Nation - Jens Peter Kutz

• die begriffliche Differenzierung Staatsnation ↔ Kulturnation überschneidet sich in der Realität
→ z.B. konnten die Elsässer als Deutsche gelten, weil sie durch Kultur und Geschichte zur deutschen
Kulturnation gehörten, andererseits konnten sie als Franzosen gelten, weil sie sich dem französischen
Staat zugehörig fühlten
⇒ im Begriff der Nation sind beide Definitionen miteinander verschränkt, weil sich auch ein freiwilliges
Bekenntnis zu einer Nation immer auf bestimmte kulturelle Gemeinsamkeiten stützen muß (→ die Staatsnation
wird immer durch die Kulturnation legitimiert und gefestigt)
• Ende des 18. Jh. wurden zwei unterschiedliche Nationalideen entwickelt:
Frankreich → Abbé Sieyes
subjektiv-politische Staatsnation
Nation als politisch handelndes
Volk, das sich als politisch bewußte
Staatsbürger zu ihr bekannte
Deutschland → Johann Gottlieb Herder
objektiv-kulturelle Kulturnation
Zusammenfassung der Menschen zu einer
Kultur- und Sprachgemeinschaft, die
unabhängig vom Willen des einzelnen ist
• ursprüngliche Bedeutung des Begriffs »Nation«:
→ Natio (von lat. nasci = geboren werden) bezeichnet eine Abstammungsgemeinschaft, d.h. eine Gruppe
von Menschen mit gemeinsamer Herkunft (vgl. die nationes an den europäischen Universitäten des MA)
→ später wurde darunter die Gesamtheit der politisch Handelnden verstanden, die eine Beziehung zur Krone
oder eine ständische Vertretung besaßen = Ständische Nation (vgl. Heiliges Römisches Reich deutscher
Nation [seit 1409]) ⇒ 1789 erfolgte eine Erweiterung dieses Kreises in dem Sinne der revolutionären
Idee von der Nation als dem politisch handelnden Volk (vgl. Abbé Sieyès: »Was ist der Dritte
Stand?«)
⇒ Wandlung des Nationsbegriffs seit der Französischen Revolution dahingehend, daß sich der Kreis der
politisch handelnden Individuen ausdehnte