Krise, Selbstorganisation und soziale Netze
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ach ein Großbrand aus, der fast<br />
das ganze südliche Stadtzentrum<br />
zerstörte – vor allem das jüdische<br />
Viertel, das dort angesiedelt war.<br />
In Thessaloniki existierte bis zur<br />
deutschen Besatzung im Zweiten<br />
Weltkrieg die größte jüdische<br />
Gemeinde Griechenlands. Etwa<br />
60.000 Jüdinnen <strong>und</strong> Juden wurden<br />
dann zwangsinterniert, deportiert<br />
<strong>und</strong> in Konzentrationslagern<br />
in Zentraleuropa ermordet. Heute<br />
erinnert ein sehr kleines jüdisches<br />
Museum, das in einer Seitenstraße<br />
liegt, an die Gemeinde. Dieses Museum<br />
werden wir am kommenden<br />
Tag besuchen (siehe S. 19ff.).<br />
Unser Weg führt uns weiter<br />
in nördliche Richtung, bis wir links<br />
in die „Irakliou“-Straße einbiegen,<br />
um die Markthallen Thessalonikis<br />
zu erreichen. Leider fehlt uns die<br />
Zeit alles zu erk<strong>und</strong>en, doch das<br />
duftende Obst <strong>und</strong> die eingelegten<br />
Oliven helfen darüber hinweg<br />
– Wegproviant wird ergattert. Frischer<br />
Fisch liegt zuckend auf Eis in<br />
den Auslagen, auch die gerade erst<br />
zerteilten Fleischstücke erwecken<br />
nicht bei allen frohe Mienen, sodass<br />
sich wohl einige freuen, dass<br />
es alsbald weitergeht durch das<br />
bunte <strong>und</strong> laute Gewimmel.<br />
Reaktionen auf die <strong>Krise</strong><br />
<strong>und</strong> deutsche Bewältigungsstrategien<br />
Weiter geht es durch die<br />
Straßen in Richtung Altstadt <strong>und</strong><br />
wir bemerken, dass einige Ladenflächen<br />
leer stehen. Wie bereits<br />
vermutet, ist dies eine direkte Auswirkung<br />
der <strong>Krise</strong> in Griechenland.<br />
Vor allem die Kleinhändler*innen<br />
konnten sich die Mieten für die Ladenflächen<br />
nicht mehr leisten <strong>und</strong><br />
mussten schließen – der Leerstand<br />
ist nicht zu übersehen. Daneben<br />
fällt jedoch auch auf, dass es viele<br />
neue Bars <strong>und</strong> Tavernen gibt – so<br />
verändert sich die Stadt.<br />
Es herrscht reges Treiben<br />
auf den Straßen. Ein Mitreisender<br />
entdeckt unterwegs einen kleinen<br />
Straßenstand mit Holzwaren. Er<br />
guckt sich eine Zwille aus, während<br />
der ältere Herr, der seine Waren<br />
hier feilbietet, erkennt, dass wir<br />
wohl aus Deutschland kommen. Er<br />
erk<strong>und</strong>igt sich bei unserem Stadtführer<br />
<strong>und</strong> Übersetzer, warum wir<br />
nach Griechenland gekommen sind<br />
<strong>und</strong> ein fre<strong>und</strong>liches Gespräch entspinnt<br />
sich. Nachdem wir ihm unser<br />
Reise-Motto „Solidarität <strong>und</strong><br />
<strong>Selbstorganisation</strong>“ kurz umrissen<br />
haben, gibt er uns mit auf den<br />
Weg, Angela Merkel auszurichten,<br />
dass sie die Leute hier in Ruhe lassen<br />
solle. Der ältere Herr <strong>und</strong> seine<br />
umstehenden Bekannten sind dabei<br />
etwas erregt. Uns wünschen sie<br />
aber neben all der Politik, von welcher<br />
wir uns nicht allzu sehr stressen<br />
lassen sollen, eine w<strong>und</strong>erbare<br />
Reise. Wir freuen uns über den netten<br />
Austausch <strong>und</strong> ahnen schon,<br />
dass wir als „Deutsche“ öfter erkannt<br />
<strong>und</strong> angesprochen werden.<br />
Nun verlassen wir das<br />
Marktviertel mit seinen urigen Passagen<br />
<strong>und</strong> gelangen ans nördliche<br />
Ende des Boulevards, das durch die<br />
Querung der „Egnatia“, einer großen<br />
Straße, bezeichnet wird. Es ist<br />
viel Verkehr – Taxis, Busse, LKWs<br />
<strong>und</strong> PKWs sind unterwegs. Der<br />
Stadtführer erläutert uns, dass dies<br />
in früherer Zeit einer der zentralen<br />
Handelswege war, von welchen<br />
Thessaloniki profitierte. Oberhalb<br />
der Straße befindet sich ein großer<br />
Platz mit Park, heutzutage ein<br />
beliebter Startpunkt für Demonstrationen.<br />
Auf dem Platz fällt zunächst<br />
eine kleine Kirche auf, die<br />
unterhalb des Niveaus des restlichen<br />
Platzes liegt. Die Stadt wachse<br />
auf dem Bauschutt vieler Jahre,<br />
wird uns erzählt, weshalb vor allem<br />
manche ältere Bauwerke tiefer<br />
liegen. Die Erklärung bestätigend<br />
treffen wir auf eine Ausgrabungsstätte,<br />
welche eine antike Agora<br />
offenlegt. Von oben blicken wir in<br />
das Areal, das zu früherer Zeit als<br />
Marktplatz, aber auch als Versammlungsort<br />
für seine Bürger*innen<br />
diente <strong>und</strong> damit eine wichtige<br />
gesellschaftliche Rolle einnahm.<br />
Als in den 1970er-Jahren hier ein<br />
Gerichtsgebäude errichtet werden<br />
sollte, wurden die Ruinen gef<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> freigelegt. Nun liegt sie<br />
zu Füßen des „Arbeiterzentrums“<br />
(Gewerkschaftshaus), das nördlich<br />
von ihr mit einem riesigen Plakat<br />
auf sich aufmerksam macht.<br />
Erste Begegnungen mit griechischen<br />
Gewerkschaftsvertretern<br />
Auf dem Plakat steht in<br />
etwa „Rote Karte für alle Produkte<br />
von Coca Cola, bis wieder in Thessaloniki<br />
produziert wird – Nein zu<br />
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