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Das Urteil des BVerwG vom 5. 9. 2013 oder vom Versuch, den ...

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<strong>Das</strong> <strong>Urteil</strong> <strong>des</strong> <strong>BVerwG</strong> <strong>vom</strong> <strong>5.</strong> <strong>9.</strong> <strong>2013</strong> <strong>oder</strong> <strong>vom</strong> <strong>Versuch</strong>, <strong>den</strong> „slowakischen<br />

Braunbären“ zu zähmen<br />

Dr. Marcus Lau, Leipzig *<br />

Um das <strong>Urteil</strong> <strong>des</strong> EuGH <strong>vom</strong> 18. 3. 2011 zum slowakischen Braunbären rankten<br />

sich in der deutschen Rechtsprechung und verwaltungsjuristischen Literatur die<br />

unterschiedlichsten Mutmaßungen über die Zukunft <strong>des</strong> deutschen Rechtsschutzsystems<br />

und wurde vielfach ein nunmehr unumschränktes Klagerecht anerkannter<br />

Umweltverbände im Bereich <strong>des</strong> Umweltrechts proklamiert. Mit <strong>Urteil</strong><br />

<strong>vom</strong> <strong>5.</strong> <strong>9.</strong> <strong>2013</strong> äußerte sich nun erstmals auch das <strong>BVerwG</strong> hierzu. <strong>Das</strong> Ergebnis<br />

fällt zweischneidig aus. Der Beitrag stellt das <strong>Urteil</strong> in seinen wesentlichen<br />

Punkten dar, erläutert die kontextuellen Hintergründe und unternimmt eine erste<br />

Bewertung inklusive eines kurzen Ausblicks.<br />

I. Einleitung<br />

Bären haben es in Deutschland nicht leicht. Im Zoo sind sie nett anzusehen, aber<br />

in freier Wildbahn hält man sie eher für eine Gefahr als für eine Bereicherung. Als<br />

sich im Sommer 2006 der Bär Bruno über die Grenze nach Deutschland verirrte,<br />

wurde dies von nicht wenigen begeistert aufgenommen. Schon bald überwog jedoch<br />

die Skepsis und weil alle <strong>Versuch</strong>e, <strong>des</strong> Bären habhaft zu wer<strong>den</strong>, misslangen,<br />

gab es am Ende nur noch <strong>den</strong> Abschuss.<br />

Am 18. 3. 2011 überschritt mit dem „slowakischen Braunbären“ ein weiterer Bär<br />

die deutsche Grenze, diesmal in Gestalt eines EuGH-<strong>Urteil</strong>s. Wieder gab es teils<br />

Begeisterungsstürme, schnell aber auch die Mahner, die dem „Bären“ attestierten,<br />

in Deutschland fehl am Platz zu sein. Nach einigen verwaltungs- und oberverwaltungsgerichtlichen<br />

Klärungsversuchen wurde zuletzt auch das <strong>BVerwG</strong> zu<br />

Rate gezogen, <strong>des</strong>sen 7. Senat dem „slowakischen Braunbären“ mit <strong>Urteil</strong> <strong>vom</strong><br />

<strong>5.</strong> <strong>9.</strong> <strong>2013</strong> angesichts der aktuell in Deutschland gelten<strong>den</strong> Rechtslage eine Absage<br />

erteilte. So ganz wohl hat sich der 7. Senat dabei aber offenbar nicht gefühlt<br />

und so suchte er im Angesicht <strong>des</strong> dahinschei<strong>den</strong><strong>den</strong> „slowakischen Braunbären“<br />

Trost bei „Janecek“.<br />

Dies deutet nicht auf beste Voraussetzungen für eine rundum überzeugende richterliche<br />

Entscheidung hin. In der Tat wirft das <strong>Urteil</strong> <strong>des</strong> <strong>BVerwG</strong> <strong>vom</strong><br />

<strong>5.</strong> <strong>9.</strong> <strong>2013</strong> eine Reihe von Fragen auf. Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen,<br />

* Der Verf. ist Rechtsanwalt und Partner in der Kanzlei Füßer & Kollegen, Leipzig, Deutschland<br />

(www.fuesser.de).<br />

<strong>BVerwG</strong> 0<strong>5.</strong>0<strong>9.</strong><strong>2013</strong>


RAe Füßer & Kollegen Seite 2 von 14<br />

sollen im Folgen<strong>den</strong> zunächst die Hintergründe skizziert (II.) und anschließend<br />

das <strong>Urteil</strong> in seinen wesentlichen Punkten dargestellt wer<strong>den</strong> (III.). Es folgen einige<br />

zustimmende, aber auch kritische Anmerkungen (IV.) sowie ein kurzes Fazit<br />

(V.).<br />

II.<br />

Hintergründe<br />

Ausgangspunkt war die Frage nach der Reichweite der Klagebefugnisse von<br />

Umweltverbän<strong>den</strong>. Die Diskussion, inwieweit es sinnvoll und rechtlich möglich<br />

ist, innerhalb <strong>des</strong> deutschen Individualrechtsschutzsystems eine demgegenüber<br />

als Fremdkörper erscheinende altruistische Umweltverbandsklage einzuführen, ist<br />

nicht neu 1 . Befeuert wurde diese Diskussion in jüngerer Zeit durch entsprechende<br />

Überlegungen auf internationaler Ebene, insbesondere durch die sog. Aarhus-<br />

Konvention (AK) 2 . Dieses <strong>vom</strong> 2<strong>5.</strong> 6. 1998 stammende UN/ECE-Übereinkommen<br />

über <strong>den</strong> Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren<br />

und <strong>den</strong> Zugang zu gerichtlichen Umweltangelegenheiten ist von<br />

der Bun<strong>des</strong>republik Deutschland mit Gesetz <strong>vom</strong> <strong>9.</strong> 12. 2006 ratifiziert wor<strong>den</strong> 3 .<br />

Vertragspartei ist auch die EU, die mit der sog. Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie<br />

4 bereits 2003 Art. 9 II AK nahezu wortgleich mit Art. 10a der UVP-Richtlinie 5<br />

und Art. 15a der seinerzeitigen IVU-Richtlinie 6 umgesetzt hat. Die<br />

Implementation in Deutschland erfolgte 2006 durch das Umweltrechtsbehelfsgesetz<br />

7 . Dabei wurde die eigentlich erstrebte altruistische Verbandsklage <strong>vom</strong><br />

deutschen Gesetzgeber jedoch in ein schutznormakzessorisches Klagerecht umgedeutet<br />

(vgl. § 2 I Nr. 1 UmwRG a.F.) 8 . Dies ist in der Literatur fast vollständig<br />

1 So bereits Rehbinder/Burgbacher/Knieper, Bürgerklage im Umweltrecht, 1972, passim; zum<br />

Ganzen auch Schmidt/Zschiesche/Rosenbaum, Die naturschutzrechtliche Verbandsklage in<br />

Deutschland, 2004, passim.<br />

2 Hierzu Calliess, NJW 2003, 97 ff.<br />

3 BGBl. II 2006 S. 1251.<br />

4 Richtlinie 2003/35/EG <strong>des</strong> Europäischen Parlaments und <strong>des</strong> Rates v. 2<strong>5.</strong> 6. 2003 über die<br />

Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und<br />

Programme und zur Änderung der Richtlinie 85/337/EWG und 96/61/EG <strong>des</strong> Rates in Bezug<br />

auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und <strong>den</strong> Zugang zu Gerichten, ABl. EU L 156, S. 17.<br />

