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Der spanische Regisseur Calixto Bieito erzählt ... - Opernhaus Zürich

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Die Soldaten<br />

22<br />

Carlos Nogueira, William Lombardi, Yuriy Tsiple, Sunnyboy<br />

Dladla, Reinhard Mayr: Szene aus dem ersten Akt<br />

frechen Jungen, wobei er ihn etwas zu lange auf dem Schoss<br />

behielt. Beide Situationen stehen so nicht im Libretto, der<br />

<strong>Regisseur</strong> hat sie erfunden. Mit wenigen Details hat <strong>Bieito</strong><br />

den stets milde lächelnden Priester (und damit natürlich die<br />

katholische Kirche) in ein völlig anderes Licht gerückt.<br />

Wie der <strong>Regisseur</strong> mit einem einzigen szenischen Moment<br />

die Perspektive auf eine ganze Aufführung verändern<br />

kann, liess sich auch in seiner Inszenierung von Weills Aufstieg<br />

und Fall der Stadt Mahagonny in Antwerpen beobachten.<br />

<strong>Bieito</strong> weckt in den Proben die Lust,<br />

verborgene Wünsche preiszugeben<br />

<strong>Der</strong> Abend war eine entfesselte Dauerparty: fröhliche, aufgeputschte<br />

Menschen auf der rastlosen Suche nach Vergnügen,<br />

grelle Farben, Spaghetti-Schlachten, böse Spielchen.<br />

Irgendwann tauchte eine stumme, nackte Frau auf, eine<br />

ungeschönte, traurige Hure, die durch ihre Verletzlichkeit<br />

mit einem Mal das ganze hektische Tohuwabohu als albernen,<br />

geschmacklosen Tanz um die Leere entlarvte.<br />

<strong>Calixto</strong> <strong>Bieito</strong> hat viel Schauspiel inszeniert, war Direktor<br />

eines Theaters in Barcelona und Festivalleiter in<br />

Salamanca. In den letzten Jahren befasste er sich überwiegend<br />

mit Musiktheater. Als ich seine ersten Arbeiten in Deutschland<br />

sah, faszinierende Aufführungen voller Extreme und<br />

Gewalt, liess mich eine Frage nicht mehr los: Wie schafft<br />

es <strong>Bieito</strong>, dass Sänger in seinen Inszenierungen nicht nur<br />

gut spielen, sondern bereit sind, über Grenzen zu gehen,<br />

Konvention oder Scham zu überwinden und die in der<br />

Oper leider oft übliche «als ob»-Spielweise weit hinter sich<br />

zu lassen? Mittlerweile, nach vielen gemeinsamen Arbeiten,<br />

bin ich seinem Geheimnis etwas näher gekommen. <strong>Bieito</strong><br />

hat eine besondere Fähigkeit: Er weckt in seinem Gegenüber<br />

die Lust, sich zu zeigen. Er verführt die anderen dazu, sich<br />

zu öffnen, verborgene Wünsche und ungelebte Phantasien<br />

preiszugeben und vielleicht – unter dem Schutz der Rolle –<br />

auszuleben. Wie macht er das?<br />

Die Grundlage ist sicher, dass <strong>Calixto</strong> <strong>Bieito</strong> auf den Proben<br />

eine angstfreie Atmosphäre kreiert. Bei ihm gibt es kein<br />

richtig oder falsch, keine Peinlichkeit, weil etwas noch nicht<br />

gelingt, keine Fehler. (Denn manchmal entsteht ja aus einem<br />

vermeintlichen Fehler gerade die neue, die bessere Idee.) Man<br />

erlebt bei ihm kein diktatorisches Niedermachen von Sängern<br />

oder Mitarbeitern, keine Schreierei in der nervösen Endprobenzeit<br />

– <strong>Bieito</strong>s Kommentare sind immer ermutigend und<br />

aufbauend. Er schenkt den Künstlern Selbstvertrauen, weil er

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