Kater Murr, Pitschi und ein Göttergatte - Sonnengarten
Kater Murr, Pitschi und ein Göttergatte - Sonnengarten
Kater Murr, Pitschi und ein Göttergatte - Sonnengarten
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Die Kunst des Schenkens<br />
42 Ich erinnere mich noch, wie wenn es gestern gewesen<br />
wäre, an das erste Geschenk, das ich m<strong>ein</strong>em<br />
Vater machte. Ich war im Kindergartenalter, er hatte<br />
Geburtstag, <strong>und</strong> ich war im Besitz von 20 Rappen.<br />
Und weil Vater nach jedem Mittagessen genussvoll<br />
s<strong>ein</strong> «schwarzes Käfeli» schlürfte, m<strong>ein</strong>te<br />
ich, ich könne ihm k<strong>ein</strong>e grössere Freude machen,<br />
als ihm den damals neu aufgekommenen Nescafé,<br />
den es in <strong>ein</strong>em Aludöschen für genau <strong>ein</strong>e Tasse<br />
gab, zu schenken. Ganz erfüllt von dieser Idee trabte<br />
ich mit m<strong>ein</strong>em Batzen ins Lädeli nebenan, deutete<br />
auf das Gewünschte <strong>und</strong> platzte schier vor<br />
Stolz <strong>und</strong> Freude, als ich es dem Jubilar überreichen<br />
konnte. S<strong>ein</strong>e Freude hielt sich in Grenzen; Mutters<br />
war es nicht ganz das Wahre. Der Winzling wurde<br />
zwar gebührend bew<strong>und</strong>ert, doch zum Gebrauch<br />
blieb Vater lieber beim Altbewährten, in dem mehr<br />
als nur <strong>ein</strong> ausgedrücktes Zigarettenstümpli Platz<br />
hatte.<br />
Für Grossmutter <strong>und</strong> Tanten musste ich natürlich<br />
selbst etwas basteln. Vor nichts blieb ich verschont:<br />
gehäkelte Topflappen, überzogene Kleiderbügel,<br />
Deckchen mit Kreuzstich-Borten <strong>und</strong> gestrickte<br />
Pulswärmer entstanden im Laufe der Jahre, begossen<br />
mit Tränen des Widerwillens, denn Mutter war<br />
streng, Pfusch wurde erbarmungslos wieder aufgetrennt.<br />
N<strong>ein</strong>, solches Schenken bereitete k<strong>ein</strong>e<br />
Freude!<br />
vorenthielt. Als ich <strong>ein</strong>e ganze Schachtel davon<br />
hatte, fasste ich mir <strong>ein</strong> Herz <strong>und</strong> kippte den ganzen<br />
Pl<strong>und</strong>er dem Franz Carl Weber auf den Ladentisch<br />
mit der Bitte, ihn umtauschen zu dürfen. Ich<br />
staunte nicht schlecht: aus der errechneten Summe<br />
konnte ich <strong>ein</strong>en w<strong>und</strong>erschönen Holztraktor<br />
erstehen. Aber das hat Tantchen natürlich nie<br />
erfahren.<br />
Überhaupt haben es die Geschenke manchmal in<br />
sich. M<strong>ein</strong>e Schwiegermutter fand, ich futtere<br />
ihrem Sohn zu wenig Fleisch <strong>und</strong> überraschte mich<br />
mit <strong>ein</strong>em raffinierten Kochbuch, <strong>ein</strong> andermal mit<br />
<strong>ein</strong>em Dampfkochtopf, den ich «erkenntnismässig»<br />
ablehnte. Als wir Jahr um Jahr um Umtauscherlaubnis<br />
43<br />
baten, bekamen wir schliesslich <strong>ein</strong><br />
Selbstgebrautes schmeckte ihm h<strong>und</strong>ertmal besser,<br />
Aber natürlich machte ich nicht nur Geschenke, ich<br />
<strong>und</strong> ich spürte schmerzhaft s<strong>ein</strong>e etwas gespielte<br />
bekam auch welche. Und da traf es m<strong>ein</strong> Götti weit<br />
Kuvert mit Inhalt, <strong>und</strong> das Problem war gelöst.<br />
Dankbarkeit.<br />
besser. Nach damaliger Tradition lag jedes Jahr auf<br />
Nicht immer geht’s so <strong>ein</strong>fach. Für schwierigere<br />
Das Jahr darauf sollte es besser werden. Ich besass<br />
70 Rappen, <strong>und</strong> weil Mutter immer gern im<br />
Heimatwerk <strong>ein</strong>kaufte («Geh ja nie in die Epa, dort<br />
gibt’s nur H<strong>und</strong>eware» war <strong>ein</strong>es ihrer Prinzipien,<br />
das ich schon fast mit der Muttermilch mitbekam),<br />
so betrat ich mit Herzklopfen das Gepriesene <strong>und</strong><br />
streckte der Verkäuferin m<strong>ein</strong>en Geldschatz hin<br />
dem Weihnachtstisch <strong>ein</strong> Silberlöffel, <strong>ein</strong>gepackt in<br />
<strong>ein</strong>em schönen Schächtelchen, ruhend auf himmelblauer<br />
Watte. Selbst kann ich mich nicht mehr<br />
daran erinnern, doch wurde es mir oft lachend<br />
erzählt, dass ich als kl<strong>ein</strong>er Wicht freudig m<strong>ein</strong>em<br />
Paten um den Hals gefallen sei mit den Worten:<br />
«i tank der villmol för’s Wätteli!»<br />
Fälle habe ich die Geschenktrucke, in die ich versenke<br />
was unwillkommen ist. Meist bleibt es dort,<br />
doch kann es auch geschehen, dass man <strong>ein</strong>en<br />