5 Richtlinie 85/337/EWG <strong>des</strong> Rates v. 27. 6. 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei<br />

bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. EU L 175, S. 40.<br />

6 Richtlinie 96/61/EG <strong>des</strong> Rates v. 24. <strong>9.</strong> 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung<br />

der Umweltverschmutzung, ABl. EU L 257, S. 26.<br />

7 Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der<br />

EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umweltrechtsbehelfsgesetz) v. 7. 12. 2006, BGBl. I S. 2816.<br />

8 Hierzu Ziekow, NVwZ 2007, 259 (261).<br />

<strong>BVerwG</strong> 0<strong>5.</strong>0<strong>9.</strong><strong>2013</strong>


RAe Füßer & Kollegen Seite 3 von 14<br />

auf Ablehnung gestoßen 9 . Ähnlich restriktiv ist der Gesetzgeber bis zuletzt hinsichtlich<br />

der erfolgreichen Rügbarkeit von Verfahrensfehlern, insbesondere bei<br />

der Umweltverträglichkeitsprüfung, vorgegangen (vgl. § 4 UmwRG) 10 . In beiderlei<br />

Hinsicht musste er sich inzwischen jedoch <strong>vom</strong> EuGH eines Besseren belehren<br />

lassen 11 .<br />

In letzter Zeit ist zudem Art. 9 III AK zunehmend in <strong>den</strong> Fokus der fachöffentlichen<br />

Aufmerksamkeit gelangt. Dieser lautet:<br />

„Zusätzlich und unbeschadet der in <strong>den</strong> Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren<br />

stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit,<br />

sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte<br />

Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen <strong>oder</strong> gerichtlichen Verfahren<br />

haben, um die von Privatpersonen <strong>oder</strong> Behör<strong>den</strong> vorgenommenen<br />

Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene<br />

Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen.“<br />

Insoweit war von einem „schlafen<strong>den</strong> Riesen“ die Rede 12 . Der <strong>Versuch</strong> der EU-<br />

Kommission, auch diese Bestimmung auf unionsrechtlicher Ebene umzusetzen 13 ,<br />

ist in<strong>des</strong> gescheitert. Mit dem <strong>Urteil</strong> <strong>des</strong> EuGH <strong>vom</strong> 18. 3. 2011 zum slowakischen<br />

Braunbären wurde der „schlafende Riese“ dann aber doch noch geweckt.<br />

Der EuGH hielt hier dreierlei fest, nämlich dass<br />

— erstens zwecks Vermeidung voneinander abweichender Auslegungen eine<br />

spezielle Frage, zu der noch keine Rechtsvorschriften der Union ergangen<br />

sind, dem Unionsrecht unterliege, wenn sie in völkerrechtlichen Übereinkommen<br />

geregelt wird, die sowohl von der Union als auch ihren Mitgliedstaaten<br />

geschlossen wur<strong>den</strong>, und einen weitgehend <strong>vom</strong> Unionsrecht erfassten Bereich<br />

betrifft 14 ;<br />

— zweitens Art. 9 III AK keine klare und präzise Verpflichtung enthalte, die die<br />

rechtliche Situation Einzelner unmittelbar regeln könnte; da nur „Mitglieder<br />

der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige [im] innerstaatlichen Recht festgelegte<br />

Kriterien erfüllen“, Inhaber der darin vorgesehenen Rechte sind, hingen die<br />

Durchführung und die Wirkungen dieser Vorschrift <strong>vom</strong> Erlass eines weiteren<br />

Rechtsaktes ab 15 und<br />

9 Statt vieler Gellermann, NVwZ 2006, 7 ff.; Koch, NVwZ 2007, 369 ff.; Alleweldt, DÖV<br />

2006, 621 ff.; Schmidt/Kremer, ZUR 2007, 57 ff.<br />

10 Zur bisherigen Sichtweise siehe etwa <strong>BVerwG</strong>, ZfBR 2008, 278 (279).<br />

11 EuGH, Slg. 2011, I-3701 = NVwZ 2011, 801 – Trianel sowie EuGH, BeckRS <strong>2013</strong>, 82129<br />

– Altrip.<br />

12 Franzius, NuR 2009, 384 (386).<br />

13 Vgl. KOM(2003) 624 endg.<br />

14 EuGH, Slg. 2011, I-1285 (Rdnr. 36, 42) = NVwZ 2011, 673 – slowakischer Braunbär.<br />

15 EuGH, Slg. 2011, I-1285 (Rdnr. 45) = NVwZ 2011, 673 – slowakischer Braunbär.<br />

<strong>BVerwG</strong> 0<strong>5.</strong>0<strong>9.</strong><strong>2013</strong>


RAe Füßer & Kollegen Seite 4 von 14<br />

— drittens gleichwohl hinreichend deutlich werde, dass Art. 9 III AK darauf abzielt,<br />

die Gewährleistung eines effektiven Umweltschutzes zu ermöglichen<br />

und der nationale Richter daher immer dann, wenn es um einen dem Unionsrecht<br />

unterliegen<strong>den</strong> Sachverhalt geht, etwa eine nach der FFH-Richtlinie 16<br />

geschützte Art betroffen ist, sein nationales Recht im Hinblick auf die Gewährung<br />

eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes in <strong>den</strong> <strong>vom</strong> Umweltrecht<br />

der Union erfassten Bereichen so auszulegen habe, dass es so weit wie<br />

möglich im Einklang mit diesem Ziel <strong>des</strong> Art. 9 III AK steht 17 .<br />

Was damit in concreto gemeint ist, hat zu allerlei Spekulationen geführt 18 .<br />

Es folgten erste verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, die gestützt auf<br />

Art. 9 III AK die bis dato im deutschen Verwaltungsprozess vorherrschende<br />

Schutznormtheorie je<strong>den</strong>falls in Bezug auf die Umweltverbände verabschiedeten<br />

19 . Auch gleichlautende oberverwaltungsgerichtliche Entscheidungen ließen<br />

nicht lange auf sich warten 20 . Der Frage, ob aus Art. 9 III AK eine innerstaatliche<br />

Klagebefugnis abgeleitet wer<strong>den</strong> kann, hieß es, komme eine besondere Bedeutung<br />

zu; <strong>den</strong>n Art. 9 III AK gehe weit über <strong>den</strong> Regelungsbereich <strong>des</strong> Art. 9 II AK<br />

hinaus. Der Gegenstandsbereich <strong>des</strong> Art. 9 II AK sei auf die in Art. 6 i.V.m. Anhang<br />

I AK aufgeführten Tätigkeiten beschränkt, wohingegen Art. 9 III AK eine<br />

allgemeine umweltrechtsbezogene Verbandsklage behandle. Der nationale Richter<br />

habe nach dem Verständnis <strong>des</strong> EuGH im Anwendungsbereich <strong>des</strong> Unionsrechts<br />

sein nationales Recht im Hinblick auf die Gewährung eines effektiven gerichtlichen<br />

Rechtsschutzes in <strong>den</strong> <strong>vom</strong> Umweltrecht der Union erfassten Bereichen so<br />

auszulegen, so dass es so weit wie möglich im Einklang mit <strong>den</strong> in Art. 9 III AK<br />

festgelegten Zielen stehe. Dem EuGH gehe es damit um die Mobilisierung der Öffentlichkeit<br />

zur Durchsetzung <strong>des</strong> unionsrechtlichen Umweltschutzes. Die Klagebefugnisse<br />

gerade von Verbän<strong>den</strong>, die keine eigenen Rechtsverletzungen, sondern<br />

