br />
wurden vorläufig Heimatvertriebene aus Schlesien<br />
untergebracht.<br />
*<br />
An die Honer Schule und den Unterricht bei Ernst<br />
Buermeyer erinnert sich Eugen Spratte:<br />
Es klang bedrohlich, <strong>was</strong> uns ältere Schüler mit unverhohlener<br />
Schadenfreude aus dem reichen Schatz<br />
eigener schmerzhafter Erfahrungen berichteten. Erfahrungen,<br />
die offenbar nun auch uns erwarteten. Wir<br />
waren darauf gefasst, dass nach den ersten einigermaßen<br />
friedlich verlaufenen Grundschuljahren dieses letzte
112 »Bei mir wird morgens gebetet!«<br />
Jahr vor dem Wechsel zum Carolinum in Osnabrück<br />
unangenehm und gefährlich werden könnte.<br />
Zu meiner Schulzeit wurde <strong>der</strong> Klassenraum von<br />
einem gewaltigen, mit Holz und Kohlen zu fütternden<br />
Ofen beherrscht. Wie wir später erfahren <strong>muss</strong>ten,<br />
sorgte er zwar im Winter für die notwendige Wärme,<br />
war aber auch nicht selten die Ursache für lästigen<br />
Rauch und schlechte Luft.<br />
Dann betrat ER, <strong>der</strong> von vielen Schülern gefürchtete<br />
Lehrer Ernst Buermeyer, den Klassenraum. Kniebundhosen<br />
mit Gamaschen und <strong>der</strong>be Schuhe vermittelten<br />
ein Bild ländlicher Robustheit, das zur Vorsicht mahnte.<br />
In seinem »Malepartus«, wie er frei nach Reineke Fuchs<br />
die Honer Schule gern nannte, war er <strong>der</strong> absolute<br />
Regent.<br />
Die erste Stunde begann mit einer Überraschung:<br />
»Ihr habt doch sicher bisher zum Beginn des Unterrichts<br />
gebetet?« Wir <strong>muss</strong>ten das verneinen, denn selbst<br />
an ehemals katholischen Volksschulen reichte es im Zeichen<br />
<strong>der</strong> nationalsozialistischen Erziehung nur noch zu<br />
einem vaterländischen Spruch. Buermeyer reagierte unwillig:<br />
»Bei mir ist das an<strong>der</strong>s! Bei mir wird morgens gebetet!<br />
Wir werden an jedem Tag zum Unterrichtsbeginn<br />
ein christliches Gebet o<strong>der</strong> Gedicht sprechen.«<br />
So begann künftig das Unterrichtsgeschehen bei<br />
Ernst Buermeyer morgens mit einem allgemeinen ökumenischen<br />
Gebet o<strong>der</strong> auch mit Eduard Mörike:<br />
In ihm sei’s begonnen,<br />
Der Monde und Sonnen<br />
An blauen Gezelten<br />
Des Himmels bewegt.<br />
Du, Vater, Du rate!<br />
Lenke Du und wende!<br />
Herr, Dir in die Hände<br />
Sei Anfang und Ende,<br />
Sei alles gelegt!