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Leseprobe downloaden (PDF) - Vandenhoeck & Ruprecht

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Max Koranyi, Gottesdienste zur Konfirmation<br />

Denn das ahnt auch schon Ihr als Jugendliche: Unser Leben ist<br />

vielschichtiger und reichhaltiger, manchmal eben auch komplizierter<br />

und schwieriger, als der erste Blick in einen Spiegel uns heute<br />

Morgen verraten hat. Versteht mich richtig: In keiner Weise will ich<br />

Euer fesches Aussehen und selbstbewusstes Auftreten an diesem<br />

Tag infrage stellen. Eure Ausstrahlung gehört gewiss zur Konfirmation<br />

dazu. Aber es stecken eben noch viele andere Dinge ich Euch<br />

drin, die der Spiegel so nicht gezeigt hat. „Herr, Du kennst mich“,<br />

heißt es im Psalm 139, den wir zu Beginn des Gottesdienstes gehört<br />

haben. „Egal, ob ich sitze oder aufstehe, du verstehst alle meine<br />

Gedanken auch aus der Ferne.“<br />

So einen, der hinter unser Spiegelbild sieht, können wir gerade<br />

an diesem Tag gut gebrauchen. Denn: Was weiß auch ich eigentlich<br />

wirklich von Euch? Kann ich Eure Gedanken lesen, was Euch<br />

dieser Gottesdienst bedeutet? Verstehe ich wirklich, mit welchen<br />

Gefühlen Ihr diesem Tag entgegenseht? Verrät dieser Spiegel hier<br />

vorne tatsächlich, was für Menschen Ihr seid?<br />

Denn seht, es gibt noch ein anderes Märchen, das von einem<br />

Spiegel handelt. Es heißt „Die Schneekönigin“, und der dänische<br />

Dichter Hans-Christian Andersen hat es für uns aufgezeichnet. Es<br />

beginnt so: „Es war ein böser Zauberer, einer der allerärgsten, es<br />

war der Teufel selbst! Eines Tages war er recht bei Laune, denn er<br />

hatte einen Spiegel gemacht, der die Eigenschaft besaß, dass alles<br />

Gute und Schöne, was sich darin spiegelte, fast zu nichts zusammenschwand,<br />

aber das, was nichts taugte und sich schlecht ausnahm,<br />

das trat hervor und wurde noch ärger. […] Die besten<br />

Menschen wurden darin widerlich oder standen auf dem Kopf<br />

ohne Rumpf. […] Und so konnte man schließlich sehen, wie die<br />

Menschen und die Welt wirklich aussehen.“ Das Märchen geht so<br />

weiter, dass eines Tages der Spiegel vom Himmel auf die Erde fällt,<br />

wo er in hundert Millionen Stücke zerspringt. Und sich schließlich<br />

als Spiegelscherben in den Herzen der Menschen festsetzt. Und<br />

dabei werden die Herzen der Menschen zu einem Klumpen Eis.<br />

Es ist ein Märchen. Aber es enthält eine große Wahrheit über<br />

uns Menschen, auch über Euch, die Ihr heute konfirmiert werdet.<br />

Denn wenn wir ehrlich sind, müssen wir eingestehen, dass wir alle<br />

den einen oder anderen Splitter dieses dunklen Spiegels im Herzen<br />

tragen. Es würde unserer Wirklichkeit völlig widersprechen, wenn<br />

wir nicht dazu stehen, darüber auch heute nachdenken würden.<br />

© 2011, <strong>Vandenhoeck</strong> & <strong>Ruprecht</strong> GmbH & Co. KG, Göttingen<br />

ISBN Print: 978-3-525-59541-1 — ISBN E-Book: 978-3-647-59541-2<br />

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