Verletzungen objektiven Umweltrechts geltend machen könnten, sollten erkennbar<br />

gestärkt wer<strong>den</strong> 21 .<br />

Dem wurde von anderer Seite entgegengehalten, dass es sich bei Art. 9 III AK<br />

nicht um eine andere gesetzliche Bestimmung im Sinne <strong>des</strong> § 42 II VwGO hand-<br />

16 Richtlinie 92/43/EG <strong>des</strong> Rates <strong>vom</strong> 21. <strong>5.</strong> 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume<br />

sowie der wildleben<strong>den</strong> Tiere und Pflanzen, ABl. EU L 206, S. 7; zuletzt geändert durch die<br />

Richtlinie 2006/105/EG <strong>des</strong> Rates <strong>vom</strong> 20. 11. 2006, ABl. EU L 363, S. 368.<br />

17 EuGH, Slg. 2011, I-1285 (Rdnr. 46, 50) = NVwZ 2011, 673 – slowakischer Braunbär.<br />

18 Bspw. Berkemann, DVBl. 2011, 1253 ff.<br />

19 VG Wiesba<strong>den</strong>, ZUR 2012, 113 (115 f.); VG Wiesba<strong>den</strong>, BeckRS 2012, 55841;<br />

VG München, ZUR 2012, 699 (700); VG Augsburg, NuR <strong>2013</strong>, 284 = BeckRS <strong>2013</strong>,<br />

47972.<br />

20 VGH Kassel, ZUR 2012, 438 (440); OVG Koblenz, NVwZ <strong>2013</strong>, 883 (887 f.);<br />

OVG Koblenz, ZUR <strong>2013</strong>, 293 (296).<br />

21 So OVG Koblenz, ZUR <strong>2013</strong>, 293 (296).<br />

<strong>BVerwG</strong> 0<strong>5.</strong>0<strong>9.</strong><strong>2013</strong>


RAe Füßer & Kollegen Seite 5 von 14<br />

le. Die durch das Zustimmungsgesetz zur Aarhus-Konvention bewirkte innerstaatliche<br />

Geltung eines völkerrechtlichen Vertrages könne nämlich nur dann zur<br />

unmittelbaren Anwendbarkeit <strong>des</strong> Art. 9 III AK mit Wirkung für und gegen die<br />

von der Regelung Betroffenen führen, wenn diese Bestimmung nach Wortlaut,<br />

Zweck und Inhalt geeignet und hinreichend bestimmt ist, wie eine innerstaatliche<br />

Vorschrift rechtliche Wirkung zu entfalten, also dafür keiner weiteren normativen<br />

Ausfüllung bedarf 22 . <strong>Das</strong>s Art. 9 III AK diese Eigenschaft fehlt, habe aber bereits<br />

der EuGH in seinem <strong>Urteil</strong> zum slowakischen Braunbären festgestellt. Eine ausdrückliche<br />

Privilegierung von Nichtregierungsorganisationen, wie sie Art. 9 II<br />

i.V.m. Art. 2 Nr. 5 AK innewohnt, gebe Art. 9 III AK ebenfalls nicht her, so dass<br />

nicht unterstellt wer<strong>den</strong> könne, je<strong>den</strong>falls die innerstaatlich anerkannten Umweltverbände<br />

seien umfassend klagebefugt 23 . Der Verweis <strong>des</strong> EuGH auf eine<br />

völkerrechtsfreundliche Auslegung gebe für ein entsprechend weites Klagerecht<br />

ebenfalls nichts her. Denn nach ständiger Rechtsprechung <strong>des</strong> BVerfG dürfe richterliche<br />

Rechtsfortbildung nicht dazu führen, dass die Gerichte ihre eigene materielle<br />

Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen <strong>des</strong> Gesetzgebers setzen;<br />

die Aufgabe der Rechtsprechung beschränke sich vielmehr darauf, <strong>den</strong> <strong>vom</strong> Gesetzgeber<br />

festgelegten Sinn und Zweck eines Gesetzes unter gewandelten Bedingungen<br />

möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen <strong>oder</strong> eine planwidrige<br />

Regelungslücke mit <strong>den</strong> anerkannten Auslegungsmetho<strong>den</strong> zu füllen 24 . Insofern<br />

habe der Gesetzgeber aber erst jüngst durch die Novellierung <strong>des</strong> Umweltrechtsbehelfsgesetzes<br />

per Gesetz <strong>vom</strong> 21. 1. <strong>2013</strong> 25 nochmals das grundlegende<br />

Festhalten an der Schutznormtheorie und eine eher restriktive Handhabung von<br />

Verbandsklagerechten zum Ausdruck gebracht; hierüber könne sich der Richter<br />

nicht einfach hinwegsetzen 26 .<br />

Als Zwischenfazit ist daher zunächst festzuhalten, dass an der fehlen<strong>den</strong> unmittelbaren<br />

Anwendbarkeit von Art. 9 III AK kein Zweifel bestehen kann. Die Bestimmung<br />

ist ersichtlich auf nähere Ausgestaltung durch <strong>den</strong> innerstaatlichen<br />

Normgeber ausgerichtet 27 . Des Weiteren respektiert die Aarhus-Konvention das<br />

jeweilige innerstaatliche Prozessrecht. So wer<strong>den</strong> insbesondere in Art. 9 II AK die<br />

Interessenten- und die Rechtsverletztenklage gleichwertig nebeneinandergestellt.<br />

Zutreffend ist andererseits freilich auch, dass die Aarhus-Konvention das Ziel verfolgt,<br />

der Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Aus-<br />

22 OVG Koblenz, NVwZ <strong>2013</strong>, 881 (882), mit Verweis auf <strong>BVerwG</strong>, NVwZ 2011, 752<br />

(Rdnr. 9) und OVG Münster, NuR 2012, 722 (729) = BeckRS 2012, 5573<strong>5.</strong><br />

23 OVG Koblenz, NVwZ <strong>2013</strong>, 881 (882), mit Verweis auf Schink, DÖV 2012, 622 (629).<br />

24 OVG Koblenz, NVwZ <strong>2013</strong>, 881 (883), mit Verweis auf BVerfG, NJW 2012, 3081 (3085).<br />

25 BGBl. I <strong>2013</strong> S. 9<strong>5.</strong><br />

26 OVG Koblenz, NVwZ <strong>2013</strong>, 881 (883); offen lassend OVG Lüneburg, ZUR <strong>2013</strong>, 627<br />

(629).<br />

27 So bereits Seelig/Gündling, NVwZ 2002, 1033 (1040).<br />

<strong>BVerwG</strong> 0<strong>5.</strong>0<strong>9.</strong><strong>2013</strong>


RAe Füßer & Kollegen Seite 6 von 14<br />

weislich der Präambel der Aarhus-Konvention sollen sowohl für <strong>den</strong> einzelnen<br />

Bürger als auch für Nichtregierungsorganisationen die notwendigen Rahmenbedingungen<br />

geschaffen wer<strong>den</strong>, damit diese ihre Interessen und Rechte an einer<br />

gesun<strong>den</strong> Umwelt durchsetzen und darüber hinaus auf einen verbesserten Schutz<br />

der Umwelt im Sinne einer zukunftsorientierten Vorsorge hinwirken können. Eine<br />