Abnehmer dafür findet. Dafür braucht’s <strong>ein</strong> gutes<br />
Gedächtnis, sonst kann es geschehen, wie es mir<br />
passierte, dass ich zur Geburt von Christoph <strong>ein</strong><br />
Holzrössli bekam, das ich zuvor m<strong>ein</strong>er Cousine ins<br />
viele Wünsche offen sind! Doch diesen Frühling<br />
erlebte <strong>ein</strong> Trüppchen Bewohner, welch reicher Segen<br />
das Gespendete andern bedeuten kann. Wir<br />
durften die Beschenkte, die Rudolf St<strong>ein</strong>er Schule<br />
Wetzikon, besichtigen, wurden liebevoll in die teils<br />
fertigen, teils unvollendeten Klassenräume geführt<br />
mit dem Wunsch, dafür <strong>ein</strong> Geschenk «für <strong>ein</strong>en<br />
Nicht nur Freude, aber viel Hallo <strong>und</strong> Gelächter<br />
Wochenbett schenkte.<br />
<strong>und</strong> vom Architekten, von Lehrern <strong>und</strong> Eltern immer<br />
wieder so herzlich bedankt, dass wir fast<br />
Herrn» <strong>ein</strong>zuhandeln. Die Gute, es war <strong>ein</strong> ältliches,<br />
fre<strong>und</strong>liches Jümpferchen, kam etwas in<br />
lösten jeweils die Geschenke von Tante Klärli aus!<br />
Übrigens hatte ich nicht nur bei Vater, sondern<br />
Während vielen Jahren gab sie mir <strong>und</strong> m<strong>ein</strong>er<br />
auch er bei mir nicht immer <strong>ein</strong>e glückliche Hand. beschämt wurden <strong>und</strong> eigentlich nur <strong>ein</strong>en Wunsch<br />
Verlegenheit. Bedächtig inspizierte sie die Gestelle,<br />
Mutter immer das Gleiche: Strickbeutel in allen<br />
Wenn <strong>ein</strong>es s<strong>ein</strong>er Bücher erschien, liess er es für hatten: Im nächsten Jahr wieder <strong>ein</strong> Scherfl<strong>ein</strong><br />
hob hie <strong>und</strong> da etwas auf, beschaute den Preis auf<br />
Grössen <strong>und</strong> Farben, Nähschatullen mit <strong>und</strong> ohne<br />
uns Kinder in herrliches Leder binden, <strong>ein</strong>mal in beitragen zu können, um der Schule zu helfen, ihre<br />
der Rückseite, legte es wieder hin – sch<strong>ein</strong>bar war<br />
Schloss, Stricknadelbehälter, r<strong>und</strong> <strong>und</strong> eckig,<br />
Rot, <strong>ein</strong>mal in Grün oder kostbares Pergament. wichtige, zukunftsträchtige Aufgabe erfüllen zu<br />
es auch in der guten alten Zeit nicht so <strong>ein</strong>fach, für<br />
Nähkörbchen <strong>und</strong> Reisenähetuis – wir ersoffen<br />
Zwar bew<strong>und</strong>erte ich die Prachtstücke gebührend können.<br />
70 Rappen <strong>ein</strong> Qualitätsprodukt zu erhalten! Ich<br />
schier in all dem Segen, <strong>und</strong> obwohl wir in unseren<br />
<strong>und</strong> stellte sie stolz ins Gestell. Dort wurden sie zu<br />
spürte ihre Bedrängnis <strong>und</strong> lenkte sie zu den<br />
Dankesbriefen jedes Mal versicherten, dass wir nun<br />
wohlbehüteten «Schongebieten», nur hätte ich<br />
Keramiksachen, indem ich ihr verriet, m<strong>ein</strong> Vater<br />
wirklich ganz <strong>und</strong> gar <strong>ein</strong>gedeckt seien mit allem,<br />
halt viel lieber Rollschuhe oder sonst etwas kindgerechtes<br />
gekriegt!<br />
sei Raucher <strong>und</strong> könne bestimmt <strong>ein</strong>en Aschenbecher<br />
brauchen. Wieder grosse Ratlosigkeit – das<br />
was Strick- <strong>und</strong> Nähbedarf beträfe, im folgenden<br />
Jahr überraschte sie uns wieder mit <strong>ein</strong>er Kreation<br />
Nun, sicher weiss es jeder, schenken ist nicht immer<br />
Aufheben <strong>und</strong> wieder Hinlegen hörte nicht auf –<br />
von Beuteln. Nur für m<strong>ein</strong>e zwei Buben musste sie<br />
<strong>ein</strong>fach! Auch das Kulturprozent des <strong>Sonnengarten</strong>s<br />
schaffte es nicht ganz ohne Probleme.<br />
endlich stiess sie auf <strong>ein</strong> winziges Schälchen, das<br />
sich etwas anderes <strong>ein</strong>fallen lassen. Blechautöli,<br />
zwar <strong>ein</strong>en Franken kostete, sie mir aber in ihrer<br />
Plastiktierchen, die die zwei Knilche zwar liebend<br />
Einige begrüssten begeistert die schöne Idee,<br />
Güte billiger gab, <strong>und</strong> ich war wieder <strong>ein</strong>mal im<br />
gern gehabt hätten, beleidigten m<strong>ein</strong>en Schönheitssinn<br />
so sehr, dass ich sie ihnen kurzer Hand<br />
verschenken, wo doch im eigenen Hause noch so<br />
andere fanden sie ungehörig. Wie kann man etwas<br />
siebenten Himmel, so etwas Schönes <strong>und</strong> Nützliches<br />
schenken zu können. Doch auch dieses Mal