WELCHER IST GUT GENUG? - Mecklenburger Pferde
WELCHER IST GUT GENUG? - Mecklenburger Pferde
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THEMA | HENGSTAUSWAHL UND AUFZUCHT<br />
Rocco Henning: „Man muss keinen Junghengst auf die<br />
Körung vorbereiten, wenn er trotz guter Abstammung kein<br />
Talent zum Springen hat.“<br />
er. Vertreten sind der ganze Reigen - Holsteiner, Hannoveraner, Westfalen<br />
und natürlich vor allem <strong>Mecklenburger</strong>. Seit acht Jahren, seit Beendigung<br />
seines Studiums, bereitet Henning Stuten und Hengste auf Leistungsprüfungen<br />
und die Körung vor. „Es ist immer unterschiedlich, wie viele Hengste bei uns<br />
sind. Dieses Jahr sind es vier Junghengste, von denen wohl realistischerweise<br />
nur zwei zur Hauptkörung zugelassen werden.“ Eine gewisse „Quote“ sei immerhin<br />
auch mit im Spiel.<br />
Auch diese <strong>Pferde</strong> haben bei Henning schon eine interne Vorauswahl passiert:<br />
„Am Anfang hatte ich mir sieben Hengste ausgesucht, eigene, von Einstellern<br />
und von außerhalb, von denen drei aber doch noch nicht so weit waren.“<br />
Seiner Meinung nach müsse man sich im Vorfeld überlegen, was für ein<br />
Pferd man vor sich hat - Spring- oder Dressurabstammung? Henning: „Man<br />
muss keinen Junghengst mit einer super Springabstammung auf die Körung<br />
vorbereiten, wenn er kein Talent zum Springen hat. Ein Dressurpferd andererseits<br />
muss nicht perfekt freispringen können und ein Springpferd braucht<br />
keine atemberaubenden Gänge, aber es muss trotzdem locker und elastisch<br />
laufen.“<br />
Außerdem müsse man bedenken, ob der Junghengst groß genug wird, ob<br />
Konstitution und Kondition genug entwickelt sind, oder ob er einfach noch<br />
zu fohlenhaft ist.“ Denn vor allem letzteres bekäme man in wenigen Monaten<br />
Vorbereitungszeit „nicht mehr hin“. Die körperliche Entwicklung sei<br />
schließlich schwer zu beeinflussen. Insbesondere käme es auf die Korrektheit,<br />
die Bewegung und den Sprung des Junghengstes an. „Da muss alles stimmen.“<br />
Henning verrät seinen Grundgedanken: „Wenn ich selbst meine Stute<br />
von diesem Hengst nicht decken lassen würde, ist die ganze Vorbereitung<br />
12 I MECKLENBURGER PFERDE – 06 I 12<br />
Fotos: Wego<br />
eine brotlose Kunst, denn man muss seinen Hengst selbst als Zuchttier<br />
anerkennen.“<br />
Ganz wichtig bei der Vorauswahl sei auch der Typ des jeweiligen <strong>Pferde</strong>s,<br />
denn: „Keiner möchte einen hässlichen Hengst haben.“ Die Arbeit mit<br />
den jungen Hengsten beginne vorsichtig und steigere sich stetig: „Man sollte<br />
langsam anfangen mit Freilaufen und danach Anlongieren, erst mit Halfter,<br />
später mit Trense und Gurt, den man später schon mit dem Sattel tauschen<br />
kann. Dazu sollten die Junghengste in die Führanlage gehen und Freispringen.<br />
Dabei sollte man zwischen Training auf Höhe und Gymnastizierungsreihen<br />
abwechseln.“ In der Endphase der Vorbereitung sei man bei<br />
einer Stunde in der Führanlage und 45 Minuten an der Longe angekommen,<br />
die <strong>Pferde</strong> sollten gerne zwei Mal am Tag bewegt werden. „Zu Beginn<br />
sollte man mit zehn Minuten anfangen und sich in kleinen Schritten<br />
immer weiter steigern“, rät der Hengsthalter. Ebenso wie Sandra Engelmann<br />
schenkt Henning dem Thema Fütterung große Aufmerksamkeit: „Wenn<br />