Pflicht zur Einführung einer Popularklage in Umweltangelegenheiten folgt daraus<br />

in<strong>des</strong> nicht 28 . Vielmehr genügt es, wenn – wie auch aus Art. 1 AK deutlich<br />

wird – die Vertragsstaaten <strong>den</strong> Einzelnen in die Lage versetzen, sein Recht auf<br />

ein Leben in einer seiner Gesundheit und seinem Wohlbefin<strong>den</strong> zuträglichen Umwelt<br />

gerichtlich durchzusetzen 29 . Als Min<strong>des</strong>tvoraussetzung für Individualklagen<br />

wird man daher auch im Anwendungsbereich der Aarhus-Konvention voraussetzen<br />

können, dass der Kläger über ein <strong>vom</strong> Schutzzweck der jeweiligen Bestimmung<br />

gedecktes, individualisierbares Interesse an der Einhaltung der Bestimmung<br />

verfügt 30 .<br />

Anders sieht dies im Hinblick auf Verbandsklagerechte aus. <strong>Das</strong> weitere Ziel der<br />

Aarhus-Konvention, der Öffentlichkeit Mittel an die Hand zu geben, um das –<br />

objektive – Recht insgesamt durchzusetzen und bestehende Vollzugsdefizite abzubauen<br />

(vgl. 18. Erwägungsgrund der Aarhus-Konvention), schlägt hier stärker<br />

durch. Hintergrund ist, dass diese, letztlich auf die Durchsetzung öffentlicher Interessen<br />

hinauslaufende Kontrollfunktion – obgleich zunehmend auch als eine<br />

Aufgabe der Gesellschaft angesehen – eine originär öffentliche Aufgabe darstellt<br />

31 . Die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben bedarf in<strong>des</strong> eines Min<strong>des</strong>tmaßes<br />

an demokratischer Legitimation 32 , wie sie bei Individualklägern naturgemäß<br />

nicht gegeben ist, aber bei Verbän<strong>den</strong> über das Anerkennungserfordernis sichergestellt<br />

wer<strong>den</strong> kann und aktuell mit § 3 UmwRG auch weitgehend sichergestellt<br />

ist 33 . Damit kann <strong>den</strong> anerkannten Verbän<strong>den</strong> ein weiterer Zugang zu Gerichten<br />

eröffnet wer<strong>den</strong> als dem Einzelnen. Die Gefahr von Missbräuchen – schließlich<br />

ist jede Klage mit privaten Drittbetroffenen schon wegen <strong>des</strong> damit verbun<strong>den</strong>en<br />

Verzögerungseffektes grundrechtsrelevant (insbesondere Art. 14 I GG mit Blick<br />

auf die Ausnutzung einer erteilten Genehmigung) – besteht mithin bei Verbandsklagen<br />

weit weniger. Nur so vermag die Durchsetzung <strong>des</strong> objektiven Rechts<br />

28 Lau, Die Kontrolle <strong>des</strong> Schutzes von Natur und Landschaft in der Bauleitplanung, 2012,<br />

S. 183 f.<br />

29 Schrödter, NVwZ 2009, 157 (158); vgl. auch OVG Koblenz, DVBl 2009, 390 (393) =<br />

BeckRS 2009, 31451; VG Karlsruhe, ZUR 2007, 264 (265).<br />

30 So auch die Voraussetzungen für Klagen einzelner auf Unionsebene, vgl. EuGH, Slg. 1963,<br />

215 (238) – Plaumann.<br />

31 Fliegauf, NVwZ 1991, 748 (749); vgl. auch Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG,<br />

7. Aufl. 2008, § 1 Rdnr. 26<strong>5.</strong><br />

32 Breuer, NJW 1978, 1558 (1562 f.); Fliegauf, NVwZ 1991, 748 (750).<br />

33 Lau, Die Kontrolle <strong>des</strong> Schutzes von Natur und Landschaft in der Bauleitplanung, 2012,<br />

S. 200.<br />

<strong>BVerwG</strong> 0<strong>5.</strong>0<strong>9.</strong><strong>2013</strong>


RAe Füßer & Kollegen Seite 7 von 14<br />

durch Klagemöglichkeiten Privater auch ihr demokratisches Element vollständig<br />

zur Geltung zu bringen.<br />

Gleichwohl folgt daraus nicht, dass <strong>den</strong> innerstaatlich anerkannten Umweltverbän<strong>den</strong><br />

in Umweltangelegenheiten ein unbeschränktes Klagerecht zugestan<strong>den</strong><br />

wer<strong>den</strong> muss. Dann wäre schon nicht einsichtig, weshalb Art. 9 II AK <strong>den</strong> Nichtregierungsorganisationen<br />

je<strong>den</strong>falls hinsichtlich der in Art. 6 AK genannten Handlungen<br />

ein Klagerecht – gewissermaßen als Min<strong>des</strong>tstandard – sichert, wenn<br />

gemäß Art. 9 III AK die Nichtregierungsorganisationen ohnehin befugt wären,<br />

schrankenlos die Gerichte anzurufen. Insofern kann auch nicht darauf verwiesen<br />

wer<strong>den</strong>, dass sich Art. 9 III AK nur auf die Durchsetzung umweltbezogener<br />

Rechtsvorschriften erstrecke, während Art. 9 II AK ein <strong>vom</strong> Umweltrecht losgelöstes<br />

Beanstandungsrecht gewähre; <strong>den</strong>n die Aarhus-Konvention betrifft ausweislich<br />

ihres Art. 1 überhaupt nur das Umweltrecht, so dass auch Art. 9 II AK<br />

lediglich Umweltangelegenheiten erfasst 34 .<br />

Der deutsche Gesetzgeber hat nun aber Art. 9 III AK eher restriktiv umgesetzt,<br />

nämlich in dem Sinne, dass er mit der Implementierung <strong>des</strong> Art. 9 II AK und mit<br />

<strong>den</strong> darüber hinausgehen<strong>den</strong> altruistischen Verbandsklagerechten nach<br />

§ 64 BNatSchG und § 11 II USchadG offenbar angenommen hat, <strong>den</strong> Min<strong>des</strong>tverpflichtungen<br />

aus Art. 9 III AK gerecht zu wer<strong>den</strong>. Dies ist bei der jüngsten<br />

Novellierung <strong>des</strong> Umweltrechtsbehelfsgesetzes nochmals deutlich gewor<strong>den</strong>.<br />

Angesichts der spätestens seit dem <strong>Urteil</strong> <strong>des</strong> EuGH zum slowakischen Braunbären<br />

angeregt geführten öffentlichen Debatte zu Umfang und Reichweite von<br />

Art. 9 III AK wäre es eine Unterstellung anzunehmen, der Gesetzgeber hätte bei<br />

seinen Überlegungen im Rahmen dieser Neuregelung Art. 9 III AK völlig ausgeblendet<br />

35 . Angesichts dieses Befun<strong>des</strong> kann, selbst wenn die Umsetzung <strong>des</strong><br />

Art. 9 III AK in deutsches Recht defizitär sein sollte, weil Art. 9 III AK mehr verlangt<br />

als nur die Umsetzung von Art. 9 II AK und das Vorhalten einzelner sonstiger<br />

altruistischer Klagerechte, wie sie in § 64 BNatSchG und § 11 II USchadG<br />

verankert sind, weder im Wege der Auslegung noch über eine Analogiebildung<br />

<strong>oder</strong> teleologische Reduktion das geltende innerstaatliche Recht korrigiert wer<strong>den</strong>.<br />

Es bliebe allenfalls noch der Weg über <strong>den</strong> Anwendungsvorrang <strong>des</strong> Unionsrechts<br />

im Hinblick auf die europarechtlich intendierten Rechtsvorschriften zum<br />

Schutz der Umwelt 36 . Dies setzt allerdings voraus, dass <strong>den</strong> betreffen<strong>den</strong> unionsrechtlichen<br />

