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Kater Murr, Pitschi und ein Göttergatte - Sonnengarten

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Der Sprung ins kalte Wasser<br />

24 Pensioniert - ausrangiert? Mit nichten! Seit m<strong>ein</strong><br />

Mann im sogenannten «Ruhestand» ist, ist die<br />

Ruhe dahin - wenigstens zeitweise. Es platzregnet<br />

Bitten um Hilfe von Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Bekannten nur<br />

so auf uns nieder, gottlob! So letzthin auch im<br />

<strong>Sonnengarten</strong>. Frau Hartmann schildert uns die<br />

Notlage: Mitarbeiterfest, alle haben sich dafür angemeldet<br />

<strong>und</strong> es ist niemand mehr da, der das<br />

Abendessen serviert! M<strong>ein</strong> <strong>Göttergatte</strong> wirft <strong>ein</strong>en<br />

Blick über die Schulter zu mir, <strong>und</strong> kurzentschlossen<br />

übernehmen wir die Aufgabe, obwohl wir im<br />

Leben noch nie so etwas gemacht haben. Sofort<br />

wird geplant: <strong>ein</strong>en problemlosen Znacht muss es<br />

geben, wo man nicht h<strong>und</strong>erterlei verschiedene<br />

Wünsche berücksichtigen muss. Der Renner ist<br />

belegte Brötchen. Wir bekommen <strong>ein</strong>en «Lageplan»<br />

in die Hand gedrückt <strong>und</strong> viele, viele gute<br />

Ratschläge, so dass uns nur die Ohren sausen. Auch<br />

unser Enkel hilft mit: Er übernimmt den Abwasch.<br />

Nun ist’s soweit. Die Bewohner trudeln bereits <strong>ein</strong>,<br />

sie sind unterrichtet <strong>und</strong> haben sich alle vorgenommen,<br />

grosszügig über unsere Unvollkommenheiten<br />

hinwegzusehen. Einer stöhnt: «Ich habe <strong>ein</strong>en<br />

grässlichen Durst!» M<strong>ein</strong> Mann bringt im schnellstens<br />

<strong>ein</strong>e Flasche Mineralwasser, <strong>und</strong> erst nachdem<br />

er schon drei Gläser gekippt hatte, vernahmen wir,<br />

dass das total regelwidrig ist: Da gilt es doch zu<br />

warten, bis der Tee auf dem Tisch steht!<br />

M<strong>ein</strong>e Nervosität wächst, je mehr sich der Saal füllt.<br />

Wie tun all die guten Zusprüche wohl! Sollen wir<br />

weisse Schürzchen anziehen? Aber für diesen Gag<br />

reicht die Zeit schon nicht mehr. Die Suppe fährt<br />

auf, m<strong>ein</strong> Mann spricht das Tischgebet mit grossem<br />

Ernst. (Ich dachte, jetzt macht er dann noch <strong>ein</strong>ige<br />

Witzchen über unsere neue Aufgabe - aber nichts<br />

geschieht!) Schon spurtet er mit zwei Suppentellern<br />

(mehr zu nehmen trauen wir uns nicht zu) zum<br />

ersten Tisch; ich mache es ihm nach. Ein Laie denkt:<br />

Nichts ist <strong>ein</strong>facher als Suppe verteilen! Weit gefehlt!<br />

Schon m<strong>ein</strong>e zwei ersten Teller bringe ich<br />

kaum ab. Da wird gewünscht: Nur ganz wenig!,<br />

oder: N<strong>ein</strong> danke, k<strong>ein</strong>e Suppe!, oder: Nur Schleimsuppe,<br />

oder: Halb Schleim, halb andere!, oder: Nur<br />

Schleim, wenn es k<strong>ein</strong> Haferschleim ist! Es war<br />

Reisschleim, <strong>und</strong> ich konnte alle Wünsche erfüllen.<br />

Dominique war professionell mit Tee, Kaffee <strong>und</strong><br />

Milch unterwegs, bis dann die vielen Tabletts mit<br />

den leckeren Brötchen auftauchten. Hoffentlich<br />

rutscht mir k<strong>ein</strong>es aus der Hand, denke ich, während<br />

ich mich zur ersten K<strong>und</strong>in niederbeuge. «So,<br />

chonnt endlich öppis!», murmelt sie vor sich hin.<br />

Und nun wäre mir vor Schreck doch b<strong>ein</strong>ahe der<br />

ganze Segen auf ihr Haupt gerutscht. Doch das<br />

war, ich darf es vorwegnehmen, der <strong>ein</strong>zige Tadel,<br />

den ich erhielt. Nicht <strong>ein</strong>mal, als so <strong>ein</strong> Luder auf<br />

dem Spargelbauch landete <strong>und</strong> wirklich viel von<br />

s<strong>ein</strong>er Attraktivität verlor, fiel <strong>ein</strong>e kritische Bemerkung.<br />

Nur Dank <strong>und</strong> Anerkennung! «Si macht’s wie<br />

n’en Profi!» - «Si lueget ganz stur, so ernst nimmt<br />

25<br />

sie’s!» Man kommt kaum nach, so schnell verschwinden<br />

die Kunstwerke aus Spargeln <strong>und</strong><br />

Eiern <strong>und</strong> »Was isch dänn daaaa?» - «Kei Ahnig,<br />

has nöd probiert, vilicht Chrüterquark oder Chäs,<br />

aber sicher öppis Guets!» - «Also, gänds mer eis !»<br />

Und die Platten leeren sich <strong>und</strong> leeren sich, die<br />

Krüge werden leichter <strong>und</strong> leichter, <strong>und</strong> zuletzt<br />

verschwindet das letzte Brötchen, der letzte Tropfen<br />

Tee. M<strong>ein</strong> Gott, haben wir zuwenig? Mir wird’s<br />

heiss <strong>und</strong> kalt. N<strong>ein</strong>, alle sind satt, wirklich satt, nur<br />

glückliche Gesichter sieht man. Einzig uns Servierern<br />

knurrt noch der Magen. Da bleibt dem Koch<br />

nichts anderes übrig, als nochmals zu beginnen.<br />

Dann kommt die zweite Arbeit: Tischen für’s<br />

Morgenessen. Alles muss genau s<strong>ein</strong>, Messer,<br />

Servietten wie stramme Soldaten ausgerichtet,<br />

Sträusschen in die Mitte. Das gewaschene Geschirr<br />

kann bereits wieder versorgt werden. Ein letzter<br />

Kontrollblick: Hoffentlich ist alles nach Wunsch<br />

gemacht! Ich bin nudelfertig <strong>und</strong> habe an diesem<br />

Abend die grösste Hochachtung vor den Serviererinnen<br />

gekriegt.

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