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Kater Murr, Pitschi und ein Göttergatte - Sonnengarten

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Menschliche Kontakte<br />

58 Da wurde ich doch letzthin, als ich von m<strong>ein</strong>em<br />

Morgenspaziergang zurückkehrte <strong>und</strong> eben in<br />

die Haus<strong>ein</strong>fahrt bog, schier über den Haufen<br />

geweht – von <strong>ein</strong>em gelben Töffli, dessen Fahrer<br />

gerade unseren Briefkasten bediente, bei laufendem<br />

Motor natürlich, denn Zeit ist Geld! Der Bote<br />

war jung, männlich, ja, mehr weiss ich auch nicht<br />

zu sagen, denn es ist fast monatlich <strong>ein</strong> anderer, ich<br />

kenne ihn nicht <strong>und</strong> er mich nicht. Und da überkam<br />

mich <strong>ein</strong> kl<strong>ein</strong>es Heimweh nach früher, zum<br />

Beispiel an die vier Jahre, da ich in Bischofszell als<br />

Kindergärtnerin lebte. Da war <strong>ein</strong> Briefträger, der<br />

<strong>ein</strong>en kl<strong>ein</strong>en Wagen vor sich her schob <strong>und</strong> sich<br />

gemütlich von Haustüre zu Haustüre bewegte <strong>und</strong><br />

der bald <strong>ein</strong>mal merkte, dass ich, fast immer am<br />

Dienstag, <strong>ein</strong>en Brief erhielt, dessen Anschrift ihm<br />

diesem «Unfug» <strong>ein</strong>en Riegel zu schieben, verlangte<br />

die Post nun den Briefkasten direkt an der<br />

Strasse, Frau R<strong>ein</strong>hardt wurde ersetzt, nachdem sie<br />

mir noch ausführlich ihre Pensionierungspläne<br />

geschildert hat. Und seither kenne ich k<strong>ein</strong>en<br />

Pöstler mehr – sie kommen <strong>und</strong> gehen, immer<br />

wieder neue Gesichter, <strong>und</strong> wenn <strong>ein</strong> falscher Brief<br />

im Kasten liegt, ist es unmöglich, <strong>ein</strong>en Fehlbaren<br />

zu finden. Doch der Pöstler war nicht der <strong>ein</strong>zige<br />

menschliche Kontakt, der der brav zu Hause bleibenden<br />

Hausfrau etwas Abwechslung brachte.<br />

Da war ja noch der Milchmann, Herr Kuratli, <strong>ein</strong><br />

schöner, grossgewachsener Mann in blauweissem<br />

Tschopen, aber etwas <strong>ein</strong>fach im Gemüt, leicht<br />

stotternd <strong>und</strong> von fast aufreizender Langsamkeit.<br />

Auch er zu Fuss mit Wagen. Die bezogene Milch im<br />

m<strong>ein</strong>em Puce auf der Schulter (wie die Hexe bei<br />

Hänsel <strong>und</strong> Gretel) ins Innere steigen konnte,<br />

wie ich schon in <strong>ein</strong>er m<strong>ein</strong>er Katzengeschichten<br />

berichtete.<br />

Nicht zu vergessen sind die Hausierer, die man bald<br />

auch kannte, wie zum Beispiel das «Zigermannli»,<br />

dem <strong>ein</strong>e fürchterlich zerknitterte, ausgefranste,<br />

<strong>ein</strong>mal schwarz gewesene Kluft um die magere<br />

Gestalt schlotterte. In <strong>ein</strong>er umgehängten Kartonschachtel<br />

führte er zwei Zigerstöckli <strong>und</strong> <strong>ein</strong>en<br />

Limburger bei sich, den er, das wusste er, bei mir<br />

immer los wurde. Er tat mir furchtbar leid, <strong>und</strong> aus<br />

diesem Gefühl heraus wollte ich ihm <strong>ein</strong>en Anzug<br />

m<strong>ein</strong>es GG schenken, der bei uns nutzlos im Kasten<br />

hing. Aber der wurde mit Vehemenz zurückgewiesen:<br />

da würde er ja nichts mehr verkaufen!!<br />

Ja, alle diese Kontakte, die lieben <strong>und</strong> die mehr<br />

lästigen, sind verschw<strong>und</strong>en. Vertreter stören mich<br />

(meist beim Mittagsschläfchen) per Telefon, Milch,<br />

Mehl <strong>und</strong> Zucker hole ich beim Grossverteiler. Und<br />

die Liebesbriefe? Die gibt’s nicht mehr! Man<br />

simselt sich schnell: «Hoi wa machsch? I bi grad im<br />

Zug, tschüss bis bald!» M<strong>ein</strong>e habe ich immer noch,<br />

es ist <strong>ein</strong>e ganze Schuhschachtel voll, <strong>und</strong> wenn ich<br />

<strong>ein</strong>mal Zeit habe, (wer weiss, im Altersheim?)<br />

werde ich sie wieder <strong>ein</strong>mal lesen. Ach was, ich<br />

werde auch dort nicht dazu kommen, denn im<br />

<strong>Sonnengarten</strong>, da hat man gottlob genug menschliche<br />

Kontakte!<br />

59<br />

bald wohlbekannt wurde <strong>und</strong> der mir darum, sobald<br />

er mich im Städtli irgendwo erblickte, schon drüberine») wurde in <strong>ein</strong> Büchl<strong>ein</strong> <strong>ein</strong>getragen,<br />

ten, nachdem mir <strong>ein</strong>er <strong>ein</strong>mal aus m<strong>ein</strong>er grossen<br />