Bestimmungen hinreichend deutlich entnommen wer<strong>den</strong> kann, in<br />

welchem Umfang sie von bestimmten Teilen der Öffentlichkeit auch gerichtlich<br />

durchgesetzt wer<strong>den</strong> können sollen.<br />

34 Fellenberg/Schiller, UPR 2011, 321 (325); Schink, DVBl 2012, 197 (199 f.).<br />

35 So aber Klinger, NVwZ <strong>2013</strong>, 850 (852).<br />

36 Hierzu Demleitner, NVwZ 2009, 1525 ff.<br />

<strong>BVerwG</strong> 0<strong>5.</strong>0<strong>9.</strong><strong>2013</strong>


RAe Füßer & Kollegen Seite 8 von 14<br />

III. <strong>Urteil</strong> <strong>des</strong> <strong>BVerwG</strong> <strong>vom</strong> <strong>5.</strong> <strong>9.</strong> <strong>2013</strong><br />

Mit <strong>Urteil</strong> <strong>vom</strong> <strong>5.</strong> <strong>9.</strong> <strong>2013</strong> hat das <strong>BVerwG</strong> über die Sprungrevision <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong><br />

Hessen gegen das <strong>Urteil</strong> <strong>des</strong> VG Wiesba<strong>den</strong> <strong>vom</strong> 16. 8. 2012 entschie<strong>den</strong>. <strong>Das</strong><br />

VG Wiesba<strong>den</strong> hatte in diesem <strong>Urteil</strong> der Klage eines nach § 3 UmwRG anerkannten<br />

Umweltverban<strong>des</strong> auf Verpflichtung <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Hessen stattgegeben,<br />

<strong>den</strong> für die Stadt Darmstadt gelten<strong>den</strong> Luftreinhalteplan – u.a. durch Einführen<br />

einer Umweltzone – so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur<br />

schnellstmöglichen Einhaltung <strong>des</strong> über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes<br />

für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet enthält 37 . Die erforderliche<br />

Klagebefugnis generierte das VG Wiesba<strong>den</strong> dabei direkt aus<br />

Art. 9 III AK unter Berufung auf das <strong>Urteil</strong> <strong>des</strong> EuGH <strong>vom</strong> 18. 3. 2011 zum slowakischen<br />

Braunbären.<br />

<strong>Das</strong> <strong>BVerwG</strong> hat demgegenüber mit seinem <strong>Urteil</strong> <strong>vom</strong> <strong>5.</strong> <strong>9.</strong> <strong>2013</strong> zunächst<br />

festgehalten, dass § 42 II Hs. 1 VwGO keine im Sinne der Rechtsprechung <strong>des</strong><br />

EuGH zum slowakischen Braunbären auslegungsfähige Norm ist, sondern lediglich<br />

eine Vorbehalts- bzw. Öffnungsklausel enthält, die durch Entscheidung <strong>des</strong><br />

zuständigen Normgebers umgesetzt wer<strong>den</strong> muss 38 . Ausweislich der Denkschrift<br />

zur Ratifizierung der Aarhus-Konvention habe der deutsche Gesetzgeber hinsichtlich<br />

der Verpflichtungen aus Art. 9 III AK keinen Änderungsbedarf im innerstaatlichen<br />

Recht gesehen 39 , was er durch die jüngste Novelle <strong>des</strong> Umweltrechtsbehelfsgesetzes<br />

nochmals bestätigt habe. Eine andere Sichtweise ergebe sich auch<br />

nicht aus <strong>den</strong> für das Verständnis der Aarhus-Konvention sehr bedeutsamen<br />

Empfehlungen <strong>des</strong> Compliance Committee. Danach stehe zwar das „Ob“ einer<br />

umweltrechtlichen Verbandsklage durch das Abkommen fest, die Vertragsstaaten<br />

behielten aber einen nicht unerheblichen Ausgestaltungsspielraum hinsichtlich<br />

<strong>des</strong> „Wie“ 40 . Auch das Unionsrecht fordere keine Auslegung contra legem im<br />

Sinne einer methodisch unzulässigen richterlichen Rechtsfindung 41 . Im Übrigen<br />

könne eine wegen ihrer Unbestimmtheit nicht unmittelbar anwendbare Bestimmung<br />

nicht Anknüpfungspunkt einer Auslegung sein, die diese Norm der Sache<br />

nach anwendbar macht; eine solche Argumentation wäre zirkulär 42 . Demnach ist<br />

Art. 9 III AK auch nach Ansicht <strong>des</strong> <strong>BVerwG</strong> selbst unter Rekurs auf die Intention<br />

der Aarhus-Konvention und der Empfehlungen <strong>des</strong> Compliance Committee<br />

37 VG Wiesba<strong>den</strong>, BeckRS 2012, 55841.<br />

38 <strong>BVerwG</strong>, BeckRS <strong>2013</strong>, 58242 (Rdnr. 26).<br />

39 Vgl. BT-Drs. 16/2497, S. 42 u. 46.<br />

40 <strong>BVerwG</strong>, BeckRS <strong>2013</strong>, 58242 (Rdnr. 33-35).<br />

41 <strong>BVerwG</strong>, BeckRS <strong>2013</strong>, 58242 (Rdnr. 36).<br />

42 <strong>BVerwG</strong>, BeckRS <strong>2013</strong>, 58242 (Rdnr. 37) mit Verweis auf Seibert, NVwZ <strong>2013</strong>, 1040<br />

(1042 f.).<br />

<strong>BVerwG</strong> 0<strong>5.</strong>0<strong>9.</strong><strong>2013</strong>


RAe Füßer & Kollegen Seite 9 von 14<br />

nicht dahingehend zu verstehen, dass <strong>den</strong> Umweltverbän<strong>den</strong>, einmal innerstaatlich<br />

anerkannt, hinsichtlich aller Verfahren mit Bezug zu umweltrechtlichen Vorschriften<br />

innerstaatlich ein Klagerecht zugestan<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> muss.<br />

Im Ergebnis hat das <strong>BVerwG</strong> das mit der Sprungrevision angegriffene <strong>Urteil</strong> <strong>des</strong><br />

VG Wiesba<strong>den</strong> gleichwohl unbeanstandet gelassen. Der Kläger sei nämlich je<strong>den</strong>falls<br />

nach § 42 II Hs. 2 VwGO i.V.m. § 47 I BImSchG klagebefugt. <strong>Das</strong> dem<br />

Kläger insoweit zukommende Klagerecht knüpfe an dem von § 47 I BImSchG bezweckten<br />

Schutz der menschlichen Gesundheit und damit an ein Klagerecht für<br />

die von <strong>den</strong> in Rede stehen<strong>den</strong> Immissionsgrenzwertüberschreitungen unmittelbar<br />

betroffenen natürlichen Personen an. Aus dem <strong>Urteil</strong> <strong>des</strong> EuGH <strong>vom</strong><br />

2<strong>5.</strong> 7. 2008 ergebe sich, dass gegen eine Grenzwertüberschreitung in<strong>des</strong> nicht<br />

nur die unmittelbar betroffenen natürlichen Personen, sondern auch „unmittelbar<br />

betroffene“ juristische Personen gerichtlich vorgehen können müssen 43 . Die zur<br />

Klage befähigende Betroffenheit werde insoweit letztlich durch <strong>den</strong> räumlichen<br />