ein gutes Grundfutter gegeben ist, also guter Hafer, gutes Heu und gutes<br />
Stroh, dann kann mit Zusatzfutter ein bisschen nachgeholfen werden. Das<br />
muss individuell auf jedes Pferd abgestimmt werden. Man muss lernen, abzuschätzen,<br />
was der jeweilige Junghengst benötigt.“ Wegen der enormen<br />
Kosten, die auf den Hengsthalter zukämen, rät Henning, den „TÜV“ schon<br />
jetzt machen zu lassen und nicht erst bei der Vorauswahl im September.<br />
„Da kommt manchmal das böse Erwachen und alles war für die Katz.“<br />
Wer durchkommt, verursacht immer noch genügend Kosten zusätzlich<br />
zu dem, was für die Monate der Ausbildung anfällt:<br />
Allein die Hauptkörung kostet knapp 1000 Euro und wer es schafft, dass<br />
sein Hengst gekört wird, muss noch einmal eine Pauschale von knapp 1000<br />
Euro „hinblättern“. Henning erinnert daran, „dass längst nicht mehr alle Hengste<br />
auf der Auktion gut verkauft werden“: „Das war ein Marktinstrument<br />
und ein Trend, der inzwischen rückläufig ist. Die großen Hengststationen<br />
kaufen sich die Siegerhengste und es sind sicherlich auch andere Hengste<br />
dabei, die ins In- und Ausland verkauft werden. Aber so viel wie früher ist<br />
das nicht mehr.“ Heutzutage seien seiner Auffassung nach eher gut gerittene<br />
Reitpferde gewünscht.<br />
Nicht zu viel springen lassen<br />
Zur perfekten Vorbereitung der Junghengste rät er: „Man sollte nicht zu<br />
viel mit den Hengsten freispringen und individuell auf jedes Pferd eingehen.<br />
Ich rate außerdem dazu, die Junghengste so lange wie möglich in einer Herde<br />
zusammen zu lassen. Beim Spielen in einer Laufbox oder draußen beanspruchen<br />
sie ihre Sehnen und Bänder besser als bei jeder Arbeit an der Longe.“<br />
Der ausgiebige Weidegang sei ebenso wichtig für die Gesundheit des <strong>Pferde</strong>s<br />
und es käme zu viel weniger Problemen mit den Gelenken. Als letztes<br />
rät der erfahrende Hengstvorbereiter: „Es empfiehlt sich ein guter Draht zu<br />
Personen der Körkommission. Sie kann man im Frühjahr schon fragen, ob<br />
sie sich den Junghengst im Vorfeld schon einmal ansehen können. Wenn einem<br />
dann geraten wird, es lieber zu lassen, muss man weder dem Junghengst<br />
noch sich selbst den Stress und die Kosten antun. Die wissen, was sie sehen<br />
wollen.“ Auf seinen ersten Siegerhengst wartet Henning noch.<br />
Einmal im Leben...<br />
„So einen hat man nur ein oder zweimal im Leben“, betont Armin<br />
Spierling, der in Neuenkirchen einen Pensions- und Ausbildungsstall mit<br />
knapp 40 <strong>Pferde</strong>n betreibt. Angefangen hatte alles mit seiner Ausbildung im<br />
Brandenburgischen Haupt- und Landgestüt Neustadt/Dosse. Auf seiner Anlage<br />
züchtet er mit zwei Warmblütern und zwei Reitponys. Siegerhengste hat<br />
er bisher zwei vorbereitet, Reitpony Hengst Di Caprio aus der Zucht von Günther<br />
Helm (Eldena), und den <strong>Mecklenburger</strong> Lord Dream aus der Zucht von<br />
Uwe Thomas (Blowatz).<br />
Seine 50sten Geburtstag feierte Spierling bei der letztjährigen Körung in<br />
Redefin. „Besser kann man gar nicht 50 werden“, sagt er schmunzelnd. Spierlings<br />
17-jährige Tochter Kati ist erfolgreich im Sport unterwegs, gewann erst<br />
just beim <strong>Pferde</strong>festival Redefin mit ihrer Hannoveranerstute Befana die FEI-<br />
M**-Dressur für Junioren und Junge Reiter.<br />
