Kater Murr, Pitschi und ein Göttergatte - Sonnengarten
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Katzengeschichten II<br />
56 Oft werde ich von m<strong>ein</strong>en treuen Lesern gebeten,<br />
doch wieder <strong>ein</strong>mal <strong>ein</strong>e Katzengeschichte zu<br />
schreiben. Doch die lässt sich eben nicht <strong>ein</strong>fach<br />
aus den Fingern saugen, <strong>und</strong> da wir uns entschlossen<br />
hatten, altershalber k<strong>ein</strong>e eigenen Pelztiere<br />
mehr zu halten, ist guter Rat (Stoff) teuer. Natürlich<br />
lebte im unteren Stock noch Cleo (ohne sie<br />
wäre ich schon lange an Katzenabstinenz gestorben).<br />
Sie lohnte es mir, dass sie täglich die Treppe<br />
zu uns unter die Pfoten nahm <strong>und</strong> sich wohlig<br />
neben mir nieder liess. Sie hatte die Eigenart, dass<br />
man mit ihr plaudern konnte: Cleo? – Miau – Schätzeli?<br />
– Miau – Hast du Hunger? – Miau! So hätte es<br />
st<strong>und</strong>enlang weitergehen können: sie hatte als<br />
echtes Frauchen immer das letzte Wort! Doch wie<br />
m<strong>ein</strong>e Leser wissen: auch Cleo war nicht mehr die<br />
Jüngste, hatte <strong>ein</strong> Leben mit tollen Abenteuern<br />
hinter sich <strong>und</strong> begann, wie ihr Kollege Puce, an<br />
Altersbeschwerden zu leiden, so dass der schwere<br />
Entscheid kam: <strong>ein</strong>schläfern oder was? Die Jungmannschaft<br />
war <strong>ein</strong>deutig dagegen, die Erwachsenen<br />
aus Vernunftgründen dafür. Und die Vernunft<br />
siegte. Doch vergessen werden wir das liebe Tier<br />
nie. Und nun kam die Frage der Nachfolge. Fre<strong>und</strong>e<br />
hatten <strong>ein</strong> ganz besonderes Exemplar mit <strong>ein</strong>em<br />
w<strong>und</strong>erschönen dicken Fell, in das man alle zehn<br />
Finger versenken konnte, ohne auf Gr<strong>und</strong> zu stossen.<br />
den Winzling aber überhaupt nicht wahr. Miro! –<br />
Miro? – Miro?, wo bist du?? Weil der Name Miro<br />
für ihn überhaupt k<strong>ein</strong> Begriff war, reagierte er<br />
vorerst nicht auf unsere zärtlich flehenden Rufe.<br />
Alle Räume wurden durchforscht, die Betten von<br />
oben <strong>und</strong> unten durchsucht – k<strong>ein</strong> Miro! Bis er<br />
dann plötzlich vor uns stand wie aus dem Boden<br />
gewachsen, blinzelnd <strong>und</strong> gähnend <strong>und</strong> die steifen<br />
B<strong>ein</strong>chen streckend. Und nun begann das Fitnessprogramm:<br />
Wir rüsteten uns mit Wollknäuel,<br />
Bällchen, Schmusetierchen <strong>und</strong> Papierservietten<br />
aus (das alles liebte er) <strong>und</strong> <strong>ein</strong>es ums andere wurde<br />
<strong>ein</strong>gesetzt: in die Papierserviette verbiss er sich<br />
wie <strong>ein</strong> Verrückter <strong>und</strong> ruhte erst, wenn sie in die<br />
winzigsten Fetzchen zerzaust war, das Bällchen<br />
verwandelte ihn selber in <strong>ein</strong> lebendes Bällchen,<br />
am Wollknäuel übte er Sprünge aus dem Stand,<br />
wenn wir ihn ihm vor der Nase baumeln liessen,<br />
<strong>und</strong> die Plüschmaus entriss er uns so gierig, dass wir<br />
in kürzester Zeit blutige Kratzer an den Händen<br />
hatten. Dem half GG ab, indem er die Maus an <strong>ein</strong>er<br />
Art Fischerrute wie als Köder baumeln liess,<br />
was unsere Hände schonte <strong>und</strong> Miro zu den fulminantesten<br />
Luftsprüngen animierte, um dann,<br />