Bezug zum Wirkungsbereich der Immissionen bestimmt, somit folge aus der Janecek-Rechtsprechung<br />

<strong>des</strong> EuGH, dass sich die an sich nicht betroffenheitsfähigen<br />

juristischen Personen gewissermaßen ein frem<strong>des</strong> Interesse zum eigenen Anliegen<br />

machen dürfen, etwa die dort ansässigen Unternehmen die Gesundheit ihrer<br />

Mitarbeiter verteidigen 44 . Damit komme die von Anfang an im Unionsrecht erkennbare<br />

Ten<strong>den</strong>z zum Ausdruck, durch eine großzügige Anerkennung subjektiver<br />

Rechte <strong>den</strong> Bürger auch für die dezentrale Durchsetzung <strong>des</strong> Unionsrechts zu<br />

mobilisieren, so dass der Bürger über die Verteidigung eigener Rechte zugleich –<br />

bezogen auf das objektive Interesse an einer Sicherung und praktischen Wirksamkeit<br />

und der Einhaltung <strong>des</strong> Unionsrechts – eine „prokuratorische“ Rechtsstellung<br />

innehabe, die im Einzelfall auch einmal in <strong>den</strong> Vordergrund rücken könne<br />

45 . Ein solches, betroffenheitsakzessorisches eigenes Recht sei es dann auch,<br />

welches die anerkannten Umweltverbände in diesem Zusammenhang zur Klage<br />

befähige. Zwar sei – in Abgrenzung zur Popularklage – Träger entsprechender<br />

materieller subjektiver Rechte nur, wer nicht lediglich Teil der allgemeinen Öffentlichkeit,<br />

sondern der „betroffenen Öffentlichkeit“ ist, doch gehörten die innerstaatlich<br />

anerkannten Umweltverbände gemäß Art. 2 Nr. 5 AK schon per definitionem<br />

zur betroffenen Öffentlichkeit 46 .<br />

43 EuGH, Slg. 2008, I-6221 (Rdnr. 39 u. 42) = NVwZ 2008, 954 – Janecek.<br />

44 <strong>BVerwG</strong>, BeckRS <strong>2013</strong>, 58242 (Rdnr. 45) mit Verweis auf Ziekow, NVwZ 2010, 793<br />

(794).<br />

45 <strong>BVerwG</strong>, BeckRS <strong>2013</strong>, 58242 (Rdnr. 46).<br />

46 <strong>BVerwG</strong>, BeckRS <strong>2013</strong>, 58242 (Rdnr. 49).<br />

<strong>BVerwG</strong> 0<strong>5.</strong>0<strong>9.</strong><strong>2013</strong>


RAe Füßer & Kollegen Seite 10 von 14<br />

IV.<br />

Anmerkungen zum <strong>Urteil</strong><br />

Während dem ersten Teil <strong>des</strong> <strong>Urteil</strong>s <strong>des</strong> <strong>BVerwG</strong> uneingeschränkt zugestimmt<br />

wer<strong>den</strong> kann, wirft der zweite Teil, in dem das Gericht ein „prokuratorisches“<br />

Klagerecht anerkannter Umweltverbände entwickelt, Fragen auf. Ausgangspunkt<br />

war insoweit die Janecek-Rechtsprechung <strong>des</strong> EuGH, insbesondere der Satz:<br />

„Daraus folgt, dass natürliche <strong>oder</strong> juristische Personen, die unmittelbar von<br />

der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte <strong>oder</strong> der Alarmschwellen betroffen<br />

sind, bei <strong>den</strong> zuständigen Behör<strong>den</strong> – gegebenenfalls unter Anrufung<br />

der zuständigen Gerichte – einwirken können müssen, dass beim Vorliegen<br />

einer solchen Gefahr ein Aktionsplan erstellt wird.“ 47<br />

Der EuGH äußerte sich hier also explizit zum Zugang zu Gerichten und bezog dabei<br />

auch die „unmittelbar betroffenen“ juristischen Personen mit ein. Inwieweit<br />

eine juristische Person in<strong>des</strong> von einer Gesundheitsgefahr unmittelbar betroffen<br />

sein kann, erläutert er nicht. Dabei wäre diese Aussage, wenn sie sich explizit<br />

auch auf das in Deutschland herrschende Rechtsschutzsystem beziehen sollte, in<br />

höchstem Maße erläuterungsbedürftig gewesen; <strong>den</strong>n der im Übrigen auch<br />

grundrechtlich verbürgte Schutz der menschlichen Gesundheit lässt sich selbst<br />

nur dem Wesen nach nicht auf juristische Personen anwen<strong>den</strong> 48 . Unter der Prämisse,<br />

der EuGH habe insoweit gerade auch für das deutsche Rechtsschutzsystem<br />

eine Aussage treffen wollen, bleibt daher in der Tat nur die Anknüpfung an<br />

unmittelbar betroffene natürliche Personen, die in einem gewissen Näheverhältnis<br />

zur klagen<strong>den</strong> juristischen Person stehen.<br />

Es ist aber unverkennbar, dass der EuGH bemüht ist, <strong>den</strong> Kreis der Klageberechtigten<br />

nicht zu weit ausfallen zu lassen. So sollen ausweislich der oben zitierten<br />

<strong>Urteil</strong>spassage nur diejenigen natürlichen <strong>oder</strong> juristischen Personen klagebefugt<br />

sein, die „unmittelbar von der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte <strong>oder</strong><br />

der Alarmschwellen betroffen sind“. Daher liegt es nicht gerade nahe, auch <strong>den</strong><br />

anerkannten Umweltverbän<strong>den</strong> ein entsprechen<strong>des</strong> Klagerecht zuzusprechen.<br />

Art. 2 Nr. 5 AK zwingt hierzu ebenfalls nicht. Diese Bestimmung definiert <strong>den</strong><br />

Begriff der betroffenen Öffentlichkeit als die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren<br />

betroffene <strong>oder</strong> wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit <strong>oder</strong> die<br />

Öffentlichkeit mit einem Interesse daran, wobei Nichtregierungsorganisationen,<br />

die sich für <strong>den</strong> Umweltschutz einsetzten und alle nach innerstaatlichem Recht<br />

gelten<strong>den</strong> Voraussetzungen erfüllen, – kraft Fiktion – ein Interesse im Sinne dieser<br />

Begriffsbestimmung haben. Der EuGH hat demgegenüber aber gerade nicht<br />

jegliche Betroffenheit gelten lassen, sonder hebt – zu Recht – auf eine unmittelbare<br />

Betroffenheit ab. <strong>Das</strong> macht einen Unterschied.<br />

47 EuGH, Slg. 2008, I-6221 (Rdnr. 39) = NVwZ 2008, 954 – Janecek.<br />

48 vgl. Sachs, in: ders., GG, 6. Aufl. 2011, Art. 19 Rdnr. 68.<br />

<strong>BVerwG</strong> 0<strong>5.</strong>0<strong>9.</strong><strong>2013</strong>


RAe Füßer & Kollegen Seite 11 von 14<br />

Da nun aber das <strong>BVerwG</strong> – zumin<strong>des</strong>t der 7. Senat – ein entsprechend weites<br />

„prokuratorisches“ Klagerecht angenommen hat, stellt sich die Frage, wem (1.)<br />

und in Bezug worauf (2.) ein solches Klagerecht zustehen soll.<br />

1. Kreis der „prokuratorisch“ Klageberechtigten<br />

Explizit zugestan<strong>den</strong> hat das <strong>BVerwG</strong> ein solches „prokuratorisches“ Klagerecht<br />

mit <strong>Urteil</strong> <strong>vom</strong> <strong>5.</strong> <strong>9.</strong> <strong>2013</strong> nur <strong>den</strong> nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltverbän<strong>den</strong>.<br />