In diesem Jahr bereitet Spierling vier Junghengste auf die Hauptkörung<br />
vor, ein Reitpony, zwei <strong>Mecklenburger</strong> und einen Holsteiner:<br />
„Ich habe auch schon neun Junghengste in der Vorbereitung gehabt<br />
und war deutschlandweit unterwegs“, berichtet er. „Aber<br />
ich nehme nur so viele Hengste auf, wie ich schaffe, auch selbst<br />
zu arbeiten.“ Bei der Hengstauswahl überlässt der Neuenkirchener<br />
die letzte Entscheidung dem <strong>Pferde</strong>besitzer: „Ich kann dabei jedem<br />
nur den Tipp geben, sich von Fachleuten, Züchtern und<br />
anderen Hengsthaltern beraten zu lassen.“ Seinem Empfinden<br />
nach muss bei einem Junghengst alles passen: „Entwicklung,<br />
Männlichkeit und Ausstrahlung“. „Wenn ich jedoch während<br />
der Arbeit mit einem Hengst merke, dass es doch kaum Chancen<br />
für dieses Pferd gibt, bespreche ich das mit dem Besitzer.“<br />
Denn es sei schon „schwierig genug“, überhaupt durch die Vorauswahl<br />
zu kommen: „Letztes Jahr wurde keiner meiner vorbereiteten<br />
Junghengste zur Hauptkörung zugelassen“, nennt<br />
Spierling eine Enttäuschung. Aber das gehört zum Geschäft dazu.<br />
Keiner hat gesagt dass es ein Spaziergang ist.<br />
Aller Anfang ist Vertrauen...<br />
„Schlecht“ seien diese Hengste natürlich trotzdem nicht: „Es<br />
wird immer schwieriger, einen Hengst gekört zu bekommen, das<br />
hat nichts mit den späteren Reiteigenschaften und dem Hengst<br />
an sich zu tun. Aber das System ist hart und es wird sehr viel verlangt<br />
von den jungen Tieren, darüber muss man sich im Klaren<br />
sein“ Das müsse man ebenso in der täglichen Arbeit mit dem<br />
Junghengst bedenken: „Die Hengste können ruhig bis Mai auf<br />
die Koppel gehen und müssen schonend aufgezogen werden.<br />
Man soll schließlich noch erkennen, dass es sich um ein junges<br />
Pferd handelt, weil die Hengste ansonsten nach der Körung<br />
schnell wieder zusammenbrechen.“ Für Spierling beginnt alles<br />
mit Vertrauen. Später wird der Hengst anlongiert, wenig ausgebunden,<br />
das Arbeitspensum wird langsam gesteigert. „Das Pferd<br />
soll für seinen Ausbilder arbeiten. Als Hengstvorbereiter muss<br />
ich seinen Charakter, seine Stärken und Schwächen genau kennen<br />
lernen, damit ich im Training damit umgehen kann.“ Die<br />
Schwächen sollten tunlichst vertuscht, die Stärken betont werden.<br />
Das Zusammenspiel mit bester Pflege und optimaler Fütterung<br />
zu optimieren, „das Beste“ aus dem Pferd herauszuholen,<br />
sei Ziel. Spierling: „Da hat jeder Ausbilder so seine eigenen<br />
Tricks. Ich füttere beispielsweise Malzbier.“ Auf seiner Anlage<br />
hält Spierling die Hengste zusammen mit allen anderen <strong>Pferde</strong>n:<br />
„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Hengste psychisch besser<br />
drauf sind, wenn sie alle Gerüche wahrnehmen und nicht isoliert<br />
gehalten werden. Am Anfang war das eine Umstellung, aber<br />
HENGSTAUSWAHL UND AUFZUCHT | THEMA<br />
es ist letztendlich ideal.“ Und selbst wenn der Traum des gekörten Hengstes<br />
platzt: Jedem Hengsthalter sollte bei aller Enttäuschung bewusst sein, dass<br />
aus einem Hengst kein schlechtes Reitpferd wird, nur weil es für eine Körung<br />
nicht reicht.<br />
Bild unten: Armin Spierling bildet erfolgreich Hengste und Stuten aus.<br />
Foto: Wego Bild oben: „Alles muss stimmen: Exterieur, Vermögen und Einstellung.“<br />
06 I 12 – MECKLENBURGER PFERDE I 13