11.07.2015 Aufrufe

Die andere Seite - Lesebar

Die andere Seite - Lesebar

Die andere Seite - Lesebar

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Eiskalter Engel<strong>Lesebar</strong>-Rezension von Sonja Behrendt und Vanessa Zelissen (2007)Im Internet unter: www.lesebar.uni-koeln.deDer 16-jährige Miles ist nicht unbedingt der ‚Coolste’. Er ist introvertiert, lernt viel undschreibt gute Noten. Freunde hat er keine, abgesehen von dem „traurigen Haufen vonTheatergruppenleuten und Englischstrebern“. Er liebt es, die Biografien berühmter Menschenzu lesen und deren letzte Worte zu sammeln. Frustriert von der Langeweile seinesHeimatortes und genervt durch die Überbehütung seiner Eltern, entscheidet er sich dafür, denRest seiner Schulzeit im Internat zu verbringen, um dort, wie der Dichter Rabelais, das „großeVielleicht“ zu suchen …Dort angekommen, findet Miles sogleich Anschluss. Sein ausgeflippter Zimmergenosse Chipführt ihn ins Internatsleben ein, verpasst ihm einen Spitznamen und stellt ihn seinen FreundenTakumi und Alaska vor. Alaska, deren Name so ungewöhnlich und geheimnisvoll ist wie sieselbst, lässt Miles Herz augenblicklich höher schlagen. Das Mädchen, welches nach„Mädchenschweiß und Sonnenschein und Vanille“ riecht ist, nicht nur schön, sondern auchklug. Für ihn ist sie „das heißeste Wesen, das die Welt je gesehen hat“.Doch Alaska kann nicht nur heiß, sondern auch verdammt kühl sein. Sie ist sich ihrerWirkung auf Miles durchaus bewusst und findet oftmals Spaß daran, mit dem unerfahrenenJungen und dessen Gefühlen zu spielen. Auch ist Alaska unberechenbar und aufbrausend wieein „Hurrikan“, denn ihre Launen können sich schlagartig ändern: War sie gestern noch einMädchen, mit dem Miles prima reden konnte, spricht sie heute gar nicht erst mit ihm. Alaskahüllt sich gerne in Geheimnisse: Erst im ‚Suff’ erzählt sie ihren Freunden, dass sie als kleinesMädchen ihre Mutter verloren habe und sie sich immer noch schuldig fühle. Wie es wirklichin ihr aussieht, zeigt Alaska nur selten – meist versteckt sie ihre selbstzerstörerischeVerletzlichkeit hinter einem Panzer aus Unnahbarkeit.<strong>Die</strong> Tage vergehen, und Miles stellt fest, dass seine neuen Freunde genau wie er clever undbelesen sind. Gemeinsam nutzen sie ihre Intelligenz vor allem dazu, die Regeln des Internatszu brechen oder sich Streiche für die verhassten „Tagestäter“ auszudenken. <strong>Die</strong> Warnungenseines Vaters „Keine Drogen. Kein Alkohol. Keine Zigaretten“ wirft der Teenager schnellüber Bord. Zusammen mit seiner neuen Clique raucht und trinkt er in rauen Mengen undunternimmt nächtliche Ausflüge ... Der Einzelgänger erfährt etwas, was er bisher nichtkannte: Zugehörigkeit zu einer Gruppe, in der man bereit ist, alles für einander zu tun.John Green verwendet in seinem Debütroman „Eine wie Alaska“ für seineKapitelüberschriften eine ungewöhnliche ‚Zeitrechnung’. Wie bei einem Countdown werdendie Tage bis zu einem bedeutenden Ereignis heruntergezählt. Durch den dramenähnlichenAufbau erzeugt der Autor geschickt eine schier unerträgliche Spannung. Mit jeder <strong>Seite</strong>fiebert der Leser dem Höhepunkt – der ‚Katastrophe’ – entgegen und ist versucht, zum„letzten Tag“ vorzublättern, um endlich zu erfahren, was genau geschieht.Genau dieser „letzte Tag“ markiert die Wendung im Roman: Miles glaubt, Alaska endlich fürsich gewonnen zu haben, da sie ihm nun – natürlich total betrunken – den lange ersehntenKuss gibt. Doch wie so oft flippt Alaska scheinbar grundlos aus. Fluchtartig will sie nachtsdas Internat verlassen und bittet Miles und Chip, ihr dabei zu helfen. Ohne zu überlegen undnachzufragen, sind die beiden dazu bereit. Aber Alaska kehrt nicht, wie erwartet, ins Internatzurück. In der Zeit „danach“ müssen sich die Trauernden mit dem Verlust, ihren


Schuldgefühlen und der quälenden Ungewissheit auseinandersetzen. Gemeinsam machen siesich daran, das Rätsel um Alaska zu lüften …Mit witzigen, intelligenten und manchmal auch philosophischen Worten lässt John Green denTeenager Miles die Geschichte erzählen. <strong>Die</strong>ser jugendliche Sprachstil und die realistischeDarstellung der Charaktere machen es dem Leser leicht, sich mit den Jugendlichen zuidentifizieren und Empathie zu entwickeln. Der Inhalt des Romans erinnert zunächst antypisch amerikanische Teeniefilme – tatsächlich sicherte sich Paramount Pictures bereits dieRechte an einer Verfilmung. Jedoch verwendet Green nicht nur die Zutaten einesgewöhnlichen Jugendromans: Gekonnt verbindet der Autor Themen wie Freundschaft, dieerste große Liebe und die Wandlung vom ‚Looser’ zum coolen Typen mit denen von Verlust,Trauer und Schuld. So entpuppt sich der Roman bald als mitreißendes Werk mit Tiefgang,was die ein oder <strong>andere</strong> ‚durchlesene’ Nacht zur Folge haben kann.LeseprobeEine Minute lang sagte keiner was, dann fragte Takumi: „Dein Dad hat dir die Schuldgegeben?“ „Naja, nur im ersten Moment, dann nicht mehr. Aber zuerst schon. Was hätte ersonst sagen sollen?“ „Aber du warst ein kleines Kind“, widersprach Takumi. Ich war viel zuentsetzt und verlegen, um irgendwas zu sagen. Ich musste erst mal versuchen, das mit demzusammenzubringen, was ich von Alaska wusste. Ihre Mom hatte mit ihr Teekesselchengespielt – als Alaska sechs war. Ihre Mom hatte mal geraucht – doch sie rauchte nicht mehr,logischerweise. „Ja. Ich war noch ein kleines Kind. Kleine Kinder können 112 wählen. Dastun sie dauernd. Gib mir den Wein“, sagte sie ausdruckslos und emotionslos.Green, John:Eine wie AlaskaAus dem Englischen von Sophie Zeitz.München: Hanser 2007.280 S.€ 16,90Jugendbuch ab 14 J.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!