Darüber hinaus gibt es zu erkennen, dass ein entsprechen<strong>des</strong> Klagerecht<br />

wohl auch <strong>den</strong> im Wirkungsbereich schädlicher Immissionen ansässigen Unternehmen<br />

in Bezug auf die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zugestan<strong>den</strong> wer<strong>den</strong><br />

muss 49 . Gleiches könnte aber auch für die Wasser- und Bo<strong>den</strong>verbände, die<br />

Jagd- und Waldgenossenschaften gelten 50 . Nicht zuletzt stellt sich die Frage, ob<br />

sich nicht fortan auch die Gemein<strong>den</strong> auf ein solches „prokuratorisches“ Klagerecht<br />

berufen können. Bislang entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass sich<br />

die Gemein<strong>den</strong> nur möglicher Eingriffe in ihr Selbstverwaltungsrecht <strong>oder</strong> in ihr –<br />

dann bloß zivilrechtlich geschütztes – Eigentum gerichtlich erwehren, nicht aber<br />

auch gleichsam stellvertretend für ihre Einwohner deren Rechte geltend machen<br />

könne; vielmehr haben Letztere selbst um Rechtsschutz nachzusuchen 51 .<br />

Ob diese Rechtsprechung mit dem <strong>Urteil</strong> <strong>des</strong> <strong>BVerwG</strong> <strong>vom</strong> <strong>5.</strong> <strong>9.</strong> <strong>2013</strong> Makulatur<br />

gewor<strong>den</strong> ist, bleibt offen. Gesteht man in<strong>des</strong> <strong>den</strong> anerkannten Umweltverbän<strong>den</strong><br />

die fürsorgliche Wahrnehmung von Rechten Dritter zu, so liegt es an sich<br />

nahe, <strong>den</strong> der Sache nach noch weit eher zur Fürsorge für ihre Einwohner berufenen<br />

und im Übrigen auch besser demokratisch legitimierten Gemein<strong>den</strong> Gleiches<br />

angedeihen zu lassen. Entschei<strong>den</strong>d dagegen – übrigens auch was eventuelle<br />

„prokuartorische“ Klagerechte der Wasser- und Bo<strong>den</strong>verbände sowie der<br />

Jagd- und Waldgenossenschaften angeht – spricht jedoch, dass das <strong>BVerwG</strong><br />

dieses „prokuratorische“ Klagerecht anerkannter Umweltverbände letztlich aus<br />

Art. 2 Nr. 5 AK gewinnt, welcher die innerstaatlich anerkannten Umweltverbände<br />

kraft normativer Fiktion in <strong>den</strong> Stand der betroffenen Öffentlichkeit hebt. Diese<br />

Regelung ist insoweit anders als Art. 9 III AK auch hinreichend bestimmt und<br />

nicht auf weitere Ausgestaltung durch die Vertragsstaaten angelegt, so dass sie<br />

unmittelbar angewendet wer<strong>den</strong> kann und aufgrund <strong>des</strong> Aarhus-<br />

Vertragsgesetzes in Deutschland auch angewendet wer<strong>den</strong> muss. Hinsichtlich<br />

der Gemein<strong>den</strong> sowie sonstiger öffentlich-rechtlicher Zusammenschlüsse fehlt es<br />

hingegen an einer vergleichbaren Regelung. Dies mag man für nicht sachgemäß<br />

erachten, ist aber die geltende Rechtslage. Durchgreifende Be<strong>den</strong>ken mit Blick<br />

auf Art. 3 I GG bestehen insoweit mit Blick auf die international herausgehobene<br />

49 <strong>BVerwG</strong>, BeckRS <strong>2013</strong>, 58242 (Rdnr. 45).<br />

50 Hinsichtlich Letzteren mit Blick auf <strong>den</strong> Eigentumsschutz in diese Richtung <strong>BVerwG</strong>, NVwZ<br />

<strong>2013</strong>, 1605 (Rdnr. 22).<br />

51 Siehe nur <strong>BVerwG</strong>, NVwZ 1990, 464 (465).<br />

<strong>BVerwG</strong> 0<strong>5.</strong>0<strong>9.</strong><strong>2013</strong>


RAe Füßer & Kollegen Seite 12 von 14<br />

Rolle der Umweltverbände, wie sie insbesondere <strong>den</strong> Gemein<strong>den</strong> gerade nicht<br />

beigemessen wird, ebenfalls nicht. Art. 2 Nr. 5 AK soll dazu beitragen, dass die<br />

Durchsetzung <strong>des</strong> objektiven Umweltrechts verstärkt auch zu einer gesellschaftlichen<br />

Aufgabe wird.<br />

2. Taugliche Klagegegenstände<br />

Fraglich ist <strong>des</strong> Weiteren, in welchen Bereichen bzw. in Bezug auf welche<br />

Rechtsvorschriften diese „prokuratorische“ Klage zur Anwendung gelangen soll.<br />

Explizit bejaht wor<strong>den</strong> ist dies <strong>vom</strong> <strong>BVerwG</strong> mit <strong>Urteil</strong> <strong>vom</strong> <strong>5.</strong> <strong>9.</strong> <strong>2013</strong> für das<br />

europäisch unterlegte Immissionsschutzrecht. Da das <strong>BVerwG</strong> im konkret entschie<strong>den</strong>en<br />

Fall die Klagebefugnis gerade nicht aus dem Prozessrecht, sondern<br />

aus dem materiellen Recht abgeleitet hat, insoweit eben die Rede von einer<br />

„prokuratorischen“ Klage gewesen ist, können letztlich über die altruistischen<br />

Rechtsbehelfe nach § 64 BNatSchG, § 2 UmwRG und § 11 II USchadG hinaus<br />

nur solche Rechtsverstöße gerichtlich geltend gemacht wer<strong>den</strong>, die Rechte Einzelner<br />

verletzen bzw. hinsichtlich derer zumin<strong>des</strong>t eine <strong>vom</strong> Schutzzweck der<br />

Norm umfasste unmittelbare individuelle Betroffenheit angenommen wer<strong>den</strong><br />

kann. Vorschriften insbesondere <strong>des</strong> Naturschutzrechts können daher auch nach<br />

dem <strong>Urteil</strong> <strong>des</strong> <strong>BVerwG</strong> <strong>vom</strong> <strong>5.</strong> <strong>9.</strong> <strong>2013</strong> über die vorgenannten Rechtsbehelfe<br />

nach § 64 BNatSchG, § 2 UmwRG und § 11 II UschadG hinaus nicht vor <strong>den</strong><br />

Gerichten von <strong>den</strong> anerkannten Umweltverbän<strong>den</strong> verteidigt wer<strong>den</strong>. Anderes<br />

ergibt sich auch nicht etwa aus Art. 6 III der FFH-Richtlinie, wonach bei der<br />

Durchführung der FFH-Verträglichkeitsprüfung gegebenenfalls die Öffentlichkeit<br />

zu beteiligen ist; <strong>den</strong>n dort ist – unabhängig von dem „gegebenenfalls“ – nur von<br />

der Öffentlichkeit, nicht aber von der betroffenen Öffentlichkeit die Rede. Außerdem<br />

ist nicht ersichtlich, wie der Kreis der Kläger insoweit individualisiert wer<strong>den</strong><br />

soll, außer man fingiert eine entsprechende Betroffenheit.<br />

Im Übrigen ist das <strong>Urteil</strong> <strong>des</strong> <strong>BVerwG</strong> <strong>vom</strong> <strong>5.</strong> <strong>9.</strong> <strong>2013</strong> im Kontext der Rechtsprechung<br />