sek<strong>und</strong>enplötzlich aufzugeben, sich auf den Boden<br />
zu legen – <strong>und</strong> <strong>ein</strong>zuschlafen. Das gab uns dann<br />
<strong>ein</strong>e wohlverdiente Verschnaufpause.<br />
So kam der Wunsch nach <strong>ein</strong>er zärtlicheren Genossin<br />
auf, <strong>und</strong> da Dominique auf s<strong>ein</strong>em Bauernhof<br />
fast im Katzenglück ertrank (Frau Stäublis <strong>und</strong> Herr<br />
Hyänes Liebe hatten vierfachen Nachwuchs zur<br />
Folge), so dass es nahe lag, diesen <strong>ein</strong>mal näher zu<br />
prüfen. Dazu pilgerte die ganze Familie, Grossmutter<br />
inbegriffen, zur Kindsbetterin. Sie heisst<br />
übrigens Stäubli, weil ihr Fell aussieht, wie wenn<br />
sie in <strong>ein</strong>em Mehlsack geschlafen hätte. Also,<br />
Mama Stäubli empfing uns huldvoll <strong>und</strong> präsentierte<br />
uns stolz ihre Kinderschar. Wem schmilzt<br />
nicht das Herz beim Anblick von vier putzigen<br />
Gummibällchen, die <strong>ein</strong>em um die B<strong>ein</strong>e krabbeln,<br />
zärtlich oder wild, je nach Charakter. Wir liessen<br />
uns alle auf den Boden nieder <strong>und</strong> haschten <strong>und</strong><br />
streichelten, was uns unter die Finger kam, <strong>und</strong><br />
bald hatten alle <strong>ein</strong>en Liebling gef<strong>und</strong>en: Die<br />
Mutter <strong>und</strong> zwei Töchter <strong>ein</strong>en roten, der Vater<br />
<strong>ein</strong>en schwarzen (würde gut zu Miro passen) <strong>und</strong><br />
ich hängte m<strong>ein</strong> Herz an <strong>ein</strong> etwas mickriges,<br />
scheues, fahlgelbes Ding, das sich nicht so gut zu<br />
präsentieren wusste. Nur Rebecca, die wollte <strong>ein</strong>en<br />
Tiger, <strong>und</strong> <strong>ein</strong>en Tiger hatte es nun mal nicht! Aus<br />
dem grossen Disput ging <strong>ein</strong>e süsse Rote als Siegerin<br />
hervor, wurde gleich Chili genannt <strong>und</strong> durfte<br />
nach der Entwöhnung bei uns <strong>ein</strong>ziehen.<br />
Entgegen unseren Befürchtungen reagierte Miro<br />
verwahrlost <strong>und</strong> ohne irgendwelchen seelischen<br />
Knax, <strong>und</strong> auch Rebecca fand ihre Fröhlichkeit wieder.<br />
Von Chili lässt sich nur sagen, dass sie wirklich<br />
<strong>ein</strong>e Schmusekatze ist, nicht besonders originell<br />
<strong>und</strong> nur mit <strong>ein</strong>em Fehler behaftet, sie liebt leidenschaftlich<br />
(empfindliche Gemüter bitte wegschauen)<br />
Blindschleichen, mit denen sie aufs grausamste<br />
spielt <strong>und</strong> für die sie <strong>ein</strong>e spezielle Antenne haben<br />
muss; immer wieder trabt sie mit <strong>ein</strong>er an. Eigentlich<br />
wären wir ja froh, sie würde sich dem Heer von<br />
Mäusen annehmen, die unsere Blumenknollen <strong>und</strong><br />
Entenkörner brutal dezimieren. Sie versucht es<br />
zwar – eben jetzt sitzt sie vor <strong>ein</strong>em Riesenloch,<br />
gräbt sich bis zum Bauch hin<strong>ein</strong>, zittert vor<br />
Erregung, aber letztendlich ist alles nur Show <strong>und</strong><br />
die Graupelze lachen sich ins Pfötchen.<br />
Miro ist zu unserem Kummer Vogelliebhaber, sonst<br />
eher <strong>ein</strong> Spiesser mit leiser Stimme, die er nur<br />
verstärkt, wenn er morgens um 5 Uhr Einlass<br />
begehrt, dann aber so laut, dass das Geröhre <strong>ein</strong>es<br />
brünstigen Hirsches r<strong>ein</strong>es Gesäusel ist (ja, ja, Sie<br />
