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Von einem, der ausflog, die Welt zu erobern - Lesebar

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<strong>Von</strong> <strong>einem</strong>, <strong>der</strong> <strong>ausflog</strong>, <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>zu</strong> <strong>erobern</strong><br />

<strong>Lesebar</strong>-Rezension von Jan-Helge Osmers (2008)<br />

Im Internet unter: www.lesebar.uni-koeln.de<br />

Ein kleiner Junge, ein verschlafenes kleines Dorf und …? Richtig: Zu <strong>einem</strong> spannenden<br />

Kin<strong>der</strong>buch gehört das Abenteuer. Nehmen wir da<strong>zu</strong> <strong>die</strong> märchenhafte Kulisse aus<br />

Tausendundeiner Nacht, und wir sind bei <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>entdeckung <strong>der</strong> ereignisreichen<br />

Geschichte „Hodja im Orient“ von Ole Lund Kirkegaard (1970, dt. EA 1974).<br />

Das Leben in Pjort, s<strong>einem</strong> Heimatstädtchen im Lande Bulgislav, langweilt den kleinen<br />

Hodja. Er sehnt sich in „<strong>die</strong> weite <strong>Welt</strong> hinaus“. Doch wenn er seinen Vater, <strong>die</strong> Fischer<br />

o<strong>der</strong> <strong>die</strong> Lastenträger um Hilfe bittet, erntet er nur verständnisloses Lächeln und Spott.<br />

Erst <strong>der</strong> alte Teppichweber el-Faza kann mit einer überraschenden Lösung in Form eines<br />

fliegenden Teppichs aufwarten. Hodja muss noch einige Startschwierigkeiten überwinden,<br />

schließlich jedoch fliegt er wie ein alter Fakir und kann <strong>zu</strong> seiner Entdeckungsreise<br />

aufbrechen.<br />

Die Geschichte nimmt ihren Lauf, und Hodja gerät von einer Gefahr in <strong>die</strong> nächste. Mal<br />

hat man es auf seinen Teppich abgesehen, dann ist er kurz vorm Verhungern, mal wird er<br />

übers Ohr gehauen, und schließlich sitzt er, nackt bis aufs Hemd, im Kerker. Er erlebt<br />

Höhen und Tiefen und muss sich fast ohne Hilfe in <strong>der</strong> großen Stadt bewähren. Doch<br />

Hodja wäre nicht Hodja, wenn nicht mit den Herausfor<strong>der</strong>ungen auch sein Einfallsreichtum<br />

wüchse. Aus dem unwissenden und leichtgläubigen Jungen wird mehr und mehr ein<br />

pfiffiger, frecher und gewitzter Entdecker, <strong>der</strong> Hürden überwindet und sich in <strong>der</strong> großen,<br />

weiten <strong>Welt</strong> beweist.<br />

Ole Lund Kirkegaard (1940 – 1979) verwendet in seiner Erzählung eine klare, bildreiche<br />

Sprache, <strong>die</strong> es Kin<strong>der</strong>n leicht macht, sich in den Protagonisten hinein<strong>zu</strong>fühlen. Durch<br />

einen unkomplizierten Erzählaufbau und einen schlichten Ton schafft er <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />

eigene Fantasieräume <strong>zu</strong> erschließen. Auch bietet sein Buch eine Komik, <strong>die</strong> Kin<strong>der</strong>n<br />

entgegenkommt, z. B. wenn Hodja einen Lastenträger hinters Licht führt und dessen<br />

Leichtgläubigkeit listig für seine Zwecke ausnutzt. An manchen Stellen richtet sich <strong>der</strong><br />

auktoriale Erzähler direkt an den Leser und erklärt Geschehnisse, <strong>die</strong> eigentlich<br />

offensichtlich sind. So bestärkt er <strong>die</strong> Kin<strong>der</strong> in ihren eigenen schon gezogenen Schlüssen<br />

und bietet genügend Raum, sich <strong>die</strong> lustigen Szenen vor<strong>zu</strong>stellen.


