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Ausgabe - SP Medienservice

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34<br />

1|2013<br />

FÜR ALLE<br />

Inklusion ist:<br />

Ein selbstverständliches Zusammensein<br />

schon im Kindergarten<br />

Theorie und Praxis: hier erleben Eltern immer wieder eine Kluft, und das fängt beim Kindergartenplatz an. Kinder mit<br />

und ohne Behinderung sollen gemeinsam aufwachsen. Aber oft gibt es Barrieren, die nicht im baulichen Bereich liegen.<br />

Die Verantwortlichen wissen nicht, was auf sie zukommt an Pflege, zusätzlicher Betreuung oder sonstigen Verpflichtungen.<br />

Viele Eltern müssen erst Überzeugungsarbeit leisten oder sogar rechtlich kämpfen, und mit der Schule<br />

setzt sich dies oft fort. Der Bericht über die Erfahrungen, die Timos Eltern machen mussten, ist ein Beispiel, das<br />

zeigt, wie es nicht laufen darf, wenn wir eine inklusive Gesellschaft werden sollen. Da erzwungene Inklusion nicht<br />

funktionieren kann, veröffentlichen wir einen Erfahrungsbericht, der zeigt, wie gut es funktionieren kann. Schließlich<br />

erwartet den Kindergarten keine Behinderung, sondern ganz einfach ein Kind. Und von Kindern können wir am<br />

besten lernen, wie es geht mit der Inklusion...<br />

Als ich im September 1998 die<br />

Vormittagsgruppe im Kindergarten<br />

Bayerbach übernommen<br />

habe, besuchte Anna bereits ein Jahr<br />

den Kindergarten. Ich versuchte, mich<br />

möglichst unvoreingenommen auf die<br />

neue Gruppensituation mit einer Rollstuhlfahrerin<br />

einzustellen. Besonders<br />

hilfreich waren auch die offenen<br />

Gespräche mit den Eltern von Anna und<br />

den Kollegen.<br />

Als ich Anna etwas näher kennen<br />

lernte, war ich überrascht, wie selbstständig<br />

und selbstsicher sie ihren Kindergartenalltag<br />

meisterte. Anna verfolgte<br />

ihre Vorhaben und überbrückte<br />

sie auf andere Art und Weise als andere<br />

Kinder, und doch kam sie stets ans<br />

Ziel. Für die Kinder in ihrer Gruppe<br />

gehörte der Rolli zu Anna, wie die Brille<br />

zu einem anderen. Sie waren völlig<br />

unvoreingenommen und lernten auch,<br />

sinnvolle Hilfestellungen zu geben. Ich<br />

sehe das so: Die Kinder haben aus ihrem<br />

Wesen heraus einen wesentlichen Vorteil<br />

zum Erwachsenen. Sie zweifeln<br />

nicht an sich und fragen sich auch<br />

nicht ständig „Bin ich zu dick? Bin ich<br />

zu klein? Oder vielleicht zu groß?“<br />

wenn ihnen dies nicht von außen aufgestülpt<br />

würde. Sie finden sich gut so,<br />

wie sie sind und diese Grundhaltung<br />

überträgt sich auch auf andere.<br />

Sie wissen, es wird immer einen<br />

geben, der mehr hat und kann als man<br />

selbst. Es wird auch immer jemanden<br />

geben, der weniger hat oder kann als<br />

man selbst. Doch beides ist unwichtig<br />

und bringt uns nicht weiter. Jeder hat<br />

andere Stärken und Schwächen mit<br />

denen er täglich arbeitet. Aber, um<br />

nichts zu verschönen – es waren auch<br />

Situationen dabei, wo wir an unsere<br />

Grenzen gestoßen sind. Aber auch daraus<br />

haben wir, so denke ich, alle<br />

gelernt. Die soziale Grundhaltung in<br />

der Kindergruppe war ein Mit- und<br />

Füreinander, ein gegenseitiges Geben<br />

und Nehmen für alle Beteiligten - ein<br />

selbstverständliches Zusammensein.<br />

Martina Neulinger, Erzieherin im<br />

Kindergarten 84092 Bayerbach<br />

Anna ist übrigens Anna Schaffelhuber<br />

und heute eine der erfolgreichsten<br />

deutschen Monoskifahrerinnen. Sie hat<br />

zahlreiche Weltcupsiege errungen,<br />

Medaillen bei den Paralympics gewonnen,<br />

und Sie finden ein Interview mit<br />

ihr auf Seite 46.<br />

Inklusion 2013?!<br />

Man möchte meinen, dass Entscheidungen, wie sie in den früheren Jahren bei dem Versuch der „Integration“<br />

in Kindergarten und der Regelschule oft gegen ein gehandicaptes Kind getroffen wurden, vorbei sind.<br />

Leider ist es auch mit „Inklusion“ im Alltag noch keine Selbstverständlichkeit, wie der folgende Kurzbericht zeigt:<br />

In einer bayrischen Stadt war es für<br />

den Pfarrer, der Kindergartenleitung<br />

und der Elternbeiratsvorsitzenden<br />

des kirchlichen Kindergartens „offene<br />

Türen – offene Herzen“ leider noch eine<br />

scheinbar unüberbrückbare Herausforderung,<br />

den 3-jährigen Timo mit Spina<br />

bifida u. Hydrocephalus aufzunehmen.<br />

Verzweifelt versuchen die Eltern, ihr<br />

Kind bei den Entscheidungsträgern vorstellen<br />

zu dürfen. Stattdessen folgen<br />

Briefe und auch Telefonate, in denen<br />

„Spezielle Einrichtungen“ als die beste<br />

Lösung für Timo attestiert werden…<br />

ohne dieses Kind gesehen und kennengelernt<br />

zu haben… bitter. Es sollen ein<br />

medizinisches Gutachten und Arztberichte<br />

vorgelegt werden sowie eine<br />

Entbindung von der Schweigepflicht<br />

erfolgen. Daraufhin wird ohne Eltern-<br />

beteiligung „intern“ gegen die Aufnahme<br />

von Timo in den Gemeindekindergarten<br />

entschieden.<br />

Die Vorgehensweise entsetzt. Ich vereinbare<br />

daraufhin ein Termin in der<br />

Beratungsstelle für kirchliche Einrichtungen.<br />

Bei dem sehr informativen<br />

Gespräch erhalte ich einen kleinen Einblick<br />

in den riesig angewachsenen

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