Offenausschank (es gab immer noch <strong>ein</strong>en «Gutsch<br />

Auf die Scherenschleifer konnte ich gerne verzich-<br />

von weitem zurief: «Fräul<strong>ein</strong> Schölly, en Schatzbrief!!»<br />

M<strong>ein</strong> Herzklopfen, m<strong>ein</strong> Freudegefühl, zeit bei ihm bestellen konnte. Ende Monat war<br />

den ich kaum mehr erkannte, <strong>und</strong> dann den dop-<br />

ebenfalls die Butter <strong>und</strong> der Käse, den man jeder-<br />

Zuschneideschere <strong>ein</strong>en Winzling zurechtschliff,<br />

m<strong>ein</strong>e Aufregung – das alles muss er gespürt <strong>und</strong> Zahltag, die Kolonne hat er nicht selbst zusammengezählt,<br />

aber sonst war s<strong>ein</strong>e Arbeit musterhaft<br />

vertreter, der m<strong>ein</strong>em geliebten «Bühler» jegliche<br />

pelten Neupreis heuschte! Oder der Staubsauger-<br />

miterlebt haben! Als dann aus dem Schatz m<strong>ein</strong><br />

allbekannter <strong>Göttergatte</strong> wurde, wechselte ich <strong>und</strong> es war <strong>ein</strong> echter Verlust, als die Molkerei den<br />

Das<strong>ein</strong>sberechtigung absprach <strong>und</strong> s<strong>ein</strong>e Marke in<br />

m<strong>ein</strong>en Wohnort <strong>und</strong> damit auch «m<strong>ein</strong>en» Briefträger.<br />

Doch soo gross war der Unterschied auch<br />

Hauslieferdienst <strong>ein</strong>stellte.<br />

alle Himmel lobte. Als ich auch nach zäher Diskussion<br />

hart blieb, bat er um <strong>ein</strong>e Demonstration. Er<br />

Erinnern Sie sich noch an den Migroswagen? Mit<br />

wieder nicht: Herr Ackermann kam auch zu Fuss,<br />

Getute fuhr er zweimal wöchentlich vor <strong>und</strong> bald<br />

steckte <strong>ein</strong>en brandneuen Staubsack in s<strong>ein</strong>e<br />

brachte zwar k<strong>ein</strong>e Liebesbriefe mehr, doch Ende<br />

strömten von allen Seiten die Hausfrauen herbei.<br />

Macchina <strong>und</strong> fegte nun mit Siegerlächeln über<br />

Monats den Zahltag, den er mir bedächtig auf die<br />

Unterdessen hat Herr Frei, in grauer Berufsschürze,<br />

m<strong>ein</strong>en Stubenteppich, um mir anschliessend das<br />

Hand blätterte <strong>und</strong> gerne zu <strong>ein</strong>em Schwätzchen<br />

mit grossem Getschäder <strong>ein</strong>e Seite des Wagens<br />

Resultat, nämlich <strong>ein</strong>en vollen Sack, triumphierend<br />

bereit war. Sicher zwanzig Jahre lang, bis zu<br />

geöffnet, die obere Hälfte diente als Dach, die<br />

unter die Nase zu halten. Doch in diesem Moment<br />

s<strong>ein</strong>em Ruhestand, hat er uns bedient.<br />

untere als Ladentisch, sich die Kasse um den Bauch<br />

sackte s<strong>ein</strong> Unterkiefer tief, tief hinunter, denn der<br />

Dann kam <strong>ein</strong>e neue Zeit, <strong>ein</strong> neuer Pöstler, zuerst<br />

mit Velo <strong>und</strong> bald darauf sogar mit Auto. Das war<br />

Frau R<strong>ein</strong>hardt, <strong>ein</strong>e ältere «Neu<strong>ein</strong>steigerin», die<br />

sich aber vom Zeitdruck der Post überhaupt nicht<br />

bestimmen liess, (schliesslich wählte sie diesen<br />

Beruf, um menschliche Kontakte zu pflegen!). Sie<br />

plauderte <strong>und</strong> plauderte <strong>und</strong> bald wusste ich von<br />

ihr die halbe Familiengeschichte. Jedenfalls, um<br />

geschnallt <strong>und</strong> los ging der Handel. Mit <strong>ein</strong>er Eisenstange<br />

zog er die Säcke Mehl, Zucker, Mais, Reis<br />

<strong>und</strong> was auch immer hervor, rechnete wie der Blitz<br />

die Preise im Kopf zusammen, Quittungen gabs<br />

k<strong>ein</strong>e. (M<strong>ein</strong>e Mutter hat ihn immer kontrolliert, es<br />

passierte ihm nie <strong>ein</strong> Fehler!) Unterdessen tauschten<br />

die Käuferinnen Neuigkeiten <strong>und</strong> Rezepte aus,<br />

es war <strong>ein</strong> fröhliches Geschnatter. Auch als die<br />

Sack war – leer! Ich sah diesen Übereifrigen nie<br />

wieder.<br />

neuen Selbstbedienungswagen auftauchten,<br />

änderte sich nicht viel, ausser dass das Warenangebot<br />

um vieles grösser wurde <strong>und</strong> ich bequem mit

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