Kirkegaard zeichnet ein schlichtes, überkommenes, für <strong>die</strong> Entstehungszeit des Buches<br />

jedoch durchaus typisches Bild vom Orient mit eindimensionalen, stereotypen und <strong>zu</strong>meist<br />

unfreundlichen Charakteren. Auch thematisch entspricht das Buch dem Zeitgeist <strong>der</strong><br />

späten 60er/ 70er Jahre, indem <strong>der</strong> Autor einen jungen Helden schafft, <strong>der</strong> zeigt, dass<br />

Erwachsene nicht immer recht haben müssen und dass es sich lohnt, seinen Ideen<br />

nach<strong>zu</strong>gehen und an sie <strong>zu</strong> glauben. Man wächst mit seinen Herausfor<strong>der</strong>ungen.<br />

Die Illustrationen stammen aus <strong>der</strong> Hand des Autors. In seinen witzig-karikaturhaften<br />

Fe<strong>der</strong>zeichnungen erschließt er einen weiteren Weg, <strong>die</strong> Vorstellungskraft <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />

an<strong>zu</strong>regen.<br />

„Hodja im Orient“ ist in <strong>der</strong> Reihe „Die Bücher mit dem blauen Band“ erschienen. In <strong>die</strong>ser<br />

neuen Reihe aus dem Fischer Verlag werden neben wie<strong>der</strong>entdeckten Kin<strong>der</strong>- und<br />

Jugendbuchklassikern auch neue Romane wie z. B. „Iwein Löwenritter“ (von Felicitas<br />

Hoppe) und außergewöhnliche Sachbücher veröffentlicht. Bemerkenswert für alle Bücher<br />

<strong>der</strong> Reihe ist <strong>die</strong> Qualität <strong>der</strong> verwendeten Materialien und <strong>die</strong> Ausstattung: Illustriert,<br />

gebunden in blaues Leinen und versehen mit einer zweifarbigen Prägung, steckt jedes<br />

Buch in <strong>einem</strong> Schmuckschuber mit ausgestanztem Fenster, durch welches das<br />

aufgeklebte Titelbild <strong>zu</strong> sehen ist. Ein blaues Lesebändchen hat <strong>der</strong> in je<strong>der</strong> Hinsicht<br />

empfehlenswerten Reihe ihren Namen gegeben.<br />

Es bleibt <strong>die</strong> Frage, welchen Sinn das Nachwort <strong>zu</strong> <strong>die</strong>ser Ausgabe hat und an wen es<br />

gerichtet ist. Doch dessen ungeachtet hat Ole Lund Kirkegaard mit „Hodja im Orient“ eine<br />

märchenhafte Abenteuergeschichte geschrieben, <strong>die</strong> auch für heutige Kin<strong>der</strong> durchaus<br />

lesenswert ist.<br />

Jan-Helge Osmers<br />

Leseprobe:<br />

Hodja wäre vor Staunen fast das Kinn heruntergeklappt. „Was sagst du da!“, rief er und<br />

machte einen Luftsprung. „Weißt du etwa, wie ich in <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> hinauskommen kann?“<br />

„Ruhig, Junge, ruhig“, sagte <strong>der</strong> alte el-Faza. „Pass auf, dass du mich nicht umwirfst. Ich<br />

käme wohl kaum wie<strong>der</strong> von selbst auf <strong>die</strong> Beine.“


Doch Hodja war so aufgeregt, dass er ununterbrochen auf und nie<strong>der</strong> hopste.<br />

„Du weißt, wie ich in <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> hinauskommen kann?“, rief er. „Nun mach schon, erzähl es<br />

mir!“<br />

„Psst, leise“, sagte <strong>der</strong> alte el-Faza. „Leise. Die <strong>Welt</strong> ist voll böser Menschen mit langen<br />

Ohren. Komm mit mir in meinen Laden – aber hör auf <strong>zu</strong> schreien.“ (Seite 25 f.).<br />

Kirkegaard, Ole Lund:<br />

Hodja im Orient<br />

Aus dem Dänischen von Senta Kapoun.<br />

Mit Illustrationen des Autors und <strong>einem</strong> Nachwort von Hanns Grössel.<br />

Frankfurt a. M.: Fischer (Die Bücher mit dem blauen Band) 2008.<br />

144 Seiten.<br />

€ 14,90.<br />

Ab 8 Jahren.<br />

Kin<strong>der</strong>buch.<br />

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