haben ja recht, ich habe noch nie <strong>ein</strong>en gehört,<br />
aber ich könnte mir vorstellen, dass der Vergleich<br />
nicht unpassend ist.) Auf alle Fälle jagt er den<br />
Hausherrn beim ersten Gemaunze aus den Federn,<br />
nur damit er aufhört, bevor die Nachbarschaft<br />
reklamiert.<br />
57<br />
Und als diese Schönheit Nachwuchs bekam, Miro gedieh grossartig <strong>und</strong> bekam <strong>ein</strong> ebenso<br />
zwar nicht mit Liebe, aber mit souveräner Gelas-<br />
Sie sehen, als <strong>Sonnengarten</strong>bewohner wäre er<br />
war das Interesse für ihn gross, hauptsächlich, weil prächtiges Fell wie s<strong>ein</strong>e Mamma, in das sich alle<br />
senheit auf den Neuling, ja, mit der Zeit sah man denkbar ungeeignet!! Aber ihr habt ja das Peteres<br />
<strong>ein</strong> herrlich schwarzer <strong>Kater</strong> war. Nur der Eintritt Familienmitglieder mit Lust versenken wollten.<br />
die zwei immer öfters dicht beisammen in Rahels <strong>und</strong> Kubli-Büseli, <strong>und</strong> die schmusen sich gottlob in<br />
in unsere Familie war etwas ungünstig: die neue Doch das liess sich unser Pascha nur beschränkt<br />
Bett liegen. Doch schon bald bescherte uns Chili viele Herzen. Das verstehen sie halt, die Katzen!<br />
Familie wollte gerade in die Sommerferien verreisen,<br />
gefallen. Irgendwann musste er <strong>ein</strong> traumatisches<br />
viel Herzschmerz. Eines Tages verschwand sie spurlos,<br />
die alte ebenfalls. Somit wurden wir Gross-<br />
eltern gebeten, den Neuankömmling gut zu<br />
betreuen, das heisst, ihn zu füttern, zu streicheln,<br />
mit ihm zu spielen <strong>und</strong>, <strong>und</strong>, <strong>und</strong>!<br />
Miro, so s<strong>ein</strong> Name, war noch so kl<strong>ein</strong>, dass man<br />
ihn schier mit der Lupe suchen musste, <strong>und</strong> so kam<br />
es, dass m<strong>ein</strong> GG <strong>und</strong> ich stündlich (wer sagt<br />
eigentlich, Pensionierte haben Zeit in Hülle <strong>und</strong><br />
Fülle?) in den unteren Stock pilgerten, um das<br />
Babysitteramt wahrzunehmen. Zuerst nahmen wir<br />
Erlebnis gehabt haben: aus dem zutraulichen Tier<br />
wurde plötzlich <strong>ein</strong> schüchternes; wenn sich<br />
jemand zärtlich nähern wollte, nahm er Reissaus<br />
<strong>und</strong> liess sich durch die schmelzendsten Lockrufe<br />
nicht zum Kommen verführen. Zwar liebte er es,<br />
sich in die Betten der Mädchen <strong>ein</strong>zurollen, dann<br />
durfte man ihn sogar streicheln, aber wirklich nur,<br />
wenn es dem Herrn passte, <strong>und</strong> es passte ihm nicht<br />
oft. Von mir, s<strong>ein</strong>er früheren Nanny, wollte er<br />
prinzipiell gar nichts mehr wissen.<br />
<strong>und</strong> alles Suchen <strong>und</strong> Rufen blieb erfolglos.<br />
Rebecca wurde blass <strong>und</strong> blässer vor Kummer, <strong>und</strong><br />
wir fuhren mit viel Sorgen in die Ferien. «Was hast<br />
du, bist du krank?», empfing mich <strong>ein</strong>e Bekannte.<br />
«N<strong>ein</strong>, aber unser junges Büsi ist verschw<strong>und</strong>en.»<br />
«Oh, k<strong>ein</strong> Problem, telephoniere Rebecca, wir<br />
hätten süsse rote Vierlinge.» Natürlich wollte<br />
Rebecca k<strong>ein</strong>en Ersatz, auch wenn er noch so<br />
drollig wäre. Doch nach drei Tagen tauchte Chili<br />
plötzlich, woher nur? - wieder auf, k<strong>ein</strong>eswegs