<strong>des</strong> EuGH zum slowakischen Braunbären zu sehen. Wie oben dargestellt,<br />

ging es darin um eine effektive Rechtsdurchsetzung <strong>des</strong> europäischen<br />

Umweltrechts auf mitgliedstaatlicher Ebene im Lichte <strong>des</strong> Art. 9 III AK. Da die<br />

<strong>vom</strong> <strong>BVerwG</strong> entwickelte „prokuratorische“ Klage einen Fremdkörper im deutschen<br />

Rechtsschutzsystem darstellt, hätte es doch etwas deutlicherer Ausführungen<br />

bedurft, wenn das <strong>BVerwG</strong> diese Klage tatsächlich über <strong>den</strong> unionsrechtlich<br />

intendierten Bereich <strong>des</strong> Umweltrechts hinaus als neues gängiges Modell für<br />

<strong>den</strong> deutschen Verwaltungsprozess hätte verstan<strong>den</strong> wissen wollen. Somit wird<br />

man auf diese Rechtsprechung nur dann zurückgreifen können, wenn es um die<br />

gerichtliche Durchsetzung von Bestimmungen <strong>des</strong> auf Unionsrecht zurückgehen<strong>den</strong><br />

Umweltrechts geht, <strong>den</strong>en das europäische Recht zudem die Möglichkeit individueller<br />

unmittelbarer Betroffenheiten beimisst. Hinsichtlich aller sonstigen,<br />

insbesondere rein nationalen Rechtsvorschriften bleibt es bei der Schutznormtheorie<br />

in ihrer bisherigen Gestalt.<br />

<strong>BVerwG</strong> 0<strong>5.</strong>0<strong>9.</strong><strong>2013</strong>


RAe Füßer & Kollegen Seite 13 von 14<br />

V. Fazit<br />

Zusammenfassend kann daher festgehalten wer<strong>den</strong>, dass das <strong>BVerwG</strong> mit <strong>Urteil</strong><br />

<strong>vom</strong> <strong>5.</strong> <strong>9.</strong> <strong>2013</strong> einer ausufern<strong>den</strong> Aufweitung von Verbandsklagerechten im<br />

Umweltrecht unter Berufung auf Art. 9 III AK einen Riegel vorgeschoben hat.<br />

Sollte das deutsche Prozessrecht tatsächlich hinter <strong>den</strong> Anforderungen <strong>des</strong><br />

Art. 9 III AK zurückbleiben – was zweifelhaft ist, immerhin ist der deutsche Gesetzgeber<br />

nicht bei der Umsetzung nur <strong>des</strong> Art. 9 II AK stehen geblieben, sondern<br />

hat noch weitere altruistische Verbandsklagerechte vorgesehen 52 –, müsste<br />

dieses Versäumnis durch <strong>den</strong> Gesetzgeber bereinigt wer<strong>den</strong>, nicht aber ist dies<br />

Sache der Gerichte. Letztlich angestoßen durch die Rechtsprechung <strong>des</strong> EuGH<br />

zum slowakischen Braunbären hat es das <strong>BVerwG</strong> in<strong>des</strong> nicht bei dieser Feststellung<br />

belassen, sondern im konkreten Fall aus § 47 I BImSchG i.V.m. Art. 2<br />

Nr. 5 AK ein „prokuratorisches“ Klagerecht der nach § 3 UmwRG anerkannten<br />

Umweltverbände entwickelt. Dieses stellt mit Blick auf das tradierte deutsche<br />

Prozessrecht einen Fremdkörper dar. Umfang und Reichweite dieses<br />

„prokuratorischen“ Klagerechts bleiben über <strong>den</strong> konkret entschie<strong>den</strong>en Einfall<br />

hinaus daher weitgehend unklar. Es spricht in<strong>des</strong> vieles dafür, dieses Klagerecht<br />

personell auf gesellschaftliche Vereinigungen, nicht also auf die Gemein<strong>den</strong> sowie<br />

diverse öffentlich-rechtliche Verbände, und inhaltlich auf unmittelbare individuelle<br />

Betroffenheiten begrün<strong>den</strong>de Vorschriften <strong>des</strong> europäisch intendierten<br />

Umweltrechts zu beschränken.<br />

Ob diese „Stellvertreterklage“ wirklich der Königsweg gewesen ist, darf zudem<br />

bezweifelt wer<strong>den</strong>. Auch ist keineswegs gewiss, dass die Formulierung „natürliche<br />

<strong>oder</strong> juristische Personen“ im <strong>Urteil</strong> <strong>des</strong> EuGH <strong>vom</strong> 2<strong>5.</strong> 7. 2008, auf die sich<br />

das <strong>BVerwG</strong> maßgeblich stützt, meint, dass zwingend immer auch „betroffene“<br />

juristische Personen klagebefugt sein müssen <strong>oder</strong> dies hier nur so allgemein gefasst<br />

wurde, um auch eine Aussage für Mitgliedstaaten mit anderer prozessrechtlicher<br />

Tradition (z.B. Frankreich) zu treffen, es letztlich aber allein darauf ankommt,<br />

dass – im konkreten Fall – die betroffenen Menschen nicht schutzlos dastehen.<br />

Insofern hat das <strong>BVerwG</strong> am Ende dann doch eine Entscheidung getroffen,<br />

die über die Intention <strong>des</strong> deutschen Gesetzgebers hinausgeht und bemüht<br />

ist, <strong>den</strong> anerkannten Umweltverbän<strong>den</strong> im Lichte <strong>des</strong> Art. 9 III AK ein über <strong>den</strong><br />

gesetzlichen status quo hinausreichen<strong>des</strong> Klagerecht zuzubilligen. Da hierbei<br />

maßgeblich auf europäisches Recht und die insoweit nicht gänzlich eindeutige<br />

Rechtsprechung <strong>des</strong> EuGH rekurriert wurde, hätte es mithin näher gelegen, die<br />

Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen. Zugleich hätte dies dem<br />

EuGH Gelegenheit geboten, seine letztlich kryptisch gebliebene Rechtsprechung<br />

zum slowakischen Braunbären zu präzisieren. Mit Blick auf die Auswirkungen und<br />

52 Vgl. VG Neustadt (Weinstraße), Beschl. v. 2<strong>9.</strong> 1. <strong>2013</strong> – 5 L 48/13.NW, S. 11 (unveröff.).<br />

<strong>BVerwG</strong> 0<strong>5.</strong>0<strong>9.</strong><strong>2013</strong>


RAe Füßer & Kollegen Seite 14 von 14<br />

die Tragweite der getroffenen Entscheidung hätte der 7. Senat zumin<strong>des</strong>t gut daran<br />

getan, die Sache gemäß § 11 IV VwGO dem Großen Senat <strong>des</strong> <strong>BVerwG</strong> zur<br />

Entscheidung vorzulegen. Dies alles ist nicht geschehen, so dass weitere Prozesse<br />

vorprogrammiert sind, in <strong>den</strong>en dann ein solches Vorgehen womöglich nachgeholt<br />

wer<strong>den</strong> muss.<br />

<strong>BVerwG</strong> 0<strong>5.</strong>0<strong>9.</strong><strong>2013</strong>

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