Krise, Selbstorganisation und soziale Netze
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Die „Klinik der Solidarität“<br />
Wir werden durch die Straßen<br />
Thessalonikis geführt, vorbei<br />
an weiteren Sehenswürdigkeiten,<br />
zwischen parkenden Autos, <strong>und</strong><br />
plötzlich heißt es: „Hier sind wir!“<br />
Noch schnell werden einige organisatorische<br />
Fragen für den Abend<br />
geklärt, dann nimmt uns Katharina,<br />
eine Psychologin, die ehrenamtlich<br />
im <strong>soziale</strong>n Krankenhaus<br />
arbeitet, vor der Krankenstation in<br />
Empfang <strong>und</strong> begrüßt uns.<br />
Gemeinsam gehen wir die<br />
Treppen hoch in den ersten Stock<br />
eines eher schmucklosen Baues,<br />
eine Tür geht auf, hinter der reges<br />
Treiben herrscht: Hier befindet sich<br />
die „Klinik der Solidarität“. Einige<br />
Frauen sitzen am Empfang, andere<br />
warten <strong>und</strong> sind im Gespräch. Im<br />
Nebenraum befindet sich die hauseigene<br />
Apotheke, deren Regale bis<br />
unter die Decke mit Medikamenten<br />
gefüllt sind.<br />
Wir dürfen im Wartebereich<br />
Platz nehmen. Oder müssen es –<br />
denn die Behandlungszimmer sind<br />
in Betrieb. Nebenan wird gerade<br />
ein Patient von einer Zahnärztin<br />
versorgt <strong>und</strong> bei vielen von uns<br />
lösen die dazu gehörenden Geräusche<br />
unangenehme Erinnerungen<br />
aus. Kurze Zeit später stellt sich<br />
heraus, dass die Zahnärztin fließend<br />
deutsch spricht <strong>und</strong> mehrere<br />
Jahre in der B<strong>und</strong>esrepublik gelebt<br />
hat.<br />
Nachdem Christina unsere<br />
Gruppe <strong>und</strong> unser Anliegen kurz<br />
vorgestellt hat, bedankt sich Katharina<br />
zuallererst bei uns <strong>und</strong><br />
bekräftigt, dass die Menschen hier<br />
<strong>und</strong> die Aktiven im Krankenhaus<br />
genau diese Unterstützung benötigten.<br />
Es brauche Menschen, die<br />
auch außerhalb Griechenlands berichten<br />
können, was die Sparpolitik<br />
mit den Menschen mache <strong>und</strong><br />
was zu genau dieser Politik geführt<br />
habe.<br />
Flüchtlinge waren<br />
die Ersten...<br />
Dann erzählt sie uns mehr<br />
über die Entstehung des Krankenhauses:<br />
Die Klinik der Solidarität<br />
existiert seit dem 2. November<br />
2011. Damals waren 400 in Griechenland<br />
gestrandete Flüchtlinge<br />
in einen Hungerstreik getreten,<br />
weil sie von der Gesellschaft <strong>und</strong><br />
der öffentlichen Daseinsvorsorge<br />
völlig ausgeschlossen wurden. Dieser<br />
Hungerstreik wurde von Ärzt_<br />
innen begleitet, in denen schnell<br />
der Impuls aufkam, dauerhafte<br />
Unterstützungsstrukturen für diese<br />
Menschen aufzubauen. Sie ergriffen<br />
die Initiative zur Gründung<br />
eines <strong>soziale</strong>n Krankenhauses, in<br />
dem zunächst nur Migrant_innen<br />
ohne Papiere kostenlos versorgt<br />
werden sollten. Doch mit der <strong>Krise</strong><br />
wurde bald klar, dass auch Arbeitslose,<br />
Alte, Obdachlose <strong>und</strong> nicht<br />
versicherte Beschäftigte diese Hilfe<br />
benötigen. Seitdem versucht die<br />
Klinik im Kleinen <strong>und</strong> Konkreten,<br />
die „barbarischen Verbrechen“ zu<br />
lindern, die den Menschen mit der<br />
Politik des Staates <strong>und</strong> der Europäischen<br />
Union angetan werden.<br />
...doch die <strong>Krise</strong> macht<br />
viele krank<br />
Die Auswirkungen der <strong>Krise</strong><br />
sind im Ges<strong>und</strong>heitsbereich besonders<br />
drastisch zu bemerken <strong>und</strong><br />
haben Dimensionen erreicht, die<br />
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