Jury-Mitglied Thomas Leif (rechts) im Gespräch mit Thomas Schuler, Günter Bartsch und Veronica Frenzel (v.l.n.r.) Festredner Tom Schimmeck und die Gewinner <strong>Otto</strong> <strong>Brenner</strong> <strong>Preis</strong>e <strong>2009</strong> RECHERCHE-STIPENDIEN II Ergebnisse abgeschlossener Stipendien Veronica Frenzel Günter Bartsch Thomas Schuler Thomas Schnedler 81
Veronica Frenzel Schattenbrüder * Illegale Einwanderer trifft die Weltwirtschaftskrise besonders hart – in Spanien zum Beispiel. Mit der Baubranche ist einer der wichtigsten Arbeitsmärkte für Einwanderer ohne Papiere weggebrochen. Auch in der Landwirtschaft finden immer weniger Osteuropäer, Chinesen, Afrikaner und Südamerikaner Jobs. Die Konkurrenz wächst, die Arbeitsbedingungen werden schlechter. Diese Reportage schildert das Schicksal von zwei Männern. Sie ist das Ergebnis eines Recherche- Stipendiums der <strong>Otto</strong> <strong>Brenner</strong> Stiftung, das die Autorin 2008 erhielt. Den Ort, an dem sein Leben besser werden sollte, hatte sich Moussa S. (31) aus dem Senegal anders vorgestellt. Die Straßenkreuzung in La Mojonera bei Almería ist grau und staubig, drum herum ducken sich ein paar farblose Hausklötze vor dem ständig blasenden Wind, der um sieben Uhr morgens noch kalt und feucht ist. Seit rund hundert Tagen sieht Moussa jeden Tag von hier die Sonne aufgehen. Er wartet auf einen „Chef“, der ihm ein paar Stunden Arbeit gibt. Moussas Augen sind starr geradeaus gerichtet. Nur wenn ein Lastwagen an der Kreuzung hält, schnellt sein Blick zum Mann am Steuer. Doch Moussa sieht stattdessen nur in die flehenden Augenpaare der anderen, die mit ihm an der Kreuzung auf einen Heilsbringer warten. „Die Gewächshäuser an der Küste von Almeria sind der Wartesaal Europas für illegale Einwanderer“, sagt Spitu Mendy von der Landarbeitergewerkschaft SOC. „Mit einer Arbeitsgenehmigung braucht man hier eigentlich gar nicht erst nach einem Job fragen. Die Landwirte vergeben die Arbeit fast nur ohne Vertrag.“ Auf den Auberginen-, Zucchini- und Tomatenplantagen sind die Löhne so schlecht wie nirgends sonst auf dem spanischen Acker, mickrige 30 Euro für einen Acht-Stunden-Tag gelten hier als gutes Geld. Seit Beginn der Wirtschaftskrise bezahlen die Landwirte weniger. Wenn überhaupt. Seit das spanische Wirtschaftswunder vorbei ist, finden illegale Einwanderer wie Moussa keinen Job mehr. Die Spanier kehren zurück auf die Felder und konkurrieren mit den Arbeitsimmigranten. Fast 18 Prozent der Spanier haben gerade keine Arbeit, rund ein Drittel der viereinhalb Millionen in Spanien gemeldeten Einwanderer ist zur Zeit arbeitslos, Tendenz steigend. Die spanische Regierung schätzt, dass es dazu noch gut eine Million illegaler Einwanderer gibt. Der Anteil derjenigen ohne Arbeit ist bei ihnen deutlich höher. Der Konkurrenzkampf an der Kreuzung von La Mojonera wird täglich größer. „Mit dem Lohn für die Arbeiter ist es wie mit dem <strong>Preis</strong> für die Tomaten: Je mehr Angebote es gibt, desto weniger wird bezahlt.“ Manuel Sabio Perez ist Landwirt in Almería, er steht in seinem Gewächshaus, neben ihm reihen sich Zehntausende von Tomatenpflanzen aneinander. Im Januar war Moussa an einem Strand von Marokko in ein Holzboot gestiegen. Tausend Euro zahlte er den Schleppern für die Fahrt nach Marokko. Geld, das er sich von Freunden geliehen hatte. Geld, das er zurückzahlen wollte, sobald er in Europa war. 400 Euro hatte er dann noch für die Überfahrt nach Spanien, die Schlepper verlangten 500 Euro mehr, die er nicht hatte. Auch die muss er noch zurückzahlen. Die Bande weiß, wo seine Familie lebt. Die Überfahrt dauerte fast drei Tage. Eine Nacht war geplant gewesen, Nahrung und Getränke waren rationiert. Er war glücklich, als er endlich die spanische Küste sah. Doch als die Polizei das kleine Holzboot, in dem er reiste, ein paar Kilometer vor Cádiz aufgriff, dachte er, er sei gescheitert. Die Beamten brachten ihn in das Internierungslager von Algeciras, wo er Tage lang fürchtete, er müsse zurück in den Senegal. Doch dann setzten ihn die Polizisten vor die Tür und drückten ihm einen Zettel in die Hand. Dort stand, er müsse Spanien sofort verlassen und dürfe in den nächsten fünf Jahren nicht wieder einreisen. Mitarbeiter vom Roten Kreuz erklärten Moussa, dass er mit dem Abschiebebescheid kaum Chancen auf * Der dokumentierte Beitrag ist erschienen in: E+Z, 50. Jahrgang, Ausgabe 6/<strong>2009</strong>, S. 234-236 82 83